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KAPITEL 2: Das Abbild der Kaiserin.
ОглавлениеSchon war der Captain mit seinem ersten Offizier im Maschinenraum angekommen.
Kaum war er durch die Tür getreten, wandte sich Gall an ihn.
„Nun, was gibt´s`?“ fragte der Captain.
„Die Kristale, Sir.“ begann der Chefingenieur. „Sie sind durch unseren Flug fast verbraucht. Sie lassen immer weiter nach und entkristallisieren sich.“
„Wie ist das möglich?“ fragte der Captain.
„Durch das Dauertempo mit Wark 20 haben sie so viel Leistung bringen müssen.“ erklärte Gall. „Und es wird mehr Energie verbraucht, als wir erzeugen können, denn der Hauptgenerator ist durch. Den zu reparieren dauert seine Zeit. Erst dann können wir wieder gute Energie erzeugen. Allerdings machen mit die Kristalle Sorgen.“
„Wie lange können sie noch Energie abgeben?“ fragte Zwar.
„Bei voller Leistung aller Systeme noch 20 terranische Stunden.“ erklärte Gall. „Danach Sir, verlieren wir die Kraft, uns in der Umlaufbahn halten zu können.“
„Kann doch nicht wahr sein, dass unsere Mission an diesen Kristallen scheitern soll.“ gab der Captain zurück. „Ist es möglich, sie zu rekristallisieren?“
„Das weiß ich nicht Sir.“ gab der Chefingenieur zurück. „Bei uns zuhause würden wir neue Kristalle einbauen, aber ich weiß nicht, ob es auf dem Planteten Terra solche oder wenigstens ähnliche Kristalle gibt. Hinzu kommt das Problem, dass die Kristalle geschliffen sein müssen, um einwandfrei funktionieren zu können. Eine Schleifmöglichkeit haben wir hier nicht.“
„Aber wäre es möglich, ein Gerät zu konstruieren, das die Kristalle wieder aufpumpt?“ fragte der Captain.
„Ich weiß nicht, ob so etwas geht.“ gestand Gall. „Meines Wissens ist so ein Gerät bei uns existent. Aber es wurde nie benutzt, weil es nie gebraucht wurde. Sie wissen doch, dass wir einen fast unerschöpflichen Reichtum an den Kristallen besitzen. Daher war es nie nötig, die Kristalle wieder aufzuladen. Doch vielleicht gelingt es uns.“
„Inzwischen können Sie den Generator reparieren.“ sagte Zwar. „Unsere Suche wird sich wohl länger hinziehen. Wer weiß, wo wir das Ebenbild der terranischen Kaiserin finden, wenn überhaupt.“
„Ich möchte mich nicht einmischen, Sir.“ sagte Eloyd. „Aber in diesem Fall wäre unsere Mission zum Scheitern verurteilt.“
„Das darf nicht passieren.“ entgegnete Zwar.
„Sir, was ist, wenn wir nicht erfolgreich sind?“ fragte Eloyd.
„Wir müssen Erfolg haben.“ entgegnete Zwar.
Wieder auf der Brücke, meldete Gerlach:
„Bisher war ich noch nicht fündig, aber das muss nichts heißen. Es leben etwa 6 Milliarden Menschen auf diesem Planeten, die Hälfte davon Kinder. Nur ein Prozent der Kinder hat das richtige Alter und nur ein Mädchen kommt als terranische Kaiserin in Frage.“
„Das nehme ich auch an.“ bestätigte Zwar. „Also suchen Sie weiter.“
„Leichter gesagt als getan.“ seufzte der Nachrichtenoffizier. „Aber wir haben keine andere Wahl.“
„Wem sagen Sie das?“ fragte Zwar. „Aber ich muss Ihnen nicht sagen, dass unsere Zeit sehr knapp ist.“
„Das ist mir klar.“ entgegnete Gerlach. „Ich tu mein Bestes, okay? Das ist kniffelig.“ Weiterhin schaute er sich die Bilder auf dem Monitor an. Der Captain setzte sich auf seinen Stuhl und blickte auf den Hauptbildschirm, auf dem die Erde zu sehen war.
