Читать книгу Israel als Urgeheimnis Gottes? - Lukasz Strzyz-Steinert - Страница 8
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Zum symbolischen Ausgangspunkt nimmt meine Doktorarbeit die weit verbreitete mittelalterliche Darstellung von Kirche und Synagoge, wie sie z.B. am Südportal des Straßburger Münsters zu sehen ist. Juden und Christen sind dort als zwei weibliche Gestalten versinnbildlicht worden. Auf diese Weise drückt diese Skulptur die christliche Überzeugung aus, dass Kirche und Synagoge unzertrennbar aneinander gebunden sind. Zumindest für die Kirche gilt, dass sie sich nur im Spiegel der Wirklichkeit Israels selbst begreifen kann. Das Bild der beiden Frauengestalten verdeutlicht aber nicht nur das christliche Bewusstsein von ihrer unlösbaren Gemeinschaft. Auch ein anderer Aspekt der christlichen Theologie und Praxis in Bezug auf Israel wurde auf diese Weise illustriert.
Die Attribute, mit denen die Künstler Synagoge und Kirche auszustatten pflegten, lassen erahnen, dass es sich hier um ein einerseits schwesterliches, aber andererseits dramatisches Verhältnis handelt. Die beiden Frauen stehen im Duell, dessen Ergebnis jedoch längst und endgültig entschieden ist. Das Haupt der gedemütigten Synagoge ist gesenkt, der Blick wird ihr durch eine Augenbinde verwehrt, ihre Lanze ist zerbrochen und die steinernen Gesetzestafeln drohen aus ihrer Hand zu fallen. Auf manchen Darstellungen wird ihre anmutende und Würde ausstrahlende Gestalt in ein gelbes Gewand gehüllt, ein Zeichen der ausgegrenzten Prostituierten. Da sie Jesus nicht erkannte, verlor sie ihre Auserwählung und wurde von Gott verstoßen – so die gängige Deutung. Ihre Erwählung wurde der anderen Frau, der Kirche, zuteil. Deren Haupt ist nicht nur erhoben, sondern sogar bekrönt. In der Hand hält sie als Zeichen des Triumphs die Kreuzesfahne. Der Synagoge gilt der siegesbewusste, vielleicht sogar herablassende Blick der Kirche.
0.1 Fragestellung
Es drängt sich die Frage auf, ob diese künstlerisch versteinerte Unerlöstheit des Miteinanders von Kirche und Synagoge im Letzten das bleibend Gültige des Verhältnisses von Juden und Christen ist. Müsste diese Darstellung theologisch vielleicht umgemeißelt werden? Ist der Triumph der Kirche über die Synagoge ein Beweis des Triumphes Gottes in der Geschichte oder dessen Scheiterns? Diese Fragen können nicht ohne den Kontext der Geschichte des 20. Jahrhunderts erwägt werden, deren Ereignisse eine lange Tradition der christlichen Deutung des Verhältnisses zu Israel auf eine beispiellose Weise hinterfragt haben. Wie der israelische Historiker und Forscher der jüdisch-christlichen Beziehungen I.J. Yuval prägnant formuliert, wurde die antijüdische Polemik aus christlicher Sicht die ganze Zeit unter zwei Voraussetzungen geführt: „Zum einen galt die physische Existenz der Juden innerhalb der christlichen Gesellschaft als gewährleistet; zum anderen wurde das Exil des jüdischen Volkes und die Zerstörung seines religiösen und politischen Zentrums im Land Israel als Strafe für die Kreuzigung Jesu begriffen“. Binnen eines Jahrzehnts sind diese Prämissen zusammengebrochen. „Seit 1945 ist die christliche Welt mit Schrecken und Ausmaß der ‚Endlösung‘ konfrontiert worden, und im Jahre 1948 wurde der Staat Israel gegründet“1.
Vor allem der Schreck über die Schoah bewirkte, dass die traditionelle antijüdische Position der Kirche als verwerflich, da für das geschehene Grauen indirekt mitverantwortlich, empfunden wurde. Was seit Jahrhunderten als fester Bestandteil der christlichen Deutung des Heilsgeschehens gegolten hatte, ist untragbar geworden. Die neu erwachte Sensibilität bewirkte, dass am 28. Oktober 1965 auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Erklärung Nostra Aetate verabschiedet wurde, in deren viertem Artikel das christliche Verhältnis zum Judentum neu ausgerichtet wurde. Ein neues Zeitalter schien eingeleitet, in dem nicht Verwerfung und Polemik, sondern Wertschätzung und Zusammenarbeit den Ton angaben. Auf diesen Neuanfang folgten andere Dokumente und Gesten, die als Hauptintention die Verbesserung des christlich-jüdischen Verhältnisses bestätigten und konsolidierten2. Allerdings verdeutlichen die immer wieder ausbrechenden Kontroversen um Themen wie Judenmission, Karfreitagsliturgie oder Antisemitismus die Komplexität der Lage, zu der unterschiedliche Befindlichkeiten und Sprachgewohnheiten, Vorurteile und Missverständnisse beitragen. Zudem sind viele Fragen zwischen Juden und Christen nach wie vor eine theologische Herausforderung3. Die vom Vertrauen geprägte Partnerschaft zwischen Kirche und Israel ist kein festes Gut, sondern muss dauernd intensiviert werden. Fünfzig Jahre nach Nostra Aetate fragt man sich jedoch, ob auf dieser neuen Grundlage nicht nun auch die sensiblen Punkte und radikalen Differenzen zwischen Kirche und Synagoge auf ihren Offenbarungsgehalt examiniert werden können und sollen.
