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3. Vergeben! Verheiratet!
ОглавлениеLeni
So verzweifelt habe ich Mia noch nie gesehen. Wir haben das halbe Haus auf den Kopf gestellt, aber nirgends ist das zu finden, was den Antrag perfekt machen sollte. Wir haben alle Couchkissen entfernt, Mias komplettes Schmuck-Arsenal auseinandergenommen und selbst den Schrank im Bad vollständig geleert. Die kleine Schatulle ist nirgends zu finden.
Stundenlang hat Mia dieses Schmuckstück mit mir gemeinsam ausgesucht. Ich erinnere mich noch zu gut daran. Wir haben den halben Tag bei diesem Juwelier an der Ecke verbracht. Meine Füße haben gequalmt, aber ich habe natürlich treu durchgehalten, bis Mia endlich das Gefühl hatte, genau das Richtige gefunden zu haben.
Wir kehren zu dritt in das Wohnzimmer zurück, wo noch immer getanzt, gelacht und gefeiert wird. Beim Anblick der geisterhaft leuchtenden Deko habe ich das Gefühl, schon einige Tage hier zu sein. Es fühlt sich merkwürdig an.
Ich glaube, ich bin inzwischen genauso durcheinander wie Mia.
Aber he, inzwischen sind meine Sachen vollkommen trocken, ohne dass ich auch nur einmal daran gedacht habe, meine Klamotten zu wechseln!
Twix schaut zu mir. Er mustert mich wie früher. Aber Gott sei Dank bin ich darüber hinweg, von diesem Blick schwach zu werden. Twix ist eine Luftnummer und ich bin froh, dass ich ihn endlich los bin. Für ihn ist eine Frau nichts anderes als ein austauschbarer Gegenstand. Und ich weiß, er will mich nur zurück, weil ich so unkompliziert bin. Er hat es mir oft genug gesagt.
„Er kann doch nicht einfach verschwinden“, seufzt Mia ungläubig.
„He, soll ich euch meinen Ring leihen?“, wirft Dominic scherzend ein.
Mir fehlt die Luft. Seinen Ring? Prompt starre ich auf seine Hand.
Er trägt einen Ehering! Verdammt!
Das schmale schwarze Ding an seiner Hand sitzt an genau dem richtigen Finger. Ein silberner Stein ziert die Mitte.
Ich versuche, nicht zu verblüfft zu schauen. Aber ich glaube, ich schaffe es nicht.
Mia schaut mich genauso verstört an.
Ich erhebe mich prompt. Ich ärgere mich über mich selbst.
Er ist verheiratet! Warum habe ich das nicht gemerkt?
Ich verfluche das Kribbeln in meinem Bauch und den Wunsch nach mehr von seiner Nähe.
Verheiratet! Warum sind nur immer alle meine neuen Bekanntschaften für die Katz?
Aber selbst schuld, ich habe ihn ja auch nicht nach seinem Privatleben gefragt.
Ich spiele mit meinen Lippen. Besorgt schaue ich Mia an. Ihr Problem ist wohl das größere.
Ich runzele die Stirn.
„Und wenn du ihm ohne den Ring deinen Antrag machst?“ –
„Nein. Das geht gar nicht.“ –
„Er wird sich schon wieder anfinden. Hier ist ja auch eine ganz schöne Unordnung. Geklaut wird ihn schon keiner haben.“
Doch ich schaue auf Twix. Er hat schon immer Ärger gemacht.
Dominic steht noch immer viel zu nah bei mir. Ich trete einen Schritt zurück. Ich halte diese Nähe nicht aus. Doch er legt seine Hand auf meinen Rücken.
„Wird schon alles gut werden. Und wenn ihr eure Kostbarkeit wiedergefunden habt, kommt halt die nächste Party für den besonderen Anlass.“ –
„Aber es sollte heute sein. Wir haben uns zu Halloween kennengelernt.“
Mia zieht eine Flunsch. Sie resigniert und füllt ihr Glas bis zum Rand mit dem grünen wabbeligen Getränk auf.
Da kommt Greg aus der Küche.
Tja, jetzt wäre der Augenblick gewesen. Da ich aber die Einzige bin, die davon weiß, fällt niemandem auf, dass hier etwas falsch läuft.