Dann befahl er:
„Schalten Sie Ihren Scanner auf den Hauptmonitor.“
Nun konnte auch der Captain die Suche des Computers verfolgen. Dabei wurden alle Menschen gescannt, die durch den Rechner liefen. Gerlach hatte mit dem Norden Deutschlands angefangen und suchte jetzt systematisch in Richtung Süden.
„Wie lange wird die Suche dauern?“ fragte Zwar.
„Allein Germany dauert zwei Stunden.“ meldete Gerlach. „Aber schlimmer ist es, wenn wir den Rest der Welt durchsuchen müssten. Der Computer zeigt auf, wie viele Menschen er schon gescannt hat. Jetzt sind es über 200.000.“
„Wie viele Bewohner hat Germany?“ fragte Zwar.
„Etwa 80 Millionen.“ sagte Gerlach.
„80 Millionen allein in Germany.“ sagte der Captain. „Und irgendwo das Abbild der terranischen Kaiserin. Tja, `ne Stecknadel in einem Heuhaufen zu finden ist dagegen ein Kinderspiel.“
Auf der Erde in Nürnberg sollten sie fündig werden, denn dort war gerade eine Schule, aus der jetzt viele Kinder liefen, denn es war Unterrichtsschluss. Unter den Kindern war auch ein Mädchen, das dem Bild der terranischen Kaiserin auf Haar glich. Lediglich hatte sie keine schwarzen, sondern blonde Haare. Sie lief durch den Schulhof und wurde von einem anderen Mädchen begleitet, das rief:
„Bis morgen, Ricarda.“
„Bis morgen, Sophie.“ kam es von dem Mädchen zurück.
Weit war die Kleine noch nicht vom Schulhof weg, als ihr plötzlich drei Jugendliche den Weg versperrten. Blitzschnell hatten sie Ricarda eingekreist. An Flucht war jetzt nicht zu denken.
„Na, wen haben wir denn da?“ feixte einer. „Da kommt ja Frischfleisch.“
Ricarda war wie gelähmt vor Angst. Sie hatte auch nicht die Kraft, wegzulaufen. Nun wollten die drei der Kleinen die Kleider vom Leib reißen, doch kaum hatten sie damit begonnen, schrie einer auf. Ein Ast hatte ihn getroffen. Auch die anderen schrien, bis alle drei bewusstlos am Boden lagen.
Erst jetzt bemerkte Ricarda, wer sie gerettet hatte: Ein Junge etwa in ihrem Alter stand da.
„Alles klaro?“ fragte er.
Bewundernd schaute Ricarda den fremden Jungen an. Sie war nicht fähig, etwas zu erwidern.
„Na los, sag doch was.“ lachte der Junge. „Übrigens, ich heiße Valentin.“
„Ich heiße Ricarda.“ stellte sich das Mädchen vor.
„Komm, gehen wir lieber von hier weg, bevor die zu sich kommen.“ sagte Valentin, nahm Ricarda an der Hand und ging mit ihr vom Platz. Bei einem Haus angekommen, staunte Ricarda nicht schlecht. Es war eine Villa mit allem Drum und Dran. Garten, Swimming-Pool und eine Solaranlage auf dem Dach.
„Mann.“ stieß sie hervor. „Hier wohnst du?“
„Ja, hier wohne ich.“ erklärte der Junge. „Willst du mit reinkommen? Mama wird sich sicher freuen.“
Wieder war Ricarda zu keinem Wort fähig, doch dann sagte sie:
„Ich komm mit. Meine Mama kommt erst am Abend von der Arbeit.“ „Und wo ist dein Papa?“ fragte Valentin.
„Einen Papa habe ich nicht.“ antwortete sie. „Mama mag nämlich keine Männer, hat sie mir gesagt.“
„Na, das ist aber komisch.“ kicherte Valentin. „Du musst doch einen Papa haben.“
„Nein, ich hab´ keinen Papa.“ wiederholte das Mädchen.