Es muss im Auge behalten werden, dass die Thematik um das Verhältnis zum Judentum auch innerkirchlich zur Debatte führt. Das Judentum liegt einerseits außerhalb der sichtbaren Gemeinschaft der Kirche, andererseits gehört das Jüdische zur Kirche fundamental hinzu. Es ist ein Bestandteil ihrer Identität, ihre bleibende Wurzel. Damit enthüllt sich die Dualität des kirchlichen Dialogs mit Israel, wie es Johannes Paul II. während seiner Begegnung mit Vertretern der Jüdischen Gemeinde am 17. November 1980 in Mainz zum Ausdruck gebracht hat. Noch bevor die heutigen Christen dem heutigen Volk Israel begegnen, stoßen sie auf die „erste Dimension dieses Dialogs, nämlich die Begegnung zwischen dem Gottesvolk des von Gott nie gekündigten Alten Bundes“, der „zugleich ein Dialog innerhalb unserer Kirche, gleichsam zwischen dem ersten und zweiten Teil ihrer Bibel“ ist4.
Nun ist aber auch die erste Dimension des Dialogs, und somit die Frage der bleibenden Verwurzelung der Kirche im Jüdischen, nicht unumstritten innerhalb der Christenheit. Der markionische Gedanke, ein endgültiger Bruch mit dem Alten Testament und seinem Gottesbild täte der Kirche gut und verhälfe der befreienden Botschaft des Evangeliums zu ihrem vollen Glanz, findet immer wieder neue Anhänger. Abgesehen von den einseitigen bis extremen Ansätzen bleibt das Problem einer christlichen Auslegung des Alten Testaments und der inneren Einheit und Verschiedenheit der beiden Testamente grundsätzlich ein großes, spannendes und spannungsreiches Thema, bei dem schon die traditionelle Terminologie Altes und Neues Testament zur Diskussion gestellt wird. Hinter der Idee, auf das Alte Testament und die jüdischen Bezüge zu verzichten, steht jedoch nicht immer ein offener oder verdeckter Anti-Judaismus, sondern der Gedanke, man könnte auf diese Weise die Kontroversen zwischen Judentum und Christentum beseitigen und somit zur friedlichen Koexistenz der beiden Religionen beitragen5. So stellt sich die Frage, ob die Neuausrichtung der Beziehung zum Judentum auch für das Selbstverständnis der Kirche eine Rolle spielt. Bleibt es bei der Justierung eines politisch heiklen, aber theologisch peripheren Themas, oder muss die neue Ausrichtung des christlich-jüdischen Verhältnisses ihre Wirkung noch ad intra entwickeln und angefangen bei der Schriftauslegung die ganze Theologie und Praxis der Kirche in ein neues Licht rücken?
Man darf diesen Fragen, mögen sie noch so belastet und schwierig sein, aus falschem Irenismus nicht ausweichen. Andernfalls riskiert die Theologie, ins Belanglose und Irreale abzusinken. Das Thema Israel und Kirche lässt sich nicht auf ein punktuelles, und schon gar nicht auf ein konventionell interreligiöses Problem begrenzen. Wir merken, dass die bereits gestellten Einzelfragen in ihrer Dynamik an den Fundamenten des Christlichen rühren. Sie verweisen uns auf die grundlegende Frage nach Gott und seiner Gegenwart in der Geschichte. Das verstrickte Verhältnis zwischen Juden und Christen führt in das Herz des Geheimnisses einer in dieser Welt faktisch ergangenen und wahrnehmbar-gegenwärtigen Offenbarung Gottes ein. Deswegen geziemt ihm der letzte eschatologische Ernst, den ihm der hl. Paulus beigemessen hat. Und im gleichen Zug betrifft die Frage nach dem Miteinander von Israel und Kirche das Hier und Jetzt. Dieses Miteinander lässt sich nicht im Diffusen und Spekulativen auflösen. Wir begegnen Israel in den Urkunden unseres Glaubens. Wir begegnen dem dort bezeugten Volk Israel in unserer Welt. Das Phänomen der Existenz Israels ist einmalig und lässt sich in keine Kategorien einordnen; allen Völkern und Religionen ähnlich und doch anders, da es sich weder in religiöse noch ethnische Kategorien einschließen lässt. Auf den Wogen der Geschichte behält es seine einmalige Identität. „Die Großmächte von damals sind alle untergegangen. Es gibt weder die alten Ägypter noch die Babylonier oder Assyrer. Israel bleibt – und zeigt uns etwas von der Beständigkeit, ja vom Geheimnis Gottes“6.
Die Rezeption der Neuausrichtung des christlich-jüdischen Verhältnisses ist also noch nicht abgeschlossen. Lasst uns noch einmal fragen: Welche Bedeutung hat also das ‚Phänomen Israel‘ für die Kirche? Wo und wie zeigt sich in der Theologie und kirchlichen Praxis die Gebundenheit an das Geheimnis seiner Erwählung und Identität? Kann Israel als ein besonderer locus theologicus verstanden werden? Wie soll der – religionsgeschichtlich einmalige – christlich-jüdische Dialog so geführt werden, dass sowohl den grundlegenden Gemeinsamkeiten als auch den grundlegenden Unterschieden Rechnung getragen wird? Welche heilsgeschichtliche Bedeutung hat das Verhältnis von Judentum und Christentum?
