Читать книгу Rudern ist kein Alibi - Lisa Scott - Страница 8

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»Es ist aus, Bennie«, sagte Mark.

»Ich weiß, es ist mir aufgefallen, daß wir nicht mehr miteinander schlafen.«

»Nicht mit uns. Mit R & B. Mit der Kanzlei. Es stimmt.«

»Was?« Ich traute meinen Ohren nicht. Mein Gesicht fühlte sich heiß an, meine Kehle war wie zugeschnürt. In meiner Brust formte sich eine harte Faust aus Schmerz und Zorn. »Wovon sprichst du?«

»Ich möchte mich selbständig machen.«

Ich befahl mir, ruhig zu bleiben und nicht die Beherrschung zu verlieren. Ich wollte nicht, daß wir anfingen, einander anzuschreien. Es hatte uns nicht weitergebracht, nur auseinander. »Du bist bereits selbständig.«

»Ich möchte von vorn anfangen, eine neue Firma gründen. Ich brauche einen neuen Anfang.« Er schob die Hände in die Taschen seiner Anzughose. »Es ist zu aufreibend mit dir und Eve im selben Büro.«

»Nun mal langsam. Du sprichst von meiner Arbeit, meinem Lebensunterhalt. Die Sache mit Eve ist persönlich. Ich kenne den Unterschied.«

»Und was ist heute passiert, mit dem Wasserkrug? Eve glaubt, du hättest es getan, weil du eifersüchtig auf sie bist. Sie sieht keine Möglichkeit, hierzubleiben, solange du da bist.«

Ich biß die Zähne zusammen. »Dann laß sie gehen, es ist meine Kanzlei. Du weißt und ich weiß, daß das heute eine rein berufliche Angelegenheit war.«

Er stand auf der anderen Seite des Besprechungstisches und verschränkte die Arme. »In ein paar Jahren steht ihre Partnerschaft an. Wirst du sie zum Partner machen?«

»Darüber werde ich zu gegebener Zeit entscheiden, aber ich bezweifle es. Nach allem, was ich heute erlebt habe, glaube ich nicht, daß sie dafür qualifiziert ist.«

Er lachte kurz auf. »Bennie und ihre Prinzipien. Daran hältst du eisern fest.«

»Absolut, und warum auch nicht?« Es kostete mich Mühe, mich zu beherrschen. »Eve ist prima als Angestellte einer großen Firma, aber sie kann keinen Fall vor Gericht verhandeln, und wenn es um ihr Leben ginge. Sie ist keine so gute Prozeßanwältin wie die anderen aus ihrem Abschlußsemester – Butler, Wells oder Wingate.«

»Wingate? Das ist ein Lahmarsch. Und er hat nicht genug Grips, selbst wenn er die nötige Energie hätte! Ich kann ihn nicht einmal mit einem Mandanten aus der Großindustrie zusammenbringen ...«

»Sprich leiser«, bat ich für den Fall, daß die Mitarbeiter uns hören konnten.

»Eve hat Köpfchen, Bennie. Diese Idee für das Joint-venture stammt von ihr. Du hast das Gutachten gelesen.«

»Und? Wir haben viele kluge Kinder abgelehnt, wenn es um die Partnerschaft ging.«

»Ich sage dir, sie ist gut.«

»Im Bett vielleicht.«

Verächtlich schützte er die Lippen. »Das war überflüssig.«

»Aber darum möchtest du sie doch bevorzugen, oder? Wo bleiben denn da die anderen? Sie hat nicht das Talent dazu, Punkt. Egal, mit wem sie schläft.«

Er schüttelte den Kopf. Ich schüttelte meinen. Schweigen senkte sich zwischen uns. Wir kochten beide vor Wut.

»Ich behalte meine Mandanten«, erklärte Mark mit ruhiger Stimme. »Wellroth und die anderen Pharmakonzerne. Du behältst deine Fälle, die Verleumdungssachen und die Polizeiübergriffe. Wir halbieren die Aktiva und die Außenstände. Ich habe die Computerdateien auf Disketten kopiert. Auch das Standardprogramm, das wir gemeinsam entwickelt haben, und das Abrechnungsprogramm. Eve hat die Akten der Pharmamandanten fotokopiert.«

Er hatte alles geplant. Zusammen mit Eve, hinter meinem Rücken.