„Komm trotzdem mit rein.“ sagte der Junge. „Mama wird sich sicher freuen.“ Zögernd folgte Ricarda dem Jungen. Aber sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte, wenn sie drinnen war.
Valentin spürte offenbar, wie seiner neuen Freundin zumute war, deshalb sagte er:
„Du kannst ruhig mitkommen.“
Ricarda konnte noch den Namen Gerber sehen.
Valentin öffnete die Gartentür und ging mit ihr durch den Garten zum Haus. Dort schloss er die Haustür auf und die Kinder traten ein.
Ricarda blieb vor Staunen der Mund offen. Da sie aus ärmsten Verhältnissen stammte, war sie so einen Luxus nicht gewöhnt. Die Möbel waren vom Feinsten und wirkten sehr teuer. Allein der riesige Glastisch mochte mehrere tausend Euro gekostet haben. Die Möbel waren sicher maßgezimmert für diese Diele, an der eine große Küche grenzte. Valentin betrachtete sich seine neue Freundin und erklärte:
„Die Möbel hat mein Papa selbst entworfen und gebaut. Er ist nämlich Architekt. Aber er ist jetzt in der Arbeit und kommt erst am Abend heim.“
„Und deine Mama?“ fragte sie.
„Die müsste eigentlich da sein.“ meinte er und rief:
„Mama!“, doch er bekam keine Antwort. Als er den Dielentisch ansteuerte, entdeckte er einen Zettel. Er las:
„Lieber Valli. Dein Essen steht in der Küche. Bin gerade beim Schaufensterbummel mit einer Freundin. Bis später, Mama.“ Valentin blickte auf und sagte:
„Kann mit schon denken, wer diese Freundin ist.“ grinste der Junge. „Diese Magdalena. Mit der geht sie öfter schoppen. Tja, dann werden wir eben warten müssen. Komm einfach mit in mein Zimmer, da können wir spielen.“ Schon zog er Ricarda in sein Zimmer.
„Ach übrigens, wann kommt denn deine Mama heim?“ fragte er.
„Ach, erst spät.“ antwortete sie. „Außerdem bin ich ihr sowieso egal.“ „Wieso denn das?“ wollte der Junge wissen.
„Ich weiß nicht.“ sagte Ricarda. „Sie mag mich halt nicht.“
„Versteh ich nicht.“ murmelte er. „Komm, wir spielen mit den Autos.“
Schon ertönte ein „Wrumm wrumm.“ durch das Zimmer. Zum ersten Mal sah man Ricarda lachen. Sie hatte gerade einen Krankenwagen in der Hand und rief:
„Düü dada düü dada.“
Es dauerte nicht lange, als draußen die Eingangstüre ging. Ein Schlüssel wurde herumgedreht.
„Mama.“ sagte Valentin. An Ricarda gewandt, fuhr er fort:
„Warte hier.“ und sauste aus der Tür.
Das Mädchen konnte nur ein Gemurmel zwischen zwei Stimmen wahrnehmen. Kurz darauf tauchte der Junge wieder auf.
„Komm raus, Ricarda.“
Zögernd folgte das Mädchen der Aufforderung des Freundes und streckte den Kopf hinaus. In der Diele stand Valentin´s Mutter Frau Gerber.
„Hallo, Ricarda.“ grüßte sie freundlich.
Die Frau mochte Mitte 30 sein und wirkte sehr sympathisch. Doch Ricarda war noch zu verschreckt von der Situation vorhin. Außerdem war sie von ihrer Mutter jahrelang regelrecht eingeschüchtert worden. Die Frau ließ sie wissen, dass Ricarda ein unerwünschtes Kind war. Valentin schien das zu spüren, denn er sagte:
„Du kannst ruhig rauskommen.“
Langsam ging das Mädchen aus dem Zimmer.