Meine Arbeit will diese vielschichtige Frage nach Israel an den so bedeutenden wie vergessenen Religionsphilosophen und Theologen Erich Przywara SJ (1889–1972) herantragen. Sein Werk, das aufgrund seiner systematischen Schärfe, der Vielfalt der behandelten Themen und Autoren sowie seines Tiefgangs und seiner bohrenden Fragestellungen ihresgleichen sucht, entstand in intensiver Beschäftigung mit den wichtigsten philosophischen, theologischen, aber auch politischen Herausforderungen seiner Zeit. Vor allem im Hinblick auf den deutschsprachigen Kulturraum ist es sowohl die Zeit der Blüte des jüdischen Lebens als auch die Zeit seiner Vernichtung. Es ist die Zeit vor dem vollzogenen Paradigmenwechsel der christlichen Beziehung zum Judentum und zugleich die Zeit, die dazu geführt hat.
Gemessen am Umfang Przywaras Werkes ist seine Erforschung eher bescheiden. Die meisten Arbeiten widmen sich zudem seinem metaphysischen Denken, das seine Mitte im Begriff der analogia entis fand. Die Stimmen zu seiner Sicht des christlich-jüdischen Verhältnisses sind fragmentarisch und nicht selten widersprüchlich. Die facettenreichen Ansätze und Ansichten Przywaras suchen nach Interpretation.
Es ist bezeichnend, dass ein US-Amerikanischer Autor, der dem Leser die Welt von Przywara erklären will, seine Beziehungen zu den jüdischen Denkern in der Periode zwischen den beiden Weltkriegen als etwas Ungewöhnliches und Pionierhaftes sieht. Nachdem die zahlreichen Kontakte des deutschen Jesuiten zu protestantischen Theologen erwähnt werden, schreibt M.A. Fahey:
„More surprising to readers who have stereotypical perceptions of German Catholics‘ attitudes to Jews in the period between the two World Wars, is Przywara’s close contacts with Jewish thinkers. Despite the fact that Berlin was a more favorable setting for exchange between Christian and Jews than Munich, he carried on respectful dialogue. For him a Jewish philosopher was not automatically a Bolshevist Jew“7.
Vor allem Przywaras Kontakte zu Leo Baeck (1873–1956), einem der bedeutendsten Gestalten des europäischen Judentums des letzten Jahrhunderts, werden erwähnt. So behauptet auch Baecks Schüler und ausgewiesener Kenner seines Denkens A.H. Friedlander, dass Przywara, auch mit jüdischen Autoren verglichen, seinerzeit das größte Verständnis für die Bedeutung von Baecks Theologie aufwies und sie aus diesem Grund auch der schärfsten Kritik unterzogen hat8. Allgemein bekannt ist auch, dass Przywara der wohl bekanntesten jüdischen Konvertitin dieser Zeit Edith Stein (1891–1942) als philosophisch-theologischer Berater zur Seite stand. Die Breite und die Vielfältigkeit seiner Kontakte zur jüdischen Welt sowie das Niveau, auf dem sie stattfanden, scheinen somit vielversprechend.
Auch Przywaras Ansätze zur Neudefinierung des christlich-jüdischen Verhältnisses werden gelegentlich ins Gespräch gebracht, und das nicht nur im strikten akademischen Bereich. So berief sich darauf der Vorsitzende des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen Kard. K. Koch am „Tag des Judentums“ am 17. Januar 2014. Er betonte, es sei angemessen, einen solchen Tag direkt vor der Woche des Gebetes um die Einheit der Christen zu halten, da „der große katholische Theologe Erich Przywara […] die erste Trennung im Christentum“ als jene „zwischen Synagoge und Kirche“ betrachtete. „Deshalb gehört die Versöhnung zwischen Christen und Juden mit zu den ökumenischen Bemühungen der katholischen Kirche“9.
Im Hinblick auf das Problem des Zueinanders von Altem und Neuem Bund, von Israel und Kirche, macht L.J. Narvaja in der Einführung zur italienischen Übersetzung Przywaras Idee Europa den Leser darauf aufmerksam, dass sich im Denken von Przywara die Überwindung des Substitutionsmodells, die als durch das II. Vatikanische Konzil bewirkter Paradigmenwechsel des jüdisch-christlichen Dialogs gefeiert wird, schon einige Jahrzehnte vor dem Konzil abzeichnet: „Tale orizzonte, da un lato, viene sviluppato più ampiamente dal Concilio per l`intenzione conciliare di trattare la relazione direttamente tra la Chiesa e il popolo ebraico”10. Przywara wird hier aber nicht nur als ein Vorläufer des Konzils gesehen, den die wenigen Sätze, die das Dokument Nostra Aetate dem Problem gewidmet haben, eingeholt und schließlich auch überholt haben. Seine Ansätze seien vom Konzil nicht gänzlich ausgeschöpft worden und in einigen Punkten sei er dem Konzil voraus – das scheint L.J. Narvaja zu meinen, wenn er schreibt:
„Dall’altro lato si può osservare come la riflessione di Przywara – malgrado non possieda una strumentazione esegetica affinata sul problema – è più avanti della iniziale riflessione della Nostra Aetate. Egli, affermando che la Chiesa è il luogo dello scambio e in virtù di questo incontro e scambio tra diversi è luogo dell`unità tra ebrei e gentili, mostra che il paradigma della sostituzione non è solo una questione esegetica o teoretica, ma è piuttosto un problema che ha conseguenze profonde sulle strutture del cristianesimo, dell`ecclesiologia e delle correlative teologie politiche“11.
Der letzte Satz ist insofern richtungsweisend, da hier eine Möglichkeit signalisiert wird, eine globale Sicht auf das Verhältnis Israel und Kirche, in dem das Jüdische als Gesamtphänomen gesehen wird, gewinnen zu können.
