Читать книгу Elmsfeuer - Lilly Hansson - Страница 4
Prolog
ОглавлениеDer Kapitän schwieg.
Er sprach selten ein Wort. Das war seine Natur.
Hin und wieder kniff er die Augen zusammen, als durchführe ihn ein plötzlicher Schmerz. Oder eine böse Erinnerung, die in der Gegenwart nichts verloren hatte. Man musste sich frei machen von den Schatten vergangener Reisen, wenn man sich zu neuen aufmachte. Alles andere führte ins Verderben. Das wusste der erfahrene Seemann nur zu gut.
Aber er wusste auch, dass dies leicht gesagt war. Die Schatten vergangener Reisen. Ein weiterer, fast unmerklicher Schauer lief durch seinen Körper, und seine Augen zogen sich unvermittelt zusammen.
Neben dem Kapitän stand Philippe Mousson, der Erste Offizier und Steuermann. Auch er sagte nichts.
Mousson war jener Typ Mann, den man auf einem Schiff wie diesem erwartete: Die Haut von der Sonne über dem Äquator ebenso gegerbt wie von der bitteren Kälte der Arktis und den schweren Seen vor Kap Horn. Seine Augen jedoch blitzten wach, als habe er seinen Blick unzählige Male am Schleifstein der Horizontlinie gewetzt.
Durch die polierte Frontscheibe des Kommandostands fiel die späte Nachmittagssonne und ließ die Armaturen blinken. Vom Standort der beiden Männer konnte man fast den gesamten Hafen überblicken. Es war ein trügerisch friedliches Bild – ohne Vorahnung auf das, was sie bald draußen auf See erwarten mochte.
Mousson ächzte und rieb sich das Kreuzbein. Er betrachtete eine Gruppe dunkler Wolken, die sich bedrohlich am Himmel zusammenschoben. Es sah aus, als bekämen sie schlechtes Wetter. Mit den Fingern strich er beinahe zärtlich über eine Narbe, die sich von seinem linken Ohr quer über Wange und Mund zur rechten Kinnseite erstreckte. Das verhärtete Gewebe sorgte dafür, dass auch bei geschlossenen Lippen immer ein Stück seiner oberen Zahnreihe sichtbar blieb.
Nach einer Weile ging er hinüber zum Bordtelefon, das neben dem Kartentisch an der Wand hing, hielt sich den Hörer ans Ohr und wartete auf ein Freizeichen. Als keines kam, betätigte er mehrmals ungeduldig den Unterbrechungsschalter am Bedienteil. Doch in der Leitung war auch danach nicht mehr zu hören als ein unangenehmes Sirren. Er hängte den Hörer zurück auf die Gabel und verzog den Mund. Und wenn schon, dachte er, dann würden sie eben ohne Genehmigung der Hafenbehörde auslaufen.
Eine heftige Bö ließ die Fensterscheiben ächzen. In der Ferne erklang dumpf der erste Donner.
Neben der Seekarte, die der Kapitän schweigend studierte, lag das Logbuch. Es war sorgfältig in taubenblaues Wachspapier eingebunden. Als Mousson es aufschlug, konnte man deutlich den Namen des Schiffes lesen, der dort in großen Lettern geschrieben stand, ihres Schiffes: ELMSFEUER.