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1. Fledermaus-Style
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Bd. 2
Herbstknistern
Impressum
Texte: © Lillys Romance
Umschlag: © Copyright by Lillys Romance/
Coverbild Pixabay/lizenzfrei
Druck: epubli, ein Service der
neopubli GmbH, Berlin
Printed in Germany
Leni
Es soll die Party des Jahrhunderts werden, Mias Party.
Ich schaue aus dem zweiten Stock hinaus auf die Straße. Der Wind lässt die Blätter der Bäume, die sonst stets gepflegt und gestutzt den Weg der Abbey Road säumen, ordentlich tanzen. Mir gefällt das orangerote Farbenspiel. Doch dieser Herbstabend hält noch mehr bereit.
Ich öffne mein Fenster. Ich muss unbedingt etwas gegen das Quietschen tun, aber in handwerklichen Dingen bin ich nicht besonders geschickt.
Stolz hebe ich den Kopf und inhaliere die kühle Luft. Ich bilde mir ein, den Herbst förmlich zu riechen. Ich schlage meine Arme übereinander und einen Augenblick lang atme ich einfach nur und schaue dem regen Straßenverkehr meiner sonst recht tristen Wohngegend zu. Bereits vor zwei Jahren habe ich sie zu meinem Domizil auserkoren.
Meins ganz alleine.
Ich schüttele den Kopf. Schnell verdränge ich die Gedanken an all diese verlorenen Beziehungsjahre, die durch meinen Rückblick hochkochen. Ich beuge mich über den Fenstersims. Er ist nass, aber nun habe ich den besten Blick auf die Schaufenster im Erdgeschoss, von denen her es bereits schaurig einladend leuchtet. Lila, grün, orange! Hexen macht eure Besen startklar!
So langsam werde ich aufgeregt. Ich habe Halloween schon immer geliebt, von hinter der Haustür aus auf meiner Couch. Ich schmunzle.
Aber heute will ich mich endlich ins Getümmel werfen, schließlich wird es Mias besonderer Moment und den will ich auf keinen Fall verpassen.
Mein Blick fällt auf eine Horde Kinder. Sie stehen geheimnisvoll gekleidet vor dem Block gegenüber. Na ob ihnen da noch jemand aufmacht? Das Gebäude sieht noch weniger einladend aus, als das, in dem ich wohne. Und auch wenn ich nicht ständig am Fenster hänge, kann ich sagen, dass dort wohl kaum noch jemand ein- und ausgeht.
Aber die Tür öffnet sich. Ich strahle. Na ein bisschen was von dem „Süßes oder Saures Kram“ will ich heute Abend aber auch. Süßes bevorzuge ich. Ich bin eine sehr verwöhnte Naschkatze.
Ich streichele über meinen kleinen Kullerbauch. Ich bin eine kleine dralle Fledermaus, aber eine mit Charme und breitem Grinsen.
Ich schaue auf die Uhr.
So, Baby-Dracula! Nun aber fix, sonst wird das nichts mit Mias großem Augenblick.
Mit einem lauten Knall lasse ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen und flitze ins Treppenhaus. Die Nachbarn kennen das von mir nicht anders. Jeder hat seine Gewohnheiten.
Ich wusste, meine schwarze Samthandtasche, die alle für grauenvoll halten, wird irgendwann ihren Zweck erfüllen. Heute ist der Tag der Tage.
Ich krame meine Fernbedienung heraus und verlasse den Block. Leichter Nieselregen schlägt mir entgegen. Jetzt noch ein paar dunkle Wolken am Himmel und das Wetter ist perfekt für die Gestalten der Nacht. Und ich bin eine davon, das erste Mal in meinem Leben. Aber dafür bin ich wohl die eleganteste Fledermaus, die gerade sehr gekonnt auf High Heels erste Pfützen umgeht.
Eine Windböe lässt meinen Flügelponcho gespenstisch wehen. Das hat Flair.
Ich husche in meinen Wagen und stecke den Schlüssel in die Zündung. Ich werfe einen prüfenden Blick in den Spiegel und lächle. Warum hab ich das als Kind nie getan? Halloween, meine ich.
Ich richte meine zierlichen Fledermausöhrchen und lasse meine schwarze Nase vibrieren, als wäre ich ein verzaubertes Kaninchen. Also ich finde ja, meine samtigen Ohren passen perfekt zu meinem dunklen Haar. Dieses Kostüm ist wie für mich gemacht. Ist es eigentlich strafbar, wenn man kostümiert Auto fährt?
