Читать книгу Perry Rhodan 2991: Die Eismönche von Triton - Leo Lukas - Страница 8

Оглавление

2.

Sind Hopfen und Malz verloren?

Das merkwürdige Wesen, das Geo Lichtblau entgegenkam, bewegte sich eigentümlich springend, nicht so sehr gehend. Mit einem eleganten Hüftschwung landete es schließlich vor ihm und blieb stehen. Es hatte tatsächlich keinen Schutzanzug an.

Dieser Umstand schien ihm allerdings nichts auszumachen. Sichtlich litte es nicht darunter, der Kälte und den sonstigen harschen Umweltbedingungen Tritons ausgesetzt zu sein.

»Mal angenommen«, sagte Geo beklommen, »du bist keine durch das Hyperlicht verursachte Halluzination. Was bist du dann?«

Gleich darauf fiel ihm ein, dass eine akustische Kommunikation eigentlich nicht möglich war. Triton hatte keine Atmosphäre, die dicht genug gewesen wäre, um Schallwellen weiterzuleiten.

Aber entweder beherrschte die berückend schöne Frau die Kunst des Lippenlesens, oder sie entnahm die für eine sprachliche Verständigung nötigen Frequenzen auf irgendeine Weise aus Geo Lichtblaus Helmscheibe.

Umgekehrt projizierte sie ihre Erwiderung in das Visier, wohl indem sie es von außen in Schwingungen versetzte. Dabei wurde ihr Bild in diesen Momenten etwas konturlos und unscharf.

»Es ist das Aggregat Etain«, hörte Geo, auf welche Weise auch immer.

»Äh ... ja. Sei gegrüßt. Kommst du aus Tritona?«

Das war die größte Ansiedlung und einzige nennenswerte Stadt auf dem Eismond. Sie lag am Südpol, unter einer 13 Kilometer durchmessenden Kuppel, welche die Luft- und Wärmeversorgung der rund 20.000 Bewohner sicherstellte.

»Nein«, antwortete die wunderschöne Frau sanft, die sich das Aggregat nannte. Nun ja, schöne Frauen durften ihre Eigenheiten haben.

»Oder aus Cape Halia oder einer der anderen, kleineren Kuppelsiedlungen?«

Abermals verneinte sie. Die ehemalige lemurische Fluchtburg des Baumeisters Einaklos, die subtritonar unterhalb des Scrap-Gebirges, nahe am Südpol, gelegen war, kam wohl ebenfalls nicht infrage.

»Woher dann?«, fragte Geo Lichtblau. »Etwa aus einem Raumschiff, das sich vor den Ortungsanlagen unseres Klosters verborgen hat?«

»Von welchem Kloster redest du?«

»Ich ... rede nicht gerne.« Er spürte, dass er in die Defensive geraten war.

Die Frau war nicht größer als er. Aber sie schien irgendwie über ihm aufzuragen, viele Meter hoch, und ihn mühelos zu dominieren. »Erzähl dem Aggregat Etain mehr über dich und deine Genossen.«

Ohne einen einzigen Gedanken an Widerspruch zu verschwenden, befolgte Geo die Anweisung.

*

Das Kloster der Eismönche, erklärte er, war eine bekenntnisoffene Institution. An diesem Ort lebten Brüder und Schwestern unterschiedlicher Religionen und Glaubensrichtungen in trauter, glücklich-zufriedener Weltabgewandtheit zusammen.

»Wir sind so wenige«, sagte Geo Lichtblau, »dass wir einander nicht auf die Füße treten. Uns verbindet, dass wir das allen Welten des Solsystems weit entrückte Land Triton schätzen – und ganz besonders die Möglichkeit, sich mittels der Schweigekapseln meditativ im Ammoniakozean zu versenken.«

»Wie viele seid ihr genau?«

»Zwanzig Klosterbrüder und fünfzehn Schwestern, die Äbtissin mitgezählt.«

»Das Aggregat Etain möchte sich euch anschließen.«

»Könnte ich dich daran hindern?«

Die Frau hob die markanten, pechschwarzen Augenbrauen. »Nein, das glaube ich nicht. Es würde dir nicht gut bekommen.«

»Nun denn ...«

Geo war verwirrt. Diese unvermittelte Begegnung mit einem dermaßen fremdartigen Wesen überforderte ihn.

Er war ein in sich selbst ruhender, systematisch denkender, allem Abenteuerlichen abholder Mensch. Ihm gefielen strenge, die täglich wiederkehrende Routine strukturierende Regeln. Wie, zum Beispiel, das Reinheitsgebot.

»Magst du dunkles Weißbier?«, fragte er schüchtern.

