Читать книгу Britta siegt auf Silber - Lisbeth Pahnke - Страница 5
Silber und ich
ОглавлениеDas Publikum hielt den Atem an, als die erste Reitermannschaft auf der Bahn erschien. Das Turnier war eröffnet! Die alte Bonita führte unsere Gruppe an, und das Mädchen, das sie ritt, tat bestimmt sein Bestes, aber es half nicht viel. Als Ergebnis wurden zweimal Werfen und einmal Verweigern am Hindernis gezählt. Und dann ritt auch schon Helena in die Bahn! Ich hielt ihr ganz fest die Daumen, als Menuette tänzelnd, gleichsam auf den Zehen in die Bahn einritt, dabei aber aussah, als wollte sie jeden Augenblick explodieren. Ich folgte jeder Bewegung des Pferdes, als es zuerst auf die Tonnen zuritt, dann zur Hecke und zu dem großen Tor. Menuette war auf Touren und kaum zu bändigen, Helena hatte wirklich alle Hände voll zu tun. Aber als schließlich nur noch zwei Hindernisse ausstanden, verlor Helena die Führung über ihr Pferd: Menuette übernahm den Befehl, raste unbezähmt los und warf in rascher Folge hintereinander das Birkenhindernis und den Triplebar, das letzte Hindernis, um. Am Triplebar wird bei einem Turnier der Hochweitsprung verlangt. Es handelt sich um mindestens drei in der Höhe ansteigende Stangen. Niedergeschlagen kam Helena zu uns zurück: „Wirklich kein guter Anfang für uns!“ klagte sie. Aber ich versuchte, sie zu trösten: „Du warst doch ganz gut! Jeder weiß, wie schwierig Menuette beim Turnierreiten ist.“
„Stimmt!“ bestätigte Gunnel. „Und jetzt weißt du, was dich morgen beim Punkte-Reiten erwartet.“
„Menuette wird mir bestimmt heute nacht im Traum erscheinen!“ behauptete Helena.
Inzwischen war ein Junge auf einem Fuchs in die Sprungbahn geritten. Nach der Liste zu schließen, hieß der Fuchs Cäsar, dem Typ nach war dieser Cäsar ein echtes Reitschulpferd, das ein für allemal das Gehorchen gelernt hatte. Er galoppierte über die Bahn in gleichbleibendem Tempo, nahm in völliger Ruhe alle Hindernisse und erreichte fehlerfrei das Ziel.
Als ich auf meinem kleinen Silber durch den Start ritt, wehten von hier und dort Bemerkungen und auch vereinzeltes Lachen von der Zuschauermenge zu mir her. Für einen Augenblick überfiel mich Mutlosigkeit. Die Hindernisse schienen sehr hoch, und Silber wußte ja noch gar nicht, um was es ging! Als er aber dann das erste Hindernis in den Blick bekam, sprang er geradezu darauf los und überrumpelte mich vollkommen. Ehe ich mich besinnen konnte, waren wir schon über die Tonnen gesprungen, und Silber nahm meine Hilfen überhaupt nicht zur Kenntnis, als wir auf die hohe Hecke zustürmten.
Jetzt begriff ich, wie Helena zumute gewesen sein mußte, als sie die Kontrolle über Menuette verlor. Päng! Ein Schlag gegen das Tor – aber gleich darauf hatten wir das nächste Hindernis wie im Flug genommen. Ich hatte nichts mehr zu tun, nichts mehr zu bestimmen, mir blieb nur noch, den richtigen Anrittwinkel zu steuern. So kamen wir auch glücklich über die „Birken“ und den Triplebar – und dann ritten wir durch das Ziel.
Als ich aus der Springbahn kam, stürmten mir die Kameraden entgegen.
„Gratulation! Gratulation!“ riefen sie von allen Seiten, zugleich wurde Silber von vielen begeisterten Händen gestreichelt und getätschelt. „Das ging ja großartig! Aber sag, warum bist du so schnell geritten?“
Verwirrt starrte ich die anderen an. „Was meint ihr eigentlich? Ich bin noch nie so miserabel geritten!“
„Miserabel geritten? Was quatschst du da?“ schrie Lasse. „Du bist fehlerfrei geritten!“
Es dauerte eine ganze Weile, bis ich begriff. Silber und ich – fehlerfrei durch die ganze Springbahn! Nein, mein Verdienst war es nicht, stellte ich heimlich fest. Dann saß ich ab und ließ Silber eine Zeitlang grasen.
