Читать книгу Die Farbpalette der Sehnsucht - Louis Geras - Страница 5
2. Kapitel
ОглавлениеIch hatte es endgültig satt. Und jetzt wusste ich auch, dass ich nicht länger meine Gefühle ignorieren konnte, sonst würde ich mein restliches Leben von Peter ausgenützt und tyrannisiert werden.
Erst vor Kurzen hatte er sich darüber beschwert, dass ich ihn in seiner Freiheit zu sehr einschränken würde. Und das nur, weil er, bevor er seine Freunde in der Kneipe traf, sein Auto vom Service holen sollte.
Normalerweise ließ er mich nicht mit seinem Auto fahren, nur wenn es darum ging es zum Service oder zur Reparatur zu bringen, änderte er schlagartig seine Meinung. Dann hieß es plötzlich ‚Frauen wären Gleichberechtigt und hätten auch technisches Verständnis, anstatt den üblichen Sprüchen wie ‚Frauen hintern Steuer, Ungeheuer! ‘ und dergleichen Abgedroschenes. Er war es gewöhnt, dass ich solche lästige Dinge erledigte. Doch an diesem Tag musste ich länger arbeiten und hatte keine Zeit dafür. Daher wagte ich es, ihn darum zu bitten. Er regte sich maßlos darüber auf und beschuldigte mich, ich würde es mit Absicht tun, nur um ihm das Leben schwer zu machen. Er drohte mir sich seine Freiheit zurückzunehmen. Sollte er sie sich doch nehmen. In Zukunft würde ich ihn nicht mehr einengen und seine Freiheit würde ich ihm nachschmeißen, beschloss ich. Und zwar sofort, damit ich nicht wieder schwach würde.
Ich stand auf und holte ein Blatt Papier aus der Schublade des Kastens, setzte mich an den kleinen runden Tisch in der Ecke des Wohnzimmers und fing an zu schreiben:
‚Lieber Peter…‘
Ich hielt inne und betrachtete diese zwei Wörter, die mir, wie mir schien, höhnisch entgegen lachten.
WAS FÜR EINE LÜGE!
Er war schon lange nicht mehr mein „Lieber Peter“. Ich nahm das Blatt und zerriss es zornig in lauter kleine Stücke und warf diese in den Papierkorb unter dem Tisch, den ich mit meinem Fuß heranzog. Dem zweiten und dritten Blatt erging es nicht besser. Ich hatte nicht geahnt, dass es so schwer sein würde ihm einen Abschiedsbrief zu schreiben. Schließlich hielt ich inne und starrte einige Zeit lang nachdenklich aus dem Fenster.
Draußen war es trist und grau. Seit Tagen regnete es in Strömen und die düsteren Wolken am Himmel ließen keine Besserung des Wetters erwarten. Immer wieder prasselten plötzliche Regengüsse auf die Fensterscheibe. Dann sah man, wie die Tropfen am Glas hinunterliefen und sich auf der Fensterbank sammelten und dort kleine Pfützen bildeten. So saß ich da und beobachtete die Regentropfen. Die Zeit verstrich, ohne dass ich eine passende Formulierung fand. Endlich sammelte ich meine Gedanken wieder und konzentrierte mich auf das, was ich schreiben wollte. Ich setzte neuerlich zum Schreiben an und verzichtete auf die Anrede. Stattdessen schrieb ich auf den letzten Bogen Papier, der vor mir auf dem Tisch lag:
‚Ich fahre weg!
Nimm dir deine Freiheit, deinen Fernseher und deine Sachen und zieh aus!
PS.: Und vergiss deinen Aschenbecher und die Bierkisten nicht!
Den Schlüssel wirf in den Postschlitz!
Erleichtert legte ich meinen Schreiber neben das Blatt und stand auf. Es hatte keinen Sinn es nochmals zu lesen, denn es würde nichts mehr ändern.
In der Ecke stand mein bereits für die Bergtour gepackter Rucksack. Ich hob ihn hoch, drehte ihn um und entleerte ihn auf das Sofa. Schließlich türmte sich die ganze Ausrüstung, die für die Wanderungen vorbereitet war, darauf.
Ich hatte immer davon geträumt einmal, einfach aufs gerade Wohl, in den nächsten Bus oder Zug zu steigen und loszufahren, ohne vorher etwas zu planen.
Nun würde ich es tun.
Den Rucksack in der Hand ging ich zum Kleiderschrank und statt der Wanderausrüstung legte ich drei T- Shirts, zwei Jeans und Wäsche hinein. Ich wollte nur das nötigste Mitnehmen, damit ich nicht zu viel Gepäck mit mir herumschleppen musste, das mich behindert hätte. Zwei Pullis vervollständigten meine Ausrüstung. Zahnbürste, Bürste und Handtuch und meinen Bikini stopfte ich in eine Seitentasche. Schließlich wusste ich nicht wo ich landen würde. Dann schnappte ich meinen griffbereiten Pass und das Kuvert mit Geld, welches ich gestern für den Urlaub im Gebirge von meiner Bank abgehoben hatte und gab sie in meine braune Umhängetasche. Ich sah mich nochmals um, ob ich etwas vergessen hatte. Dann atmete ich tief durch.
Kurz überlegte ich noch, ob ich mich duschen und umziehen sollte, verwarf den Gedanken jedoch und griff stattdessen nach meinen Sachen und ging in den Vorraum, wo ich meine bequemen Turnschuhe anzog und meine Jacke vom Haken nahm.
Es war besser gleich loszufahren. Ich wollte vermeiden Peter noch einmal zu begegnen. Er hätte vielleicht versucht mich zum Bleiben zu überreden. Und ich kannte mich gut genug um zu wissen, dass ich schwach geworden wäre.
Ich öffnete die Tür, um hinaus in den Gang zu treten, dabei fiel mein Blick auf den Koffer mit Farben und Papier, der zwischen Peters Sportsachen hervor blitzte. Er stand seit geraumer Zeit achtlos und ungenutzt in der Ecke gestanden, da Peter keinerlei Verständnis für meine Malerei hatte. In seinen Augen war es nur Gekritzel oder Kleckserei, wobei er nicht zögerte seine Meinung lautstark heraus zu posaunen. (Am liebsten in Gegenwart seiner Freunde).
In den nächsten Tagen würde ich eine Menge Zeit mit mir alleine verbringen und so würde ich genug Muse fürs Malen haben. Also hängte ich auch noch den Riemen meines hölzernen Malkoffers über die Schultern, trat nun endgültig hinaus auf den Gang und schloss mit einem halb erleichterten halb ängstlichen Gefühl die Tür sorgfältig hinter mir ab.