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ERWIN

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Auf der rechten Seite im kleinen Holzhaus steht Erwins Funkanlage. Funken ist seine große Leidenschaft. Wo er das Wissen dafür her hat, weiß kein Mensch. Er baute sein „Schätzchen“ ganz allein zusammen. Was alle sehr verwundert, denn in der Schule muss er jede Klasse zweimal besuchen. Somit kann er nicht der Hellste sein. Auf diesem Gebiet hat er jedenfalls ordentlich was drauf. Und er hört damit heimlich den Polizeifunk ab. Da wäre er beinahe erwischt worden. Ein Helikopter flog schon ganz dicht über Tante Sonjas Haus. Zum Glück konnten sie Erwins Anlage nicht orten und zogen gleich wieder ab. Das hätte Tante Sonja noch gefehlt. Ein Spion in ihrer Familie.

Als ich in diesem Raum stehe, fällt mir eine Begebenheit mit Erwin ein: Ich saß mit angezogenen Beinen auf einem Stuhl. Erwin fragte mich: „Wollen wir mal schauen, ob deine Muschi schon groß genug ist?“ So wie er es sagte, hörte es sich ganz harmlos an. Doch wie er sich über mich beugte und meinen Schlüpfer ein wenig zur Seite zog, war es mir gar nicht mehr so angenehm. „Nein, dein Loch ist noch zu klein“, meinte er und wir sprachen nie wieder ein Wort darüber.

Meine Schwestern kennen ihn ganz anders und berichten, dass Erwin ein ganz süßer ist und so lieb wie Tante Sonja. Sie lassen sich Märchen von ihm unter der Bettdecke erzählen. Erwin bringt alles durcheinander und erzählt die Geschichten quer durch den Gemüsegarten. Er fängt zum Beispiel mit Schneewittchen an und endet mit Frau Holle.

Meine Schwestern müssen öfter mal unter der Bettdecke hervor kriechen, weil sie ihre eigenen schlecht riechenden Pupse nicht ertragen können. Doch Erwin lässt sich davon nicht beirren. Mittlerweile ist er beim Froschkönig angekommen. Alle sind sie wieder unter der Decke, nur Erwin hört abrupt auf zu erzählen.

„Aber Erwin, warum erzählst du denn nicht weiter“, fragen meine Schwestern.

„Ach, ich hab die letzte Strophe vergessen“, sagt er ganz unschuldig.

Meine Schwestern reißen sich wegen des Gestanks und vor Lachen die Decke vom Kopf.

Erwin sitzt jetzt auch im Freien und japst nach Luft: „Mann, hat das da unten gestunken! Habt ihr etwa gepupst?“, fragt er.

Da können sich meine Schwestern nicht mehr halten vor Lachen.

Eine Zeit lang versucht Erwin wie ein Hund zu essen. „Erwin, warum machst du das?“, wollen meine Schwestern wissen. Doch Erwin bewegt nur die Schultern nach oben und weiß auch nicht, warum er das tut. Aber aufhören will er damit auch nicht. „So ist er eben“, meinen meine Schwestern.

Hinterm Hof besitzen Tante Sonja und Onkel Gert noch ein Stück Land. Neben dem Haus befindet sich der Obst- und Gemüsegarten. Hier habe ich entdeckt, dass Stachelbeeren auch süß und in einer kräftigen roten oder gelben Farbe vorkommen können. Bei uns zu Hause werden die Dinger immer nur grün gegessen. Ich habe sie deshalb zuvor noch nie reif sehen.

Die Ratte kommt

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