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Aliya nach Israel

Die Einwanderung nach Israel, die Aliya, beinhaltet nach dem zionistischen Ethos auch einen Bruch mit der Diaspora-Vergangenheit, mit dem Zustand des Exils. In Israel angekommen, wird man zum „neuen“ Juden. Ein Zeichen für die Entscheidung zugunsten einer Existenz als „neuer Jude“ ist die Hebräisierung des Namens: Dies gilt sowohl für Vornamen als auch für Familiennamen. Ein bekanntes Beispiel: Ephraim Kishon. In seinem Ursprungsland hieß er Ferenc Hoffmann und wählte als Schrift steller den Nachnamen Kishont – was ungarisch für „kleiner Kish“ ist, denn sein Vorbild war ein seinerzeit namhaft er Autor namens Kish. Der Beamte, so die Erzählung von Kishon, der den Ole (Neueinwanderer) Kishont nach seiner Ankunft registrierte, vertat sich bei der Niederschrift des Namens und vergaß das auslautende „t“. Ähnliches widerfuhr auch Emanuel Schaffer. In Israel hieß er seit seiner Ankunft Imanuel Shefer. Er kam ins Land ohne Hebräischkenntnisse, und der Beamte des Innenministeriums registrierte ihn als Shefer, erzählt Emanuel Schaffers Sohn Moshe. Das Wort „Shefer“ bedeutet auf Hebräisch „Schönheit“ oder „Klugheit“. Da auf Hebräisch, eine Sprache ohne Vokale als Buchstaben, Shaffer und Shefer identisch geschrieben werden ( רפש ), genauso wie Emanuel und Imanuel, ergab sich der Namenswechsel unproblematisch und unbürokratisch.

Israels erster Ministerpräsident David Ben-Gurion (er hieß vor seiner Einwanderung Grün) legte so viel Wert auf die Hebräisierung der Familiennamen, dass er für Diplomaten und Fußballnationalspieler die Hebräisierung zur Bedingung machte. In Schaffers Fall war ein formaler Eingriff in die Buchstabierung im Personalausweis wie gesagt nicht nötig. Emanuel bestand aber darauf, dass er auch nach der Einwanderung in den offiziellen Dokumenten − auch im Pass − weiterhin Schaffer genannt wird, und dies sollte auch für seine Söhne gelten.63 Wenn man jedenfalls im Gespräch mit einem gewöhnlichen Israeli den Namen Schaffer nennt, weiß der nicht, wer damit gemeint ist, weil er den Fußballer und Trainer nur als Shefer kennt. Hinzu kommt, dass auch der Rufname Eddy (für Edmond) nicht von Israelis benutzt wurde (sondern von Deutschen). In Israel war er für seine Duzfreunde immer „Mundek“, die jiddische Abkürzung von Edmond. Wenn es um Rufnamen geht, hinkt nämlich die Hebräisierung der „neuen Juden“ hinterher. Dieses Element der Diaspora-Tradition war schwer zu beseitigen. Kurz: In Israel nannte man ihn Imanuel Shefer.

Start in ein neues Leben

Völlig mittellos kam Emanuel Schaffer 1950 in Israel an. Seinen Lebensunterhalt verdiente er zunächst als Hafenarbeiter in Haifa. 1951 lag sein Lohn bei etwa 60 bis 100 Israelische Lira (IL) monatlich, 1953 bekam er etwa 130 bis 150 IL. Das lag aber weit unter dem damaligen Durchschnittsgehalt. 64

Er war 27 Jahre alt, als er seine Fußballkarriere beim Erstligisten Hapoel Hafen Haifa (später nur noch Hapoel Haifa genannt) fortsetzen konnte. Er spielte dort zwei Jahre. Zu diesem Zeitpunkt waren die Spieler reine Amateure. Es wurde allenfalls ein Fahrgeld bezahlt, und die Vereine kümmerten sich gegebenenfalls um einen Arbeitsplatz für ihre Spieler. Danach wechselte Schaffer zu Hapoel Kfar Saba, einem Verein in einer Kleinstadt nördlich von Tel Aviv. Im Jahr 1952 stieg der Verein in die nationale (erste) Liga auf. In der Saison 1953/54 erzielte Schaffer sechs Tore. 1954/55 wurde er Co-Trainer und Trainer der Jugendmannschaft. 1955/56 stieg Kfar Saba ab. Als im Jahr darauf der direkte Wiederaufstieg gelang, war Schaffer nicht mehr dabei,65 er hatte seine aktive Laufbahn 1956 wegen einer Verletzung beenden müssen. In seiner Zeit bei Hapoel Kfar Saba spielte er einige Male in der Auswahlmannschaft des Bezirks Tel Aviv und „zweimal repräsentativ für Israel“66 in der Reserve-Fußballnationalmannschaft, wie sein Verein 1958 gegenüber der Sporthochschule Köln bestätigte, als es um Schaffers Aufnahme in den Trainerkurs ging. Er debütierte also mit 31 Jahren in der B-Nationalmannschaft, und nach anderen Quellen spielt er dort sogar sechsmal und schoss sechs Tore.

