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Mit Beraterverstand zur Deutschen Anstalt

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Punkt 15.00 Uhr trat Frau Dr. Schleicher-Hartmann am nächsten Mittwoch mit hoch erhobenem Haupt in das Arbeitszimmer des Staatssekretärs und schmiss ihm geradezu ihren Entwurf auf den Schreibtisch. „Jetzt kann es losgehen“, schmetterte sie optimistisch. Der Staatssekretär zog die Augenbrauen hoch. Solch einen Ton war er gar nicht von seiner Untergebenen gewöhnt. „Sie haben ja gute Laune“, brummelte er, bedeutete mit einer Handbewegung, dass Frau Doktor nun vor seinem Schreibtisch Platz nehmen sollte, zog den Entwurf, der sich in einem grauen Aktendeckel befand, quer über den Schreibtisch zu sich her und fing an zu lesen.

Er las und las, brummelte dabei etwas Unverständliches vor sich hin und umso mehr Zeit verging, desto tiefer rutschte Frau Dr. Schleicher-Hartmann auf ihrem Stuhl in sich zusammen. Endlich und wie es ihr erschien, nach einer unendlich langen Zeit, hatte der Staatssekretär aufgehört zu lesen. Er starrte anscheinend durch Frau Dr. Schleicher-Hartmann hindurch und schien in seinen Gedanken weit weg zu sein. Er erhob sich, ging einige Schritte im Zimmer auf und ab und dann sagte er mit fast feierlicher Stimme: „Genial“. Mehr sagte er nicht. Mit einer Handbewegung Richtung Tür entließ er Frau Dr. Schleicher-Hartmann aus seinem Zimmer. Diese huschte mit vor Freude erröteten Wangen eilig aus dem Raum.

Im Kopf des Staatssekretärs rumorte es. „Cashcows, cashcows, cash, Geld, viel Geld“. Selbstverständlich würde er dieses unzulängliche Konzept noch ein wenig umschreiben müssen, aber die Grundidee war brauchbar. Er persönlich würde ein Staatsunternehmen gründen, das mit den wirtschaftlichen Liegenschaften viel Geld verdienen würde. Die anderen Liegenschaften würden verkauft werden und damit dem Staat weiteres Geld einbringen. Dadurch würden auch keine weiteren Nebenkosten für die unwirtschaftlichen Liegenschaften anfallen. „Genial, diese Sache mit den Cashcows“, murmelte er vor sich hin. „So etwas Geniales kann doch nur aus meinem Hause kommen.“

Es waren nur wenige Wochen vergangen, die der Staatssekretär und seinen engsten Mitarbeiter benötigt hatten, um ein Grobkonzept zu entwerfen, das sie dem Minister vorstellen wollten. Es sollte so etwas wie ein Unternehmen entstehen, das aus einer Veräußerungssparte bestand und einer weiteren Sparte, die sich um die wirtschaftlichen Liegenschaften, die nun allseits so genannten Käschkaus kümmern sollte.

Daneben brauchte man noch Dienstleistungssparten für Organisation, Personal und Technik. Auch die Finanzen müssten in einer gesonderten Sparte geregelt werden. „ Na ja, und um die restlichen kleinen Notwendigkeiten, sollen sich nun auch einmal Andere kümmern“, ließ der Staatssekretär verlauten, nachdem er dem Minister seinen ersten Grobentwurf vorgestellt hatte. Dieser schien noch nicht so ganz überzeugt von dem sogenannten „Cashcow Unternehmen“, wie er es bezeichnete, ließ jedoch den Staatssekretär gewähren. „Vorerst“, wie er streng für das Protokoll mitteilte.

Um dem Projekt nun aus der Grobstruktur in eine Feinstruktur zu verhelfen, wurden Arbeitskreise und Implementierungsgruppen in das Leben gerufen. Über all diesen Gruppen wurde – wie es sich gehörte – ein gut besetzter Lenkungskreis eingesetzt. Man tagte im Ministerium, in der Außenverwaltung und an sehr vielen weiteren schönen Orten. Bei diesem großen außergewöhnlichen Geburtsvorgang eines Immobilienunternehmens stand als Geburtshelfer anstelle von Hebammen eine Heerschar von Beratern zur Verfügung.

