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Mannschaftsspringen

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„Dein Pony ist heute nacht ausgerissen“ war das erste, was ich zu hören bekam, als ich am Sonntagmorgen mit Christina in den Stall kam. Silber, jetzt wieder angebunden in seinem Verschlag, machte ein unschuldiges Gesicht.

„Es wundert mich nicht“, gab ich als Erklärung. „Angebunden stehen zu müssen ist für Silber das Schlimmste auf der Welt. Hat er irgend etwas angestellt?“

„Nein, nein, er lief nur im Mittelgang umher und reizte natürlich alle anderen Pferde.“

Der Vormittag verging im Nu. Wir striegelten und pflegten unsere Pferde, wir sattelten sie, ritten aus, ließen sie warm werden.

Inzwischen hatte sich schon eine große Zuschauermenge eingefunden.

„Britta, ich sterbe, wenn sie wieder mit mir durchgeht!“ jammerte Helena. „Was soll ich nur machen, Menuette ist ja viel schlimmer als Hexe!“

„Wie sollte ich dir einen Rat geben“, seufzte ich. „Du hast wohl gesehen, wie es mir gestern erging!“

„Immerhin – du bist fehlerfrei durchgekommen!“

„Was hast du als Startnummer?“ wollte ich wissen.

„Zwei wie gestern. Und du?“

„Ich reite als letzte! Ein abscheuliches Gefühl – so, als hätte man die letzte Strecke beim Stafettenlauf.“

Es krachte im Lautsprecher, ein Redner gab die Regeln für das Mannschaftsspringen bekannt: „Es wird gemeinsam gewertet, die Mannschaft mit den niedrigsten Fehlerpunkten gewinnt. Haben beide Mannschaften die gleiche Punktzahl, entscheidet die Zeit.“

„Eine Sekundenjagd also!“ seufzte ich.

„Ich finde, wir sollten vor allem versuchen, fehlerfrei zu reiten“, schlug Gunnel vor. „Die Zeit steht an zweiter Stelle.“

Als erstes Pferd ritt Cäsar in die Bahn. Er blieb seinem Stil vom Vortag treu und hielt einen gemäßigten aber gleichmäßigen Galopp. Zügelbewegungen oder andere kleine Hilfen existierten für ihn nicht, der Reiter saß zwar im Sattel, tat aber nichts. Beide Mannschaften beobachteten den Fuchs gespannt, als er Hindernis um Hindernis mühelos nahm. Der erste Reiter der Mannschaft „Nordacker“ ging fehlerfrei durchs Ziel!

Und dann war Helena dran. „Glück auf!“ riefen wir ihr nach. Menuette schien einen bösen Tag zu haben, gleich beim Start ging sie rückwärts und warf sich gegen einen der Startpfosten. Lasse lief hin und führte sie nochmals an den Start. Was konnten wir noch erwarten, als sie sich dann dem ersten Hindernis näherte? Aber es waren nur ein paar einfache Stangen, und sie schaffte es, darüber zu kommen. Vielleicht klappt es doch, hofften wir heimlich, als Menuette und Helena die halbe Springbahn fehlerfrei hinter sich gebracht hatten. Jetzt noch die Hecke, gut, und dann eine scharfe Wendung nach links, zu dem aufrecht gestellten Gartentor. Aber Menuette wich tänzelnd nach rechts aus; in letzter Sekunde schaffte es Helena, sie zu lenken, aber – päng! – sie warf das Gartentor mit den Vorderbeinen um. Vier Fehler! Sie schaffte noch die Tonnen und den Triplebar, dann war sie am Ziel. Die Sachkundigen unter dem Publikum applaudierten, denn sie wußten, was Helena geleistet hatte.

„Gut, Helena!“ riefen auch wir. Es war wirklich besser gegangen, als wir erhofft hatten. Nun stand es also 0 zu 4, zugunsten der Mannschaft Nordacker.

Wieder startete ein Mitglied der anderen Mannschaft, aber es war keine erfreuliche Darbietung. Ein Mädchen mit Sporen und Springgerte ausgerüstet, trieb das arme Pferd Bonita mit Schlägen und Tritten über die Hindernisse. Trotzdem kam es zu vier Fehlern; der Applaus war mäßig.

Dann aber waren wir mit unserer „sicheren Karte“ an der Reihe: Marita auf Fuchs! Sie hielt sich prächtig bis zum letzten Hindernis, dort schlug Fuchs heftig gegen eine Latte. Mir blieb beinahe das Herz stehen, und Marita sah sich noch im Sprung erschrocken um. Aber die Latte hüpfte nur ein wenig in ihrer Aufhängevorrichtung. Mit großer Erleichterung konnten wir applaudieren; es war der erste fehlerfreie Ritt innerhalb unserer Mannschaft, nun stand es 4:4.

