Читать книгу Perry Rhodan 2991: Die Eismönche von Triton - Leo Lukas - Страница 7
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Zwei vom gleichen Schlag
Sich selbst gegenüberzustehen, und zwar nicht wie in einem Spiegel oder mittels eines Holos, sondern ganz und gar real, war sogar für Perry Rhodan eine neue Erfahrung.
Mit Doppelgängern verschiedener Art hatte er bereits öfter zu tun gehabt. Aber der Mann, der ihm eben die Hand zum Gruß reichte, war keine noch so raffinierte Nachbildung, sondern tatsächlich er selbst.
Rhodan ergriff die Hand, drückte und schüttelte sie. »Ich bin nicht ganz sicher, ob ich die Situation bereits verstanden habe. Doch ich muss zugeben, das ist ein einzigartiger Moment in meiner langen Geschichte.«
»Meine Geschichte ist nur kurz, und umso skurriler ist das alles für mich«, erwiderte sein Ebenbild.
Die Stimme klang exakt wie jene Perry Rhodans, als würde eine Tonaufnahme abgespielt, und ebenso etwas belegt. »Übrigens, vielen Dank für das Geld für mein Schiff, das du mir freundlicherweise vorgestreckt hast.«
Der Rhodan, der die Milchstraße bisher nicht verlassen hatte, wies auf die HOMECOMING hinter sich. Dabei handelte es sich um eine uralte arkonidische Raumjacht, in die ein schlichtes unithisches Not-Transitionstriebwerk eingebaut worden war. Trotzdem hatte der nicht mehr für Interstellarbetrieb ausgelegte Oldtimer gute Dienste geleistet.
»Gehen wir an einen gemütlicheren Ort«, schlug Perry Rhodan vor. »Dort spricht es sich besser.« Er gab sich keine Mühe, seine Befangenheit zu verbergen. »So treffen wir also zusammen ... Ich denke, wir haben einander einiges zu erzählen.«
»Darauf habe ich mich bereits gefreut.«
»Das ging mir ebenso, seit ich von dir erfuhr.«
Simultan lösten sie den Griff und traten je einen halben Schritt zurück. Der Szene haftete etwas Feierliches und zugleich Gespenstisches an.
Perry Rhodan räusperte sich. »Folge mir bitte in einen Besprechungsraum nahe der Hauptleitzentrale. Zwei meiner wichtigsten Mitstreiter erwarten uns dort.«
Der andere Rhodan nickte, dann deutete er auf seine Begleiter, die hinter ihm Aufstellung genommen hatten. »Mein ›Himmelfahrtskommando‹ ...«
»Die Mitglieder deines Teams dürfen die Quartiere aufsuchen, die wir für sie bereitgestellt haben. Auch eure Raumjacht wird bestmöglich versorgt werden.«
»Nichts anderes habe ich erwartet.« Rhodan II drehte sich zu den drei Terranern und dem Gataser um. »Alosha, Gadget, Paaku, Yossü – nochmals Danke für eure wertvolle Hilfe. Genießt die wohlverdiente Erholung!«
Seite an Seite verließen Rhodan und Rhodan den Hangar. Im Gleichschritt, lediglich deswegen ein wenig asynchron, weil einer der beiden leicht hinkte.
*
Man schrieb den 30. Juli 1552 NGZ.
Die RAS TSCHUBAI stand vor Neptun und dem Kunstplaneten Wanderer. Jener präsentierte sich nun wieder, wie von früher bekannt, als eine Scheibe voll idyllischer Landschaften unter einer durchsichtigen Energiekuppel.
Allmählich reagierte Neptuns Atmosphäre auf die Anwesenheit Wanderers, indem sie sich erwärmte. Betrug die Temperatur in der Tiefe der Gashülle, in der ein Druck von 0,1 bar herrschte, normalerweise etwa minus 218 Grad Celsius, lag sie aktuell bei minus 193 Grad, Tendenz weiter steigend.
Ein schlagkräftiger militärischer Verband, befehligt von Oberst Nazanin Boyner, observierte und schützte die Scheibenwelt. Neben Boyners ELAS KOROM-KHAN II zählte der Verband vier weitere 2500-Meter-Ultraschlachtschiffe der JUPITER-Klasse. Außerdem die ELEPHANT & EAGLE und die LION & LAMB, zwei Flottentender des SHELTER-Typs, zehn 1800-Meter-Kugelraumer der SATURN-Klasse, zwanzig Schlachtschiffe der APOLLO-Klasse sowie zahlreiche Schwere und Leichte Kreuzer.