Diese hatten wie die Haifische über kaum nachvollziehbare Kanäle viel Geld gerochen. Da so ein Projekt erst- und einmalig war, war es selbstverständlich, dass gerade in der Vorphase ausreichend fremder Sachverstand eingekauft werden musste. Die für das Großprojekt gewonnenen Berater führten in der Vorstufe zunächst viele Befragungen durch, mit denen sie wieder andere Beratungsfirmen beauftragten.

Es gab Studien und Folgestudien, Untersuchungen und Gutachten. Daraus resultierten viele nützliche Erkenntnisse, die in mehr oder auch manchmal weniger professionelle Präsentationen verpackt wurden. Das gesamte Geschehen wurde von den äußerst engagierten Beratern gelenkt, die sich sehr bemühten, auch ihre Geschäftskontakte von diesem großen Vorhaben profitieren zu lassen. Alles geschah selbstverständlich, um die gesamte Verwaltung entsprechend zu erneuern und umzustrukturieren oder wie es im Beraterdenglisch hieß, „zu changen“.

Die meisten Bediensteten der Außenverwaltung, die durch die Befragungen der Beraterfirmen zumeist erstmalig in Kontakt mit Beratern kamen, hatten zunächst Berührungsängste und taten sich teilweise ein wenig schwer im Umgang mit den weltmännischen Geschäftsleuten.

Im weltoffenen Ministerium sah man die Angelegenheit hingegen vollkommen anders und versuchte sich innerhalb von drei Jahren völlig flexibel dem neuen Vokabular anzupassen. Schnell gab es keine Beratungen mehr, sondern nur noch meetings. Wenn dieses meeting das erste seiner Art war, sprach man von kick off meeting, bei dem kein hand out fehlen durfte, damit der workload stimmte.

Die Referatsleiter im Ministerium übertrafen sich gegenseitig beim Praktizieren des neuen Wortschatzes und stellten damit wieder einmal mehr unter Beweis, dass doch tatsächlich im Ministerium die tüchtigen und lernfähigen Beamten eingesetzt waren, die sich erheblich von der Außenverwaltung abhoben. „Aber auch denen da draußen werden wir noch beibringen, was ein hand out ist“, erklärte der Staatssekretär persönlich in einer lockeren Mittagstischrunde in der ministeriellen Kantine. Stolz erwähnte der Staatssekretär bei jeder passenden Gelegenheit, dass selbst seine Vorzimmerdame Frau Büchner sehr schnell begriffen hätte, was eine cashcow sei.

„Schließlich sind ja selbst die Vorzimmerdamen im Ministerium mit außergewöhnlichen Sprachtalenten gesegnet. Was man von der Außenverwaltung ja nun leider wirklich nicht sagen kann“, ließ der Staatssekretär im Kreise seiner Vertrauten mit dem Unterton des Bedauerns verlauten, während er mit einem energischen Schnitt sein Rinderfilet vor sich auf dem Teller zerlegte.

In der ignoranten Liegenschaftsverwaltung lachte man doch tatsächlich zunächst über die geplante Umstrukturierung. Insbesondere die vielen englischen Begriffe waren Gegenstand von Hohn und Spott. Und wenn kein „Ministerieller“, wie die Außenverwaltung die Damen und Herren im Ministerium bezeichnete, in der Nähe war, wurden gerne ein paar flotte Sprüche und Witze über das Immobilienunternehmen mit den Käschkaus gemacht. Immer mehr Angestellte fingen – möglicherweise aus Unsicherheit – an, Witze über Berater zu erzählen. So machte ungefähr ein halbes Jahr nach der genialen Idee des Staatssekretärs in der Außenverwaltung dieser Witz die Runde:

Ein Berater, der mit allen Attributen seiner Zunft ausgestattet ist (Audi TT, Rolex, GPS System usw.) hält mit seinem Audi TT eines Tages in der Lüneburger Heide neben einer Schafherde und sagt zu dem Schäfer: „Wenn ich Ihnen sage, wie viele Schafe Sie haben, bekomme ich dann ein Schaf?“ Der Schäfer sagt zu und der Berater holt sein Notebook, sein JPS und rechnet und schreibt und rechnet noch einmal. Nach einer ganzen Zeit sagt er: „478 – Sie haben 478 Schafe.“ „Richtig“, sagt der Schäfer. Der Berater nimmt sich ein Tier und will wieder in den Audi steigen.