„Es gibt Schweinebraten mit Knödel.“ fuhr er fort. „Magst du sowas?“
Ricarda nickte nur stumm. Schon kurz darauf servierte Frau Gerber das Essen, während Valentin seine neue Freundin fragte:
„Soll ich dich nachher heimbringen?“
„Ach, lieber nicht.“ lehnte das Mädchen ab. „Mama wird sonst böse.“
„Aber begleiten werde ich dich trotzdem.“ bestimmte der Junge. „Nicht, das du wieder diesen Typen in die Hände fällst.“
„Man sollte eigentlich die Polizei rufen.“ meinte seine Mutter. „Vielleicht tummeln sie gerade draußen herum.“
Sie stand auf und schaute aus dem Fenster, doch es war niemand zu sehen.“
„Meiner Mama ist es egal, wenn mir was passiert.“ sagte Ricarda plötzlich. „Für sie bin ich doch nur eine Last.“
„Das darfst du nicht sagen, Ricarda.“ entgegnete Valentin.
„Aber es ist so.“ gab sie zurück.
„Ich glaube, ich bring dich heim.“ bestimmte Valentin. „Ich will nicht, dass dir etwas passiert.“
„Dann darf ich auch nicht heim.“ erklärte sie. „Wenn Mama erfährt, dass ich einen Freund habe, dann haut sie mich.“
„Dann haue ich sie.“ sagte Valentin bestimmt und zeigte auf den Ast, den er mitgenommen hatte. „Damit habe ich die drei verprügelt.“
„Du hast was?“ fragte seine Mutter.
„Ach so, das weißt du ja nicht.“ entgegnete der Junge. „Ich habe ihr geholfen, als sie überfallen worden ist. Und da habe ich den Ast da genommen und die drei verprügelt.“
„Aber Valli.“ rief seine Mutter entsetzt. „Was soll nur aus dir werden?“
„Aber Mama.“ widersprach Valentin. „Ich musste ihr doch helfen.“
Ricarda hatte stumm zugehört. Jetzt sagte sie:
„Ich glaube, ich muss heim.“
„Ich komm´ mit.“ bestimmte der Junge, nachdem er aufgegessen hatte. „Ich lass dich nicht mehr allein.“
„Lieb von dir, Valentin.“ flüsterte Ricarda. „Aber es ist besser, wenn ich allein gehe.“
„Und wenn du den dreien wieder in die Hände fällst, was dann?“ fragte der Junge. „Du weißt genau, was dir dann blüht. Bitte Ricarda, lass mich mit dir gehen. Ich kann dir bestimmt nützlich sein.“
Eine Weile dachte Ricarda nach. Dann schaute sie auf und sagte:
„Okay.“
„Na, dann ist alles in Butter.“ strahlte Valentin. „Und ich pass auf dich auf. Keiner darf dir wehtun.“
Langsam stand Ricarda von Tisch auf, nahm ihren Schulranzen und setzte ihn auf.
Valentin packte den Ast und sagte:
„Ich werde dich beschützen.“
Seine Mutter lächelte, als sie das hörte. Sie konnte wirklich stolz auf ihren Sohn sein.
An seine Mutter gewandt erwiderte er:
„Sag Papa, dass ich in einer Stunde wieder zurückkomme.“
„Aber du weißt doch nicht, wo ich wohne.“ widersprach Ricarda.
„Und ob ich das weiß.“ sagte der Junge. „Ich bin dir einmal nachgegangen.“
„Echt?“ wunderte sich das Mädchen. „Du bist mir gar nicht aufgefallen.“
„Das macht nichts.“ kam es zurück. „Also gehen wir, bevor es zu spät wird. Bis dann, Mama.“
„Tschüs, mein Junge. Tschüs, Ricarda.“ sagte Frau Gerber. „Und komm´ uns mal wieder besuchen.“
„Wiedersehen.“ gab das Mädchen leise zurück.
Die Kinder gingen nun den Weg, den Ricarda für ihren Heimweg hatte. Valentin hielt den Ast fest in den Händen und schaute sich immer wieder um, doch die drei Jugendlichen ließen sich nicht sehen. Offenbar waren sie von Valentin´s Angriff so überrascht gewesen, dass sie einen Rückzieher gemacht hatten.
Nicht mehr allzu lang waren die Kinder an Ricarda´s Hochhaus angekommen. Sie zögerte, ins Haus zu gehen. Valentin merkte es.
