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Borstels erster Ausgang

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Am nächsten Morgen schien die Sonne. Die Wiesen dampften. Und als die ersten Strahlen den Kessel erreichten und ihre Wärme bis zum Lager drang, riß die Bache die oberen Zweige auf. Aber sie legte sich nur kurz wieder hin, um ihre Kleinen trinken zu lassen. Dann schob sie sich vorsichtig nach draußen. Und diesmal blieb sie länger fort als sonst.

Sie witterte aufmerksam schnüffelnd in die Runde und jagte mit ärgerlichem Grunzen die beiden Einjährigen auf gebührenden Abstand. Es sah so aus, als habe sie etwas Besonderes vor.

Borstel wurde unruhig. Auch ihre Geschwister begannen ungeduldig umeinanderzukrabbeln. Und Kurf knuffte seine kleine Schwester Rini in die Seite. Rini quiekte ängstlich und versuchte, sich hinter Borstel zu verstecken. Jetzt bekam Borstel Kurfs Geknuffe ab, bis es ihr zuviel wurde. Energisch knuffte sie zurück.

In diesem Augenblick tauchte ihre Mutter am Kessel auf. Mit einem scharfen Grunzlaut beendete sie die Balgerei. Und als Kurf immer noch weiter stupste, bekam er einen Knuff von seiner Mutter, daß er sich überkugelte. Und das wirkte. Jetzt war Ruhe.

Doch die Bache legte sich nicht wieder nieder. Erst kam die Morgenwäsche dran. Alle sechs wurden der Reihe nach mit ihrem riesigen Rüssel eifrig geputzt und beleckt. Dann stieß die Bache ein tiefes Grunzen aus. Das klang ganz anders als vorhin. Es war ein Lockruf. Und mit diesen lockenden Grunzlauten rief sie ihre Kinder, ihr nach draußen zu folgen.

Borstel zögerte verdutzt. Sie hatte ja noch nie den Wurfkessel verlassen. Kurf wühlte sich als erster ungestüm zappelnd durch das Gräsergewirr. Und die anderen folgten, als letzte Rini und Borstel.

Besorgt blickte die Bache über ihre Kinderschar. Erst als alle vollzählig um sie versammelt waren, ging sie langsam weiter. Dabei achtete sie sorgfältig darauf, daß keines zurückblieb. Doch die Kleinen waren noch viel zu ängstlich, um sich aus der Nähe ihrer Mutter zu wagen. Auf ihren winzigen Beinchen trippelten sie eifrig hinter der Bache her.

Borstel schnüffelte aufgeregt. Hier draußen roch es so ganz anders als im Kessel. Mit tief gesenktem Rüssel schnupperte sie neugierig über den Waldboden. Grashalme kitzelten sie an der Nase. Und mit einemmal entdeckte sie einen blauschimmernden Käfer, der auf flinken Beinen davonkrabbelte.

Das interessierte Borstel. Mit einem drolligen Satz flitzte sie ihm nach, stupste ihn kurz mit der Schnauze. Fressen wollte sie ihn ja nicht; sie war ja noch ein Säugling. Erst später würde sie feste Nahrung aufnehmen. Aber die Bewegung reizte sie. Und der Käfer flüchtete unter einen abgebrochenen Ast.

Doch bevor Borstel den Ast erreichte, spürte sie einen heftigen Stups in die Flanke. Diesmal war es Lim, der eine Balgerei anzetteln wollte. Wild quiekend sauste er um sie herum, den Pürzel steil aufgerichtet. Aber das kannte Borstel schon. Sie ließ sich nichts gefallen.

Hin und her ging die Balgerei. Plötzlich purzelten beide auf den raschelnden Waldboden: Borstel auf die Nase und Lim mit heftig strampelnden Beinen auf den Rücken. Schnaufend rappelte Borstel sich auf und blickte sich um. Die anderen waren schon weit weg, viel zu weit. Sie quiekte ängstlich. Dann rannte sie so schnell sie konnte ihrer besorgt herüberäugenden Mutter entgegen. Und Lim rannte hinter ihr her.

Hier war durch Windbruch eine schmale Lichtung entstanden, überwuchert von Gestrüpp und dünnstämmigen Schößlingen. Darüber wölbte sich ein strahlend blauer Himmel mit ein paar kleinen weißen Wolken.