Da sagt der Schäfer: „Wenn ich Ihnen sage, welchen Beruf Sie haben, bekomme ich dann mein Tier zurück?“ „Selbstverständlich“, sagt der Berater. Ohne zu zögern sagt der Schäfer: „Sie sind Berater“. „Richtig, aber wie haben Sie das so schnell heraus bekommen?“ fragt der Berater verblüfft. „Ganz einfach“, sagt der Schäfer. „Sie sind gekommen, obwohl Sie keiner gerufen hat. Sie haben mir etwas gesagt, was ich ohnehin schon weiß. Und nun geben Sie mir bitte meinen Hund zurück.“

Als der Staatssekretar aufmerksam gemacht durch seinen Unterabteilungsleiter, im Ministerium diesen Witz im Intranet lesen musste, war seine Toleranz gegenüber der Außenverwaltung - zumindest für diesen Tag - am Ende. Unverzüglich wurde der IT Experte angewiesen, in „seinem“ Intranet für Ordnung zu sorgen. Weiterhin wurde ein Berater damit beauftragt, ein Kommunikationskonzept für einen besseren Umgang zwischen Bediensteten und externen Beratern zu erstellen. Als er alle Weisungen des Staatssekretärs in dieser Angelegenheit ausgeführt hatte, eilte der Unterabteilungsleiter an das Telefon, um den Witz seinem Freund im Verteidigungsministerium zu erzählen.

Nachdem sehr viel Schweiß und auch nicht unerhebliche Summen Geld in die Vorbereitungen geflossen und daneben auch einige Monate in das Land gegangen waren, brauchte das Kind, wie der Staatssekretär sein Projekt liebevoll nannte, nun langsam einen Namen. In einer großen Konferenz auf dem Petersberg wurde mit Führungskräften der Außenverwaltung, die genau genommen aus fünf durch das Ministerium ausgewählte Behördenleiter bestanden, darüber diskutiert, was man juristisch gesehen, denn nun genau erschaffen solle.

Vom Ministerium waren von allen beteiligten Abteilungen Vertreter angereist, so dass ungefähr 87 Personen aus dem Ministerium anwesend waren. Nicht zu vergessen die 23 Berater. Zwei Tage wurde darum gerungen, ob nun eine Bundesgesellschaft, eine Kommanditgesellschaft, eine Aktiengesellschaft oder vielleicht doch ein kommunaler Betrieb entstehen sollte. Im Ergebnis der anstrengenden Sitzung gingen fünf Berater vor Freude strahlend nach Hause, da sie einen Auftrag für ein Gutachten zur Bewertung der Sach- und Rechtslage erhalten hatten.

Das Gutachten sollte noch in jenem Jahr erstellt werden und alle wesentlichen Entscheidungskriterien für das Ministerium behandeln. Leider stellte sich heraus, dass ein Gutachten nicht reichte und weitere Folgegutachten notwendig wurden. Dafür mussten in einem aufwendigen Haushaltsverfahren jedoch erst einmal neue Finanzmittel bereitgestellt werden.

Nach einem weiteren halben Jahr entschied sich der Staatssekretär, der langsam die Geduld verlor, in einer einsamen Nacht- und Nebelaktion für die Rechtsform der GmbH. „Eine GmbH ist immer gut,“ ließ er im Kreise seiner Mitarbeiter verlauten, „denn dann muss im Notfall keiner haften. Ja, ich denke eben an alles“, fügte er triumphierend hinzu. Leider fiel dem Abteilungsleiter der Steuerabteilung, dem die Entscheidung zur Mitzeichnung vorlag, genau eine Woche später auf, dass bei dieser Rechtsform nicht unerhebliche Summen an Steuern an den Fiskus zu zahlen wären.

