Читать книгу Flirt, Flucht & Fiasko - Liane Leicht - Страница 9
Ein etwas anderes Versteck
Оглавление„Warum hast du mir nicht gesagt, dass der Typ so gut aussieht?“, beschwerte sich Annika bei mir, als Finn außer Hörweite war.
Ich grinste. „Weil du versucht hättest, ihn für dich zu behalten und mir stattdessen Dominik aufgeschwatzt hättest.“
„Überhaupt nicht!“, maulte sie. „Ich bin mit meinem Freund schon seit einem halben Jahr zusammen. Warum sollte ich ihn in einen Unbekannten austauschen?
Da hatte sie sicherlich recht. Finn sah ohne Frage besser aus, aber er machte aus seinem Leben ein Geheimnis. Ich wusste nicht genau, was ich von ihm zu halten hatte. Trotzdem würde ich nie auf die Idee kommen, etwas mit Dominik anzufangen. Und nicht nur, weil er mit meiner besten Freundin zusammen war.
„Jedenfalls glaube ich, dass du es schlechter hättest erwischen können.“
„Hm“, machte ich unbestimmt. Ich mochte Finn. Ich war mir sicher, dass er ein netter Kerl war. Gleichzeitig hatte er vor irgendetwas Angst. Und was immer es war, es war ebenfalls hier auf dem Fest.
Wenn ich alleine hergekommen wäre oder mit einer anderen Begleitung, wäre der Abend garantiert gewöhnlicher verlaufen.
Aber was hatte ich erwartet? Er musste einen Nachteil haben. Typen wie er hatten es in der Regel nicht nötig, im Einkaufszentrum fremde Mädchen anzubetteln, um mit ihm auf romantische Veranstaltungen zu gehen.
Annika und ich schafften es gerade so, das eine Lied zu Ende zu tanzen, dann wurden wir gestört. Von Dominik. Er legte von hinten einen Arm um seine Freundin. „Hey“, rief er über die Musik hinweg und reichte ihr eine Rose. Eine richtige echte Rote mit Dornen und allem drum und dran. Ein wenig eifersüchtig war ich schon, dass ich nur dieses kleine rosa Plastikding hatte, das höchstens 20 Cent wert war. Aber ich gönnte es meiner Freundin. Schließlich war sie mit Dominik zusammen und ich mit Finn nicht.
„Als Wiedergutmachung, dass ich nicht tanzen will“, erklärte er ihr.
Annika lächelte glücklich. „Danke, das ist so süß von dir“, freute sie sich und umarmte ihn.
„Wollen wir wohin, wo’s leiser ist?“, fragte er sie.
Das schwarzhaarige Mädchen war sofort dabei. Sie ließ sich von Dominik fortschleifen und winkte mir zum Abschied noch einmal zu.
Ich seufzte. Alleine machte tanzen einfach keinen Spaß, also beschloss ich, meine Begleitung suchen zu gehen. Ich drängelte mich zurück in Richtung der Stelle, wo ich Finn hatte stehen lassen. Unschlüssig sah ich mich um. Warum hatte ich mich nur von ihm getrennt? Gab es überhaupt eine Möglichkeit, ihn in dem Gewühl wiederzufinden?
In dem Moment tauchte ein blonder Schopf mit abgehetztem Gesichtsausdruck vor mir auf. Er packte mich grob an der Schulter und schrie mir über die Musik hinweg panisch zu: „Versteck mich!“
„Was…? Wer…? Ich…“, stotterte ich verstört.
Vielleicht hätte ich doch besser in die andere Richtung verschwinden sollen. Weg von Finn-auf-der-Flucht. Niemandem wäre in der Menschenmenge aufgefallen, wenn ich ohne Partner durch die Gänge gewandert wäre.
Gleichzeitig wusste ich, dass ich es nicht über mich bringen würde, Finn alleine zu lassen. Er brauchte offensichtlich Hilfe. Und wer weiß, vielleicht würde er mir ja doch noch erzählen, was hier los war.
Hilflos hob ich die Arme. „Wo soll ich dich denn verstecken?“
Er schaute sich verzweifelt um. „Keine Ahnung. Ich hab ja gehofft, dass sie mich in der Menge nicht sehen, aber…“
„Es sind also mehrere?“, schloss ich messerscharf.
„Ja. Zwei Typen. Ziemlich einfach gekleidet. Wirkt fast schon schlampig, wenn man sich den Rest so anguckt“, gab er widerwillig zu und deutete auf sie.
Ich richtete meinen Blick in die angezeigte Richtung.
„Die mit dem Bier in der Hand, die sich gerade das große Bild da anschauen. Siehst du sie?“
Ich nickte zögernd. Es waren zwei Männer mittleren Alters. Der eine war groß und schlank, hatte lange schwarze Haare und eine ernste Miene aufgesetzt. Er trug ein einfarbiges lindgrünes T-Shirt, nippte an der braunen Glasflasche und beobachtete dabei mit Argusaugen das Menschengewirr.
Der zweite Mann hatte ein einfaches kariertes Hemd an und war etwa einen Kopf kleiner als der andere. Seine Haare wurden bereits grau und schütter, weshalb er zehn Jahre älter wirkte. Vielleicht war er das auch.
In dem Moment beugte sich der Größere zu ihm herab und flüsterte ihm etwas zu.