Ich schiebe meinen Sitz nach vorne. Ich gehöre zu der Sorte Frauen, die gerne vor dem Lenkrad alles im Blickfeld hat, um nicht zu sagen, dass ich relativ klein bin und meine Füße die Pedale sonst sehr, sehr schlecht erreichen.
Der Regen wird stärker. So ein Mistwetter für die Kinder. Tatsächlich verdunkeln bauschige Wolken den Himmel, so dass es wirkt, als sei es bereits viel später. Ich drehe den Zündschlüssel herum.
Was ist das?
Mein Wagen stottert.
Oh bitte nicht schon wieder!
Ich versuche mein Glück noch einmal.
Nichts. Stottern.
Ich schiebe die Unterlippe vor. Bitte nicht gerade heute! Ich will auf keinen Fall Mias große Show verpassen.
Ich schnaube, hole Luft und ziehe den Schlüssel noch einmal ab. Ich hasse unvorhergesehene Situationen. Obwohl, so überraschend kommt das Ganze nicht.
Ich zische. Ich hätte den Wagen in die Werkstatt bringen sollen. Aber wie das immer so ist, da gibt es immer irgendwas, wofür man sein Geld gerade mehr braucht, für ein perfektes Halloweenkostüm zum Beispiel.
Schlüssel rein. Mein Auto röchelt.
Wütend schlage ich auf das Lenkrad und wiederhole das Spiel.
Es klappt!
Nein!
Doch nicht!
Ein Ruck. Ein übles Geräusch.
Entsetzt starre ich auf das rote Auto vor mir, das einem dieser Wagen aus den Bond-Filmen sehr ähnlich sieht.
Was macht so eine verdammt teure Karre in meinem verdreckten Viertel?
Ich zische laut. Das war gerade nicht das, wonach es klang oder?
Ich beuge mich vor.
Oh nein! Da ist kein Abstand mehr zwischen meinem Wagen und dem noblen Gefährt vor mir.
Oh bitte nicht!
Kein Zweifel. Ich bin gegen dieses verfluchte Ding gefahren. Gestottert.
Nun gibt mein Auto schuldbewusst keinen Ton mehr von sich.
Ich reibe über meine Stirn. Was mache ich denn nun?
Peinlich berührt schaue ich mich um. Vorne niemand, hinten niemand und der Straßenverkehr ist im Fluss. Ich atme auf und doch schauen meine Augen im Mittelspiegel schändlich aus.
Ein Klopfen.
Oh nein!
Irritiert schaue ich mich um.
Ich habe es geahnt. Ein Mann mit Schirm klopft noch einmal an mein Beifahrerfenster. Seine Gesichtszüge sind mehr als ernst und ich nehme an, nicht wegen des Regens.
Bestürzt steige ich aus.
„Wenn man nicht einparken kann, soll man es lassen!“, zischt der Fremde mich an.
Trotz des Schirms verbirgt er sein Gesicht unter der Kapuze seines Mantels, der genauso edel aussieht, wie sein verdammter Wagen.
Einparken? Dieser Idiot! Das typische Frauenbild, was?!
„Entschuldigen Sie bitte, ich war beim Ausparken“, keife ich zurück.
Ich bin mir sicher, dass meine Stimme genauso gut beben kann, wie seine.
Er beugt sich über seinen Wagen und versucht, sich sicher gerade auszumalen, wie die Stelle dort wohl aussieht, wenn mein treuer fahrbarer Untersatz sie wieder freigegeben hat. Korrigiere, nicht mehr fahrbar.
Ich merke, wie sich meine Finger verkrampfen, unschöne Angewohnheit.
„Fahren Sie ein Stück zurück!“, fordert er mich dreist auf.
Ich glaube, er ist nicht viel älter als ich. Kein Fältchen ziert sein Gesicht. Aber er gibt sich, als spiele er in einer ganz anderen Liga. Für diese Spezialisten habe ich immer ein Herz.
Ich beiße mir auf die Lippe und fange seinen Blick. Er hat grüne Augen, wie ich. Wer kann wohl besser blitzen?
„Wenn ich das könnte, würde ich es tun. Der Wagen springt nicht mehr an. Wenn er funktionieren würde, hätte ich auch nicht ihren Nobelschlitten gerammt.“
Er verzieht den Mund. Ich glaube, ich habe ihn sprachlos gemacht. Er mustert mich. Ich sehe, dass er sich das Schmunzeln beim Anblick meiner Ohren verkneifen muss. Immerhin, er kann lächeln.
Er öffnet seinen Mantel und zieht seine Brieftasche und einen Stift heraus.
