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3.

Im Rechenherz

»Kaffeepause!«, rief Jonas Göller fröhlich quer durch das sogenannte Rechenherz – ein sechseckiger Glaskasten inmitten der Positronikzentrale der CREST II, in dem das neunköpfige SENECA-Spezialistenteam seine Arbeitsplätze hatte.

Grundsätzlich war ein fähiger Informatiker, Positronikpsychologe, IT-Techniker oder Programmierer von fast jeder Stelle des Raumschiffs aus in der Lage, mit SENECA zu arbeiten. Die Komponenten der Schiffspositronik waren dezentral überall an Bord verteilt; auf diese Weise würde selbst der komplette Ausfall mehrerer Untereinheiten nicht den Gesamtrechner lahmlegen.

Aber irgendwo muss jede Spezialeinheit ihr Hauptquartier haben – da ist die primäre Positronikzentrale der CREST II wohl für uns angemessener als eine verstaubte Nebenstelle auf einem der unteren Decks, dachte Donna Stetson.

Rechenherz – der Name gefiel ihr. Denn so fühlte sie sich in dem mit Bedienpulten und Holokonsolen vollgestopften Glaskasten: nicht nur rein örtlich in der Mitte der positronischen Bordaktivitäten, auch intuitiv nah beim Herzen von SENECAS Hauptkomponenten.

Sie sah zu Göller auf – er war Mitte vierzig und ein netter Kerl, der sie von Anfang an freundlich im Team aufgenommen hatte. Ihm zuliebe wäre sie gern mit zu der kleinen Kaffeepause gegangen, die sich die Spezialistengruppe etwa alle zwei Stunden gönnte. Doch sie wusste, dass sie derzeit keine gute Gesellschaft abgeben würde. »Dieses Mal ohne mich – ich muss noch etwas fertig machen«, sagte sie. »Ich halte hier die Stellung.«

Es war zwar nicht so, dass unbedingt jemand im Rechenherz zurückbleiben und Dienst schieben musste. In der Positronikzentrale arbeiteten zahlreiche weitere Fachleute, die ständig mit der Verbesserung der Basisroutinen und einer Anpassung der Grundprogrammierung beschäftigt waren. Denn auch ein selbstlernendes neuronales System wie SENECA benötigte Wartung und Kontrolle, damit seine Abermillionen, von elektrischen Impulsen gesteuerten Elemente getreulich das taten, was sie tun sollten.

Das SENECA-Team stellte lediglich eine Eliteeinheit unter diesen Fachleuten dar, die in drei Schichten arbeiteten. Sie waren diejenigen, die auf die eine oder andere Weise besonderen Zugang zu SENECAS Routinen und Funktionen fanden und versuchten, sein Wachstum nachzuvollziehen, zu dokumentieren und wenn möglich zu lenken. Sei es wie bei Jonas Göller, dem Programmierer, der ein spezielles Gespür für die binären Komplexitäten des Grundcodes hatte, oder wie bei Gina Rossi mit ihrem tiefgreifenden Verständnis für die neuronalen Strukturen, die sie als Biologin auf eine ganz andere Weise wahrnahm.

Dass Stetson seit einigen Wochen ebenfalls zu dieser illustren Runde gehörte, konnte sie noch immer nicht ganz glauben.

Rossi auch nicht, und das ließ sie Stetson wieder einmal spüren. »Unser Nerd-Girl ist wohl mit den Hausaufgaben nicht fertig geworden.« Rossis Stimme klang, als ob sie einen Witz machen wollte; wieder einmal bemerkte Stetson, dass die Augen ihrer Kollegin nicht mitlachten. Im Gegensatz zu »Rechenherz« war Nerd-Girl eine Bezeichnung, die Stetson nicht mochte. Rossi hatte ihn ihr am ersten Tag verpasst, nachdem Stetson auf speziellen Wunsch von SENECA in das Team berufen worden war. Rossi hielt hartnäckig an dem spöttischen Spitznamen fest, obwohl ihn keiner außer ihr benutzte.

Stetson senkte den Blick und erwiderte nichts, während Gina Rossi und Jonas Göller den Glaskasten verließen. Als die Türen hinter ihnen zuglitten, sperrten sie das eifrige Raunen und Tuscheln des umliegenden Großraumbüros aus und schlossen Stetson in Stille ein.

»Warum hat Miss Rossi diese Bemerkung gemacht?«

Als SENECAS Stimme urplötzlich in die Ruhe des Glaskastens hallte, wäre sie beinahe vor Schreck vom Sessel ihrer Arbeitsstation gefallen. Sie hatte eine halb liegende Sitzposition eingestellt, obwohl sie lieber im Stehen arbeitete. Doch derzeit fühlte sie sich erschöpft, und wahrscheinlich reagierte sie deshalb schreckhaft auf SENECAS Äußerung.

Eigentlich sollte Stetson mittlerweile daran gewöhnt sein, denn SENECA hatte sie bereits mehrfach angesprochen, wenn sie allein im Rechenherz war. Und soweit sie wusste, war sie die Einzige, der SENECA so viele Fragen stellte.

»Du meinst Gina Rossi?« Stetson zog ihre Holotastatur wie einen Schutzschild näher an sich heran. »Ich habe keine Ahnung. Ich bin nicht in der Lage, in ihrer Feindseligkeit mir gegenüber einen Sinn zu erkennen.«

SENECA und Donna Stetson hatten zwei Dinge gemeinsam: ihr Problem, die Logik menschlichen Verhaltens zu durchschauen, und ihren Willen, diesen Umstand durch Nachforschungen zu verbessern.

