Читать книгу Perry Rhodan Neo 241: Sporensturm - Lucy Guth - Страница 9
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Keine Wahl
Einige Zeit zuvor
Tu es! Jetzt! Memde Abimola stand auf dem Gang vor dem Expresslift und rührte sich nicht. Sein Körper war von den Zehenspitzen bis zu den Haarwurzeln vor Entsetzen wie gelähmt. Er spürte den Drang, sich in Bewegung zu setzen – jedoch nicht in die Fahrstuhlkabine, die ihn zur Krankenstation bringen würde, wie er es ursprünglich vorgehabt hatte. Nein, seine Beine wollten umdrehen und zurück zur Maschinensektion gehen, seine Hände wollten den Befehlen der Flüsterstimme folgen und jene schrecklichen Dinge tun, die ihm abverlangt wurden. Noch wehrte sich Abimola mit allen Kräften, die er aufbringen konnte, dagegen. Was zur Folge hatte, dass er stocksteif und bewegungslos vor dem Lift verharrte.
»Ey Mann, bist du eingeschlafen oder was?« Ein Logistikingenieur mit rot-schwarzen Rastazöpfen ging an Abimola vorbei und schüttelte genervt den Kopf.
Hätte der Typ ihm mehr Aufmerksamkeit geschenkt, wäre dem Mann mit Sicherheit Abimolas Gesichtsausdruck aufgefallen, in dem sich der Kampf widerspiegelte, den der Plasmatechniker gerade ausfocht. Seine Lippen waren verzerrt, seine Augen waren weit aufgerissen und rollten hin und her. Schweiß lief ihm über die Stirn und brannte salzig auf seinen Lidern und Wangen. Das Kribbeln und Jucken auf seiner Haut steigerte sich zu einer Höllenqual, doch Kratzen konnte er sich nicht. Seine Hände waren zu Fäusten verkrampft, die er nicht lösen konnte.
Tu, was ich dir befehle!, drang die Stimme kalt in seinen Geist. Der Kopfschmerz füllte jeden Winkel in seinem Schädel aus und legte sich wie eine Klammer um sein Gehirn. Die Worte waren wie Messer, die in sein Denken eindrangen.
Es war anders, als es unter dem Einfluss des Halteparasiten gewesen war. Damals hatte sich Abimola eigentlich ganz wohlgefühlt und erst hinterher begriffen, wie sehr er missbraucht worden war. Während das Myzel auf seinem Gesicht gewuchert war, hatte Abimola wie in einem betäubenden Nebel gestanden und daran geglaubt, dass alles gut sei und ihm nichts geschehen könne.
Diesmal war es komplett anders: Er wusste genau, dass nichts gut werden würde, wenn er nicht tat, was die Flüsterstimme ihm befahl. Der Flüsterer würde Abimola mit seiner Geisteskraft zerquetschen und in winzige Fetzen reißen, bis von seinem Opfer nichts mehr übrig blieb. Das erfüllte Abimola mit mehr Angst als alles, was er bislang je erlebt hatte.
Gehorche! Oder du bist in einer Sekunde nur noch ein brabbelnder, sabbernder Pudding, gefangen im kläglichen Rest deines Körpers! Der Flüsterer demonstrierte seine Macht, indem er eine winzige Ecke von Abimolas Geist nahm – jenen Teil, in dem er die Erinnerung an einen warmen Sonnentag seiner Kindheit verwahrte, an dem der Schwarzafrikaner mit seiner Großmutter Kochbananen für sein Lieblingsrezept Boli geerntet und hinterher stundenlang Ayo gespielt hatte – und diese Ecke zerquetschte.
Abimola schrie gequält auf. Wäre in diesem Moment jemand vorbeigekommen, hätte er den Zustand des Plasmatechnikers gar nicht übersehen können. Aber es kam niemand. Und in der nächsten Sekunde gab Abimola nach.
Langsam drehte er sich um, während sich seine Hände entkrampften. Er ging den Gang entlang bis zu einem Raum, dessen Tür mit einem speziellen Schloss gesichert war. Kurz flackerte Triumph in ihm auf. Ich kann nicht einfach so in ein Depot der Raumlandetruppen eindringen. Dazu benötige ich eine ID-Karte der entsprechenden Sicherheitsstufe.
Oder den gleichwertigen Zahlencode, sagte der Flüsterer in seinem Kopf. Er lautet zwei-neun-vier-eins-null.
Abimola resignierte und tippte die Zahlen ein. Im Materiallager rüstete er sich mit einem Handstrahler aus, den er in der Weste seiner Arbeitsmontur verbarg. Er schloss die Tür sorgfältig und ging weiter zur Maschinensektion. Sein Auftrag lautete, dort die Fusionsreaktoren so zu manipulieren, dass sie überlastet wurden und explodierten.
Ich kann das nicht tun. Warum sollte ich so etwas machen?
Weil ich es dir befehle. Der Flüsterer klang fast amüsiert. Du hast es nach wie vor nicht begriffen, mein Freund. Du wirst ein folgsamer kleiner Techniker sein, sonst bist du bald gar nichts mehr. Außerdem hast du keine andere Wahl. Du wirst ohnehin machen, was ich dir sage, also erschwere dir die Sache nicht und wehre dich nicht weiter gegen meinen Einfluss.
Kurz vor dem Meilerleitstand blieb Abimola stehen und überlegte. Um eine derartig verhängnisvolle Reaktion der Fusionsreaktoren zu bewirken, musste er zunächst einige maßgebliche Sicherheitsroutinen außer Kraft setzen. Das ist Wahnsinn. Ich werde uns damit alle umbringen.