Als nächstes Pferd ritt die schlechtgelaunte Schimmelstute in die Bahn, ich hatte sie ja schon im Stall beobachtet. Aber springen konnte sie! Ein langbeiniges, sehniges Mädchen ritt die Stute, ritt sie sehr unsicher, trotzdem sprang die Stute mühelos und mit ausgewogenem Tempo über die Hindernisse. Es war ein Genuß, zu sehen, wie sie die Hinterbeine hoch über das Hindernis zog, wie sie die an sie gestellten Aufgaben mit Sicherheit und Interesse abschätzte. Hier sprang ein Pferd mit großer Erfahrung, und natürlich sprang es fehlerfrei.
Nach ein paar recht uninteressanten Reitern, war Leif an der Reihe. Er hatte großes Pech und mußte vier Fehler hinnehmen, obgleich man das Gefühl hatte, das Hindernis sei nur durch den Luftzug unter dem springenden Pferdeleib gefallen. Als letzte startete Marita auf Fuchs für unsere Mannschaftsklasse. Der Fuchs war gut eingeritten, legte eine prachtvolle Runde hin und ging fehlerfrei ins Ziel.
Jetzt wurde die Bahn für das Wiederholungsspringen etwas geändert. Und Silber und ich sollten dabeisein; ich konnte es noch immer nicht ganz fassen. Der Junge auf Cäsar eröffnete das zweite Springen. Es war offensichtlich, daß er nur auf Zeit ritt, denn er ritt allzuschnell und flatterig. Acht Fehlerpunkte waren die Folge.
„Britta Daniels und Silber! Bitte in die Bahn einreiten!“
Ich bemühte mich, Silber zu beruhigen, ehe ich in die Bahn ritt, aber er steigerte sich in eifrige Erregung, er wollte schon loslegen. Es war, als hätte er sich noch nie im Leben so wohl und übermütig gefühlt. Das Tor und der Triplebar waren erhöht worden, aber Silber lag gut an der Kandare und nahm die Höhen an. Wieder ging alles zu schnell, aber es war herrlich! Mein kleines. Pony zeigte, was es konnte. Gab es ein springfreudigeres Pferd?
Wohl stimmten nicht immer die Ansätze des Sprunges, manchmal nahm er den Absprung zu zeitig, dann wieder zu spät, immer aber war er willig. Und als wir mit einem mächtigen Sprung über den Triplebar flogen, wußte ich, er hatte es wieder geschafft!
Die Zuschauer applaudierten wie verrückt. Onkel Magnus kam zu uns und klopfte Silber anerkennend den Hals. Lasse, Gunnel und ich redeten alle zugleich, bis Ann-Marie zum Schluß versicherte: „Ich habe es ja immer gesagt, er kann herrlich springen!“
„… Sekunden. Als nächster reitet …“
„Verflixt!“ rief ich dazwischen. „Hat einer von euch gehört, welche Zeit ich erreicht habe?“
Niemand hatte darauf geachtet. Und nun war wieder die Schimmelstute an der Reihe. Wenn dieses Pferd in der Bahn war, wirkten alle Hindernisse kindlich. Als sie diesmal die halbe Springbahn hinter sich gebracht hatte, zwang die Reiterin ihr Pferd zum Stehen, denn sie wußte nicht mehr, welches Hindernis als nächstes genommen werden sollte. Wie schade! Viele kostbare Sekunden verstrichen; es gab zwar wieder einen fehlerfreien Ritt, aber die Zeit war nicht gut. Als letzte unserer Mannschaft ritt wieder Marita auf ihrem Fuchs. Ich war so aufgeregt und gespannt auf das Ergebnis, daß ich nicht ruhig stehen konnte. Der Fuchs sprang ruhig und sicher wie immer, er nahm ein Hindernis nach dem anderen.
„Sie macht die Bögen viel zu weit“, fand Lasse.