„Glaubst du wirklich, dass diese Männer hinter dir her sind?“ Sie wirken auf mich recht unauffällig. Gut, sie waren älter als die meisten Gäste hier und hatten keine Frauen an ihrer Seite. Außerdem beobachteten sie die Tanzfläche besonders aufmerksam, aber das konnte auch daran liegen, dass sich ihre Begleitungen dort gerade aufhielten.
„Glaub mir, wenn du jahrelang von denselben Typen verfolgt wirst, merkst du dir ihre Gesichter.“
„Jahrelang? Dann fällt Ladendiebstahl wohl schon mal weg.“
Er lachte hohl. „Du kommst nie drauf“, versicherte er mir.
„Du könntest es mir ja sagen“, schlug ich vor.
„Denk nicht mal dran.“
Obwohl er sich mit mir unterhielt, ließ er seine Verfolger nicht einen Moment aus den Augen. Ich erkannte das ganz deutlich.
Ich wollte ihn gerade fragen, was er denn jetzt gedachte wegen den Typen zu tun, als er entsetzt rief: „Sie schauen her!“
Ohne lange zu fackeln, zerrte er mich genau zwischen sich und die Männer. Bevor ich merkte, wie mir geschah, lagen auch schon seine Lippen auf meinen. Ich riss schockiert die Augen auf. Was sollte das denn? Würde ihn das wirklich davor bewahren, entdeckt zu werden?
Ich wollte mich wehren, mich von ihm wegdrücken, aus der unvorbereiteten Situation befreien, aber er ließ mich nicht los. Seine Hände lagen auf meinem Rücken und pressten mich fest an ihn. Ich konnte nur hilflos mit den Armen wedeln und abwarten. Oder mich auf den Kuss einlassen.
Dabei konnte man es unmöglich als „Kuss“ bezeichnen. Vielleicht berührten sich unsere Lippen, aber das war auch schon alles.
Finn war kein bisschen bei der Sache. Sein Blick schielte an mir vorbei, zu den Verfolgern. Wusste er überhaupt, was er da tat? Oder ging es ihm nur darum, sich zu verstecken?
Schließlich ließ er mich los, zögernd und voller Schuldbewusstsein.
Forschend musterte er mich. „Es tut mir leid, Miriam. Ich hätte das nicht tun sollen.“ Seine blauen Augen bohrten sich in meine Brauen. Für einen Herzschlag lang vergaß ich zu atmen. Ich konnte ihm nicht böse sein. Er wirkte aufrichtig zerknirscht. Die Männer mussten ihm wirklich Angst gemacht haben. Beinahe wünschte ich mir sogar, er würde mich noch einmal küssen - so, dass er auch mitbekam, was er da tat.
Ich machte mich von Finn los und hielt nach den mutmaßlichen Verfolgern Ausschau, um wieder einen klaren Kopf zu kriegen. Sie waren weg. Gut. Hoffentlich würde das eine Weile so bleiben. Wer wusste schon, auf was für absurde Ideen Finn sonst noch kam.
„Bist du jetzt völlig verrückt geworden?“, fragte ich meine Begleitung aufgebracht. So einfach würde ich ihn nicht davon kommen lassen. Er hatte falsch gehandelt. Daran konnte auch sein gutes Aussehen und sein reumütiger Blick nichts ändern.
„Was hätte ich denn tun sollen?“, rang er um Verständnis. „In der Menge voller knutschender Pärchen war es die perfekte Tarnung. Und hat zudem noch dazu geführt, dass die Männer mein Gesicht nicht sehen konnten.“
„Na ja, so wie du an mir vorbeigeschielt hast, wäre ich mir da nicht so sicher.“
Unerwartet breitete sich ein schelmisches Grinsen auf Finns Miene aus. „Auch so, du bist nur wütend, weil ich dich während des Kusses kaum beachtet habe.“
Ohne etwas dagegen tun zu können, verfärbten sich meine Wangen puterrot. Wie schaffte der Kerl es nur, mich schlecht dastehen zu lassen, obwohl eindeutig er falsch gehandelt hatte?
„So ein Blödsinn! Du hast mich für deine Zwecke missbraucht. Ich finde, das ist sehr wohl ein Grund, wütend zu werden!“
Mit ruhiger Stimme und immer noch lächelnd erwiderte der seltsame fremde Junge: „Ich weiß. Aber ich habe mich bereits entschuldigt. Und ich verspreche dir, beim nächsten Mal gebe ich mir mehr Mühe.“
Er zwinkerte. Offensichtlich genoss er es, mich aus der Fassung zu bringen.
„Komm, lass uns irgendwo hingehen, wo es im Notfall Türen gibt, hinter denen man sich verstecken kann.“ Ungefragt nahm er meine Hand und zog mich durch das Menschengedränge hindurch.
Ein seltsames Kribbeln breitete sich in meinem Magen aus. Etwas hatte sich während des „Kusses“ verändert. Auf eine merkwürdige Art fühlte ich mich Finn nun näher, verbundener. Ich konnte es weder erklären, noch begreifen. Es waren kleine Dinge, wie die Tatsache, dass ich meine Hand dieses Mal nicht wegziehen wollte. Ich drückte sie sogar ein wenig fester. Nur ganz leicht, doch Finn schien es aufzufallen und schenkte mir ein wissendes Lächeln. Mir wurde heiß und kalt gleichzeitig, als mir klar wurde, dass ich drauf und dran war, mich in ihn zu verlieben.