„Was ist denn mit dir los?“ fragte er.
„Ich trau mich nicht heim.“ gestand das Mädchen.
„Willst du, dass ich mitkomme?“ bot er an.
„Oh nein, lieber nicht.“ lehnte sie ab. „Sonst haut mich Mama.“
„Dann haue ich sie.“ sagte Valentin bestimmt und hob demonstrativ den Ast hoch.
„Bitte geh jetzt.“ bat sie. „Ich komm schon zurecht.“
„Hoffentlich hast du recht.“ meinte der Junge. „Also dann, bis morgen.“
„Sag mal, hast du ein Handy?“ fragte Ricarda.
„Ich hab´ eins mit Ortung.“ erklärte er. „Du kannst mich jederzeit erreichen. Hier hast du meine Karte.“
Dabei holte er aus seiner Hosentasche eine Visitenkarte hervor und gab sie dem Mädchen.
„Valentin Gerber. Mobil 0177/2 55 88 01.“ las sie.
„Danke.“ sagte sie und schob die Karte ein. Dann fragte sie:
„Verdient dein Papa eigentlich gut?“
„Er ist Architekt bei der Firma Schönberger.“ erklärte der Junge. „Und wir können uns das große Haus leisten. Aber genug für heute. Wir sehen uns morgen. Tschüs, Ricarda.“
„Tschüs, Valentin, bis morgen.“
Schon verschwand das Kind im Hochhaus. Im 4. Stock angekommen, öffnete sie heimlich die Tür und trat leise ein. Ihre Mutter schien da zu sein, denn im Wohnzimmer lief der Fernseher.
Ricarda war wohl nicht leise genug gewesen, denn schon öffnete sich die Wohnzimmertür und ihre Mutter kam heraus.
„Wo bist du gewesen?“ fragte sie streng.
Da Ricarda nicht sofort antwortete, fuhr ihre Mutter fort:
„Verschwinde sofort in dein Zimmer und mach die Hausaufgaben.“
Wortlos ging das Mädchen in sein Zimmer und schluchzte. Sie dachte gerade an Valentin, der ein richtiges Familienleben und auch ein tolles Zuhause hatte. Morgen würde sie ihm alles erzählen.
Inzwischen war bei Valentin der Vater Bertram eingetroffen. Man sah ihm an, dass er sich durchsetzen konnte. Nachdem der Junge ihm von Ricarda erzählt hatte, sagte er:
„Und jetzt willst du, dass ich ihr helfe, oder.“
„Genau, Papa.“ betätigte Valentin. „Ich will Ricarda immer sehen. wir kennen uns ja.“
„Warum hast du früher nie von ihr erzählt?“ fragte der Vater.
„Weil ich sie erst seit heute richtig kenne.“ antwortete sein Sohn. „Aber das ist egal.
Hauptsache, du hilfst ihr.“
„Aha.“ entgegnete sein Vater. „Naja, ich will sehen, was sich machen lässt.“
„Du machst das schon, Papa.“ sagte Valentin zuversichtlich.
Am nächsten Tag war Ricarda froh, dem Zuhause zu entfliehen. Schon nach dem Unterricht hielt sie Ausschau nach Valentin. Der kam ihr gleich entgegen.
„Hallo, Ricarda.“ grüßte er. Sofort sah er, dass mit seiner Freundin etwas nicht stimmte.
„Ist was passiert?“ fragte er und nahm sie in seine Arme.
„Ach nichts.“ gab sie zurück.
„Hast du Ärger mit deiner Mama gehabt?“ bohrte er weiter.
Das Mädchen sagte nichts, doch Valentin ahnte es.
„Aha.“ sagte er. „Das ist es also. Am besten, du kommst mit mir, dann wird dich Papa heimbringen. Der wird mit deiner Mama reden.“
„Oh nein, bitte nicht.“ wehrte Ricarda ab. „Der würde alles nur noch schlimmer machen.“
„Keine Angst.“ beruhigte der Junge sie. „Wenn der ein Ziel erreichen will, dann kann er es, sonst wäre er in seiner Arbeit nie so weit gekommen. Also was ist, kommst du mit mir?“
Ricarda zögerte etwas, dann sagte sie:
„Gut, ich geh mit dir.“
Bald darauf waren die Kinder bei Valentin´s Zuhause angekommen. Frau Gerber erwartete sie bereits.