Viele Fußballerbiografien enden infolge einer Verletzung oder mit dem altersbedingten Ausscheiden aus dem aktiven Fußball. Nur wenigen Spielern gelingt eine Fortsetzung ihrer Karriere als Fußballtrainer, und noch weniger kommen zu Ruhm und Anerkennung. Dass Emanuel Schaffer es zum erfolgreichen Trainer brachte, hängt stark mit seiner besonderen Beziehung zu Deutschland zusammen. Näheres dazu im nächsten Kapitel.

Schaut man auf die Schaffer-Biografie auch nur bis zu diesem Zeitpunkt, fallen zwei signifikante Aspekte auf. Zum einen ist Fußball das Bindeglied, das Element der Kontinuität in dieser von Krisen und Katastrophen gezeichneten Lebensgeschichte – von der Begeisterung für den Fußball im Ruhrpott, weiter zum Spielen im ersten Exil, in Polen, dann im zweiten Exil, in Lagern in der Sowjetunion, im dritten Exil im Nachkriegspolen und am Ende im Judenstaat nach der Katastrophe. Diese Lebensgeschichte ist aber auch insofern signifikant, als sie die exemplarische Fußballerkarriere eines Diasporajuden darstellt, der die Katastrophe der Shoah bewusst erlebt und sich am Ende für die zionistische Lösung entschieden hat. Diese Geschichte veranschaulicht, dass nicht nur Sabras (im Land Israel geborenen Nationaljuden) „Muskeljuden“, also „neue Juden“ im Sinne des Zionismus sein können, sondern auch Diasporajuden. In anderen Worten: Der zionistische Muskeljude ist ein Mythos. Auch im Aufbau des zionistischen Sports waren die Olim, die Einwanderer aus der Diaspora, nicht weniger erfolgreich als die Sabras, die im Lande Geborenen.

Die Tradition des israelischen Fußballs beruht auf zwei europäischen Säulen: Die eine ist die Tradition der Einwanderer aus Mitteleuropa während der 1920er und 1930er Jahre. Das ist diejenige, aus der auch Schaffer kommt. Einige Spieler des legendären jüdischen Sportklubs Hakoah Wien wanderten nach Palästina aus und spielten im israelischen Fußball eine wichtige Rolle. Die andere Säule ist der Einfluss der englischen Mandatsmacht Großbritannien: In der Fußballliga Palästinas (d. h. bis zur Staatsgründung) spielten auch Mannschaften der britischen Polizei und des britischen Militärs.

Die meisten jüdischen Fußballspieler, bis in die Mitte der 1950er Jahre, waren europäischer Herkunft, und der Neueinwanderer Emanuel Schaffer passte in dieses Ambiente. Doch bereits während Schaffers aktiver Zeit durchlief die israelische Gesellschaft, und somit auch der israelische Fußball, einen entscheidenden Wandel. Die israelische Bevölkerung verdoppelte sich zwischen 1948 und 1960 von etwa 800.000 auf 1.600.000 Einwohner. Die meisten jüdischen Neueinwanderer zu dieser Zeit kamen aus den arabischen Staaten im Nahen Osten und Nordafrika, wo die Fußballtradition nur eine marginale Rolle spielte. Im Zuge der Integration der sogenannten orientalischen Juden wuchs aber auch nach und nach die Zahl der Fußballspieler „orientalischer“ Herkunft, was dann zum Wandel des Charakters des israelischen Fußballs beigetragen hat. Dieser Prozess sollte auch für den Trainer Schaffer in den späten 1960er Jahre relevant werden. Von Bedeutung war auch die Tatsache, dass der Staat wenig in den Sport und auch nicht in den Fuß-ball investierte. In der ersten Liga spielten nur zehn Mannschaften, und die Spieler waren alle noch bis in die 1970er Jahre Amateure. Im Staat Israel standen der Landwirt und noch mehr der Soldat für den „Muskeljuden“ – mehr als der Sportler. Es ist also kein Wunder, dass Israel, der Staat des angeblichen „Muskeljuden“, im Sport, und auch im Fuß-ball, den Durchbruch zum internationalen Erfolg nicht geschafft hat. Die erste olympische Medaille gewann Israel erst im Jahr 1992 bei den Olympischen Sommerspielen in Barcelona.67 Vor dem Hintergrund dieses nur sehr bescheidenen Stellenwerts des Sports bildete die Zeit Schaffers als Trainer der Juniorennationalmannschaft, und später dann der Seniorennationalmannschaft, eine überraschende Ausnahme.

Emanuel Schaffer

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