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1. Wie die Erde entstand und Gestalt gewann

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Im Folgenden möchten wir in knapper Form die Hauptabschnitte des Lebens der Erde beschreiben (vgl. Boff 1995; Brahic 2001; De Duve 1997; Hawking 1992, 2001; Küng 2007).

Zuerst gab es die Ursprungsquelle allen Seins, diesen unbenennbaren und praktisch unendlichen energetischen Hintergrund, der dem gesamten Universum und jedem einzelnen Wesen, das existiert, zugrunde liegt. Die Astrophyiker nennen das „Quantenvakuum“. Das ist eine in gewisser Weise unzutreffende Bezeichnung, denn das Vakuum, auf das man sich bezieht, ist alles andere als ein Vakuum im landläufigen Sinne. Es ist von einer unergründlichen und geheimnisvollen Energie erfüllt. Es ist das Zuvor des Zuvor, allem vorausliegend, was existiert und existieren kann, selbst dem Raum und der Zeit.

Zweitens: Aus diesem geheimnisvollen energetischen Hintergrund ging ein unendlich kleiner Punkt hervor, der jedoch von außerordentlicher Dichte und unvorstellbar heiß war. In ihm war alles in verdichteter Form da: Energie, Materie, Information, Raum, Zeit und praktisch alle Wesen, die später im Lauf der Evolution entstanden sind. Wir wissen nicht, warum, aber dieser Punkt dehnte sich aus, bis er schließlich die Größe eines Apfels erreichte, und explodierte mit einem Knall, der so gewaltig war, dass die Wissenschaftler sein entferntes Echo noch heute über die sogenannte „Hintergrundstrahlung des Universums“ vernehmen können. Dabei handelt es sich um eine Strahlung von äußerst niedriger Frequenz und konkret von drei Grad Kelvin.

Unmittelbar nach dieser großen Explosion entstanden Materie und Antimaterie zu praktisch gleichen Anteilen. Innerhalb einer Milliardstel Sekunde begann alles so weit abzukühlen, dass die ersten Elementarteilchen, die Quarks und die Antiquarks, entstehen konnten. Diese stießen nun miteinander zusammen und begannen sich gegenseitig zu zerstören. Sie setzten dabei ein energiehaltiges Photon frei. Die Symmetrie war aber nicht vollkommen. Innerhalb einer jeden Einheit von je einer Milliarde Quarks und Antiquarks gab es ein Quark zu viel. Und genau aus dieser überaus kleinen Restmasse bildete sich das gesamte Universum, das sich über eine riesige Ausbreitung von Gasen und daraus entstehender Materie entwickelte. In dem Maße, in dem es sich abkühlte, bildeten sich weitere Elementarteilchen wie die Protonen, die Neutronen, die Elektronen, die Positronen und die dunkle Materie. Aus der Verschmelzung dieser Elementarteilchen entstand das erste, einfachste Element, das Helium, das das gesamte Universum erfüllt. Es entstand Hunderttausende von Jahren vor dem Wasserstoff.

Die Ursprungsenergie, die einfach „Energie X“ genannt wird, entwickelte sich zu den vier Kräften, die dem gesamten Kosmos und jedem Wesen in ihm zugrunde liegen: Die Gravitation, die elektromagnetische Kraft, die starke und die schwache Kernkraft. Zusammen mit der Lichtgeschwindigkeit bilden diese vier Kräfte die kosmologischen Grundkonstanten. Sie alle wirken stets zusammen und verwandeln so das ursprüngliche Chaos in neue Ordnungen und komplexe Strukturen. So machen sie aus der Expansion einen Prozess der Evolution, der Entwicklung zu immer höherer Komplexität, Ordnung und Selbstorganisation (Autopoiese).

Drittens: Nach Abermillionen von Jahren verdichtete sich dieses erste Gas immer mehr. Es bildeten sich daraufhin die großen roten Sterne, die wie wahrhafte Hochöfen funktionierten, denn in ihrem Inneren herrschte ein andauernder Zustand der Blasenbildung und atomarer Explosionen. Daraus gingen die ersten physisch-chemischen Elemente hervor, die uns vom Periodensystem Mendelejews her bekannt sind, wie Kalzium, Schwefel, Silizium usw. Die roten Sterne leuchteten Abermillionen Jahre lang, dann hörten sie auf zu strahlen, und alle Elemente wurden aus ihrem Inneren in alle Richtungen hinausgeschleudert.

Viertens: Mit der Explosion bildeten sich im Universum auf unregelmäßige Weise unvorstellbar große Gaswolken, die sich aufgrund der Schwerkraft verdichteten und so zirka hundert Milliarden Milchstraßen und Milchstraßenhaufen entstehen ließen. Jede von ihnen umfasste etwa 200 Milliarden Sterne, in deren Innerem sich andere, schwerere Elemente bildeten, die für den heutigen Zustand des Universums wesentlich sind. Unsere Galaxie, die unter dem Namen „Milchstraße“ bekannt ist, hat eine Größe, die hunderttausend Lichtjahren entspricht.

Fünftens: Einer dieser Sterne ist von besonderer Art, denn er ist unsere kosmische Großmutter, der Vorfahr unserer heutigen Sonne. In seinem Inneren bildeten sich die übrigen Elemente wie Sauerstoff und Schwefel, die die Grundlage des Lebens bilden, Phosphor, der die Photosynthese ermöglicht, Kohlenstoff und Stickstoff, die für die Kombinationen, die den Strukturen des Lebens zugrunde liegen, für die Erbinformation, das Gedächtnis und das reflexive Bewusstsein fundamental sind. Auch dieser Stern explodierte, nachdem er Abermillionen Jahre lang geleuchtet hatte, und auch seine Elemente wurden über das gesamte Universum hinausgeschleudert. Ohne das Opfer seiner Existenz wären die Erde, das Leben allgemein und das menschliche Leben im Besonderen unmöglich gewesen.

Sechstens: Die riesige Gaswolke, die sich im Anschluss an die Explosion bildete und die voller Trümmer jeglichen Typs und jeglicher Größe war, wurde immer dichter, bis sie einen leuchtenden Stern bildete. So entstand vor fünf Milliarden Jahren die Sonne, wie wir sie heute kennen, die Herrscherin unseres Sonnensystems. Die Trümmer, die unter dem Namen Planetoiden bekannt sind, bildeten Haufen, aus denen schließlich die Planeten entstanden, die noch heute die Sonne umkreisen. Einer davon ist die Erde, die erst ca. 100 Millionen Jahre nach Bildung des Sonnensystems entstand.

Die Erde ist uns anvertraut

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