Ich aber war überzeugt, daß sie eine gute Zeit einhielt. Schon war sie am Ziel! Wer mochte nun endgültiger Sieger geworden sein? Wir gratulierten Marita, dann warteten wir alle gespannt auf das Ergebnis, das der Schiedsrichter durch das Mikrofon verkünden würde. Eines wußte ich sicher: Schlechter als auf den dritten Platz konnte ich nicht eingestuft werden. Und darüber war ich maßlos glücklich.
Da ertönte das wohlbekannte Krachen des Lautsprechers; alle Stimmen rundum verstummten.
„Das Ergebnis des heutigen Springens: Erste: Britta Daniels – Silber. Zweite: Marita Berglund – Fuchs. Dritte …“
Ein doppelter Sieg! Alle applaudierten, und mir war es wie ein Traum! Silber riß indessen voll Appetit ein riesiges Büschel Gras aus der Wiese; er wirkte völlig gelassen. Was ging es ihn an! Ich kraulte ihm die Mähne und war mit dem Leben sehr zufrieden. Wir hatten gewonnen!
Nicht daß ich der Ansicht wäre, die Siegerabzeichen seien das Wichtigste im Leben – aber eines muß ich doch bekennen: Es war ein schönes Gefühl, als wir uns vor dem Schiedsrichter aufstellen durften, ich und Silber, Marita und Fuchs und dann das Mädchen mit der schlechtgelaunten Schimmelstute. Silber bekam das Stirnband mit der blau-goldenen Schleife. Die erste Schleife, die wir beide miteinander gewonnen hatten! Ich selbst bekam eine schöne Reitgerte aus braunem Leder, Marita ein Paar Sporen und das große Mädchen ein Buch über Pferde. Alle strahlten und applaudierten, als wir unsere Ehrenrunde im Galopp nahmen und Silber ein paar fröhliche Bocksprünge zum besten gab.
Als ich zum Stall ritt, wurden schon die Hindernisse für das nächste Springen erhöht. Nun mußten also Gunnel und die anderen die Feuerprobe bestehen. Ich beeilte mich, Silber zu versorgen, denn ich wollte doch soviel wie nur möglich vom Springen der zweiten Klasse sehen.
Es wurde ein weitaus härterer Kampf als unser Springen. Die Reiter waren erfahrener als wir, und so gab es viele fehlerfreie Durchgänge. Beim abschließenden Ausscheidungsspringen ging es tatsächlich um Sekunden. Bonita aber versagte; sie bekam zwölf Fehlerpunkte. Lasse hielt sich bis zum Ausscheidungsspringen, dann aber wollte er aufs Ganze gehen und riß ein Hindernistor, daß es nur so krachte. Ann-Marie kam mit Fuchs nicht zurecht. Sie kam aus dem Takt und verlor außerdem einen Steigbügel. Dann riß sie auch die beiden nächsten Hindernisse. So blieb denn schließlich die Schimmelstute Siegerin, diesmal mit einer eleganten Reiterin im Sattel. Siv auf Kim wurde zweite – wir applaudierten begeistert! Gunnel auf Truska errang den dritten Platz, nur eine Sekunde schlechter als Siv.
Nach dem Wettkampf versammelten sich alle Teilnehmer an einer langen Tafel, die im Freien gedeckt war. Es gab heiße Würste, Kartoffelbrei und verschiedene erfrischende Säfte. Wir genossen es, eingeladen zu werden.
Nun, als wir alle erlebt und festgestellt hatten, wie sich die Pferde verhielten, wurden die Chancen für das Springen nach Punkten, am nächsten Tag, lebhaft diskutiert. Die Kameraden vom Reitklub Nordacker waren fröhlich und freundlich. Wir lachten, scherzten und erzählten uns lustige Geschichten.
Auch am Abend fanden wir uns wieder zusammen. Im Klubhaus hörten wir Schallplatten und führten echte Reitergespräche. Was war für uns wichtiger als unsere Pferde?
„Klubturniere haben etwas Festliches an sich!“ begeisterte sich Christina, das langbeinige Mädchen. Sie hatte auf der Schimmelstute das Springen gewonnen. „Sie müßten nur viel öfter veranstaltet werden!“
„Nächstes Mal seid ihr dran, dann müßt ihr zu uns kommen“, sagte ich.
Für unsere Unterbringung war gesorgt, alle schliefen bei Klubkameraden. Ich übernachtete bei Christina. „Wie wird es morgen gehen …“ war mein letzter Gedanke vor dem Einschlafen.