„Gleich werden wir wieder einen fehlerfreien Ritt verbuchen können“, prophezeite ich, als die Schimmelstute in die Springbahn trabte. Schön im Stil und mit absoluter Sicherheit schwebte diese große Springerin über die Hindernisse, als seien sie kleine Übungsspiele. Ich behielt recht.

„Jetzt mußt du dich aber zusammenreißen!“ ermahnten wir Leif. „Du darfst absolut keinen Fehler machen!“

„Macht mich nicht nervös!“ klagte Leif.

Sein Pferd Mister sah prächtig aus, und Leif ritt mit ganzem Einsatz und nahm sich sehr in acht. Ich konnte nicht länger Zusehen, denn ich mußte nun Silber und mich selbst vorbereiten, wir kamen bald an die Reihe. Immer wieder hörte ich einen wahren Sturm von Applaus bis in den Stall hereindringen, also mußte Leif gut geritten sein. Es stand demnach immer noch auf 4:4, und zwei Ritte waren noch zu absolvieren. Es ist ein großer Unterschied, ob man bei einer Einzelwertung reitet oder für eine Mannschaft, der man angehört! Das wurde mir in diesen Minuten so recht klar.

Das letzte Pferd der Nordacker-Mannschaft war ein kräftiger, dunkelbrauner Wallach mit schmalem, weißem Stirnfleck. Er wirkte sehr temperamentvoll und springfreudig, und sein Reiter schien ihn gut am Zügel zu haben. Atemlos verfolgten wir den Ritt, genossen den Anblick der gewaltigen Sprünge dieses kraftstrotzenden Pferdes und redeten uns heimlich ein, es sei unsportlich, sich zu wünschen, es möge doch ein einziges Mal ein Hindernis reißen!

Nur mehr zwei Hindernisse waren zu überwinden, als ich überlegte, wie es kommen würde, wenn er fehlerfrei ins Ziel ging … In diesem Augenblick bog der Wallach mit energischem Schwung in die Richtung zu den Tonnen ein, sprang ab – und blieb mit einem Hinterbein an der Latte hängen, die über den. Tonnen lag. Unter lauten und bedauernden Enttäuschungsrufen der Zuschauer fiel die Latte mit lautem Getöse zu Boden. Vier Fehler für Nordacker! Also stand es jetzt 4:8 für uns, und der Ausgang dieses Wettkampfes hing ganz und gar von mir und Silber ab!

Kein Wort fiel, als ich zum Start ritt, die Kameraden waren sich alle bewußt, um was es ging. Es blieb uns nur zu hoffen.

Silber war in Form, aber ich nervös, und das steckte ihn an. Das erste Hindernis nahmen wir voll Unsicherheit. „Zusammenreißen!“ befahl ich mir selbst und konnte mich plötzlich besser konzentrieren. Das Publikum stand wie eine Mauer schweigend da. Silber legte sich ins Geschirr, und ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, die Herrschaft über ihn zu verlieren. Und bei den berüchtigten Tonnen geschah es dann! Silber galoppierte das Hindernis unkontrolliert an – nichts stimmte mehr. Es war mir, als wollten wir gleich mitten hineinreiten, aber Silber bremste im letzten Augenblick. Ich flog beinahe aus dem Sattel, so jäh blieb er stehen. Aus dem Publikum drang erregtes Murmeln zu mir, aber ich dachte nur an unsere Mannschaft. Sie drückten mir jetzt alle die Daumen!

„Wir versuchen es noch einmal, sei ein guter Junge!“ flüsterte ich Silber beruhigend zu und trieb ihn gleichzeitig kräftig an. Silber flog nun geradezu über die Tonnen – mit großem Luftraum unter seinem Bauch. Und schon ging’s weiter zum Triplebar. Blau und weiß leuchtete er uns entgegen, schreckeinflößend und einladend zugleich. Und die ganze Welt schien den Atem anzuhalten, als wir absprangen, schwebten … Dann waren wir drüber, Silber landete weich, und wir galoppierten ins Ziel. Alle klatschten in die Hände, am begeistertsten meine Kameraden. Wir hatten gewonnen! Überglücklich und müde von der Anspannung glitt ich aus dem Sattel. Der Lautsprecher verkündete das Ergebnis, und nochmals klatschten die Zuschauer. Mich kümmerte es nicht, ich stand nur tiefatmend an Silber gelehnt da, der schon wieder die Grasbüschel aus der Wiese riß und tat, als habe er alles vergessen.

„Gar nicht so dumm, ein Pony bei der Mannschaft zu haben!“ fand Leif und drückte mir damit seine Anerkennung aus.