»Was ist das? Es klingt reizvoll paradox.«

»Para... Ah, wegen des Gegensatzpaares ›dunkel‹ und ›weiß‹. Nun, diese Begrifflichkeit hat einen anderen Grund.«

Geo Lichtblau erläuterte, worin die Besonderheit dieses Getränks bestand. Vor lauter Eifer hätte er beinahe nicht bemerkt, dass sie sich inzwischen wieder auf das Eiskloster zubewegten.

Die fremde Frau, die wie selbstverständlich das Kommando übernommen hatte, sagte: »Ihr seid also Sinnsuchende, nicht wahr?«

Geo bejahte.

»Dann solltet ihr das Aggregat Etain mit offenen Armen aufnehmen. Denn es begehrt eine Zuflucht. Würde sich irgendwer in eurer Enklave dagegen aussprechen?«

»Ich weiß nicht«, sagte Geo Lichtblau. »Eher nicht, glaube ich.«

»Sehr gut. Gehen wir!«

*

Sie betraten das Kloster durch jene Nebenschleuse, die am nächsten zu Geos Wirkungsbereich gelegen war.

Keine Alarmanlagen schlugen an. Der Konvent der Eismönche war alles andere als eine militärische Anlage.

Geo Lichtblau führte die seltsame Frau, die sich »Aggregat« nannte, durch die hydroponischen Gärten, in denen er Hopfen, Weizen und Gerste zog.

»Auch die Bierhefe stelle ich selbst her«, erklärte er, nicht ohne Stolz. »Gebraut wird mit von Methan und Ammoniak gereinigtem Triton-Eis. Von auswärts angelieferte Zusatzstoffe verwende ich nur als Geschmacksbeigaben, wenn mich ab und an der Hafer sticht.«

Mitgerissen vom eigenen, der Nervosität geschuldeten Schwung, gestattete er sich eine kleine Abschweifung. »Beispielsweise hatte ich einmal buchstäblich durchschlagende Erfolge mit mörderisch scharfen Chilischoten von Rudyn ...«

Er bemerkte, dass ihm niemand mehr zuhörte. Entgeistert blickte Geo sich um.

Die Frau mit der fast farblos porzellanweißen Haut und den langen, überwiegend weißblonden und wenigen schwarzen Haarsträhnen war verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt, als hätte es sie nie gegeben.

Vielleicht stimmte das ja sogar.

Denn: Woher sollte Geo Lichtblau wissen, dass er sich nicht die gesamte Begegnung eingebildet hatte? Dass er nicht einer bislang unbekannten Auswirkung des Hyperlichts zum Opfer gefallen war?

Um seine aufgewühlten Nerven zu beruhigen, überprüfte er die Anzeigen der Maisch- und Läuterbottiche, Koch- und Würzepfannen. Sogar die Kühlsysteme kontrollierte er.

Alles lief ganz nach Plan und Wunsch. Bald würde Geo ein neues Spitzenprodukt abfüllen und einlagern und später ausschenken können.

Ist es nicht schön, dass aus- und einschenken in unserem Kloster gleichbedeutend mit herschenken ist?

Für einige Stunden lenkte er sich mit solchen trivialphilosophischen Gedanken und winzigen Nachjustierungen ab. Aber die eventuell bloß imaginierte, eventuell doch real stattgefundene Episode ließ ihm dennoch keine Ruhe.

Immer wieder tauchte das Bild der Frau, die in der Eishölle Tritons keinen Schutzanzug benötigte, vor seinem geistigen Auge auf. Es ließ sich nicht verdrängen, so sehr Geo sich auch anstrengte.

Schließlich rang er sich dazu durch, die Äbtissin zurate zu ziehen, und rief bei ihr an. Trotz der späten Stunde reagierte Canan Peck keineswegs ungehalten.

»Komm vorbei«, sagte sie. »Ich bin sowieso noch wach.«

*

Mutter Canan empfing ihn in ihrem Büro, einem spärlich von einer einzelnen Stehlampe erleuchteten Raum mit dem Grundriss eines Fünfecks.

Vier der Wände waren fast zur Gänze mit Bücherregalen ausgefüllt, in denen uralt wirkende Folianten standen. Leider handelte es sich, wie Geo wusste, bei den meisten nur um Faksimiles. Die Originale wurden in diversen terranischen Museen aufbewahrt.

Nachdem sie sich Geos Geschichte angehört hatte, rief die Äbtissin im Schreibtischholo die Ortungsdaten ab. Sie zeigte auf einen einsamen Punkt in der Weite der Eiswüste. »Das bist du, ab dem Moment, als du mich angefunkt hast.«

Der blinkende Punkt entfernte sich vom Kloster. Kurz hielt er inne, dann bewegte er sich wieder auf den Konvent zu und verschwand schließlich in einer der Kuppeln.