»Wir teilen die Mitarbeiter auf. Wer mit mir und Eve kommen möchte, bleibt bei uns, und wer bei dir bleiben möchte, okay. Ich habe neue Büroräume an der Twentieth Street gefunden. Sie sind sonnig und hell. Der Mietvertrag beginnt in zwei Wochen.«

»Du ziehst in zwei Wochen aus? Gut. Geh

Mark rührte sich nicht. Plötzlich stand mir alles glasklar vor Augen, und ich ging hoch wie eine Rakete.

»Nein, ich ziehe aus? Du wirfst mich hinaus? Der Teufel soll dich holen, Mark! Dir gehört das Haus, und deshalb übernimmst du einfach meine Firma! Ich habe diese Böden geschmirgelt, du Arschloch!«

»Bennie ...«

»Noch etwas, was ich wissen müßte? Sonst noch was, was du mir mitteilen möchtest?«

»Du selbst hast es herbeigeführt.«

»Scheißkerl!« schrie ich und scherte mich nicht darum, ob die Mitarbeiter mich hörten oder nicht. »Was, zum Teufel, bildest du dir ein?«

»Was ich mir einbilde? Okay, seit wann vertrittst du Tierschutzaktivisten, Bennie?«

»Was hat das damit zu tun? Du hast das seit Monaten geplant, du Heuchler!«

»Das heute war der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen gebracht hat. Kümmert es dich, daß Furstmann Dunn und Wellroth derselben Mutterfirma gehören? Du hast dich nicht um den Interessenkonflikt geschert, bevor du auszogst, die Retterin zu spielen!«

Ich war derart außer mir, daß ich hätte schreien können, und ich schrie. »Ich habe diesen Jungen in einer Strafsache verteidigt! Die Klage läuft gegen die Polizei und die Stadt! Da besteht kein Interessenkonflikt, Furstmann ist nur der Schauplatz!«

»Natürlich hast du es nicht nachgeprüft, es hat dich nicht gekümmert. Dr. Haupt sagte mir nach dem Mittagessen, er habe während der Verhandlung ein Fax bekommen. Sie haben es ihm verdammt noch mal mit reitendem Boten mitgeteilt, Bennie! Du vertrittst die Gruppe, die gegen sein Unternehmen vorgegangen ist! Mein Partner! Was glaubst du, wie das aussieht?« Wütend fuhr sich Mark mit den Fingern durch die Haare. »Es ist ein verdammtes Wunder, daß sie uns mit neuen Aufträgen betraut haben! Ob du es glaubst oder nicht, der Grund dafür war, daß sie Eve sympathisch finden!«

»Aber wo ist der Konflikt? Mein Mandant hat kein Interesse zum Nachteil des Konzerns!«

»Sei nicht so verdammt theoretisch, ja? Er ruiniert ihr Image! Das ist der Alptraum jeder Public-Relations-Abteilung. Es handelt sich um ein möglichst unauffällig tätiges deutsches Unternehmen. Zurückhaltung lautet ihr oberstes Gebot. Sie wollen kein Aufsehen.«

»Herrgott noch mal, darum ist das doch noch lange kein Konflikt! Tust du immer, was sie sagen, egal, ob es richtig oder falsch ist? Marschierst du nach ihrer Melodie?«

»Da haben wir's! Das ist deine Einstellung! Und ich soll dich behalten?«

Mich behalten? Mir blieb die Luft weg wie nach einem Tritt mit einem schweren Stiefel in den Bauch. »Mich behalten?« brachte ich mit ersterbender Stimme heraus. »Ich trage meinen Teil zu dieser Firma bei. Ich bringe soviel ein wie du mit deinen Klienten. Mehr, letztes Jahr.«

Seufzend rieb er sich das Kinn. »Ich muß an die Zukunft denken, Bennie. Ich möchte das Geschäft mit den Pharmakonzernen ausbauen. Bedenke, was mit Wellroth und ihrem Jointventure abläuft. Da steckt Geld drin.«

»Geld. Wieder mal.«

»Ist Geld ein schmutziges Wort? Darf ich nicht mehr als hunderttausend verdienen?«

»Du hast immer gesagt, du bräuchtest nicht mal fünfzig Riesen.«

»Das war gestern, heute ist heut. Dir liegt vielleicht nichts an der Zukunft, mir schon. Du willst vielleicht keine Kinder, ich schon.«

Ich holte noch einmal tief Luft. Diese Auseinandersetzung kannte ich, jeden Schlag und jeden Gegenschlag. Ich wollte Kinder, aber nicht jetzt. Ich konnte nicht, nicht, solange es mit meiner Mutter immer weiter abwärtsging. Ich wandte den Blick ab und sah aus dem Fenster. Die Sonne ging gerade unter. Die Menschen gingen nach der Arbeit nach Hause. Der Tag war zu Ende. R & B war zu Ende. Ich dachte an den Fluß, der keine zwei Meilen von der Stelle entfernt, an der ich stand, durch die Stadt strömte.