„Was soll das jetzt werden?“, gifte ich ihn an.
Eigentlich sagt mir mein Verstand, dass jetzt eine Entschuldigung angebracht wäre. Aber nicht bei so einer Arroganz von Mann!
„Die Versicherung“, sagt er knapp und seine Mundwinkel agieren wieder sehr kontrolliert.
„Oh bitte, dafür habe ich jetzt absolut keine Zeit! Meine Freundin wird in wenigen Minuten ihrem Partner einen Heiratsantrag machen und ich habe nicht vor, das zu verpassen.“
Er lehnt sich lässig gegen mein Auto.
„Das Verpassen steht wohl außer Frage oder kannst du damit fliegen?“
Er zieht mich mit einem neckischen Fingerzeig auf meinen Fledermaus-Poncho auf. Wenn ich jetzt einen Hexenbesen dabei hätte, ich schwöre, ich würde ...
„Aber ich gebe zu, die Ausrede ist sehr originell“, spricht er trocken weiter und sein Blick wandert über die schwarze Netzstrumpfhose, der ich mit Miniaturspinnen aus Wolle das gewisse Extra verliehen habe.
„Idiot!“, grummle ich und er schnappt mein Zischen auf.
„Es ist keine Ausrede! Und wenn ich hier noch länger diskutiere, dann verpasse ich alles. Wir können das später klären.“
Er runzelt die Stirn und nun bin ich mir sicher. Das, was er da ausstrahlt, zeigt seine Belustigung.
„Ich mache dir einen Vorschlag. Ich bringe dich zu deiner Freundin und hinterher klären wir das mit meinem Wagen.“
Verdutzt schaue ich auf die Uhr. Der große Mann, der mich um einen Kopf überragt, kennt so etwas wie Hilfsbereitschaft? Ich bin beeindruckt, doch ich sollte schnellstens antworten, damit er mir meine Verblüffung nicht anmerkt.
Er spannt seinen Schirm zusammen und lächelt. Weiße Zähne! Er kann lächeln.
„Und?“, fragt er.
Und? Ja und?
Irritiert starre ich ihn an. Er schreitet zielstrebig um das Malheur herum und öffnet seine Wagentür. Er setzt sich. Der Motor läuft. Sein Auto rollt an.
Sofort schaue ich auf den Lack. Nichts! Nichts zu sehen.
Ich atme auf. Er steigt wieder aus und lacht über meine Erleichterung.
„Nicht verwundet. Er kommt durch“, sage ich.
„Na dann kommen wir wohl um die Versicherung drumherum“, sagt er ernst, doch dann schenkt er mir sein Lächeln.
Ich glaube, er liebt es, mich aufzuziehen.
„Wie sieht es nun aus? Darf ich den Retter in der Not spielen?“
Ich rümpfe die Nase, was eigentlich nachdenklich und abweisend aussehen soll, aber er schmunzelt breit. Meine Fledermausnase halt.
„Der Antrag! Die Zeit drängt“, verkündet er.
„Okay. Aber ich mach das mit dem Wagen wieder gut. Irgendwie.“
Flink greife ich meine Handtasche und schließe diesen nun nicht mehr treuen Freund ab. Meine Haare sind inzwischen vollkommen nass vom Regen und auch der Poncho sitzt so klamm nicht mehr wirklich angenehm auf der Haut.
Mein Herz klopft aufgeregt, als ich in den Nobelschlitten steige. Ich bin bemüht, nichts dreckig zu machen. Da legt jemand viel Wert auf Sauberkeit und Ordnung. Immerhin.
„Wo darf es hingehen?“ –
„Die Straße runter, dann rechts und dann gleich wieder die nächste Straße links rein, immer geradeaus.“
Wir fahren los. Ich konzentriere mich auf die Scheibenwischer. Sie können ja so wahnsinnig interessant sein, wenn man neben einem fremden Mann sitzt, dessen Fahrzeug man gerade attackiert hat.
Keiner sagt einen Ton und meine Kehle ist plötzlich wie zugeschnürt.
Er nimmt seine Kapuze ab.
Oh weh!
Er fährt durch sein dunkles Haar. Es wellt sich leicht. Sehr adrett. Ich schlucke. Seine grünen Augen funkeln mich amüsiert an. Ich habe fast den Wagen eines sehr attraktiven Mannes geschrottet.
Peinlich berührt starre ich auf die Fahrbahn und drücke die Daumen dafür, dass die Ampeln bis zu Mia grün sind. Unauffällig wische ich meine feuchten Hände an meinem Rock ab.
„Einen Heiratsantrag also?“, fragt er.