Greg strahlt. Er sucht Mias Blick, doch sie hält sich an meinem fest. Energisch stellt sie ihr Glas auf das Regal und zieht mich auf die Tanzfläche. Ich hasse Tanzen, vor allem dann, wenn mir der zusieht, der mein Herz gerade draußen noch so zum Beben gebracht hat. Bevor ich wusste, dass er bereits vergeben ist.
Ich schnaube leise. Ja, tanzen ist jetzt sicher genau das Richtige.
Ich leere mein Glas und hoffe, dass ich nicht schon torkele wie Twix, der inzwischen den Kopf an seinen Kürbisfreund gelehnt hat.
Ich höre es klingeln, doch Mia reagiert nicht. Ihr Enthusiasmus für das Beschenken der Kinder ist verloren gegangen. Harry nimmt sich begeistert der Süßigkeitenschüssel an.
„Heute nur Saures, was?“, versuche ich Mia zum Lachen zu bringen.
Sie schiebt ihre Unterlippe vor und taucht in die Musik ein. Ich versuche, es ihr gleichzutun. Aber es will mir nicht so recht gelingen.
Dominic starrt mich an. Er nippt an seinem Glas und schaut dabei sehr kontrolliert aus. Seine grünen Augen sind nur auf mich gerichtet. Meine Bewegungen wirken sicher unkontrolliert.
Ich drehe mich um und lasse so Mia mehr in sein Sichtfeld rücken.
Idiot!
Ob seine Frau brav zuhause sitzt?
Mia hebt die Brauen. Sie hat gemerkt, warum ich meine Position verändert habe.
„Er ist schon ein Süßer, was?“ –
„Ein süßer Verheirateter“, grummele ich.
Provokant schlingt Mia die Arme um mich und lässt ihre Hüften kreisen. Ich muss schmunzeln.
„Dann geben wir ihm mal die beste Show. Wie kommst du zu ihm?“ -
„Als mein Auto stotterte, bin ich gegen seins gefahren“, seufze ich.
„Auweia.“ –
„Und er stand natürlich sofort neben mir und zog mich auf. Total arrogant.“ –
„Aber die Arroganz scheint dich anzuziehen.“ –
„Mia!“, verteidige ich mich sofort.
Sie schmunzelt. Zumindest lenkt es sie von dem Ring-Malheur ab.
„Du willst deinen Antrag nun ganz sein lassen?“ –
„Lenk nicht ab! Er gefällt dir oder?“ –
„Er ist verheiratet.“ –
„Aber er ist mitgekommen.“ –
„Ja, weil seine Frau sicher gerade arbeitet.“ -
„Finde es doch heraus!“ –
„Mia, du sprichst sündige Worte“, necke ich sie.
Nichts mit Ausprobieren!
Sie lässt mich wieder los und bewegt sich gekonnt im Rhythmus der Klänge. Sie lässt ihre Hände dabei durch ihre kurzen Haare fahren und für einen Moment scheint sie vergessen zu haben, warum sie heute alles so groß aufgefahren hat.
Dominic scheint nervös zu werden. Er setzt immer wieder sein Glas an seine Lippen und doch leert es sich nicht wirklich.
Ich nicke ihm zu. Er setzt sein Getränk ab.
Ein zu null für mich, was?
Ich drehe mich um. Ihn anzusehen ist keine gute Medizin gegen das, was er vorhin ausgelöst hat.
Mein Herz schlägt sehr unregelmäßig. Ich versuche, ganz in der Musik zu versinken. Das muss doch irgendwie gehen. Doch plötzlich berührt mich etwas.
Er.
Er lächelt mich selig an, während seine Hand flüchtig über meinen Rücken streicht.
„Dein Drink leer?“, frage ich verlegen.
„Nein“, strahlt er und versucht wieder, mich durch seinen Blick einzufangen.
„Willst du gehen?“ –
„Nein“, sagt er energischer.
Unbeeindruckt tanze ich weiter und wende mich Mia zu. Die kalte Schulter kann ich ganz gut. Sie muss sich für ihn gerade nicht gut anfühlen.