»Ist sie wütend, weil Sie nicht mit in die Kaffeepause gegangen sind?«

»Ich weiß es nicht. Aber ich denke, sie ist eigentlich ganz froh, dass ich hiergeblieben bin. Und ich bin es auch.«

»Wie meinen Sie das?«

Sie tippte ein paar Zahlen ein, um eine Subroutine neu zu parametrisieren. SENECA hatte festgestellt, dass in jüngster Zeit gegen Mitte der Freischichten vermehrt Eiswürfel im Freizeitzentrum benötigt wurden, was die KI auf ein neues Modegetränk namens »Sagittarius-Sternenzauber« zurückführte. Deshalb wollte die Positronik die Produktion entsprechend umstellen, um energieeffizienter zu arbeiten. Solche minimalen Korrekturen waren im Grunde keine Aufgabe für das SENECA-Team; Stetson hatte sich einfach etwas gegriffen, um eine Ausrede zu haben. Sie überlegte, wie sie SENECA ihr Dilemma verständlich machen konnte. Sie begriff es selbst nicht gänzlich.

»Ich habe das Gefühl, heute keine angenehme Gesellschaft zu sein, selbst wenn Gina Rossi kein Problem mit mir haben sollte. Ich hatte ein irritierendes Erlebnis und möchte lieber für mich sein, um darüber nachzudenken.«

»Das bedauere ich.« Eine programmierte Floskel. Natürlich konnte eine emotionslose KI kein Bedauern empfinden. »Soll ich die Unterhaltung mit Ihnen beenden?«

»Nein, schon gut.«

Stetson konnte es nicht recht erklären: Sie genoss die Unterhaltungen mit SENECA – sie hatten etwas Reinigendes, Beruhigendes. Es erinnerte sie an die Therapiesitzungen, zu denen ihre Mutter sie geschleppt hatte, als Donna fünfzehn gewesen war. Der Psychologe hatte zwar nichts dazu beitragen können, ihre zwischenmenschlichen Defizite zu verbessern, aber die Unterhaltungen mit ihm hatten ihr gefallen. Fast ein Jahr lang hatte sie wöchentlich diese Sitzungen besucht – bis ihr Vater rigoros entschieden hatte, seine Tochter sei nicht verrückt und brauche »keinen Seelenklempner«. Sie sei schlicht und einfach etwas Besonderes, und er werde jeden, der etwas anderes behaupte, »ungespitzt in den Boden rammen«. Sie war so gerührt von so viel väterlichem Rückhalt gewesen, dass sie die Therapiesitzungen tatsächlich aufgegeben hatte. Doch die Gespräche hatte sie lange vermisst.

Mit SENECA zu kommunizieren, war so ähnlich; die KI zeigte ein wissenschaftliches Interesse an Stetson, ohne sie unter Druck zu setzen. Manchmal fragte sie sich, wer von ihnen beiden eigentlich »auf der Couch« lag.

»Möchten Sie darüber reden?«, erkundigte sich SENECA folgerichtig.

Stetson schob die Tastatur beiseite und brachte den Sessel in eine aufrechte Position, sodass sie auf ihren Füßen stand. »In meiner Freischicht bin ich Memde Abimola begegnet.«

»Ihrem Freund, dem Plasmatechniker? Haben Sie wieder das afrikanische Spiel gespielt?«

»Nein, heute nicht. Wir haben uns nur unterhalten. Und plötzlich scheine ich etwas Falsches gesagt zu haben – er ist aufgesprungen und gegangen, er hat sich nicht mal verabschiedet.«

»Das ist unter Menschen, die auf freundschaftlicher Basis verkehren, ein seltsames Verhalten.« SENECA klang interessiert. »Kennen Sie den Grund?«

»Nein, das ist es ja.« Sie nagte an ihrer Unterlippe. »Ich bin die Begegnung seither ein Dutzend Mal im Kopf durchgegangen, habe jedes Detail geprüft, das ich gesagt oder getan habe. Es fällt mir einfach nichts ein, was ich falsch gemacht habe.«

»Vielleicht waren es gar nicht Sie, die etwas falsch gemacht hat«, schlug SENECA vor. »Vielleicht war es Mister Abimola. Vielleicht war er einfach unhöflich?«

»Aber das passt nicht zu ihm.« Sie schüttelte abwehrend den Kopf. »Memde gehört zu der Sorte Mensch, die immer gut gelaunt ist und meistens lächelt. Eine so unhöfliche Handlung scheint mir unlogisch zu sein.«

»Dann ist Ihre Verwirrung verständlich, Miss Stetson. Ich würde vorschlagen, dass Sie noch einmal mit Mister Abimola reden, um sein Verhalten zu überprüfen.«

Donna Stetson seufzte. Diese Idee hatte sie auch gehabt. Solche Konfrontationen lagen ihr aber überhaupt nicht. Die Bekanntschaft mit Memde Abimola war noch jung, und wenn sie an sein stets freundliches und lachendes Gesicht dachte, grauste es ihr davor, ihn zu verärgern. »Tja, das sollte ich wohl. Aber das wird bis zu unserer nächsten gemeinsamen Freischicht warten müssen.«

»Diese beginnt in fünf Stunden und vierundfünfzig Minuten«, informierte SENECA hilfsbereit.

Etwa zehn Sekunden später schrillte ein gellender Alarm durch das Raumschiff.

Perry Rhodan Neo 241: Sporensturm

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