»Bennie?«

Ich wandte mich um und ging zur Tür. Ich wollte nicht mehr kämpfen. Alles, was zwischen Mark und mir noch bestand, war eine geschäftliche Abmachung, und er hatte das Recht, diese zu beenden. Laß ihn gehen, laß alles zurück. Mach es allein. Ich verließ die Bibliothek und schloß die Tür hinter mir.

Meine Ruder durchschnitten das Wasser. Ich streckte die Arme und zog die Ruder mit einem langsamen, gleichmäßigen Schlag an meinen Magen heran, so kontrolliert und stetig, wie ich konnte. Glitt auf dem harten Holzsitz mit den geschmierten Rollen nach hinten, die Knie nach vorn gegen die öligen Schienen gedrückt.

Das dunkle Wasser leistete nur leichten Widerstand. Es tanzten keine weißen Schaumkronen. Der Wind hatte sich gelegt, alles war ruhig. Ich ruderte wie auf einem Spiegel aus Rauchglas.

Während ich mich von der Zivilisation entfernte, reflektierte die Wasseroberfläche die Lichterketten, die die Umrisse der Bootshäuser am Ostufer nachzeichneten, und die leuchtenden Straßenlampen entlang der Zufahrtsstraßen. In der Mitte des Flusses gab es keine Lichter, dort war es stockdunkel.

Klatschend schlugen die Ruder ins Wasser, und ich zog sie durch und stellte mir vor, die geschmeidige Schwärze sei Teer, so daß ich jeden Schlag verlangsamte und mich darauf konzentrierte. Ich spürte, wie das Skullboot mit jedem Schlag leicht ruckend nach vorn zog. Langsam und schleppend, im Dunkel. Auf dem dunklen Wasser schwebend. Das einzige, was mich mit dem Fluß verband, mich mit irgend etwas verband, war der Griff des Ruders, der sich unter meinen schwieligen Händen rauh und splittrig anfühlte. Ich hielt mich an diesem Holz fest, das die Verbindung zur Welt aufrechterhielt.

Ich drehte die Riemen flach und machte einen weiteren langen Schlag. Zog unter dem Bogen der schroffen Steinbrücke durch, wo es kühler zu sein schien, schattiger, sogar jetzt um Mitternacht. Befand mich auf dem breitesten Teil inmitten des Flusses, und die wenigen Autos auf beiden Seiten schienen weit weg, ihre Scheinwerfer winzige Punkte, nicht stark genug, die Straße auch nur ein bißchen zu erhellen.

Ein weiteres Klatschen, und ich spürte einen Regen kalten Wassers auf meinem Unterarm. Der Schlag war zu hart gewesen. Sachte, Mädchen. Für den nächsten Schlag beugte ich mich weit vor, über meine Zehen hinweg, streckte mich und spannte jeden Zentimeter meines Körpers. Ein kraftvoller Schlag, trotzdem kontrolliert, stets kontrolliert. Ich versuchte, das die nächsten zehn Schläge lang durchzuhalten.

Eins, zwei, drei, keine besonders kraftvollen Schläge, einfach nur Technik. An nichts anderes denken als an die Technik. Der Schlag, die Kontrolle, das Timing. Die Geschwindigkeit des Bootes und das Gleitgeräusch, mit dem es durch das Wasser zog. Das Knarzen der Skulls. Die leicht nach Fisch riechende Kühle des Wassers und die grüne Frische der Bäume. Der Schock vom kalten Spritzwasser, der Ruck beim Vorwärtsziehen. Die Stadt war weit weg. Die Stadt war verschwunden. Vier, fünf, sechs Schläge.

Schon bald ging mein Atem in kurzen Stößen, und mir rann der Schweiß in Strömen zwischen den Brüsten und unter den Armen. Ich strengte mich sehr an, ich war kein Collegemädchen mehr. Schweißperlen benetzten meine Knie, verflüchtigten sich jedoch, als das Boot Geschwindigkeit aufnahm und über das Wasser flog, als der Schlag exakt kam. Endlich hatte ich den Rhythmus gefunden, ich konnte nichts mehr falsch machen. Sieben, acht, neun, zehn.

In der Mitte des Flusses, in der Mitte der Nacht.

Rudern ist kein Alibi

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