Nicht zu vergessen die MALCOLM SCOTT DAELLIAN, ebenfalls ein Schiff der SATURN-Baureihe, jedoch stark modifiziert. Dass es mit den modernsten hyperphysikalischen Mess- und Ortungsgerätschaften ausgestattet war, zeigte sich an etlichen ungewöhnlichen Aufbauten, und unter anderem auch daran, dass eines der Ringwulstmodule über eine völlig transparente Außenwand verfügte.
Es hätte Perry Rhodan sehr gewundert, würde diesem Spezialraumer und seiner gleichermaßen hoch spezialisierten Besatzung nicht bald wieder eine wichtige Rolle zufallen.
*
Am ovalen Tisch des Besprechungsraums saß, unruhig auf den Hinterbeinen des Stuhls wippend, Atlan da Gonozal.
Neben ihm schwebte, die kurzen Beine untergeschlagen und die Ärmchen vor der Brust verschränkt, Gucky telekinetisch in der Luft. Im Unterschied zu dem Arkoniden, der in eine schlichte Bordkombination gekleidet war, trug er seinen maßgeschneiderten SERUN – als könnte er es nicht erwarten, in den Einsatz zu gehen.
Oder wollte er damit zum Ausdruck bringen, dass er dem anderen Rhodan, der ebenfalls einen Kampfanzug trug, nicht völlig traute?
Nach einem kurzen Austausch von Höflichkeiten begann Perry Rhodan in aller Klarheit: »Lotho Keraetes Schiff, die FLORENCE LAMAR, stellt ein unkalkulierbares Risiko dar. Wir sollten daher alles in unserer Macht Stehende unternehmen, es entweder unserer eigenen Kontrolle zu unterstellen oder außer Gefecht zu setzen.«
»Was nicht ganz einfach sein wird«, sagte Atlan trocken, »in Anbetracht der sehr hochstehenden Technologien, mit denen Keraete operiert.«
Die FLORENCE LAMAR wirkte äußerlich klein und harmlos. Es handelte sich um einen 60-Meter-Kugelraumer mit abgeflachtem unterem Pol, an dem vier Antriebszylinder saßen.
Allerdings bot das Schiff, wie man mittlerweile wusste, weit mehr Raum, als es eigentlich bieten dürfte. Salopp ausgedrückt, war die LAMAR innen deutlich größer als außen.
Bis dato ließ sich ihre waffentechnische Kapazität ebenso wenig einschätzen wie ihr tatsächliches Volumen. Perry Rhodan fürchtete jedoch, dass die terranischen Einheiten, inklusive der RAS TSCHUBAI, Keraetes Schiff im Ernstfall nur schwer Paroli bieten konnten.
»Schon klar«, sagte er, »dass Lotho uns noch einiges aufzulösen geben wird. – Wie auch immer, mein zweites Ziel besteht darin, Adam von Aures zu fassen.«
Rhodan wandte sich an sein anderes Ich: »Kann ich auf deine Hilfe zählen, kleiner Bruder? «
»Grundsätzlich ja, aber nenn mich nicht kleiner Bruder. Ich bin lange genug von Adam manipuliert worden. Lieber Nummer Zwei oder ... vielleicht sogar Perry Rhodan, wie wäre das? So heiße ich schließlich. – Falls ...«
»Ja?«
»Falls ich im Gegenzug damit rechnen kann, dass du mein Primärziel unterstützt. Nämlich, auf Wanderer zurückzukehren und sicherzustellen, dass meine Menschheit in Frieden leben kann. Kann ich umgekehrt damit rechnen, Perry?«
Ihre Blicke trafen sich. Beide Rhodans lächelten.
»Wir verstehen uns«, sagte einer von ihnen.
*
Mit wenigen Sätzen klärten sie die Prioritäten.
Wie Perry Rhodan gehofft hatte, einigten sie sich darauf, dass es zuerst galt, die FLORENCE LAMAR aufzuspüren. Danach würde er seinerseits versuchen, dem anderen Rhodan die Heimkehr nach Wanderer zu ermöglichen.
