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Alle hatten sich an diesem allgemeinen Gespräche beteiligt außer Kitty und Ljewin. Zu Anfang, als von der Einwirkung gesprochen wurde, die ein Volk auf das andere ausüben könne, fiel Ljewin unwillkürlich manches ein, was er selbst über diesen Gegenstand sagen konnte; aber diese Gedanken, die früher für ihn eine so große Wichtigkeit gehabt hatten, huschten ihm jetzt nur ganz flüchtig wie im Traume durch den Kopf und interessierten ihn nicht im geringsten mehr. Es kam ihm sogar sonderbar vor, weshalb doch diese Menschen mit solchem Eifer über Dinge redeten, die keinen von ihnen persönlich angingen. Ganz ebenso hätte wohl Kitty sich für das interessieren sollen, was da über Frauenrechte und Frauenbildung gesprochen wurde. Wie oft hatte sie über diesen Gegenstand nachgedacht, wenn sie sich an Warjenka, ihre Freundin von dem deutschen Badeorte her, und an deren schwere, abhängige Lebensstellung erinnerte; wie oft hatte sie auch an sich selbst gedacht, was aus ihr werden würde, wenn sie sich nicht verheiratete; und wie oft hatte sie mit ihrer Schwester hierüber gestritten! Aber jetzt interessierte sie das gar nicht. Zwischen ihr und Ljewin war ein besonderes Gespräch im Gange oder eigentlich nicht ein Gespräch, sondern eine Art von geheimnisvoller seelischer Verbindung, die sie von Minute zu Minute immer enger miteinander verknüpfte und in beiden ein Gefühl froher Bangigkeit vor jenem unbekannten Gebiete erweckte, in das sie sich jetzt anschickten einzutreten.

Zuerst hatte Ljewin auf Kittys Frage, wie es denn zugegangen sei, daß er sie im vorigen Jahre im Wagen gesehen habe, ihr erzählt, wie er nach der Heuernte auf der Landstraße gewandert sei und sie dabei getroffen habe.

»Es war ganz früh am Morgen. Sie waren wahrscheinlich eben erst aufgewacht. Ihre maman schlief in ihrem Eckchen. Es war ein wunderschöner Morgen. Ich wanderte so dahin und dachte: ›Wer kommt denn da mit einem Viergespann angefahren?‹ Es war ein vorzügliches Viergespann mit Schellen; und in einem Augenblick rollten Sie an mir vorbei, und ich warf einen Blick ins Fenster, da saßen Sie so da – sehen Sie, so: Sie hielten mit beiden Händen die Bänder Ihres Häubchens fest und waren ganz tief in Gedanken versunken«, erzählte er lächelnd. »Ich hätte gar zu gern gewußt, woran Sie damals dachten. Wohl an etwas sehr Wichtiges?«

›Ob wohl auch mein Haar nicht unordentlich ausgesehen hat?‹ dachte sie; aber als sie das entzückte Lächeln sah, das durch die Erinnerung an diese Einzelheiten auf seinem Gesichte hervorgerufen wurde, da sagte sie sich, daß im Gegenteil der Eindruck, den sie gemacht habe, gut gewesen sein müsse. Sie errötete und lachte fröhlich.

»Ich erinnere mich wirklich nicht mehr.«

»Wie herzlich dieser Turowzün lacht!« bemerkte Ljewin und betrachtete mit Vergnügen dessen feuchtschimmernde Augen und schütternden Körper.

»Kennen Sie ihn schon lange?« fragte Kitty.

»Wer sollte den nicht kennen!«

»Ich merke, daß Sie ihn für einen schlechten Menschen halten?«

»Nicht für schlecht, aber für unbedeutend.«

»Da beurteilen Sie ihn falsch. Lassen Sie nur diese Ansicht recht schnell fallen!« versetzte Kitty. »Ich hatte auch eine sehr geringe Meinung von ihm, aber er ist ein sehr lieber und außerordentlich guter Mensch. Er hat ein goldenes Herz.«

»Wo haben Sie denn die Möglichkeit gehabt, sein Herz kennenzulernen?«

»Er und ich, wir sind gute Freunde. Ich kenne ihn sehr gut. Im vorigen Winter, bald nachdem ... nachdem Sie bei uns gewesen waren«, sagte sie mit einem schuldbewußten und zugleich doch vertrauensvollen Lächeln, »bekamen Dollys Kinder sämtlich Scharlach, und er machte zufällig einen Besuch bei ihr. Und können Sie sich das vorstellen«, fuhr sie flüsternd fort, »sie tat ihm so leid, daß er dablieb und ihr die Kinder pflegen half. Ja, und drei Wochen lang hat er bei ihnen im Hause gewohnt und die Kinder gepflegt wie eine Wärterin.«

»Ich erzähle eben Konstantin Dmitrijewitsch von Turowzün beim Scharlach«, sagte sie, indem sie sich zu ihrer Schwester hinüberbeugte.

»Ja, das war eine bewundernswerte Aufopferung, ein prächtiger Mensch!« erwiderte Dolly; sie blickte Turowzün an, der gemerkt hatte, daß von ihm gesprochen wurde, und lächelte ihm sanft zu. Ljewin sah noch einmal zu Turowzün hin und wunderte sich, wie es möglich gewesen war, daß er die Vortrefflichkeit dieses Mannes nicht schon früher in ihrem ganzen Umfange erkannt hatte.

»Verzeihung, Verzeihung, ich will nie wieder von andern Leuten schlecht denken!« sagte er fröhlich, und was er sagte, war in diesem Augenblick wirklich seine aufrichtige Empfindung.

Anna Karenina | Krieg und Frieden

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