Читать книгу Das Mädchen, das das Christkind suchte - Lukas Wolfgang Börner - Страница 6

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„HEIẞE WAFFELN MIT PUDERZUCKER NUR 1,50 €“, versprach eine Tafel vor dem Waffel-Stand. Da hätte Silvia sich eine Waffel kaufen können und zudem noch 50 Cent für Seifenblasen oder einen Knackfrosch übriggehabt. Doch sie hatte keine Lust, das Geld auszugeben. Es war ihr schwer ums Herz. Der Shopping-Tag war noch nie ausgefallen und schon gar nicht wegen eines dummen Klassenkameraden. Hatte sie denn überhaupt keine Freunde mehr? Trennte sich jetzt sogar schon ihre Schwester von ihr? Silvia holte ihre Puppe aus dem Ranzen und ließ sie in der Joppentasche sitzen.

„Sei nicht traurig,“ sagte Polly und zupfte ihrer Besitzerin am Ärmel, „große Schwestern sind nun mal boshaft.“

Eine einzelne Träne kullerte über Silvias von der Kälte gerötete Backe und landete in Pollys Gesicht.

„Brrrr“, machte die Puppe und schüttelte ihren Kopf, dass das Tränenwasser nach allen Seiten spritzte. Obwohl Silvia so traurig war, musste sie doch schmunzeln.

„Lass uns ins Spielzeuggeschäft gehen und schauen, wie hässlich die anderen Puppen sind“, sagte Polly, nachdem sie ihr Gesicht wieder getrocknet und die Frisur gerichtet hatte. Andere Puppen anzuschauen, liebte sie wie sonst nichts auf der Welt. Sie lachte dann laut über „die schiefen Nasen“ oder „die wässrigen Augen“ oder „die geschmacklosen Kleider“ der anderen Plastikmädchen. Silvia hatte daran früher nur wenig Gefallen gefunden, aber jetzt wollte sie auf andere Gedanken kommen. Darum ging sie an den Christkindlmarkt-Standln vorbei in Richtung Spielzeugladen.

Das Geschäft war voller Kinder. Silvia grüßte zwei Mädchen aus ihrer Klasse, die gerade vor einem Fernseher standen. Darin lief eine Werbung für Puppenzubehör.

„Wow!“, sagte Steffi.

„Krass!“, sagte Mia-Francesca.

„Was ist das?“, fragte Silvia.

„Das ist der neue Fashion-Deluxe-Styling-Hairsalon!“, antworteten ihre Mitschülerinnen mit verträumtem Blick.

In dem Werbespot wurden gerade einer Puppe wie Polly die Haare geflochten und Glitzersteine aufgetragen. Der Frisiersalon war mit riesigen Spiegeln auf allen Seiten, motorisiertem Drehstuhl und den verschiedensten Anwendungen zum Feschmachen der Puppen ausgestattet.

„Ooooh“, machten Silvia und Polly gleichzeitig. Beiden blieb der Mund offen stehen.

„Den muss ich haben“, ächzte Steffi und begann, ihr Taschengeld zu zählen. Doch es langte vorn und hinten nicht.

Ich krieg den bestimmt zu Weihnachten ...“, entgegnete Mia-Francesca und grinste die anderen herablassend an.

Als beide Mitschülerinnen gegangen waren, sagte Polly: „Vielleicht kriegen wir den ja auch zu Weihnachten.“

„Meinst du?“, fragte Silvia, die den Werbespot nun schon zum achten Mal anschaute. „Meinst du, das Christkindl weiß, wie dringend wir diesen Hairsalon brauchen?“

„Bestimmt!“, antwortete Polly. „Wer sollte das besser wissen als das Christkind? Dass du mich brauchst, hatte es ja auch gewusst.“

Sie hatte Recht. Schlagartig war Silvias gute Laune wieder da. Ab Montag würde alles wieder gut sein. Dann würde sie den Fashion-Deluxe-Styling-Hairsalon haben. Und dann würden sie alle anderen gern haben können. Sie würde ihrer Puppe die großartigsten Frisuren machen und sie in allen Farben schminken und tätowieren und überhaupt nur noch Spaß haben. Wer brauchte schon Freunde oder große Schwestern?!

*

Das Mädchen, das das Christkind suchte

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