Ich kann Fremdgehen nicht ausstehen! Und dann noch so gekonnt flirten! Das geht gar nicht.
Dominic lehnt sich an die Wand. Und wieder trifft mich sein Blick. Ich kann nichts dagegen tun.
Ich versuche, süffisant zu lächeln. Er nickt mir zu.
Greg kommt auf uns zu. Ihm ist Mias heißer Tanz nicht entgangen. Gekonnt fügt er sich in unsere Mitte ein und zieht meine Freundin sinnlich an sich. Leidenschaftlich küsst er sie.
Ich ziehe mich zurück und lasse einen Abstand zwischen mir und Dominic.
Doch er nimmt mich nicht wirklich wahr.
Okay.
Er starrt auf Greg und seine Miene verfinstert sich, während Mias Partner seine Hände in ihren Nacken legt, als wolle er sie nie wieder gehen lassen.
Ist er etwa scharf auf Mia?
Ich räuspere mich. Ich glaube, ich brauche ein neues Getränk.
„Alles klar?“, frage ich Dominic.
Aber er ist wie benommen und schaut nur kurz gedankenverloren zu mir und dann wieder auf die Tanzfläche. Das macht ihn zu einem noch größeren Idioten. Der erste Eindruck täuscht halt nie.
Doch nun dreht er sich mir zu.
„Na? Kriegen wir das auch hin?“
Wir?!
Verdutzt starre ich ihn an und mache schnell den Mund zu. Ich brauche einen Moment. Doch kontere ich knallhart.
„Ich glaube, deine bessere Hälfte fände das nicht so toll.“
Das hat gesessen. Seine Stirn legt sich in Falten.
„Meine bessere Hälfte?“
Er fängt sich sofort wieder. Der Sprachlosmoment war viel zu kurz.
Er lächelt selig und mustert mich. Er stellt sich dumm.
Ich seufze. Ich spüre, wie mir die Hitze wieder in die Wangen steigt. Seine Nähe ist kaum auszuhalten. Er ist mir so nah und doch nicht so nah, dass er mich berührt. Wann hat mich das letzte Mal ein Mann so durcheinandergebracht?
„Wer ist die bessere Hälfte des Draculas?“, raunt er mir verschwörerisch zu und leckt sich über seinen Eckzahn, wie er es vorhin an der Haustür gemacht hat.
„Ich kenne mich nicht so aus mit den Gestalten der Nacht“, setzt er fort.
„Wer ist der Gegenpart zu Dracula?“ –
„Das ist kein Spiel“, zische ich.
„Nicht? Ich finde schon und ich genieße es.“
Er stupst gegen meine Fledermausnase und schmunzelt.
„Treib es nicht zu weit!“ –
„He, mach dich locker!“
Er schlägt verspielt gegen mein ordentlich aufgestelltes Ohr.
„Idiot!“, zische ich kaum hörbar.
Plötzlich nimmt er meine Worte nicht mehr wahr. Was ist los?
Er tritt vor mich und lässt kaum noch Luft zwischen uns. Die Wand hinter mir macht meinen Rückzug unmöglich. Sein Blick durchdringt mich tief. Mein Herz bebt enorm. Meine Kehle fühlt sich trocken und wie zugeschnürt an.
Warum müssen seine Augen nur so unendlich tief sein?
Wegschauen, Leni!
Aber ich schaffe es nicht.
Es liegt eine unglaubliche Spannung in der Luft.
Ich versuche, meinen Atem zu kontrollieren. Er stützt seine Hände auf die Wand. Sie liegen links und rechts neben meinen Schläfen.
Ich schlucke schwer. Sein amüsierter Blick zeigt mir, dass er es merkt.
„Sei nett zu mir, Fledermaus! Wie willst du sonst nach Hause kommen?“ –
„Mit dem Taxi“, gebe ich keck zurück.
Er seufzt schmunzelnd.
Es ist der richtige Zeitpunkt, um wieder tanzen zu gehen. Alleine.
Ich winde mich an ihm vorbei.
„Fledermaus“, raunt er mir spaßig zu.
Ich lasse ihn stehen und genieße seine Verblüffung, während ich mich wieder unter meine Freunde mische.
