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In Racalmuto wurde bis vor wenigen Jahren eine Stelle auf der Piazza Francesco Crispi lu cuddaru, das Halsband, genannt: Erinnerung an ein Instrument, das vom Heiligen Offizium reichlich eingesetzt wurde, um gewöhnliche Gotteslästerer zu bestrafen, Gotteslästerer, die keine Ketzer waren. Am selben Platz hatte wahrscheinlich das Kommissariat der Inquisition seinen Sitz.

Das Halsband war, so erklärt es Pitré, ein Werkzeug aus Eisen, das sich mit einer speziellen Vorrichtung öffnen und schließen ließ und ganz und gar dem für Hunde glich, befestigt an einer Mauer oder einem Pfahl. Nackt vom Gürtel aufwärts und reichlich mit Honig beschmiert, blieb der lässlicher Sünden Beschuldigte hier ausgestellt – für nicht mehr als drei Stunden, wenn man sich an die Verse hält, die Guastella in der Umgebung von Modica gesammelt hat:

Infamer, du! Das Halsband haben sie dir angelegt, und aufgefressen wirst du von den Fliegen, drei Stunden lang! 19

Da diese Worte zur Beschimpfung ausgestoßen wurden, ist logischerweise anzunehmen, dass sie dem Infamen (was in diesem Fall, in einer seltenen Bedeutung, für schamloser Mensch, nicht für Spitzel steht), das Höchstmaß der Strafe vorhielten. Man beachte also, wie eine Strafe, die jeden treffen kann, Schmach über denjenigen bringt, der sie erduldet hat – so wie der Sanbenito, den zu tragen tatsächlich das ganze sizilianische Volk hätte verurteilt werden können.

Das Monopol für das Halsband lag eigentlich beim Heiligen Offizium, wahrscheinlich wurde es aber auch vom Vikariatsgericht eingesetzt, einer Art Sittenpolizei, die in den Ortschaften äußerst umtriebig war. Es beschäftigte sich mit der Prostitution, Ehebruch, Konkubinat, dem Nichteinhalten der Fastenzeiten und der Abstinenz, mit dem Glücksspiel, den Liebschaften unter jungen Leuten und der Gotteslästerung. Vorsitzender dieses Gerichts war der Vikariatspater, und zusammengesetzt war es aus einem kirchlichen Richter, einem Notar, einem Steuerbevollmächtigten; ebenso aus Amtsdienern, deren Funktion zwischen der von Schutzleuten und Gerichtsbeamten lag, sowie aus Bediensteten, welche die vom Gerichtshof verhängten Körperstrafen auszuführen hatten. Nachts ging ein Vikariatstrupp aus zahlreichen Männern auf Streife (nicht selten kam es nämlich zu Hinterhalten seitens erboster Sünder, samt dazugehöriger Prügel, manchmal gab es sogar Tote), um die Sünder in den Tavernen, in den Funduks, in den Privathäusern zu überraschen: Und häufig befehligte der Vikariatspater höchstpersönlich die Schar.

Einige kuriose Beispiele für die Unternehmungen des Vikariats finden sich in dem Buch La Sicilia feudale von Alessandro Italia20, wie das eines unverheirateten Paars, das obendrein bei der Nichtbeachtung einer Vigil überrascht wurde:

Meister Paulo, mein Sohn, statt zu beichten und morgen zur Kommunion zu gehen, wo es doch der Tag und das so feierliche Fest des allerheiligsten Sakraments ist, bleibst du ganz schamlos mit der Buhlin im Haus, siehst du denn nicht, dass unser Herr die Weinberge unserer Sünden wegen durch Hagel zerstört hat; und Meister Paulo entgegnete: Pater Vikar, es ist nichts Besonderes, mich in Gesellschaft einer Frau anzutreffen, das ist bei Männern eben Brauch.

Die Folgen sind für Meister Paolo Vianisi aus der Gegend von Palazzolo etwas weniger heiter, das versteht sich: Aber der Schlagabtausch zwischen den beiden, den wir hier wiedergegeben haben, stellt eine höchst vergnügliche Posse dar.

Vom gleichen Niveau ist, laut lokaler Überlieferung, das Leben des Malers Pietro d’Asaro, geboren in Racalmuto 1591, gestorben 1647. Ein Maler, der für das sizilianische 17. Jahrhundert unter keinen Umständen außer Acht gelassen werden darf: Große Altarbilder von ihm sind in Racalmuto und in vielen anderen sizilianischen Orten erhalten (das wohl am besten erhaltene befindet sich in der Nationalgalerie in Palermo: eine Geburt Christi, signiert mit Monocolus Racalmutensis, wie er es zuweilen tat, also mit der Einäugige aus Racalmuto, fehlte ihm doch ein Auge). Er war ein Mensch, der die Tavernen und die Frauen liebte, immer abgebrannt, immer auf der Flucht vor Gläubigern; wir haben allerdings aufgrund einiger im Staatsarchiv von Palermo flüchtig eingesehener Blätter den Verdacht, dass er familiare des Heiligen Offiziums gewesen ist: was seinerzeit der beste Weg war, um den Gläubigern die Stirn zu bieten und sie so weit zu bringen, dass sie am Ende ein Gericht anriefen, das die Privilegien schützte.

