Читать книгу Perry Rhodan Neo 226: Erbe des Kristallthrons - Lucy Guth - Страница 8
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Happy New Year
Die Tür zur Messe schloss sich hinter Thora Rhodan da Zoltral, und die letzten Töne von »Auld Lang Syne« wurden abrupt abgeschnitten. Sie war ganz froh darum. Eigentlich mochte sie die alte irdische Weise und den Brauch, dieses Lied zum Jahreswechsel gemeinsam zu singen, wenngleich sie selbst eher selten mitsang. Wie jedoch den meisten an Bord der CREST II war ihr in diesen Tagen wenig zum Feiern zumute. Der Tod von Conrad Deringhouse belastete sie alle.
Perry Rhodan hatte sogar überlegt, die Silvesterparty abzusagen, sich dann aber dagegen entschieden. Die CREST II verbarg sich derzeit im Ortungsschutz einer kleinen Sonne, die von den Arkoniden Brelastera genannt wurde. Schiff und Besatzung waren dort in Sicherheit, wenn man es so nennen konnte. Die Techniker und Ingenieure hatten einen Großteil der von dem Transformkanonentreffer verursachten Zerstörungen, mit dem Theta ihren Rivalen Mascudar da Gonozal auf der CREST II hatte vernichten wollen, bereits repariert. Trotzdem gab es nach wie vor Schäden zu beheben. Die Stimmung an Bord war daher ziemlich gedrückt.
Deswegen hatte Rhodan entschieden, dass die Silvesterfeier der Mannschaft zuliebe stattfinden sollte. Thora hatte ihn darauf hingewiesen, dass er sich in diesem Fall dort blicken lassen musste. Ihr Mann hatte zugestimmt – aber kurz vor Mitternacht war er verschwunden. Als sich am frisch angebrochenen 1. Januar 2090 alle in den Armen lagen – sowohl an Bord des Raumschiffs als auch im weit entfernten Terrania –, stand Thora allein inmitten der Feiernden und fragte sich, wo Rhodan wohl abgeblieben war. Das würde sie auf jeden Fall herausfinden.
Sie entfernte sich von der Messe und überlegte, ob sie zu ihrem Quartier gehen sollte. Aber irgendwie glaube ich nicht, dass Perry in unserer Wohnung ist. Sie ließ sich von ihrem Bauchgefühl leiten – etwas, das sie vor ihrer Begegnung mit den Menschen sicher nicht getan hätte – und stand schließlich vor dem Schott an der höchsten Stelle der äußeren Zentralkugel. Dort war ein kleines Planetarium mit »Aussichtskuppel« untergebracht – wobei die Außendarstellung des Weltalls allerdings holografisch erzeugt wurde. Immerhin lagen noch gigantische Massen an Stahl zwischen der Zentralkugel, die auf Basis eines 500-Meter-Raumers konstruiert war, und dem freien Raum. Wenn Rhodan nachdenken wollte, ging er oft in dieses Observatorium und genoss den Anblick der Sterne.
Thora ließ den Zugang aufgleiten und trat vorsichtig hindurch. Sie wollte ihren Mann, falls er dort war, in seinem einsamen Brüten nicht erschrecken.
Rhodan war dort. Aber er war nicht allein. Er saß auf einem der zahlreichen, wie Würfelzucker verstreuten Hocker in der Mitte des kreisrunden Raums und hatte seinen Arm um eine zierliche Frau gelegt. Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Beide blickten schweigend zu den Sternen hinauf.
Ein Stich fuhr Thora ins Herz, als sie die beiden so sitzen sah – nicht aus Eifersucht, denn ihr war klar, wer dort neben ihrem Mann saß. Die weißen Haare gehörten keiner Arkonidin, sondern ihrer alten Freundin Gabrielle Montoya. Und es erfüllte Thora mit Trauer, ihre Wegbegleiterin ohne deren Mann zu sehen, der ein ebenso guter Freund gewesen war.
»Hallo, ihr zwei«, sagte Thora leise. »Darf ich mich zu euch setzen?«
»Komm ruhig rein«, lud Montoya sie ein. Ihre Stimme klang belegt.
Thora hörte ihr an, dass sie geweint hatte. Die Arkonidin setzte sich nicht neben ihren Mann, sondern an Montoyas Seite, und nahm ihre Hand. Stumm betrachteten sie einige Minuten die Sterne.
»Es tut mir leid, dass ich mich einfach verdrückt habe«, sagte Rhodan schließlich.
»Das ist in Ordnung.« Thora lächelte Rhodan zu. »Ich war ebenfalls froh, dass ich einen Vorwand hatte, um das Fest zu verlassen.«
»Ich denke, uns allen ist nicht nach einer wilden Party zumute.« Torgen Shenn war zusammen mit Gucky am Rand der Kuppel aufgetaucht – dank des Teleporters völlig lautlos.