Die in der neueren Literatur erwähnten Ansätze wurden jedoch in der Theologie kaum rezipiert und nur spärlich erforscht. Auch wenn J. Ratzinger 1958 im Hinblick auf das Alterswerk von Przywara davon sprach, dass die Theorie von der analogen Einheit des Alten und Neuen Bundes von Przywara „meisterlich dargelegt“ wurde, so dass es „in der neueren katholischen Literatur […] zu diesem Thema kaum Ausführungen von gleichem Rang geben“12 dürfte, so fand dieses Werk doch ein eher verhaltenes Echo. Auch die uns interessierende Thematik wurde bis jetzt kaum beachtet. Lediglich in einigen Arbeiten über Przywara wurden Aspekte der Israel-Problematik vereinzelt beleuchtet.
Hier ist an erster Stelle die herausragende Arbeit von B. Gertz über Przywaras Analogie-Lehre zu nennen13. Der Autor untersucht den Denkweg, der Przywara von der Polarität über die analogia entis zur analogia fidei führt, und analysiert dann eingehend die letzte Kategorie als Prinzip seiner theologischen Methodik. Im Zuge seiner Analyse werden viele Aspekte des Zueinanders von Altem und Neuem Bund berücksichtigt. Dieses Zueinander an sich wird jedoch nicht eigens problematisiert. Auf jeden Fall bietet diese Arbeit einen sehr guten Ausgangspunkt für eine fokussierte Untersuchung des Verhältnisses zwischen den beiden Testamenten sowie dessen weiterer theologischer Konsequenzen in Przywaras Werk.
Die Grundsätze von Przywaras Schriftauslegung im Zeichen der analogia fidei zwischen Altem und Neuem Bund werden in A. Stocks Untersuchung der hermeneutischen Grundpositionen zur Einheit des Neuen Testamentes ansatzweise besprochen14. Stock würdigt die innovative Methode Przywaras, die dadurch heraussticht, dass sie die Einheit des Neuen Testaments nur im Zusammenhang der umfassenderen Einheit von Altem und Neuem Testament denken lässt.
Die Konsequenzen des Zueinanders von Kirche und Israel für Przywaras Kirchenverständnis wurden in E.-M. Fabers Studie über die ekklesiologischen Entwürfe von Romano Guardini und Erich Przywara ausgearbeitet15. Die Autorin zeigt, dass es Przywaras theologisches Spezifikum ist, das Geheimnis der Kirche im Geheimnis der Spaltung zwischen Juden und Christen zu orten, gemäß Röm 9–1116. Somit bieten sich in dieser Arbeit viele interessante Einsichten, die zu weiteren Fragen nach der Bedeutung der Israelbezogenheit der christlichen Theologie führen.
Dass diese vielversprechende Sicht auf Przywaras theologisches Erbe hinsichtlich der jüdisch-christlichen Problematik doch nicht die einzige Interpretationsmöglichkeit ist, wird durch die Bemerkung von M. Zechmeister deutlich gemacht. In ihrer eingehenden Studie über Przywaras theologischen Weg würdigt sie einerseits seine Bemühungen, die alttestamentlichen Wurzeln der christlichen Gottesrede neu aufzudecken. Andererseits bemerkt sie aber, dass Przywara wohl „in seiner Auslegung des Verhältnisses des Christentums zum nachchristlichen Judentum gegen sich selbst und über sich selbst hinaus zu interpretieren sein wird“17.
Deutlich negativer fallen die Meinungen über Przywaras Sicht des Judentums aus, wenn sie aus der Forschung über die kirchliche Haltung zur nationalsozialistischen Ideologie und dem Antisemitismus kommen. Der anfangs zitierten Meinung über Przywaras Kontakte zur jüdischen Geisteswelt in den Jahrzehnten zwischen den beiden Weltkriegen steht paradigmatisch das 1969 formulierte Urteil von H. Greive entgegen. In seiner Untersuchung über den Katholizismus und das Judentum in Deutschland und Österreich in der Zwischenkriegszeit bezichtigt er Przywara einer besonderen Rolle in der negativen Bestimmung des christlich-jüdischen Verhältnisses. So schreibt er, Przywara suchte in seinen Ausführungen aus dieser Zeit die gängigen antijüdischen Klischees „mit religiösen Gedankengängen“ genauer zu bestimmen und in seinem Denken sei „die Annäherung des völkischen und des religiösen Standpunktes“18 festzustellen.
Derselben Zeitspanne und einer ähnlichen Thematik widmet sich ein Beitrag zur Erforschung der neueren Theologiegeschichte von P.S. Peterson. In seinem 2012 erschienenen Artikel behandelt der Autor den kulturellen, sozio-politischen und kirchlichen Kontext der Religionsphilosophie Przywaras und verweist auf Parallelen zwischen seinen Gedankengängen und den in den 20er und 30er Jahren in Deutschland präsenten völkischen und faschistischen Ideen, bei denen der Antisemitismus eine bedenkliche Rolle spielt. In diesem Zusammenhang scheinen viele Äußerungen Przywaras höchst fraglich zu sein19.
In der zwei Jahre später erschienenen Einführung zur amerikanischen Übersetzung von Przywaras Analogia entis bezeichnet J.R. Betz die These, Przywara habe nationalsozialistische und antisemitische Sympathien gehegt, als unzulässig, da auf missinterpretierten und aus dem Kontext herausgerissenen Zitaten gebaut. Laut Betz müsse das Gegenteil behauptet werden. Vor allem im Hinblick auf Przywaras Dialog mit dem Judentum schließt sich Betz grundsätzlich O’Mearas Meinung an und widerspricht den Thesen im Artikel von Peterson, den er als einen neuerlichen Versuch, Przywara zu diskreditieren, bezeichnet20.