Mit einemmal aber war da ein Schatten, ein gleitender Schatten, der von einem zerzausten Baumwipfel herunterschwebte. Es war eine riesige Rabenkrähe. Die Bache sicherte aufmerksam nach oben, stieß einen Warnlaut aus. Und die Jungen hoben lauschend die Köpfe. Dann kam Bewegung in die kleine Gesellschaft. So schnell sie ihre winzigen Beine trugen, rannten die Frischlinge zu ihrer Mutter.

Aufatmend erreichte Borstel ihre schützende Nähe. Sie war so klein, daß sie bequem zwischen den Beinen ihrer Mutter unter dem Bauch hindurchlaufen konnte. Aber sie lief nicht hindurch, sondern verharrte still unter dem massigen Leib. Und die anderen drängten sich zu ihr, bis die Gefahr vorüber war. Die Rabenkrähe kreiste noch eine Weile über der Lichtung, dann strich sie ohne Beute ab.

Die Bache aber hatte schon wieder etwas anderes entdeckt. Während die Rabenkrähe ihre Kinder belauerte, hatten sich unbemerkt ihre beiden vorjährigen Frischlinge genähert. Sie grunzte wütend und jagte sie zurück in das Gestrüpp der Lichtung. Und die beiden flüchteten mit lautem Gequieke.

Borstel stutzte verblüfft. Sie hatte ja keine Ahnung, daß dies auch ihre Geschwister waren. Bis jetzt kannte sie ja nur ihre Mutter und die Kleinen aus dem Kessel. Die beiden dort aber waren viel größer und sahen auch gar nicht mehr wie Frischlinge aus, eher graubraun wie ihre Mutter, nur nicht so groß. Borstel spürte Angst vor diesen fremden Tieren.

Nun aber waren sie weg, konnten ihr nichts mehr tun. Inzwischen rangelte Kurf schon wieder mit seinem Bruder Lim, Die Bache scheuchte die beiden auseinander und begann den Boden zu umbrechen, wühlte mit ihrem Rüssel die Erde um. Sie war hungrig, hatte ja während der letzten Tage kaum etwas gefressen, um ihre Kleinen nicht zu lange allein zu lassen.

Neugierig sah Borstel ihrer Mutter zu. Der aufgebrochene Waldboden duftete angenehm nach feuchter Erde und allerlei unbekannten Dingen. Und ihrer Mutter schien es zu schmecken. Sie schmatzte hörbar, beobachtete dabei aber immer wieder aufmerksam die Umgebung. Und als Rini und Suri sich spielerisch miteinander balgend ein bißchen zu weit entfernten, stampfte sie grunzend hinter ihnen her und trieb sie zu den anderen.

Plötzlich hob sie witternd ihren dicken Rüssel in den Wind. Und ihre Nackenborsten sträubten sich. Ihrer empfindlichen Nase entging so leicht nichts. Und hier roch es mit einemmal verdächtig nach Fuchs. Zwar wurde sie mit diesem für ihre Kinder gefährlichen Burschen leicht fertig, aber es war ohnehin Zeit zur Rückkehr. Nur satt war sie noch nicht, ihr Magen knurrte vernehmlich vor Hunger. Doch erstmal mußten die Kleinen trinken. Sie stieß einen Lockruf aus und scheuchte ihre Kinder energisch zum Wurfkessel.

Darauf hatte Borstel schon gewartet. Und die anderen auch. Keines kam auf die Idee, noch herumzutrödeln. Alle hatten Hunger. Aber kurz vor dem Kessel gab es noch einen Aufenthalt. Die beiden Einjährigen hatten sich wieder mal zu nahe herangewagt. Ärgerlich grunzend jagte die Bache sie davon. Und Borstel wunderte sich, was diese beiden aufdringlichen fremden Tiere immer von ihrer Mutter wollten.

Endlich lagen alle wieder im Kessel, die Bache leise grunzend auf der Seite. Borstel hatte eine Zitze nahe den Hinterbeinen geschnappt. Und sie hielt sie fest. Energisch stupste sie gegen den Bauch ihrer Mutter, bis die Milch kam. Neben ihr stupste der ungestüme Kurf. Doch jetzt war er friedlich: Er bekam ja seine Milch.

Borstel, der Frischling vom Eichwald

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