Das teilte er in einem vertraulichen Gespräch dem Minister und dem Staatssekretär mit. Gegen neue sprudelnde Steuereinnahmen hatten die Vertreter des Staates zwar grundsätzlich überhaupt keine Einwendungen; diese Einnahmen aber selber zu finanzieren, war dann vielleicht doch nicht der richtige Weg, um mit der Sanierung des Staatshaushaltes zu beginnen. So wurde die Idee der GmbH Lösung still und einvernehmlich im Zimmer des Finanzministers für immer begraben.

Es blieb nichts anderes übrig, als noch einmal alle Arbeitsgruppen neu ein zu berufen. Alle bisherigen Überlegungen wurden intensiv überdacht und viele neue Aspekte beleuchtet. Der Staatssekretär musste sich derweil wieder mit lästigen steuerlichen Fragen zu Außenhandelsabkommen und Umorganisationen der Zollverwaltung beschäftigen. Zudem standen Wahlen im Lande an, die die politischen Verhältnisse änderten.

So verlor der Staatssekretär sein Lieblingsprojekt, das Immobilienunternehmen zwangsläufig ein wenig aus den Augen. Nach der Wahl wurden wie es so die allgemeine Übung war, viele Führungskräfte im Ministerium ausgetauscht. Da der Staatssekretär bislang jedoch weder positiv noch unangenehm aufgefallen war und auch niemand wusste, wo man ihn ansonsten hätte in seinen letzten verbleibenden Dienstjahren unterbringen könnte, überlebte er als einzige Spitzenkraft die Wahl in seinem Amt.

Durch den neuen Finanzminister und die vielen neuen Ministerialdirigenten gab es nun nochmals vollkommen neue Überlegungen für die Umstrukturierung der Immobilienverwaltung, denn letztlich sollten ja auch parteipolitische Überlegungen bei diesem innovativen Projekt nicht vollkommen unberücksichtigt bleiben.

Dem Staatssekretär, der sich mit seinen engsten Mitarbeitern in seiner Position gehalten hatte, und der nach Monaten wieder mit seiner Idee konfrontiert wurde, war das Thema mit dieser neuen politischen Richtung jedoch mittlerweile fast ein wenig lästig. Im Hinterkopf hatte er seine Idee mit der GmbH, die so kläglich gescheitert war, noch nicht wirklich verarbeitet. Nun hatte er das Gefühl, dass seine Idee von dem politischen Gegner als dessen Erfolg verkauft werden sollte.

Um das zu verhindern, wies er seine Abteilungsleiter im Monatsgespräch für diese vollkommen überraschend an, doch auch einmal darüber nach zu denken, wie man die gesamte alte Verwaltung auf anderem Wege als durch Umbau in ein Unternehmen eliminieren könnte. „Stellen Sie sich vor, dass es keine Immobilienverwaltung mehr gibt“, hob er an. „Dann hätten wir auch keine Kosten mehr für die Bediensteten, auch nicht für die Liegenschaften und deren Instandhaltung. Stellen Sie sich diesen Erfolg vor.“ Der Staatssekretär blickte in absolut verständnislose Gesichter, die aussahen als wenn sie nicht richtig gehört hätten.

Wie war es möglich, dass der Staatssekretär auf einmal über sein seinerzeitiges Lieblingsprojekt so redete, als wenn er nie etwas mit diesem Unternehmen zu tun gehabt hätte. Da keiner richtig überzeugt zu sein schien, fuhr der Staatssekretär mit lauter fester Stimme fort. „Wir würden zum Beispiel Unsummen von Geld für Berater sparen.“ Dann verließ er hastig den Raum und überließ seine Abteilungsleiter sprachlos. Als diese ihre Sprache wieder gefunden hatten, gingen sie an die Arbeit und trugen im Laufe der nächsten Wochen allerlei Ideen zusammen, die sie im nächsten Monatsgespräch vortrugen.

„Vielleicht käme ein Verkauf der gesamten Liegenschaften an einen reichen Scheich in Arabien in Betracht oder ein Verkauf an einen großen Immobilienfond“, besagten die Vorstellungen aus den Abteilungen. „Auch mit den Russen ließe sich vielleicht ein Geschäftchen machen“, sinnierte der Staatssekretär. Doch noch ehe die Runde sich im nächsten Monatsgespräch zu einer Lösung durchringen konnte, hatte Personalrat Gerüchte weise von den neuen Plänen des Staatssekretärs erfahren und nun sämtliche Kräfte gegen diese neue Linie mobilisiert.