Fast unverzüglich antwortet darauf Peterson mit einem weiteren Artikel, in dem die These bekräftigt wird: „While Przywara was not a member of the NSDAP or any political party, many of his views on cultural, social and political matters from this time are relatively typical of Nazi Germany“21. Der Autor beruft sich auf Archivdokumente, in denen Przywara, um in die Reichsschriftumskammer aufgenommen zu werden, seine arische Abstammung nachweist, sowie auf solche, in denen Vertreter der NSDAP das jesuitische Umfeld Przywaras als regimekonform bezeichnen. Vor diesem Hintergrund bezichtigt Peterson Przywaras Sicht auf das Judentum und viele verwandte Themen einer starken antisemitischen Komponente und fährt fort:
„His general frame of thought, which one might call Catholic fascism, was not the same, however, as secular neo-pagan fascism. Catholic fascism was captivated with the theme of the Reich and the religious Abendland, it was skeptical of neopaganism, anti-Semitic, anti-liberal, anti-American, anti-Enlightenment, anti-French Revolution, anti-cosmopolitan, anti-Zionist, anti-rationalistic, völkisch, authoritarian, integralistic, Nietzschean and nationalistic. […] Przywara was not, however, a mere passive agent who unconsciously absorbed the cultural norms of his context. He creatively adopted them, reconceptualized them as expressions of faithful Christianity and them disseminated them […]“22.
Diese Kontroverse über Przywaras Sicht auf das Judentum und die daraus resultierenden Konsequenzen für die Hermeneutik seines Werkes fand während meiner Forschungsarbeit statt. Sie stellte mich vor neue Fragen und zwang mich, einige meiner Ausgangspunkte zu hinterfragen und zu revidieren. Es wurde noch deutlicher, dass diese Arbeit nicht als eine unbefangene und lineare Begründung der These, Przywara sei ein Pionier des christlich-jüdischen Dialogs im nachkonziliaren Sinn gewesen, konzipiert werden kann, sondern differenziert, ausgewogen und unter Berücksichtigung der theologiegeschichtlichen Kontexte urteilen muss und vor der Ambivalenz der Thematik im zeitgeschichtlichen Kontext nicht die Augen verschließen darf. Viele von Przywaras Aussagen sind vor allem im Blick auf die Zeitumstände kontrovers bis abstoßend, was jedoch nicht selten in einem bestimmten Zusammenhang steht und durch Gegenteiliges relativiert oder aufgehoben wird. Für diese Ambivalenz steht auch das Fragezeichen im Titel dieser Dissertation, das im Anfangsprojekt nicht vorgesehen war, sondern als Ergebnis meiner Forschung in der redaktionellen Phase hinzugefügt wurde. Natürlich kann und muss diese systematisch-theologische Dissertation nicht alle historischen und zeitgeschichtlichen Begebenheiten erforschen, unter denen sich Przywaras Reflexion über das Judentum vollzog. Sie will aber seine Erfahrungswelt berücksichtigen, um die existenzielle Dimension seiner Beschäftigung mit Israel in den Blick zu bekommen. Der Leser wird meine Auseinandersetzung mit dieser Problematik an vielen Stellen entdecken können. Besonders möchte ich in diesem Zusammenhang auf Punkte 2.2, wo auch zeitgenössische jüdische Reaktionen auf Przywaras Einschätzung des Judentums zu Wort kommen, und 5.4 mit 5.5, wo Przywaras „Reichstheologie“ kritisch ausgewertet wird, aufmerksam machen.
Umgekehrt bin ich jedoch zu der Überzeugung gelangt, dass die oben zitierte Charakterisierung von Przywaras Denkrahmen in ihrer Pauschalisierung dem Denker und seinem Werk nicht gerecht wird. Man missversteht Przywara und sein Anliegen, wenn man sich über seine problematischen Aussagen empört, dabei aber die entgegengesetzten Aspekte in seinem Werk nicht berücksichtigt und vor allem das analogische oder dialektische Gefüge dieses Werkes aus den Augen verliert. Da seine zuweilen schwer durchschaubare Denkstruktur nur selten erfasst wird, werden bestimmte Aussagen Przywaras von verschiedenen Autoren extrem unterschiedlich interpretiert23. Der Gefahr der Einseitigkeit oder einer vorschnellen, positiven oder negativen, Zuordnung will meine Arbeit entkommen, weswegen ich auch auf eine apologetische Diskussion mit Peterson nicht eingehe. Das hätte meine Forschung eingeengt. Nur wenn man das komplexe Ganze von Przywaras Reflexion über das christlich-jüdische Verhältnis sich vor Augen führt, kann man es kreativ aufgreifen, überwinden oder darüber sinnvoll streiten. Diesen Versuch unternehme ich im abschließenden Ertrag dieser Arbeit.
