Читать книгу Die blauen Schuhe - Lisa Beiersmann - Страница 13

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Ruhig atmend verlagerte Leslie das Gewicht auf ihren linken Fuß und hob das rechte Bein an. Nachdem sie relativ schnell einen sicheren Stand erreicht hatte, schob sie ihre linke Ferse wenige Millimeter hoch.

Anschließend holte sie tief Luft, stieß einen Schrei aus und trat über ihren Kopf ins Leere, während sie sich gleichzeitig ein Stückchen nach vorne bewegte.

Achtzig Mal schaffte sie das, bis sie das Gleichgewicht verlor und den zweiten Fuß wieder hinunternehmen musste.

Zufrieden grinste Leslie vor sich hin. Zwei mehr als die letzten Male.

„Schade, dass man nicht kämpfen muss, um mit Leroy auftreten zu dürfen“, schoss es ihr durch den Kopf und das Grinsen gefror.

Was hatte sie denn da gerade gedacht? Der Typ interessierte sie kein Stück, der konnte in seinem Tanzstudio bleiben, bis er vergammelte.

Verärgert über sich selbst nahm sie eine Kampfhaltung ein und ging in die Verteidigungsposition. Anschließend boxte sie mit gezielten Schlägen auf den Boxsack, als wäre er mehr als nur ein von der Decke hängendes Gewicht.

Doch das Bild der Realität verschwamm und anstelle eines herbeifantasierten Gegners stand sie Leroy gegenüber und übte sich mit ihm im Kampf.

Mit einem Schrei trat sie gegen den Boxsack und wendete sich ab.

Frustriert, dass sie ständig an diesen Wettbewerb dachte, ging Leslie laufen, um den Kopf frei zu bekommen.

Die Sonne schien und dank der etwas frischeren Luft kam sie nicht direkt ins Schwitzen. Am Himmel tummelten sich nur wenige weiße Wolken. Blumen streckten ihre Köpfe in die Höhe. Alles wirkte frisch und lebendig. Ein hervorragendes Wetter zum Joggen.

Als sie an dem alten Bahnhof vorbeikam, lief sie spontan darauf zu und sprang auf die Plattform.

Auf die Bank konnte man sich nicht mehr setzen. Trümmer stapelten sich an der Wand. Die einst grüne Farbe ließ sich nur noch mit Mühe erkennen und blätterte an vielen Stellen ab.

Vorsichtig rüttelte Leslie an der Tür des Backsteingebäudes und zu ihrer Überraschung ging diese auf. In dem schwachen Sonnenlicht wirbelte Staub durch die Luft.

Langsam und wachsam betrat Leslie das Gebäude und schaute sich um. Staub bedeckte den Boden der Wartehalle.

Eine Tür führte auf eine kleine Toilette, eine andere zu dem Schalter für den Fahrkartenverkauf.

Für eine Weile saß sie einfach auf einer der zwei Sitzbänke. Schließlich stand sie auf und warf einen Blick hinter den Schalter.

Ein einzelner Schrank stand dort, mit leeren und verstaubten Schubladen. Unter der eingemauerten Theke fand sie ein einzelnes 1-Cent-Stück.

Grinsend hob sie es auf und rieb mit dem Finger ein wenig Schmutz weg. Die Dinger brachten ja angeblich Glück.

„Okay“, dachte sie schmunzelnd, „wenn dieser Cent wirklich Glück bringt, dann kann er ja dafür sorgen, dass ich eine Chance bekomme, den Wettbewerb zu gewinnen.“

In diesem Moment störte Leslie nicht, dass sie wieder einmal an den Wettbewerb dachte, so albern fand sie das Ganze. Abergläubisch war sie schließlich schon lange nicht mehr.

Sie steckte die Münze in ihre Hosentasche und warf als nächstes einen Blick in die Toilette. Sie bestand nur noch aus Schutt, bis auf…bis auf diesen Spiegel. Er überragte sie und sie wunderte sich, dass ein so großer Spiegel auf einer Bahnhofstoilette stand. Er sah alt und angestaubt aus, aber ansonsten noch sehr gut in Schuss.

Die Spiegelfläche bildete ein Oval und wurde von unzähligen metallenen Ranken umrahmt. In diesen fand sich gelegentlich eine Blüte wieder und gab dem Spiegel somit einen verträumten, märchenhaften Charme.

Leslie betrat den Raum und hob den Spiegel mit aller Kraft hoch. Dann schleppte sie ihn in die Halle.

Dort lehnte er nun an der Wand und sie betrachtete sich darin. Hässlich war sie auf jeden Fall nicht. Ihre blassgrünen Augen ergänzten sich hervorragend mit den nussbraunen Haaren und ihr Gesicht hatte weiche feminine Züge.

Sie lächelte und ein Grübchen bildete sich rechts neben ihrem Mund. Leslie wirkte zwar nicht wie ein Topmodel, fühlte sich mit sich selbst aber durchaus zufrieden.

Aus einer Laune heraus machte sie ein paar Bewegungen, die sie für ballettähnliches Tanzen hielt und stolperte durch die Gegend. Dabei gluckste sie munter vor sich hin.

Als sie das Gebäude wieder verließ, fiel ihr als erstes der Typ auf der Bank auf. Er saß auf genau der Bank, die vorher noch eingebrochen gewesen war, die Arme entspannt auf die nun wieder vollständig dunkelgrüne Rückenlehne gelegt.

Er trug kleine silberne Ohrringe. Seine Haare waren tiefschwarz und hinten ein wenig länger als vorne. Ein starker Kontrast zu seinen Augen, die ebenfalls fast schwarz wirkten, war das weiße Hemd, welches seinen muskulösen Körperbau betonte. Aufgrund der mandelförmigen Augen und dem Teint tippte das Mädchen auf eine asiatische Herkunft.

„Wer bist du denn?“, fragte Leslie ein wenig erschrocken und trat einen Schritt zurück.

„Ich bin ein Zauberer!“, antwortete der junge Mann ruhig.

Die blauen Schuhe

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