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Im Wurfkessel

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Nebel stieg aus dem Talgrund, überzog den sacht ansteigenden Hangwald mit langsam zerfasernden Schleiern. Feucht glänzte das Gras der Wiesen im Frühlicht. Noch war es still im Wald, nur im Unterholz knackte morsches Geäst. Und ein verspäteter Waldkauz strich lautlos durch die Wipfel. Erst als ein Sonnenstrahl die wabernden Nebelbänke durchbrach und die Landschaft in eine seltsam bleiche Helligkeit tauchte, begann eine Amsel ihr Morgenlied.

Auch am Waldrand rührte sich etwas. Eine Rotte Wildschweine durchpflügte geräuschvoll den Boden nach Eßbarem, wühlte nach Engerlingen und Raupen. Ihr Grunzen und Schmatzen scheuchte einen verschlafenen Hasen auf, der eiligst davonhoppelte. Die Rotte kümmerte sich nicht darum. Nur ein kleiner, knapp einjähriger Frischlingskeiler blickte ihm kurz nach, dann senkte auch er wieder schnüffelnd seinen Rüssel.

Gemächlich zog die Rotte weiter. Eine starke Mutterbache aber zögerte, blieb mit ihren beiden vorjährigen Frischlingen zurück. Sie hatte kaum etwas gefressen. Ihr Gang war schwerfällig. Plötzlich trennte sie sich von der Spur ihrer Gefährten, drang hangaufwärts in den dichten Unterwuchs. Und die beiden Jungen folgten ihr.

Jetzt hoben sich die Nebel, trieben durch die Wipfel des dichten Kiefernwaldes. Hier am Südhang war es fast windstill. Die Bache kannte diesen Platz. Schon in den vergangenen Jahren hatte sie hier ihren Wurfkessel gebaut. Hier konnte sie sehen, ohne gesehen zu werden, konnte jede Gefahr rechtzeitig erkennen. Aber noch war es nicht soweit. Sie suchte nach einer flacheren Stelle für das Nest. Erst auf halber Höhe des Hanges schien sie zufrieden.

Aufmerksam musterte sie den Platz. Der Unterwuchs war trocken genug. Dann begann sie zu rupfen, schleppte zwischen ihren kräftigen Kiefern weiche Gräser und belaubte Zweige und Gesträuch und türmte damit einen mächtigen Haufen. Stunden um Stunden arbeitete sie verbissen. Es fiel ihr schwer. Immer häufiger zwangen die Wehen sie zu einer Pause, verharrte sie wie im Krampf. Aber sie ließ nicht nach, bis der Haufen hoch genug war, die Nestmulde weich ausgepolstert. Einen Augenblick lang witterte sie in die Runde, dann schob sie sich in ihr Nest.

Die beiden Jungen blieben draußen, hielten sich scheu am Rande des Dickichts. Die ganze Zeit über hatte die Bache sich nicht um sie gekümmert. Nur einmal, als sie ihr neugierig schnüffelnd zu nahe kamen, hatte sie die beiden energisch grunzend zurückgescheucht. Das hatte genügt. Sie trauten sich nicht mehr, aber sie vermißten ihre Nähe, den vertrauten Kontakt. Und sie beobachteten verwirrt das ungewohnte Treiben ihrer Mutter.

Sie mußten lange warten. Und sie warteten geduldig. Von ihrer Mutter war nichts zu sehen. Nur der Haufen aus Gras und Gesträuch bewegte sich mitunter, wenn sie wieder ein Junges gebar. Dazwischen ertönten kurze Grunzlaute, worauf jedesmal ein zartes Quieken antwortete. Und die Bewegungen wurden häufiger, auch das Gequieke. So vergingen Stunden.

Längst hatten sich die Morgennebel verzogen. Warm schien die Märzsonne durch die noch kahlen Wipfel der Bäume, malte schillernde Kringel auf den Waldboden.

Gegen Mittag wurden die oberen Teile des Haufens sorgsam weggeschoben, Zweige und Gräser nach rechts und links zur Seite. Sekundenlang tauchte der mächtige Kopf der Bache aus dem Gewirr. Mißtrauisch beobachtete sie die Umgebung, ob auch keine Gefahr drohte. Danach zog sie sich beruhigt zurück. Ihre Kinder brauchten sie.

Borstel, der Frischling vom Eichwald

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