An dieser Debatte wird aber auch sichtbar, wie das Urteil über Przywaras Beschäftigung mit dem Judentum mit der viel breiteren, allumfassenden Sicht auf den Katholizismus und die Haltung der Katholischen Kirche gegenüber den totalitären Ideologien des Faschismus und des Nationalsozialismus zusammenhängt sowie einen Teil des Prozesses der Aufarbeitung des katholischen Antisemitismus und der katholischen Mitverantwortung an der Vernichtung der europäischen Juden darstellt. Das ist besonders stark in Petersons Artikeln zu beobachten, die auf der Diagnose eines tiefgreifenden katholischen Faschismus und Antisemitismus in der Zwischenkriegszeit und während des II. Weltkrieges, in die z.B. auch H.U. von Balthasar und H. de Lubac verwickelt seien, fußen. Eindeutig kritisch wird die Haltung von Pius XII. gesehen. Auch die Rolle der jesuitischen Zeitschrift Stimmen der Zeit wird negativ beurteilt24. Dass diese Debatte bei weitem noch nicht abgeschlossen ist und, was verständlich ist, zuweilen sehr emotional verlaufen kann, muss als Klima der vorliegenden Studie berücksichtigt und ausgehalten werden25. Im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung mit der Rolle der katholischen Kirche im nationalsozialistischen Deutschland resümiert Ch. Kösters:
„Die kontroverse wissenschaftliche Diskussion ist oftmals unentwirrbar verknüpft mit öffentlichen und gesellschafts- und geschichtspolitischen sowie innerkirchlichen Debatten und Standortbestimmungen, die eine notwendig sachliche Auseinandersetzung nicht immer erleichtern. Das gilt auch und gerade für die schwierigen Fragen des Verhältnisses zu den Juden“26.
Man beachte, dass hier nicht nur der Wahrheitsgehalt in den einzelnen Meinungen und Theorien, sondern die moralische Integrität und Legitimation des Autors auf dem Spiel zu stehen scheinen. Es sei hier deutlich festgehalten, dass es nicht das Ziel meiner Arbeit ist, ein moralisches Urteil über den Menschen Erich Przywara zu formulieren, sondern seine Israeltheologie kritisch zu analysieren.
0.2 Aufbau und Methode
Nun einige Worte zur Methode und zum Aufbau meiner Arbeit. In ihrem Titel wird nach Israel als dem Urgeheimnis Gottes gefragt. Diese Wahl erklärt sich zum Teil aus dem bisher über Israel Gesagten. Dem entspricht der Grundimpetus von Przywaras Theologie, das Mysterium Gottes hervorzuheben, das sich in der je größeren Unähnlichkeit in jeder noch so großen Ähnlichkeit zwischen Gott und Welt manifestiert. Das wichtigste formale Werkzeug dazu heißt Analogie, die Przywara als den über sich hinaus- und auf den je größeren Gott hinweisenden All-Rhythmus, in dem alles konkret Seiende schwebt, verstehen wollte. Das Thema des christlich-jüdischen Verhältnisses wird also innerhalb dieser Dynamik betrachtet, die das Proprium von Przywaras religionsphilosophischem und theologischem Denken ist. Darum spricht der Untertitel von einer Analogik des christlich-jüdischen Verhältnisses. Es handelt sich darum, bei Przywara eine Gesamtsicht auf den Sinn, die Bedeutung und die Konsequenzen des Verhältnisses zwischen Christen und Juden zu ‚erspüren‘, um eins seiner spezifischen Worte zu benutzen. Die Vorsilbe ‚ana‘ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass es sich jedoch nicht um ein geschlossenes, logisches System handeln soll, sondern um das Unabgeschlossene und Unabschließbare dieses Verhältnisses, das auf diese Weise auf das Mysterium Gottes transzendent (transzendiert?) wird. Die Bezeichnung christlich-jüdisches Verhältnis soll zum Ausdruck bringen, dass es sich hier um die christliche, nicht eine bilaterale, Sicht der Beziehung zum Judentum handelt.
In meiner Arbeit konzentriere ich mich auf die Analyse von Przywaras Schriften. Neben den veröffentlichten Werken habe ich den Nachlass Przywaras gesichtet, der sich im Archiv der Deutschen Provinz der Jesuiten in München befindet. Einige für unser Thema relevante Briefe oder Manuskripte werden in die Arbeit einbezogen. Der Archivfund hat jedoch nicht die Hoffnung bestätigt, darin neue, bahnbrechende Zeugnisse der Kontakte Przywaras zur jüdischen Welt finden zu können. Es mag daran liegen, dass ein Teil seines Nachlasses verschollen ist, bzw. in den Kriegswirren zerstört wurde. Es fehlt vor allem die frühe Korrespondenz Przywaras. Gleichzeitig ist ein Teil des Nachlasses ungeordnet und nicht zugänglich. Die Mammutaufgabe wartet auf einen Passionierten, der zudem eine ausgeprägte Geduld für die schier unlesbare Handschrift Przywaras haben müsste. Nach Auskunft des Archivleiters Dr. Clemens Brodkorb, dem an dieser Stelle für seine freundliche Hilfe herzlich gedankt sei, handelt es sich dabei jedoch meistens um Przywaras lyrische Versuche. Auch beim Besuch im Edith-Stein-Archiv in Köln bin ich auf nichts gestoßen, was die Annahme bestätigen könnte, in Przywaras Kontakten zu Edith Stein habe das Thema des Judentums eine Rolle gespielt. Die Anfragen bei der Dependance des Leo Baeck Instituts im Jüdischen Museum in Berlin sowie beim Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien an der Universität Potsdam haben ebenso ergeben, dass der Name Przywara dort keine Assoziationen hervorruft, bzw. in den digitalisierten Sammlungen in keinem namhaften Zusammenhang vorkommt. Am 2. Januar 2015 hatte ich das Privileg, den betagten Rabbiner Lionel Blue in seiner Londoner Wohnung besuchen zu können. Der frühere Dozent am Rabbinerseminar Leo Baeck College London hatte in seinen ersten Studienjahren die Möglichkeit, Leo Baeck persönlich kennenzulernen. In unserem Gespräch konnte er sich jedoch nicht entsinnen, dass über Przywara jemals gesprochen wurde.