»Wir haben euch vermisst.« Gucky trat zu Montoya und umarmte sie. »Euch alle drei.«
»Ich konnte nicht zu dieser Feier gehen.« Mit einem traurigen Lächeln erwiderte Montoya Guckys Umarmung. »Wisst ihr, Conrad hat immer um Mitternacht absichtlich schief gesungen und mich so zum Lachen gebracht. Ich hätte ›Auld Lang Syne‹ heute nicht ertragen.«
»Das verstehen wir sehr gut.« Rhodan räusperte sich. »Wir sind alle immer noch geschockt, dass Conrad nicht mehr bei uns ist.«
»Vergesst nicht, dass Thetas Aktion noch weitere Opfer gefordert hat«, sagte Montoya bitter. »Es wäre unangemessen, wenn ich nur um meinen Mann trauern würde und nicht auch um die dreißig anderen Toten.«
»Das vergessen wir sicher nicht.« Thora kniff die Lippen zusammen. »Theta hat ganze Arbeit geleistet. Ich habe ihr immer misstraut – sie ist skrupellos, wenn es um das Durchsetzen ihrer Pläne geht.«
»Die Quittung dafür hat sie bekommen.« Rhodan stand auf und ging unruhig hin und her. »Jetzt ist sie in Mascudar da Gonozals Hand, und ihr steht die Infinite Todesstrafe bevor.«
Sie hatten ein paar Sonden ausgeschickt und lauschten auf Nachrichten aus dem Kugelsternhaufen. Das war nicht besonders schwer: Die offiziellen Kanäle des Großen Imperiums waren voller Informationen aus dem Arkonsystem. Daher wussten die Menschen darüber Bescheid, dass auf Arkon I in Kürze die Inthronisation von Gonozal VII. anstand – und zeitgleich die Exekution seiner beiden größten politischen Gegner. Die gestürzte Imperatrice Emthon V. alias Theta und der bisherige Haushofmeister Gemlin da Hozarius waren beide wegen Hochverrats angeklagt und im Schnellverfahren verurteilt worden. Sie sollten direkt nach der Inthronisation den Tod finden.
Für Thora war die Infinite Todesstrafe ein gewohnter Bestandteil der arkonidischen Kultur. Sie lebte allerdings bereits lange genug auf der Erde, um die Grausamkeit dieser Methode auch durch die Augen der Menschen betrachten zu können. Mittlerweile hatte sie sich daher von dieser Art der Sühne distanziert, wenngleich sie im Gegensatz zu Rhodan durchaus nicht gegen die Todesstrafe an sich war, die man auf der Erde abgeschafft hatte – zumindest in jenen Staaten, die sich zur Terranischen Union bekannten. Dass Theta nun die Infinite Todesstrafe ereilen sollte, war also durchaus bedauerlich – sogar wenn Thora an ihre toten Mannschaftsmitglieder dachte, war es ein Schicksal, das sie niemandem wünschte.
»Keiner macht Ihnen Vorwürfe, dass Sie Theta an den Altimperator ausgeliefert haben, Perry«, sagte Shenn. Thora war nur kurz irritiert über die vertrauliche Anrede. Das Schicksal hatte die beiden Männer in den vergangenen Tagen zusammengeschweißt, und sie waren sich allen Differenzen zum Trotz nähergekommen. Anfangs war es Rhodan ein Dorn im Auge gewesen, dass ihm die Terranische Union Shenn als Expeditionsleiter vor die Nase gesetzt hatte; inzwischen hatten sie ein fast freundschaftliches Verhältnis zueinander entwickelt. »Sie mussten die CREST II und ihre Crew retten, nicht zu vergessen die Besatzung der MAGELLAN. Hätten Sie Theta nicht ausgeliefert, hätte da Gonozal uns aus dem Raum gefegt.«
»Dass er es nicht getan hat, ist nur Atlan zu verdanken«, erinnerte Rhodan alle. »Wer weiß, was Atlan für einen Preis dafür zahlen muss.«
Gucky schnaubte. »Mein Mitleid hält sich in Grenzen. Der feine Herr Kristallprinz ist hinter seinem Papi her die Treppe hinaufgefallen.«
Thora hörte die Enttäuschung in Guckys Stimme. Der Mausbiber war immer ein Freund von Atlan gewesen – so wie Gucky den meisten Wesen erst einmal positiv gegenüberstand. Dass sich Atlan den öffentlichen Informationen zufolge vorbehaltlos auf die Seite seines Vaters schlug, dass er sogar die Rolle des Thronfolgers anscheinend bereitwillig akzeptierte, verblüffte nicht nur Thora.