Wie kann er nur so dreist flirten? Oder war das kein Flirt?
Ich schüttele den Kopf, während Mia mir zunickt.
„Das war heiß“, flüstert sie mir zu und Greg nickt zustimmend.
„Das war nicht heiß. Das war peinlich.“ –
„Er ist ja entzückend“, zieht Greg mich auf und lässt dabei seine Lippen verspielt auf Mias Hals sinken.
„Ich finde, er würde sich gut in unserer Truppe machen.“ –
„Das würde er nicht“, grummele ich.
„Er ist vergeben und er hat hier eigentlich nichts zu suchen. Ich hätte ihn nicht mitbringen sollen.“ –
„Manchmal ist es Schicksal“, raunt Greg mir zu.
Sicher nicht.
Ich meide die heiße Ecke und schaue stattdessen während des Tanzens nach, was die anderen so treiben. Das lenkt ab.
Wer steckt eigentlich in diesem Kürbiskostüm?
Und die Hexe dort drüben bei der Bowle habe ich auch noch nie gesehen. Aber Mia hat auch eine Vorliebe dafür, Gott und die Welt einzuladen. Hoffentlich hat nicht wirklich jemand ihren Ring gestohlen. Ich hoffe, wir finden ihn morgen, wenn das ganze Chaos aufgeräumt ist.
Mia führt mich gekonnt herum.
„Bitte“, flüstert sie und deutet auf Dominic.
Sie will, dass ich noch einmal den Dackelblick einfange, der mir da von der Wand aus zugeworfen wird.
„Weißt du, was er so macht?“ –
„Nein, wir sind nicht über unsere Namen hinausgekommen.“
Greg zieht Mia zärtlich zurück. Sie halten inne und ich wünschte, mich hätte mal jemand so verliebt angesehen. Die Musik läuft forsch weiter, doch die beiden sind ineinander versunken. Ich sollte jetzt einfach weitertanzen, aber es fühlt sich gerade seltsam an.
Ich schaue flüchtig zu Dominic. Sein Blick ist nun wieder kühl. Und ich glaube, er gilt nicht nur mir. Gilt er Greg?
Was hat er für ein Problem mit Greg?
Ganz eindeutig. Er mustert den Freund meiner Freundin. Kennt er ihn irgendwoher?
Wahrscheinlich kann er es einfach nicht ausstehen, wenn jemand bei den Frauen besser ankommt als er.
Darauf weitertanzen!
Diese Begegnung heute hätte nun absolut nicht sein müssen. Ich hoffe, das Malheur mit dem Wagen zieht nicht noch weiteren Kontakt nach sich.
Er starrt mich wieder an.
Ich bin komplett durchgeschwitzt. Zum Glück kann man mir das in den schwarzen Klamotten nicht ansehen. Ich wische mir über meine nasse Stirn, damit sie mich nicht verrät.
Mia löst sich von Greg. Er verlässt die Tanzfläche.
Freundinnenzeit! Das ist das Einzige, was heute Abend zählt.
Mia strahlt. Sie ist nach Gregs offener Zärtlichkeit unendlich glücklich. Ich hätte nie gedacht, dass er der Richtige ist. Damals kam er mir immer so unnahbar vor.
Mia spielt an meinen Ohren und lacht.
„Ein besseres Kostüm hätten wir für dich echt nicht finden können.“
Verschmitzt grinse ich. Doch plötzlich sehe ich, dass Dominic nicht mehr an der Wand steht. Ist er gegangen?
Oh bitte nicht!
Auch wenn ich ihn gerade noch Idiot genannt habe.
Ich bin durcheinander.
Ich höre auf zu tanzen und schaue mich um. Ich kann ihn nicht sehen.
Die Musik setzt aus.
Doch dann:
„Mein Lieblingssong!“, triumphiert Mia.
Sie zieht mich wieder zurück. Die schnellen Rhythmen sind mir nur zu vertraut.
„Kannst du dich an Palm Beach erinnern?“, lacht sie.
Oh ja! Wir hatten eine wahnsinnige Zeit.
„Jahre her! Wir sollten das mal wieder machen.“ –
„Unbedingt.“