Die Arbeit besteht aus fünf Kapiteln, die sich verschiedenen Themen und Bereichen Przywaras religionsphilosophischen und theologischen Denkens widmen. Es ist den Kapiteln gemeinsam, dass sie jeweils unter einer anderen Hinsicht beobachten wollen, auf welche Weise das Thema des christlichjüdischen Verhältnisses von Przywara darin durchgespielt, in welche Kontexte und Zusammenhänge es gesetzt wird und was es letztendlich in der ganzen Theologie bewegt und bewirkt. Diese Methode entspricht meines Erachtens dem Proprium des Formaldenkers Przywara, der bei der Fülle der behandelten Themen letztendlich vor seinen Augen immer die Frage nach der letzten Struktur der Gottesrede hat. Andererseits versucht die Arbeit dem Unausgegorenen, Bruchhaften und nicht selten Gegensätzlichen und Widersprüchlichen des Werkes Przywaras Rechnung zu tragen und nicht der Versuchung zu unterliegen, sein Werk und darin die Analogik des christlich-jüdischen Verhältnisses abrunden zu wollen. Bei Przywara schweben alle Einzelaussagen in einem nicht selten unentwirrbaren Netz, in dem sich alles gegenseitig bedingt, um immer neue Dimensionen preiszugeben. Daraus erklärt sich die Unvermeidbarkeit einiger Wiederholungen in dieser Arbeit.
Da Przywara wenig bekannt, sein Werk dafür so originell wie sperrig ist, widmet sich das erste Kapitel der Darstellung seines Lebens- und Denkweges sowie den für die Interpretation seiner Aussagen fundamentalen Denkfiguren. Die Erfassung der Spannung zwischen dem religiös-existentiellen und dem formalen Pol bei Przywara bedingt meine Arbeit. Anschließend werden Ansätze für die Begegnung Przywaras mit dem Judentum einführend dargestellt. Im zweiten Kapitel wird die Beziehung zum Judentum religionsphilosophisch und offenbarungstheologisch verortet. In Betracht geraten hier zwei Versuche, das Wesen des Christentums zum Ausdruck zu bringen, zwischen denen sich Przywaras Werk erstreckt. Eine besondere Stellung nimmt innerhalb dieses Kapitels die Analyse des Artikels Judentum und Christentum (1925) sowie der anschließenden Debatte ein, die ein einmaliger Moment Przywaras direkter Auseinandersetzung mit dem zeitgenössischen Judentum ist. Im dritten Kapitel wird beobachtet, wie die Grunderfassung des Christentums in die Grundsätze der Schriftauslegung, vor allem des Verhältnisses zwischen Altem und Neuem Bund, eingehen. Zur Kontextualisierung werden Beispiele des Umgangs mit dem Alten Testament angeführt, auf die sich Przywara direkt oder indirekt bezieht. Anschließend soll gezeigt werden, wie die Sicht auf die Einheit und Bezogenheit der beiden Teile der christlichen Bibel die Grundfragen der Theologie bedingt. Das vierte und fünfte Kapitel dienen der Konkretisierung, zuerst im Bereich der Ekklesiologie, dann im Bereich der Geschichtstheologie, die starke Elemente einer auf die aktuellen Ereignisse bezogenen politischen Theologie einschließt. Im Schlusswort sollen die Analogik des christlich-jüdischen Verhältnisses als Ertrag der Arbeit kritisch gesichtet, offene Fragen angesprochen und einige Perspektiven geöffnet werden.
1 I.J. YUVAL, Zwei Völker, 33f.
2 Eine kompakte Übersicht im ersten Kapitel des jüngsten Dokumentes der KOMMISSION FÜR DIE RELIGIÖSEN BEZIEHUNGEN ZUM JUDENTUM, „Denn unwiderruflich…“, Nr. 1–13.
3 Ein ausgewogene und prägnante Standortbestimmung des christlich-jüdischen Dialogs findet sich in: W. KASPER, Katholische Kirche, 418–425. Eine Billanz der offenen theologischen Fragen im christlich-jüdischen Dialog in: K. KOCH, Theologische Fragen und Perspektiven.
4 JOHANNES PAUL II., Ansprache an die Vertreter der Juden im Dommuseum in Mainz, 102–105, hier 104. Als dritte Dimension des Dialogs wird in der Ansprache der gemeinsame Einsatz für den Frieden und die Gerechtigkeit in der Welt genannt.
5 Einige Beispiele für diese Tendenzen in: P. PETZEL, Christ sein, 95f; F.-W. MARQUARDT, Das christliche Bekenntnis, 93.; J. RATZINGER, Die Vielfalt der Religionen, 14; E. ZENGER, Am Fuß des Sinai, 23, 29f; DERS., Das Erste Testament, 30.
6 Vgl. J. RATZINGER, Gott und die Welt, 126f.
7 M.A. FAHEY, Foreword, in: TH.F. O’MEARA, Erich Przywara, S.J., XI.
8 Vgl. A.H. FRIEDLANDER, Leo Baeck, 192–197.
9 K. KOCH, Radiointerview Den Leibrock Christi.
10 J.L. NARVAJA, Introduzione, in: E. PRZYWARA, L’idea d’Europa, 52.
11 Ebd., 52f.
12 J. RATZINGER, Erich Przywaras Alterswerk, 220.
13 B. GERTZ, Glaubenswelt.
14 A. STOCK, Einheit, 160–162.
15 E.-M. FABER, Kirche 154–159, 316–319.
16 Angesichts der Tatsache, dass Przywara in seinen Schriften die biblischen Sigla nicht kursiv schreibt, wird diese Schreibweise in der vorliegenden Arbeit übernommen. Auf diese Weise soll eine harmonische Lektüre des ganzen Textes, der viele Zitate aus Przywaras Werk beinhaltet, erleichtert werden.