Das soll nicht deine Sorge sein. Folge meinen Befehlen.
Abimola gehorchte. Er konnte nicht anders.
Isadora Phelps sah auf, als Abimola in die Sektionszentrale kam – eine halbe Stunde nach dem offiziellen Schichtbeginn. »Abimola, was treiben Sie sich schon wieder hier rum? Hatte ich Ihnen nicht gesagt, dass Sie auf die Krankenstation gehen sollen?«
»Dort war ich bereits, Ma'am.« Abimola war erschrocken, wie gelassen seine Stimme klang – alltäglich, so wie immer. Wenn er so normal klang, sah er bestimmt auch normal aus. Keiner würde ihm ansehen, dass er unter einem fremden Zwang stand. Das versetzte ihn in Panik, doch sein Körper reagierte nicht auf dieses Gefühl. Weder zitterten seine Hände noch bebte seine Stimme, als er versicherte: »War wohl wieder so eine Nachwirkung des verfluchten Parasiten. Doc Steflov hat mir eine Injektion verpasst und ein Pflaster gegen die Kopfschmerzen aufgeklebt.« Er klopfte sich auf die linke Pobacke. »Wirkt schnell, das Zeug. Jetzt bin ich wieder in Topform und kann meinen Dienst antreten.«
Phelps musterte ihn einen Moment skeptisch, zuckte dann mit den Schultern. »Na gut, wenn Sie sich fit genug fühlen und so wild aufs Arbeiten sind – lassen Sie sich nicht abhalten.«
»Danke, Ma'am. Mir geht es wirklich gut.« Er tippte sich grüßend mit zwei Fingern an die Schläfe und ging zu seinem Arbeitspult, das in der Mitte der Reaktorzentrale stand.
Außer Phelps hatte noch Hagen Hofer Dienst, ein wortkarger Österreicher, der bereits an der Positronikstation neben Abimolas Platz tätig war. Hofer würde keinen Ärger machen; er kümmerte sich meist nur um seinen eigenen Kram. Die anderen Kollegen waren in der Wechselschicht – Phelps hatte wohl noch keinen Ersatz für Abimola geordert.
Der innere Fusionsreaktorring der CREST II lag am Rand der Kernzelle des Raumschiffs. Das bedeutete konkret: Wenn es Abimola gelang, die Energiemeiler in die Luft zu jagen, würde es den gesamten, 1500 Meter durchmessenden Kugelriesen zerreißen.
Keine schönen Aussichten. Warum sollte ich diesen Himmelfahrtsbefehl befolgen, wenn ich selbst mit draufgehe?
Weil du gar keine Wahl hast. Los, fang an!
Von seiner Arbeitsstation aus hatte Abimola Zugriff auf alle relevanten Schaltungen und jene Sicherungen, die er für die Manipulation außer Kraft setzen musste. Er brauchte etwa eine Stunde, bis er alles Notwendige erledigt hatte. Dann stand er vor einem Problem.
Für den letzten Schritt benötige ich die Hilfe von Phelps. Ohne ihre Autorisation komme ich nicht weiter.
Das ist mir durchaus klar. Was denkst du, warum ich dir befohlen habe, dich zu bewaffnen?
Abimola schauderte, als er die Kaltblütigkeit in dem Flüstern hörte. Er griff nach dem Strahler in seiner Tasche, zog ihn langsam heraus. Er warf einen Blick auf Hofer, der völlig in seine Arbeit vertieft an der anderen Station stand und nicht ahnte, dass seine Bemühungen, das Magnetfeld neu zu konfigurieren, um den Plasmafluss stabil zu halten, in ein paar Minuten ohnehin hinfällig sein würden.
Unwillig blickte Isadora Phelps von ihrem Pult auf, als Abimola näher kam. »Was ist denn ...?« Dann sah sie die Waffe in seiner Hand und ihr Mund klappte vor Erstaunen auf. »Mister Abimola, was soll der Mist?«
»Es tut mir leid, Ma'am. Sie werden mir beim letzten Schritt meiner Arbeit etwas helfen müssen.«
»Wovon reden Sie, Mann?«
»Ich habe veranlasst, dass sich die Kernreaktionsrate erhöht. Um die Kühlung abzuschalten und dadurch eine Überhitzung einzuleiten, brauche ich allerdings Ihre Unterstützung, Ma'am.« Abimola hörte die Worte. Er war es, der sie aussprach – doch es war nicht er, der sie dachte. Er kam sich vor wie eine dieser Bauchrednerpuppen, denen ein Mann im Hintergrund den Mund auf- und zuklappte und für sie redete.
»Sind Sie verrückt geworden? Den Teufel werde ich tun!«
»Ich fürchte, Sie haben keine Wahl, Ma'am. Genauso wenig wie ich. Meine Befehle sind eindeutig: Wenn Sie nicht kooperieren, muss ich Sie erschießen.«
Seine Chefin verschränkte die Arme störrisch vor der Brust. »Ach ja? Dann haben Sie leider niemanden mehr, der Ihnen die Autorisation gibt.«
Memde Abimola lauschte kurz in sich hinein. »Sie haben recht. Das war ein ungeschickter Denkfehler von mir.« Er richtete die Waffe auf Hofer, der nach wie vor in seine Arbeit vertieft war. »Tun Sie, was ich sage, oder ich erschieße Hofer. Ihn braucht der Flüsterer für seine Pläne nicht.«