»Mich wundert, dass Atlan Thetas Verurteilung klaglos hinnimmt«, sagte sie. »Er war nie ein Freund der Infiniten Todesstrafe.«
»Wer weiß, ob er hinter den Kulissen nicht versucht hat, ihr zu helfen. Wir dürfen Atlan nicht verurteilen, ohne die Umstände genauer zu kennen.« Rhodan schüttelte den Kopf. »Ich weiß Ihre Worte zu schätzen, Torgen, aber ich selbst mache mir Vorwürfe wegen Theta. Ich hatte zwar keine Wahl, aber mir war sehr wohl bewusst, dass Mascudar da Gonozal sie als politisches Symbol missbrauchen würde. Dass er allerdings so weit geht ...«
»Ich bin voreingenommen, aber im Moment wünsche ich Theta nicht gerade das Beste.« Montoya strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Diese Strafe allerdings ... Auf grausame Weise gefoltert und getötet zu werden, nur um von Medorobotern und Medizinern wieder ins Leben zurückgeholt zu werden, um ein weiteres Mal auf ebenso grausame Weise zu sterben, und das unzählige Male – nein, das ist wahrhaftig nichts, was ein vernunftbegabtes und empfindsames Wesen einem anderen wünscht.«
Thora verkniff sich die Bemerkung, dass ihr Volk an und für sich sowohl als vernunftbegabt wie auch als empfindsam galt. Denn dies war nicht der geeignete Zeitpunkt, um für die Arkoniden Partei zu ergreifen. Und überraschenderweise hatte Thora angesichts der jüngsten Ereignisse gar keine Lust dazu. Sie stand auf und legte Rhodan begütigend eine Hand auf den Arm. »Theta hat sich selbst in diese Lage gebracht. Du kannst nichts dafür, dass die Dinge so gekommen sind.«
»Also denkst du, wir sollten mit den Schultern zucken und machen, was Atlan uns geraten hat?« Rhodan suchte Thoras Blick. »So schnell wie möglich aus M 13 verschwinden?«
»Nein.« Sie verschränkte entrüstet die Arme vor der Brust und war sich durchaus bewusst, dass sie die Haltung der Schiffskommandantin einnahm. »Nicht, dass es an meinem Mitleid mit Theta liegen würde – aber wir können es uns unmöglich leisten, einfach unverrichteter Dinge zur Erde zurückzukehren.«
»Das sehe ich genauso.« Shenn legte nachdenklich zwei Finger an sein Kinn. »Uns ist wohl allen klar, dass ein Imperium unter Mascudar da Gonozal die Erde nicht ignorieren wird.«
»Im Gegenteil!« Rhodan wies auf die Sterne in der Kuppel. »Mascudar beabsichtigt zweifellos, das arkonidische Imperium weiter zu vergrößern. Und seine Expansionspläne schließen die Erde mit Sicherheit ein. Allein schon deshalb, weil das Protektorat damals unter Theta gescheitert ist, wird er beweisen wollen, wie es richtig geht.«
»Das werden wir nicht zulassen!« Guckys Nagezahn blitzte angriffslustig. »Sag uns, was wir tun sollen, mein General, und wir marschieren in die Schlacht.«
»Ich befürchte, mit offener Konfrontation werden wir nicht weit kommen.« Rhodan hob die Hände. »Wir müssen unser Vorgehen sorgsam planen. Was ist unser Ziel?«
»Die MAGELLAN«, antwortete Gabrielle Montoya spontan. »Sie darf nicht in den Händen der Arkoniden bleiben.« Mascudar hatte das Raumschiff, das bis vor Kurzem unter dem Kommando von Conrad Deringhouse gestanden hatte, kurzerhand beschlagnahmt.
»So ist es.« Shenn tippte sich an die Nase. »Sie ist nicht nur nach wie vor eins der stärksten Schiffe der Menschheit, sondern auch ein Symbol, dessen Verlust wir nicht hinnehmen können. Wir müssen alles daransetzen, die MAGELLAN zurückzubekommen.«
»Gut, das ist der eine Punkt, und dem stimme ich zu.« Rhodan biss sich auf die Unterlippe. »Zum anderen können wir Theta nicht einfach ihrem Schicksal überlassen.« Er blickte sich um, schien auf Widerspruch zu warten. Es kam keiner. »Ich bin froh, dass ihr das genauso seht.«
Nun musste Thora Rhodan da Zoltral doch Einwände erheben. »Ich will nicht den Advocatus Diaboli spielen, aber bedenke, dass Theta kaltblütig Conrad und weitere rund dreißig Besatzungsmitglieder sowie Pertia ter Galen und Ihin da Achran getötet hat. Sie hat sogar in Kauf genommen, dass die CREST II komplett vernichtet wird. Mancher an Bord könnte weniger Verständnis für dein Handeln haben.«
»Nachvollziehbar.« Rhodan seufzte. »Doch wir sollten unser moralisches Handeln nicht daran messen, was Theta getan hat, sondern an unseren eigenen Maßstäben.«
»Ihre Haltung in Ehren, Perry, aber ich verstehe, was Thora sagen will.« Torgen Shenn strich sich über seinen imposanten Bart. »Auch wenn ich und alle anderen Anwesenden mit Ihnen übereinstimmen, könnte es Unruhe in der Mannschaft geben, wenn bekannt wird, dass wir das Leben aller hier riskieren, um ausgerechnet Theta zu retten.«
»Wir sollten nicht vergessen, dass wir mit Thetas Befreiung und der Rückeroberung der MAGELLAN auch die politische Position von Mascudar massiv schwächen. Das kann uns nur nützen.« Perry Rhodan stützte entschlossen die Arme in die Seite. »Beide Ziele sollen die Leute auf der CREST II jedoch nicht gefährden. Die Rückeroberung der MAGELLAN hat Priorität, das ist klar. Was Thetas Rettung angeht – das übernehme ich persönlich.«