Als das wiederum der Staatssekretär bemerkte, rief er sofort einen Krisenstab im Ministerium zusammen. Doch der konnte nicht mehr helfen. Von allen Seiten erreichten den Minister Petitionen und Schreiben von Interessenverbänden. Da half dem Staatssekretär nur noch ein sofortiger Änderungskurs, denn im Moment schien er mit seinen neuen visionären Vorstellungen leider keine Chance im politischen Raum zu haben. Und ehe er noch den Rauswurf aus dem Ministerium riskieren würde, stellte er lieber seine Verkaufsideen zurück. „Jedenfalls bis zur nächsten Legislaturperiode“, ließ er in der intimen Kantinenmittagsrunde im Ministerium verlauten.

Infolgedessen wurde weiter an dem Aufbau des neuen Immobilienunternehmens gearbeitet. Nach und nach wurden auch immer mehr Mitarbeiter beteiligt, die sich in den verschiedenen Implementierungsgruppen mit eigenen Ideen und Vorstellungen beteiligen konnten. Dadurch war kurz vor der Entstehung des Unternehmens doch noch gewährleistet, dass neben den vielfältigen Beratern und Gremienbeteiligten auch der einfache Sach- und Fachverstand mit in die Überlegungen einfließen konnte.

Kleine Pannen am Rande in der Form, dass die vom Ministerium entwickelte Datenbank nicht geeignet war, die gesamten Liegenschaftsdaten aufzunehmen und langsam auch der letzte Sachbearbeiter vor Ort dadurch seine eigenen Liegenschaften aus den Augen verlor, mussten hingenommen werden. „Kleine Kollateralschäden“, wie der Staatssekretär zu sagen pflegte.

Doch um zu beweisen, dass er und das Ministerium nicht im Kleinen dachten und an richtigen großen Lösungen interessiert war, wurde beschlossen, die ganzen selbst gebastelten Datenbanken aufzugeben und die beste und teuerste auf dem Markt erhältliche Software SUP einzuführen. SUP sollte gekauft und installiert werden und „Dann wird dieses SAP, nee SUP für uns die Arbeit machen“, verkündete der zuständige Abteilungsleiter im Ministerium, der für Datensicherheit zuständig war und mit dieser neuen Aufgabe der Implementierung des SUP durch den Staatssekretär persönlich beauftragt worden war.

Dem Staatssekretär war klar, dass durch die Abschaffung sämtlicher bestehender Datenbanken und der Implementierung von SUP immense Kosten entstehen würden. „Diese Kostenlawine“, ließ er in einer amtlichen Pressemitteilung verlauten, „werte ich als Indiz für wahre Wirtschaftlichkeit. Wir dürfen bei dem Aufbau eines Staatsunternehmens nicht an der falschen Stelle sparen.

Jedes Großunternehmen arbeitet mit SUP und genau das werden wir auch tun. Das ist ein kleiner Preis für eine moderne Verwaltung“. Ein kleines Unternehmen mit Sitz in Wallstadt freute sich über den neuen Kunden und schickte viele Berater, die SUP allerorts in der alten Verwaltung installierten, erklärten und fast 8000 Beschäftige der Verwaltung schulten.

Um für die Öffentlichkeit zu demonstrieren, dass hier tatsächlich ein modernes Dienstleistungsunternehmen entstehen sollte, wurde für die Implementierung des SUP noch ein eigener Stab gegründet, der von einem Beratungsunternehmen, das wiederum Subberater beauftragte, geleitet wurde. Dieser Stab erhielt den Namen BuLiMie. Das sollte Bundesrepublik, Liegenschaften und Mieten heißen. Jeder der über 8000 Beschäftigen wurde fortan in BuLiMie geschult und die Aktien des kleinen Unternehmens in Wallstadt stiegen weiter.