Zeitgenosse von d’Asaro (geboren 1590 in Racalmuto, gestorben 1662 in Palermo) war der große Arzt Marco Antonio Alaimo, dem seine Zeitgenossen viel Lob zuteilwerden ließen, hatte er doch mit menschlichen Kräften und Mitteln zu dem göttlichen, von der heiligen Rosalia vollbrachten Werk beigetragen, nämlich die Stadt Palermo im Jahr 1624 von der Pest zu befreien. An dieser Seuche starben nach den Berechnungen von Maggiore-Perni21 9.811 Personen allein in Palermo; und aus dem Vergleich mit den Auswirkungen anderer Pestepidemien wird offenkundig, dass Alaimo nach bestem Wissen und Können gehandelt hat. Nicht so aber die heilige Rosalia: Gerade die Pilgerfahrten und Prozessionen zu ihren Ehren waren es nämlich, welche die Sterblichkeitsziffern in die Höhe trieben.

Hier jedoch erinnern wir an die beiden Männer, d’Asaro und Alaimo, um zu zeigen, wie Anfang des 17. Jahrhunderts die Ahnung von einem neuen Leben in einen abgelegenen und verschlossenen Ort eindringt. Ein Maler, ein Mann der Wissenschaft. Und die Gegenwart eines Mannes wie Pietro d’Asaro – der in Rom und Genua gewesen, durch Sizilien gereist war und noch reiste, ein Draufgänger und Schürzenjäger, Liebhaber der Tafelfreuden, spöttisch und geistreich – wird für Racalmuto ein Skandal gewesen sein, und zugleich das Modell eines freien Menschen. Ganz zu schweigen von jener Freiheit, jener neuen Dimension des Menschlichen, die durch den Künstler auf den Bildern in Kirchen und Klöstern zur Entfaltung kam und, der Legende nach, auch an den Wänden der Funduks und auf dem Essgeschirr in den Tavernen.

Kirchen und Klöster gab es in Racalmuto im Überfluss: Und Pietro d’Asaro mangelte es nicht an Arbeit, hatte er doch die frommen Gelübde der borgesi und die testamentarischen Legate von Priestern und Wucherern mit künstlerischen Mitteln umzusetzen. Lassen wir einmal die Kirchen außer Acht und schauen uns die Liste der Klöster an: der Benediktiner, der Karmeliter, der Franziskaner und Minoriten, der Klarissen, der reformierten Augustiner. In letzteres, das genau genommen Kloster der Augustiner von Sant’Adriano oder der Reform von Centuripe genannt wurde, trat (vermutlich blutjung) Diego La Matina ein: Wir wissen nicht, ob aus familiären Gründen, aus Kalkül oder aus Berufung.

Der Orden der Augustiner von Sant’Adriano wurde 1579 von Andrea del Guasto da Castrogiovanni begründet, der sich, nachdem er zusammen mit den ersten Gefährten das Bekenntnis zur Augustinerregel in der Chiesa Sant’Agostino in Catania festgelegt hatte, nach Centuripe begab, einen Ort, der damals fast wüst war, und mit dem Bau enger Zellen den Grundstein für ein Eremitenleben legte und dasselbe nach und nach in Sizilien verbreitete – ein Hinweis, den wir Vito Amico22 verdanken, der aber keine Entsprechung in den zu Rate gezogenen katholischen und kirchlichen Enzyklopädien findet. Derselbe Vito Amico sagt, dass das Kloster von Racalmuto von dem frommen Mönch Evodio Poliziense ins Leben gerufen und vom Grafen Girolamo del Carretto im Jahr 1628 dotiert wurde. Ein offenkundiger Fehler, denn 1628 war der Graf Girolamo bereits seit sechs Jahren tot. Genauer ist da Pirro: S. Iuliani Agustiniani Reformati de S. Adriano ab anno 1614, rem promovente Hieronymo Comite, opera Fra Fuodij Polistensis23.

Was den frommen Mönch Evodio Poliziense oder Fuodio Polistense angeht, so handelt es sich ohne jeden Zweifel um ebenjenen Prior, der laut Volkslegende den Auftrag für den Mord an Graf Girolamo erteilt haben soll. Tatsächlich unterliegt Tinebra Martorana, der sich nicht die Mühe gemacht hatte, die Texte von Pirro und Amico heranzuziehen, einem Missverständnis, wenn er schreibt, dass die Tradition dem Prior dieses Klosters den Namen Bruder Odio (Hass) vorbehält, wobei sie sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf die von ihm beauftragte Tat bezieht24. Es war ganz einfach der eher ausgefallene Name Evodio oder Euodio, aus dem im Lauf der Zeit Odio geworden war.

Ein Sizilianer von festen Prinzipien

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