17 M. ZECHMEISTER, Gottes-Nacht, 46.
18 H. GREIVE, Theologie und Ideologie, 116.
19 Vgl. P.S. PETERSON, Erich Przywara.
20 Wortwörtlich: „one recent attempt to discredit Przywara“ (J.R. BETZ, Translator’s Introduction, in: E. PRZYWARA, Analogia Entis. Metaphysics: Original Structure, 25, Anm. 75).
21 P.S. PETERSON, Once again, 149.
22 Ebd., 162. Zur von P.S. Peterson vertretenen These vom „katholischen Faschismus“ siehe R. FABER, „Die Kirche ist der Staat 284–298.
23 Die Äußerung Przywaras langjähriger Sekretärin und Begleiterin Sigrid Müller (unter dem Pseudonym Gustav Wilhelmy), dass Przywara 1934 zum Internationalen Philosophen Kongress vom NS-Regime entsandt wurde, „obwohl die Lexika der NS-Zeit ihn bereits als den gefährlichsten Exponenten des kämpferischen Katholizismus charakterisierten“ (G. WILHELMY, Vita, 18), wird man unter dieser Hinsicht lesen müssen. So werden auch Przywaras Ausführungen zum Thema Reich, Abendland und Europa, als theologisch innovativ (vgl. J.L. NARVAJA, Introduzione), oder als ein lobenswerter Versuch der Auseinandersetzung mit der NS-Ideologie dargestellt (vgl. V. KAPP, Das christliche Abendland, 161–180). Über dieselben Gedankengänge, die Przywara noch bis in die 60er Jahre wiederholte, heißt es aber auch: „Deutlicher konnte das hierarchische Denkmodell der katholischen Reichsideologie in ihren eigenen Epigonentum nicht ad absurdum geführt werden“ (K. BREUNING, Die Vision, 299).
24 Siehe auch P.S. PETERSON, Anti-Modernism; DERS., The Early Hans Urs von Balthasar, bes. 11–22 u. 185–214.
25 Nach der Fertigstellung meiner Arbeit fand diese Debatte tatsächlich ihre Fortsetzung. In: A. PIDEL, Erich Przywara, wird Peterson mangelnde Differenzierung und unzulängliche Hermeneutik im Umgang mit Przywaras Texten vorgeworfen. Durch nuancierte Lektüre von Przywaras umstrittenen Aussagen meint Pidel Petersons Thesen widerlegen und ihn als einen gewieften Opponenten der faschistischen Ideologie darstellen zu können. Auch J. Negel geht auf Petersons ersten Artikel ein und bemängelt, dass Peterson einen diachronischen Lektüreansatz verweigert, was dazu führt, dass er Przywara als einen typischen Vertreter „der sogenannten ‚Konservativen Revolution‘ der 1920er und 30er Jahre“ darstellt. „Petersons Text, der Przywara schon vom Ansatz her kaum gerecht werden kann, durchzieht ein denunziatorischer Ton, der ärgerlich ist“, fügt Negel hinzu (J. NEGEL, Nichts ist wirklicher, 223, Anm. 136). Daraufhin meldet sich wieder Peterson zu Wort (P.S. PETERSON, A third time) und bekräftigt seine These durch weitere Bespiele von Przywaras Zitaten, durch die er die Affinität zum faschistischen und nationalsozialistischen Gedankengut zweifellos zu belegen glaubt. Pidel und Betz wirft er apologische Absichten, die die dunkle zeitgeschichtliche Realität ausklammern wollen, vor (bes. ebd., 203, Anm. 3). Gegen Negel verteidigt er die historisch-kritische Richtigkeit seines synchronischen Ansatzes (vgl. ebd., 208f, Anm. 15). Als besonders desavouierend betrachtet Peterson Przywaras Korrespondenz mit Carl Schmitt. Sein Fazit über Przywara und die ganze katholische theologische und religionsphilosophische Produktion aus dieser Epoche: “Perhaps something can be redeemed from the older works of the 1920s, 1930s and 1940s. On the whole, however, much of this philosophy of religion (and legal theory) is simply an expression of the intellectual world of fascism“ (ebd., 239, Anm. 127). Mein Fazit über diese so wichtige Debatte: Es ist bedauerlich, dass der denunziatorische Eifer hier so bestimmend wird; eine redliche Auseinandersetzung wird dadurch nicht erleichtert. Peterson legt den Finger in viele Wunden, die aber konsequent und behutsam behandelt werden müssen. So korrespondiert Przywara z.B. in dieser Zeit nicht nur mit C. Schmitt, sondern auch mit L. Baeck und J. Taubes. Wie erklärt sich diese Widersprüchlichkeit (siehe dazu z.B. unter 1.3 in meiner Arbeit)? Seine Polemik gegen die Idee der Humanität der Aufklärung und sein Bestehen auf den „qualitativen Unterschiede[n]“ zwischen Geschlechtern und Völkern (vgl. ebd., 221) hängen zusammen mit seiner Vision von „Juden und Heiden“ als einer in Alterität existierenden Menschheit (siehe dazu z.B. 2.4.4 in vorliegender Arbeit). Natürlich haben diese Gedankengänge ihre Schwächen und können zur Begründung von falschen Ideologien missbraucht werden – aber die Probleme liegen viel tiefer, als es Petersons polemische Artikel erahnen lassen. Hoffentlich können die Ergebnisse meiner Arbeit zu einer konstruktiven Debatte beitragen.
26 CH. KÖSTERS, Katholische Kirche, 26.