Nach dreieinhalb Jahren der Beratung und einigen neuen grauen Haaren auf dem Kopf des Staatssekretärs, stand endlich auch die Rechtsform des neuen Unternehmens fest. „Wie ich bereits von Anfang an gesagt habe“, erklärte der Staatssekretär vor dem Lenkungsausschuss, „hat man sich nun vernünftigerweise dazu entschlossen eine Anstalt zu gründen. Ganz im Sinne des modernen Staates und zeitgemäß wird eine Anstalt entstehen. Der Name dieser Anstalt wird kurz und prägnant DA sein.

Wofür steht DA?“, führte der Staatssekretär weiter geschickt aus. „Ich verrate es Ihnen. Das DA steht für Deutsche Anstalt für Dienstleistung und Immobilienverwaltung.“ Dieser Arbeitstitel musste einfach allen gefallen. Und jenen Personen, denen er nicht gefiel, hielten ihren Mund, denn langsam hatten alle genug von den vielen Arbeitskreisen und Implementierungsgruppen und wollten um jeden Preis vermeiden, dass nun noch ein weiterer Arbeitskreis zur Namensgebung hinzukommen könnte.

So wurde nach fast vier Jahren Vorarbeit ein entsprechender Gesetzesentwurf in das deutsche Gesetzgebungsverfahren eingebracht - das DA Entstehungsgesetz. An jenem Tag wischte sich der Staatssekretär gerührt eine Träne aus dem Auge. „Nach so vielen Jahren harter Arbeit, ist meine Vision Wirklichkeit geworden“, dachte er und seufzte tief. „Und ich bin der Urheber, der Ideengeber, der Macher, der Eigentümer. Mein erster Schritt in die Unsterblichkeit der Geschichte.“

Das Ministerium und damit auch er selber waren Eigentümer dieser Anstalt. Eigentümer eines Unternehmens mit einem außerordentlich modernen Dienstleistungsflair, das die wirtschaftlich arbeitende Verwaltung überall in der Welt repräsentieren würde. An dem Tag als das Gesetz verabschiedet wurde, lud der Staatssekretär seine engsten Mitarbeiter alle zum Italiener um die Ecke ein, um diesen großen Tag zu feiern. Er hatte sich tatsächlich auf die engsten Mitarbeiter, die fünf Personen zählten, beschränkt, denn so üppig wie die Gehälter der Vorstandsvorsitzenden der Dax Unternehmen wurde er ja schließlich nicht besoldet.

Wenige Wochen später lud er gleich noch einmal in das italienische Restaurant ein. Dieses Mal war der Kreis ein wenig weiter gewählt und bezog neben seinen engsten Mitarbeitern noch zusätzlich einige wenige Kollegen aus dem Ministerium mit ein, denn er ging in den wohlverdienten Ruhestand. Und da die Ruhestandsgehälter eines Ministerialbeamten einfach Peanuts gegen die hohen in der Wirtschaft üblichen Abfindungszahlungen sind, freute er sich insgeheim, dass neben Frau Dr. Schleicher-Hartmann leider noch zwei weitere Mitarbeiter wegen eines grippalen Infektes nicht an dieser Veranstaltung teilnehmen konnten.

Zum Glück für ihn bekam der Staatssekretär, der kurz nach der Gründung der Anstalt in den Ruhestand gegangen war, nicht mehr mit, dass tausende von Schreibblöcken und Briefpapiere genauso wie neue Visitenkarten mit dem Logo DA, deren Druck er in Auftrag gegeben hatte, nun vernichtet werden mussten. Denn kurz nachdem die ersten Visitenkarten durch Mitarbeiter verteilt worden waren, hatte sich plötzlich die Firma „Deutsche Antari“ meldete, der die Abkürzung DA seit Jahren zustand.

Diese war mit der neuen Namensgebung der Anstalt überhaupt nicht einverstanden und führte in den nächsten Jahren einen aufwendigen Rechtsstreit gegen die neu gegründete Anstalt. So musste der in das Leben gerufene Rechtsstab der Anstalt, der mit nur fünf Juristen noch nahezu unterbesetzt war, an die Arbeit und eine gut etablierte Anwaltskanzlei beauftragen, den Rechtsstreit gegen das staatsfeindliche Unternehmen zu führen.