„Mich hätte beinahe der Schlag getroffen, als Silber das Hindernis verweigerte“, erzählte Helena.

Lasse kam auf seinem Mister angeritten. „Gratuliere!“ schrie er mir entgegen. „Das war ja alles prächtig – aber sag, was hattet ihr euch bei den Tonnen ausgedacht?“

„Komm wieder, wenn du selbst darüber gesprungen bist!“ schlug ich ihm vor und lachte ihn herausfordernd an. „Wir haben unseren Teil geleistet …“

In langsamem Schritt führte ich Silber in den Stall. Das Gebäude lag völlig verlassen da, kein Mensch war zu sehen, sie hielten sich wohl alle unten an der Springbahn auf. Es war still, ruhig und kühl hier im Stall, und ich nahm mir reichlich Zeit, Silber zu versorgen.

Draußen hat das Springen sicher wieder begonnen, überlegte ich, aber irgendwie erschien es mir jetzt nicht mehr wichtig. Es war, als könnte ich keine große Spannung mehr ertragen. Langsam holte ich einen Eimer voll Wasser und sah Silber zu, der begehrlich und in großen Schlucken trank, und dabei spürte ich, wie die innere Anspannung von mir abfiel. Dies war jedenfalls das wichtigste, stellte ich fest: ein Pferd zu haben und zusammenzugehören. Egal, ob es um ein Turnier ging oder um die alltäglichen Verrichtungen und die gewohnte Pflege des Pferdes.

Als Silber gut versorgt war, ließ ich ihn allein und ging zur Springbahn zurück. Dabei stieß ich auf Helena.

„Deine Freundin Christina ist eben auf ihrem Schimmel fehlerfrei geritten“, erzählte sie mir. „Aber Siv auf Kim ist es schlecht ergangen. Beim Doppelbar hat Kim einmal verweigert und dann das Hindernis gerissen. Wir liegen punktemäßig recht schlecht! – Aber jetzt kommt Lasse dran.“

Ich drückte meine Daumen so stark, daß es mich schmerzte. Lasse ritt langsam, aber sehr gesammelt, und er nahm die Kurven so schräg wie möglich. Mister sprang elegant und sicher.

„So macht man Reklame für eine Reitschule!“ seufzte Helena, als alle dem schönsten Ritt des Tages begeisterten Applaus spendeten.

„Und wie steht es jetzt?“ wollte ich wissen.

„Sieben für uns, drei für die anderen“, sagte Helena, „und nur noch zwei Ritte.“

Nun kam Nordackers Fuchs Cäsar in die Bahn, von einem sehr jungen Burschen geritten. Die beiden hatten Pech und rissen sofort das erste Hindernis, kamen dann aber fehlerfrei durch die ganze Sprungbahn, obwohl alle anderen Hindernisse schwerer waren. Der ganze Klub Nordacker jubelte, als der Junge ins Ziel ritt. Nun stand es 7:7, und Gunnel mußte also unbedingt fehlerfrei reiten. Sie machte ein verbissenes Gesicht; ich aber wußte genau, wie ihr zumute war. Wir verfolgten jeden ihrer Sprünge mit Spannung und leisem Zittern. Rundum herrschte vollkommene Stille, denn Pferd und Reiterin hatten nur noch drei Hindernisse vor sich. Da waren sie schon über die Hecke und wandten sich der Mauer und dem Triplebar zu. Die Stute Trixi nahm den Absprung zu zeitig, kam dadurch vor dem Triplebar aus dem Takt. Aber das kleine Pferd warf sich mit der Geschmeidigkeit einer Katze über das Hindernis. Die oberste Latte bekam einen Stoß. Versteinert vor Schreck starrten wir alle hin und brachen dann in lauten Jubel aus, als sie doch liegenblieb. Nun hatte also jede Mannschaft sieben Punkte, und wir warteten aufgeregt und voller Spannung auf das Endergebnis. Da krachte es im Lautsprecher; alle verstummten, um besser zu hören.

Der Sprecher verkündete: „Ich komme nicht umhin, zu erklären, daß wir vom Reitklub Nordacker uns als besiegt ansehen, und ich darf unseren Gästen zu einem Doppelsieg beim Mannschaftsspringen gratulieren …“

Die Sonne schien plötzlich noch heller und wärmer, und alles war wunderbar. Wir alle hatten uns zusammengefunden: Wir hingen über dem Zaun, der die Sprungbahn umzäunte und freuten uns des Lebens. Und während wir auf die farbenfrohen Hindernisse blickten, wurden sie schon wieder um einiges erhöht und für die schwerste Stufe der Einzelwertung vorbereitet.

Britta siegt auf Silber

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