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1. Zur allgemeinen Orientierung.

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Seit Kunde von Menschen auf dieser Erde zu uns gelangt ist so auch die, dass sie Stoffe aufnehmen, die nicht Nahrungs- oder Sättigungsstoffe waren, sondern bewusst dem Zwecke dienen sollten, für eine gewisse Zeit einen Zustand von Euphorie, von Behagen, von erhöhtem, subjektiv angenehmem Wohlbefinden hervorzurufen. Solche Kräfte fanden sie in alkoholischen Getränken und einigen sehr wenigen Pflanzenstoffen, den gleichen, die auch heute noch für den genannten Zweck gebraucht werden.

Kein modernes chemisches Bemühen war bisher imstande, irgend etwas auf synthetischem Wege zu finden, was dem in rätselhafter Weise von den Völkern aller Erdteile als zweckmäßig für ihre euphorischen Wünsche erkannt gewordenen Material auch nur im entferntesten an Wirkungen gleichkäme. Die potentielle Energie der letzteren hat die Erde erobert und über scheidende Gebirge und trennende Meere hinweg die Verbindung zwischen Völkern hergestellt. Die Genussmittel dieser Art sind das einigende Band zwischen Menschen entgegengesetzter Hemisphären, zwischen Zivilisation und Unzivilisation geworden und sie haben, seit sie die Menschen in ihren Bann schlugen, sich Wege für ihr Vordringen gebahnt, die, einmal eröffnet, auch für andere Zwecke begehbar geworden sind. Sie gestalteten sich zu Kennmarken, die, in Völkern zurückgeblieben, einen auch sehr weit zurückliegenden wunderbaren Wechselverkehr unter ihnen so sicher diagnostizieren lassen, wie der Chemiker an einer chemischen Reaktion die innerlichen Beziehungen zweier Stoffe zu erschließen vermag. Der unbewusste Kontakt, der [8] sich durch die Verbreitung solcher Mittel zwischen ganzen Völkerreihen eines Erdteils vollzogen hat, erfordert wohl stets Jahrhunderte oder Jahrtausende. Die Völkerkunde hat, worauf ich mehrfach schon hinwies, ein besonders großes Interesse daran, diesen Berührungswegen nachzugehen, hat aber nie den Versuch gemacht, die Elemente für die Rückverfolgung der hier auftauchenden wissenschaftlich und für die Menschheitsgeschichte so bedeutungsvollen Fragen zu suchen. Und doch würde sich bei eingehendem Forschen mancherlei, zumal mit vergleichend linguistischer Hilfe, finden lassen.

Schon das Finden der Eigenschaften erregend oder betäubend wirkender Stoffe und deren Verwendungsart stellt ein gewisses naturwissenschaftliches, durch praktische Beobachtung gewonnenes Erkennen und damit ein Stückchen vom Anfang von Kultur dar, das höchst beachtenswert ist. Und wenn es als ein Symptom von Zivilisation bezeichnet werden darf, dass nackte Bedürfnislosigkeit einem gewissen größeren Maß von Begehren weicht, dass das Individuum mit der primitiven, rohen Leibesnahrung, die ihm zuwächst oder die es sich erkämpft, nicht mehr zufrieden, Reizmittel, vor allem für sein Nervensystem, findet oder erhält und liebgewinnt, dann müssen auch in seiner Organisation die zeitlichen Bedingungen für ein solches körperliches Begehren, mindestens aber für das Lustgefühl, das es durch Erfüllung derselben empfindet, vorhanden sein.

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