»Keine sonstigen Ortungen. – Hattest du denn deine Helmkamera nicht an?«

»Doch, wie eigentlich immer. Aber sie fiel auf einmal aus, und zwar ...« Geo verglich die Zeitleisten: »Exakt in derselben Sekunde, als die mysteriöse Frau in mein Blickfeld kam.«

Canan Peck schürzte die Lippen. »Du bist sicher, dass du nicht selbst versehentlich an die Kontrollen gekommen bist?«

»Nein. Wie denn wohl ... Ach, ich bin überhaupt nicht mehr sicher, ob ich meinen Sinnen noch trauen kann!«

Die letzten Wörter hatte er sehr heftig hervorgestoßen. Deshalb bat er gleich darauf um Entschuldigung für seinen Gefühlsausbruch.

»Wir alle leiden unter dem Hyperlicht, manche mehr, manche weniger«, sagte die Äbtissin begütigend. »Trotzdem nehme ich deine Warnung ernst, Bruder Geo. Aber du wirst verstehen, dass die Faktenlage nicht ausreicht, das ganze Kloster in Alarmzustand zu versetzen.«

Er gab sich geschlagen. »Bitte verzeih, dass ich dich gestört habe.«

»Geo, hör mir zu. Ich glaube dir. Du hast, seit du bei uns bist, nie dazu geneigt, irgendwelche Sachen zu halluzinieren. Deshalb verweise ich dein Erlebnis keineswegs vorschnell ins Reich der Illusionen. Ist das klar?«

»Ja. Danke.« Er schluckte. »Bloß, was soll ich ...?«

»Bleib wachsam! Auch ich werde ab sofort erhöhte Aufmerksamkeit an den Tag legen. Sei versichert, dass ich sämtliche Geschehnisse im Kloster, die nicht unseren Vorschriften zur Wahrung der persönlichen Intimsphäre unterliegen, besonders kritisch beobachten und gegebenenfalls archivieren werde.«

Neben ihrem Biologiediplom verfügte die Äbtissin über abgeschlossene Ausbildungen in Psychologie und Menschenführung. Geo Lichtblau hatte, bei aller Irritation, nicht das Gefühl, dass sie ihn beschwichtigen und abwimmeln wollte.

Nachdem er sich erneut bedankt hatte, kehrte er zurück in sein Quartier. Entgegen seiner Gewohnheit nahm er als Schlaftrunk nicht nur einen Drittelliter, sondern volle 0,5 Liter seines aktuellen Lieblingsbieres zu sich.

Dennoch wälzte Geo Lichtblau sich lange, von bösen Vorahnungen geplagt, auf der Matratze hin und her.

*

Am nächsten Tag erwachte er später als sonst. Ausgeruht fühlte Geo sich freilich nicht, sondern eher, als hätte er die meiste Zeit in einem unerquicklichen Halbschlaf verbracht.

Hastig erfüllte er die anstehenden Pflichten in der Brauerei. Erst dann widmete er sich der Morgenhygiene und dem üblichen, von einem halben Seidel leichten Märzenbiers begleiteten Frühstück.

Weder das Bier noch die Kartoffelpuffer mit Rettich schmeckten ihm. Er musste sich zwingen, die Bissen hinunterzuwürgen, und sogar etwas übrig lassen.

Er hatte keinen Appetit, nicht einmal Lust auf einen zweiten halben Krug. Das war Geo in all den Jahren, seit er sich den Eismönchen angeschlossen hatte, noch nie passiert.

Was, fragte er sich, ist mit mir los?

Voller Sorge und Unruhe streunte er im Konvent herum. Dabei verirrte er sich in Bereiche von Kuppeln, die er schon lange nicht mehr aufgesucht hatte.

Geo begegnete nur wenigen Brüdern und Schwestern. Nichts an ihnen wäre ihm als ungewöhnlich aufgefallen. Man grüßte sich mit einem Kopfnicken und ging seiner Wege.

Was sonst? Dies war ein Kloster, keine Diskursbude oder Partymeile.

Niemand wirkte annähernd ähnlich gestresst oder verunsichert wie Geo Lichtblau. Daher bestand kein Grund, ein Gespräch anzufangen.

Alles in schönster Ordnung. Der Einzige, der Probleme hat, bin ich.

Den Blick niedergeschlagen, bog Geo Lichtblau um eine Gangecke – und prallte gegen einen massiven, stahlharten Körper.

»Oh Pardon«, sagte er, während er sich die schmerzende Stirn rieb.

»Hallo«, sagte das Aggregat Etain. »Schön, dich wiederzusehen. Komm, gib mir ein Küsschen!«

Perry Rhodan 2991: Die Eismönche von Triton

Подняться наверх