„Na, hast du deine Freundin wieder dabei?“ fragte sie.
„Ricarda hat ein Problem mit ihrer Mama.“ erklärte ihr Sohn. „Wir werden auf Papa warten, damit er ihr Problem löst.“
„Glaubst du nicht auch, dass dein Papa schon genug eigene Probleme hat?“ fragte Ricarda.
„Nur keine Angst.“ sagte Valentin. „Wenn ich ihn bitte, dann wird er es tun. Und glaub mir, der biegt deine Mama schon richtig hin.“
„Hoffentlich hast du recht.“ murmelte sie.
„Du hast mir vorhin auf dem Weg hierher erzählt, dass deine Mama noch nichts von mir weiß.“ erinnerte der Junge.
„Ich hab´s ihr nicht sagen können, weil sie mich wieder angeschrien hat.“ sagte Ricarda. „Außerdem wär es sowieso sinnlos, weil ich bestimmt keinen Freund haben darf.“
„Dann warte, bis mein Papa kommt.“ meinte Valentin.
„Ich möchte mich nicht einmischen, Kinder,“ meldete sich Frau Gerber. „aber jetzt gibt es Essen.“
Ricarda wagte nicht zu fragen, was es eigentlich gab. Aber es würde schon etwas Gutes sein. Und sie hatte Recht. Frau Gerber setzte den Teller auf. Cordon Bleu.
Zögernd griff Ricarda zu und aß. Valentin betrachtete seine Freundin genau. Er würde alles tun um ihr zu helfen. Und diesmal sollte es sein Vater machen, wenn er nach Hause kam.
Die Stunden vergingen. Zum Zeitvertreib spielten die Kinder zusammen, nachdem sie ihre Schularbeiten gemacht hatten. Abermals sausten einige Spielzeugautos über den Teppich, bis draußen plötzlich die Haustür aufging.
„Papa.“ rief Valentin. Sofort stürmte er aus dem Zimmer, während das Mädchen noch sitzen blieb.
„Hallo, Papa.“ grüßte der Junge draußen. „Du, Ricarda ist da.“
„Na, dann hol sie doch her.“ sagte der Vater und setzte sich zum Tisch. Valentin ging in sein Zimmer und flüsterte:
„Komm.“
Langsam trat Ricarda aus dem Zimmer. Sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte.
Aber Valentin war bei ihr.
„Tag.“ sagte sie leise.
„Also du bist Ricarda.“ gab der Mann zurück. „Grüß dich. Valentin hat schon von dir erzählt. Er will, dass ich mit deiner Mama rede. Ist dir das recht?“
Das Mädchen sagte nicht, nickte aber leicht mit dem Kopf. Valentin lächelte, als er das sah.
„Na, dann ist ja alles in Butter.“ strahlte er.
„In Butter ist noch lange nichts.“ entgegnete sie. „Wer weiß, wie Mama reagiert.“
„Das spielt überhaupt keine Rolle.“ meinte Valentin. „Wenn Papa erst mit deiner Mama geredet hat, dann klappt das schon.“
„Hoffentlich hast du recht.“ sagte sie.
„Aber vorher wird gegessen.“ kam es von Frau Gerber. „Jetzt gibt es etwas Leckeres.
Dampfnudel.“
Schon saßen die Kinder am Tisch. Valentin leckte sich die Zunge über die Lippen. Ricarda dagegen wagte nicht die geringste Bewegung. Sie dachte nur daran, welchen Ärger sie mit ihrer Mutter bekommen würde. Doch andererseits vertraute sie dem, was Valentin gesagt hatte.
Noch nie hatte Ricarda so gut gegessen oder mit einem anderen Kind gespielt. Aber dennoch, sie brachte kaum einen Bissen herunter. Valentin sah das und spürte sofort, was los war.