Wie bei den meisten Rechtsstreitigkeiten gab es auch hier viele rechtliche Aspekte, die es zu beleuchten galt, viele Gerichte und noch mehr Instanzen. Im Ergebnis musste die Anstalt zahlen, ihre Druckerzeugnisse vernichten und sich ab sofort verpflichten, diese Abkürzung nicht mehr zu führen. Um dies sicherzustellen, gab es eine schriftliche Anweisung des Ministeriums in Form einer umfassenden Unterrichtung an alle Mitarbeiter, aus der hervor ging, dass zukünftig auch in jeglichen Schriftverkehr der Name der Anstalt nun immer vollkommen ausgeschrieben werden müsse.

Dieser sollte nun grundsätzlich auch im Schriftverkehr so lauten, wie es bereits im DA Entstehungsgesetz in der Präambel fixiert war: Deutsche Anstalt für Dienstleistung und Immobilienverwaltung. „Klar, einfach und prägnant wie die gesamte Umstrukturierung“, erklärte ein junger Staatssekretär namens von Gutental, der die Nachfolge des alten Staatssekretärs angetreten hatte, seinen Mitarbeiten. Herr von Gutental hatte eine gute Ausbildung und war von adligem Stand.

Nicht verschwiegen werden kann an dieser Stelle, dass er zudem das richtige Parteibuch hatte, das er gezielt neben seinen außerordentlich guten familiären Kontakten gezielt für seine Karriere eingesetzt hatte. Er war jung, ehrgeizig und hatte den unbedingten Willen es noch zu weit mehr, als nur zum Staatssekretär zu bringen.

„Was ist daran einfach?“, meldete sich Frau Dr. Schleicher-Hartmann zu Wort. Der junge Staatssekretär von Gutental, dem seine glänzende Karriere geradezu in seinen blitzenden Augen abzulesen war und der zudem mehr als außerordentlich ehrgeizig war, schaute seine Mitarbeiterin mit einem spöttischen Lächeln mitleidig an. „Frau Doktor, wenn Ihnen noch nicht einmal so einfache Dinge klar sind, wie stellen Sie sich dann Ihre weitere Arbeit hier im Ministerium vor?“, flötete er.

Dann fuhr er mit fester Stimme fort: „Deutsche Anstalt und Immobilien– gibt es etwas Prägnanteres? Nein! Sehen sie“, führte er seinen Monolog fort und deswegen werden wir an alle Angestellten dieser Anstalt einen Erlass schicken, der sie über den Namen und dem Umgang damit unterrichtet. Und wissen Sie, wer diesen schönen Erlass vorbereiten wird?“ Wortlos reichte er ihr sein mit einigen Stichwörtern bekritzeltes Papier und winkte mit der Hand, als wenn er Mücken verjagen wollte. Mit hängenden Schultern verzog sich Frau Dr. Schleicher-Hartmann in ihr Dienstzimmer. Jetzt konnte ihr kein Internetsuchdienst mehr helfen, sie musste selber kreativ tätig werden.

Laut diesem Erlass, der allen Niederlassungen der Anstalt nach drei Monaten zuging, musste der Name der Anstalt immer und von jedem Angestellten ohne Ausnahme vollständig ausgeschrieben werden. War dies jedoch in einem Papier erst einmal geschehen, durfte nachdem der wohlklingende prägnante Name einmal in seiner ganzen Schönheit ausgeschrieben worden war, im Weiteren einfach von Der Deutschen Anstalt oder schlicht und einfach Anstalt gesprochen werden.

„Dieser Erlass dokumentiert wieder einmal mehr unsere neue wirtschaftliche Denkrichtung“, sagte der junge Staatssekretär von Gutental zum Minister, den er in der Kantine des Finanzministeriums am Salatbuffet traf. „Anstalt, einfach nur Anstalt“, flötete er vor sich hin als er einige Mozzarella Stückchen flächendeckend auf seinem Salat verteilte.

Tatsächlich war nach fünf langen Jahren eine Anstalt entstanden und alle Beschäftigten durften sich fortan rühmen, nun einer modernen Dienstleistungsanstalt, die auch nichts mehr mit einer alten angestaubten Verwaltung zu tun hatte, anzugehören.



Mit Sudoku und Beratung an die Börse

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