„Ja.“
Ich nicke. Flüchtig mustere ich ihn. Um seine Mundwinkel herum formen sich leichte Grübchen, wenn er lächelt.
„Dort links“, werfe ich ein.
„Kein Problem“, raunt er mir zu.
Ein bisschen arrogant ist er aber schon, der Schönling. Was macht so ein äußerlich Wohlhabender in meinem Viertel?
„Dort ist es schon.“
Er fährt langsamer.
„Na, das hätte man auch gut zu Fuß zurücklegen können“, zischt er leise.
„Idiot!“, gebe ich prompt zurück.
„Das war ein Spaß“, schmunzelt er.
„Die Fledermaus soll sich ja keinen Schnupfen holen.“
Er parkt in der Seitengasse. Ich schaue hinüber zu Mias Haus. Sie lebt dort in einer WG.
Ich blicke auf das reine Halloween-Massaker. Vor dem Eingang stehen kopflose Reiter, die leuchtende Kürbisse halten, deren Gesichter qualvoll verzerrt sind.
„Wird wohl eine heiße Party“, haucht er mir furchteinflößend zu.
Der Regen prasselt nun stark auf die Straße und hüllt sie in einen dampfenden Nebel.
„Ich hoffe, der Kopf bleibt dran“, gebe ich keck zurück.
„Wollen Sie vielleicht mitkommen? Bei Mia ist jeder willkommen und so kann ich es vielleicht etwas gutmachen.“ –
„Ich habe meine Fangzähne nicht dabei.“
Ich lache.
Sein verschmitztes Lächeln lässt mich noch aufgeregter werden. Er fährt sich noch einmal durch sein wuscheliges Haar. Es steht ihm sehr gut, dass er es etwas länger trägt.
„Du meinst, ich kann mich so unter eurer Volk mischen?“
Er schaut angsterfüllt an sich herab. Er spielt das gut.
„Du gehst als Opfer gut durch“, lache ich.
„Gerade hieß es noch Sie.“
Er hat ein Talent dafür, mich aufzuziehen. Ich erwidere sein Grinsen genauso gekonnt.
„Also, Dracula ohne Zähne, möchtest du mit oder soll ich doch meine Nummer wegen der Versicherung da lassen?“
Er überlegt und löst den Zündschlüssel.
„Ich denke, Dracula ist auch ohne Zähne ganz ansehnlich.“
Er schmunzelt. Ganz schön überheblich, der Herr! Aber ich bin froh, nun endlich da zu sein. Ein Gast mehr oder weniger, Mia freut sich bestimmt.
„Auf ins Getümmel!“, raune ich meinem Retter zu.
Wir öffnen gleichzeitig die Türen und sprinten im Nu durch den Starkregen zu Mias Tür. Ich schüttele mich, während ich schon auf die Türklingel drücke. Sie gibt eine schaurig leiernde Melodie von sich. Mia hat an alles gedacht.
„Ich bin übrigens Dominic.“ –
„Leni.“
Ich glaube, dieser freche Blick macht gerade meine Knie weich.
„Leni, ich habe Angst“, schmunzelt er mit ernstem Tonfall.
„Die solltest du auch haben, Dracula ohne Zähne.“ –
„Ich glaube, der Fürst der Finsternis ist ohne Gebiss immer noch besser dran, als die Fledermaus, die nicht fliegen kann.“
Ich spiele mit meinen Lippen und hebe die Brauen.
„Ich habe andere Talente“, hauche ich ihm geheimnisvoll zu.
Ich streiche über den Kopf des geschändeten Kürbisses.
„Nun habe ich noch mehr Angst“, neckt er mich und plötzlich klingt sein Tonfall ganz anders.
„Aber wirklich, das ist meine erste Halloween-Party. Ich habe keine Ahnung davon, welche Bräuche so gepflegt werden“, erklärt er.
„Geht mir genauso.“ –
„Also auch ein Halloween-Debüt? Dann kann ja nichts mehr schiefgehen.“
Ich nicke.
„Und wenn doch, solltest du schnell deinen Umhang aufspannen und uns unsichtbar machen.“ -
„Sehr witzig“, schmunzle ich.
Wenn es nach mir geht, kann Mia sich mit dem Türöffnen ruhig noch Zeit lassen.
Der Dachvorsprung schützt uns sicher vorm Regen, der sich wunderbar in die schaurige Kulisse einfügt. Unsere nassen Sachen trocknen bestimmt auch ganz fix. Kalt ist mir gerade absolut nicht. Ich räuspere mich verlegen.
Die Tür geht auf.