»Würdest du die LAMAR, falls du die Chance dazu hättest, tatsächlich vernichten?«, fragte Gucky.
»Lieber wäre mir«, wich Perry Rhodan einer Antwort aus, »ich könnte vernünftig mit Lotho Keraete reden und ihn, mitsamt seinem Schiff, auf die Seite der Liga ziehen.«
»Aber dazu müsste man zuerst wissen, wo die FLORENCE LAMAR steckt«, sagte Atlan da Gonozal, der sich wieder einmal in der Rolle des Skeptikers gefiel.
»Richtig. Außerdem war unser letztes Gespräch nicht gerade wegweisend für eine Verständigung.«
Vor wenigen Stunden hatte Perry via Hyperfunk mit Keraete verhandelt. Die Situation war kritisch gewesen, und entsprechend kühl war die Unterhaltung verlaufen.
Letztlich hatte Rhodans Bluff mit der inkorporierten Proto-Eiris, die sie an Bord der RAS TSCHUBAI mitführten, immerhin bewirkt, dass Lotho Keraete auf einen direkten Angriff verzichtet hatte. Ohne die HOMECOMING weiter zu verfolgen, hatte Keraete sich mit der FLORENCE LAMAR zurückgezogen. Nur dadurch war es überhaupt zum Zusammentreffen beider Rhodans gekommen.
»Dennoch«, sagte Rhodan, »gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass sich eine Einigung herbeiführen ließe.«
Illustration: Dirk Schulz
»Warum«, sagte Rhodan II, »setzen wir dann nicht einen allgemeinen Funkanruf an Lotho Keraete ab?«
»Gute Frage«, pflichtete Rhodan ihm – sich – bei. »Einen Versuch ist es allemal wert.«
*
Prompt wurde ein unverschlüsselter Hyperfunkspruch ausgestrahlt.
Aber die FLORENCE LAMAR reagierte nicht darauf. Zehn Minuten verstrichen ereignislos.
»Tja«, sagte Perry Rhodan. »Herr Keraete spielt offenbar den Beleidigten.«
Er konsultierte ANANSI, den Zentralcomputer der RAS TSCHUBAI. »Gibt es aktuelle Extrapolationen, wo Lotho mit seinem mysteriösen Schiff abgeblieben sein könnte?«
Die Semitronik, deren wesentliche Rechnertechnik nicht im Standarduniversum, sondern permanent im Halbraum angesiedelt war, antwortete mit der üblichen, naiv-kindlich klingenden Stimme. Unter Berufung auf ein Ergebnis von etwa 76 Prozent teilte sie mit, dass sie Neptun oder die nächste planetare Umgebung des Gasriesen für den wahrscheinlichsten Aufenthaltsort des Schiffes hielt.
Perry Rhodan nahm Kontakt zum LFG-Residenten Hekéner Sharoun auf und ersuchte ihn, ihm offiziell die MALCOLM SCOTT DAELLIAN zu unterstellen. Mit deren überlegenen Ortungsgeräten rechnete er sich deutlich bessere Chancen aus.
Da es sich um eine reine Formsache handelte, wurde sein Ansinnen rasch gewährt. ANANSI schlug vor, sich als Erstes die Monde anzusehen, die natürlichen Satelliten Neptuns.
»In welcher Reihenfolge?«
»Prinzipiell der Größe nach. Jedoch steht Proteus gerade den beiden Raumern am nächsten. Damit sollte begonnen werden, um nicht Zeit durch Umwege zu verlieren.«
»Kling vernünftig.«
»Ansonsten kämen der Reihe nach Triton, dann der nach seiner vollständigen Vernichtung durch OLD MAN vor langer Zeit wiederhergestellte Mond Nereide, daran anschließend Naiad, Thalassa und so weiter.«
»So wird's gemacht«, entschied Rhodan. Er blickte in die exklusive Runde. »Irgendwelche Einwände?«
Niemand fühlte sich bemüßigt zu widersprechen.
Nachdem Rhodan sich mit Oberst Nuus Vanloo, dem Kommandanten der MALCOLM SCOTT DAELLIAN, genauer abgesprochen hatte, starteten beide Schiffe in Richtung des Mondes Proteus.