„Du kannst ruhig essen. Es wird dir nichts passieren, das garantiere ich.“ sagte Valentin. „Und mach dir nicht so viele Gedanken, mein Papa macht das schon.“
Nun wirkte sie ein bisschen zuversichtlicher und aß ihre Dampfnudel. Danach räumte Frau Gerber ab.
„Am besten, wir fahren gleich los.“ sagte der Vater. „Ricarda wohnt doch sicher in einem der Hochhäuser in Langwasser.“
„Das stimmt, Papa.“ bestätigte Valentin. „Ich hab sie nämlich gestern heimgebracht.“
„Aber oben warst du nicht, oder.“ fragte Herr Gerber.
„Nein.“ gestand der Junge. „Ich wollte Ricarda nicht in Schwierigkeiten bringen.“ Dezent schaute das Mädchen den Jungen an. So temperamentvoll er war, er hatte etwas Liebes. Ricarda packte ihren Schulranzen und machte sich zum Gehen auf.
„Ich komm auch mit.“ sagte Valentin, ging in sein Zimmer und holte den Ast.
„Was willst du denn damit?“ fragte Herr Gerber.
„Wenn die Burschen wiederkommen, dann kann ich sie hauen.“ erklärte der Junge, der seinem Vater den gestrigen Vorfall geschildert hatte.
„Na ich glaube nicht, dass sie auftauchen werden.“ vermutete dieser. „Aber du hast recht. Man darf nichts vergessen.“
Schon verließen die drei das Haus. Ohne Zwischenfälle erreichten sie den Block, in dem Ricarda wohnte. Dem Mädchen war ganz bange geworden, doch Valentin fasste sie an der Hand und sagte:
„Keine Angst. Papa macht das schon.“
Langsam gingen die drei nach oben. Ricarda klammerte sich ängstlich an Valentin, während sein Vater sicheren Schrittes zur Haustür ging. Man merkte sofort, dass er fest entschlossen war, Ricarda zu helfen.
Keine halbe Stunde später kamen die drei wieder aus der Wohnung. Valentin triumphierte. Wieder hatte sein Vater ein Ziel erreicht. Nur Ricarda wirkte etwas niedergeschlagen.
„Was ist denn mit dir los?“ fragte der Junge. „Es hat doch alles geklappt.“
„Ich weiß nicht.“ meinte sie. „Was ist, wenn sie mich wieder haut?“
„Dann haue ich sie.“ sagte der Junge und hob demonstrativ seinen Ast hoch. „Den werde ich aufheben, falls ich ihn nochmal brauche.“ Dabei grinste er frech. An seinen Vater gewandt sagte er:
„Du Papa, ich möchte mit Ricarda auf den großen Spielplatz.“
„Ich bringe euch hin.“ entgegnete Herr Gerber. „Schließlich seid ihr Freunde.“
Ricarda betrachtete ihren Freund.
Kurz darauf waren die drei am besagten Spielplatz angekommen. Herr Gerber telefonierte gerade mit seiner Frau, der er alles mitteilte.
„Gratuliere, Schatz.“ sagte sie. „Ich wusste, du kannst das lösen. Wo sind die Kinder?“ „Hier bei mir.“ erklärte er. „Sie spielen zusammen. Wir kommen dann etwas später heim. Ich will mit dir das neue Projekt besprechen. Es kann sein, dass ich noch mehr verdiene. Zumindest hat der Chef das heute so angedeutet.“
„Aber richtig gesagt hat er dir das nicht, oder?“ fragte seine Frau.
„Nein.“ antwortete der Mann. „Aber ich denke da an etwas Anderes, das ich heute noch mit dir besprechen will. Wir waren doch bei Ricarda´s Mutter. Ich sage dir, die Frau hat Haare auf den Zähnen. Ich glaube auch nicht, dass ich sie kleingekriegt habe. Aber lassen wir das. Wenn es wirklich hart auf hart kommt, dann müsste ich mit dir das besprechen.“
„Du willst doch nicht sagen...“ begann seine Frau.
„Das weiß ich noch nicht.“ fuhr er fort. „Warten wir es einfach ab.“