Читать книгу Die reformierte Liturgik August Ebrards (1818-1888) - Luca Baschera - Страница 13
2 Ebrards liturgisches und liturgiewissenschaftliches Werk 1. »Versuch einer Liturgik vom Standpunkte der reformierten Kirche« (1843)
ОглавлениеSeine erste liturgiewissenschaftliche Schrift veröffentlichte Ebrard mit 25 Jahren. Diese stellte das Resultat – wie Ebrard in der Vorrede erklärt – »fortgesetzter liturgischer Studien«103 dar und war ursprünglich nur zum eigenen Gebrauch bestimmt, »zur Fixirung eigener Ueberzeugung« sowie »zur Grundlage fernerer Studien«.104 Erst die Kunde, die schweizerischen Kirchen planten gerade eine Revision ihrer Liturgien, habe ihn dazu veranlasst, seine Überlegungen drucken zu lassen.105 Jede Reform sollte immer von klaren Prinzipien geleitet werden, damit sie keine bloße Veränderung des Bestehenden oder gar eine Verschlechterung bewirke, sondern eine wirkliche Verbesserung mit sich bringen könne. Gerade zu einer solchen Reflexion auf die Prinzipien reformierter Liturgik will Ebrard im Versuch beitragen: »Dies Schriftchen ist ein Versuch, die Liturgik der reformierten Kirche prinzipiell und wissenschaftlich zu erbauen.«106 Ebrard will also eine »Theorie des Cultus« vorlegen, die von Anfang an ein klares konfessionelles Profil haben soll. Darin unterscheidet sich sein Entwurf von anderen liturgiewissenschaftlichen Schriften evangelischer Autoren, die im Titel als Theorien des »christlichen« oder »evangelischen« Gottesdienstes im Allgemeinen präsentiert werden,107 deren Inhalt die konfessionelle – lutherische – Zugehörigkeit der Verfasser jedoch rasch deutlich werden lässt. Die Bewahrung der reformierten Identität in liturgischen Belangen war Ebrard umso wichtiger in einer Zeit, in der das Projekt einer Union beider reformatorischer Konfessionen immer häufiger diskutiert werde und besonders unter Reformierten das »Streben« vorhanden sei, »den seit den Zeiten der Verstandesreligion allzu nüchtern gewordenen Cultus wieder zu bereichern«.108 Dabei bestehe aber die Gefahr, dass die Reformierten in liturgicis allzu schnell |28| »die lutherische Observanz« aufnähmen oder gar romanisierende Tendenzen entwickelten.109
Dagegen wollte Ebrard den reformierten und insbesondere – wie er schreibt – den schweizerischen reformierten Kirchen die Notwendigkeit nahelegen, an ihrer eigenen liturgischen Tradition festzuhalten. Der Versuch einer Liturgik stelle somit in erster Linie eine »Besprechung des reformirten Cultus auf reformirtem Boden« dar und gehöre »zu den inneren Verhandlungen auf dem Gebiete der reformirten theologischen Literatur«. Da aber seine Schrift auch wissenschaftliche Qualität besitze, erhoffte sich Ebrard, dass sie auch über die konfessionellen Grenzen hinweg rezipiert und diskutiert würde. Eine solche offene Diskussion hätte schließlich auch positive Auswirkungen für die erstrebte Union, denn nur eine wissenschaftliche Betrachtung der reformierten Liturgik im Vergleich mit der lutherischen könnte künftig die Formulierung allgemeiner Prinzipien für die »praktische Construction eines gemeinsamen [d. h. unierten] Cultus« ermöglichen.110
Der Versuch einer Liturgik gliedert sich in zwölf Kapitel und 131 fortlaufend nummerierte Paragraphen, wobei die ersten sechs Kapitel die Elemente und Prinzipien des reformierten Gottesdienstes diskutieren, während die restlichen die Zusammenfügung jener Elemente in verschiedenen Gottesdienstformen besprechen. Eine »musikalische Beilage«, die drei Psalmen (51, 140, 66) in vierstimmigem Satz enthält, sollte den Leser von den Vorzügen des vierstimmigen Gemeindegesangs überzeugen.111
Im Versuch werden zwar die Struktur und die Elemente verschiedener Gottesdiensttypen eingehend besprochen, diese Schrift enthält aber keine Formulare im engeren Sinne. Ebrard weist auf die Vorzüglichkeit der alten, aus der Reformationszeit stammenden Liturgien hin, die mit ihrem »kräftigen, gesunden, ernsten, ebenso gemüthvollen als klaren, und doch weder trockenen noch empfindelnden« Charakter nach wie vor als Muster für die Erarbeitung neuer Formulare gelten sollten. Zugleich formuliert er die Absicht, bald »eine Sammlung alter Formulare, nach den in dieser Schrift niedergelegten Grundsätzen, geordnet und zusammengestellt und verarbeitet« zu veröffentlichen.112 Dieses Vorhaben wird er vier Jahre später durch die Herausgabe des Reformirten Kirchenbuches verwirklichen, das somit auch als Begleitband zum Versuch einer Liturgik betrachtet werden kann. |29|