Читать книгу Trägerin des Lichts - Verbergen - Lydie Man - Страница 4
Was bisher geschah
Оглавление»Wo soll ich anfangen? Eigentlich ist es dafür schon viel zu spät.«
»Ooch, bitte, Großmutter, erzähl!«, riefen die Kinder. »Niemand hat es uns von Anfang an erzählt.«
»Jaahh, erzähl von Anfang an!«
»Na, na, ihr habt die Geschichte schon so oft gehört. Also gut, aber nur kurz, sonst sitzen wir hier noch morgen früh! Lasst mich überlegen.« Die alte Frau setzte sich etwas bequemer hin und zwinkerte der Schar um sich herum zu. »Ich will es mal so beginnen: Was wissen die Königskinder zu Beginn ihrer Flucht? Eines ist sicher: Die reiche und mächtige Stadt Gilda verdankt ihre Existenz einem Verräter.
In ferner Vergangenheit lebte an diesem Ort eine friedliebende Gemeinschaft aus weisen Priestern und Gelehrten, den Druidai. Sie waren die Träger des Lichts, einer guten, heilenden Kraft. Nur sie konnten sich dem heiligen Hain nähern, in dessen Innern sich ein Tor befand, ein Tor zu der Welt der Feen. Und?« Die alte Frau sah in die Runde. »Was umgibt ein solches Tor?«
»Ein Ring!«, wisperten die Kinder.
»Man fällt darin um!« Der Gedanke daran machte sie sehr, sehr leise.
»Richtig. Nur Menschen, die Dank ihrer angeborenen Fähigkeiten ebenfalls Träger des Lichtes waren, konnten den Ring durchqueren, sich dem Tor nähern und das anrufen, was sie als ›die Quelle‹ bezeichneten.
Eines Tages trat ein junger Mann namens Phileas der Gemeinschaft bei. Er war kein Träger des Lichts, aber übermäßig klug und von kaltem Ehrgeiz besessen. Deshalb erschlich er sich die Zuneigung der Druidai Asklepia und versuchte sie dazu zu bewegen, ihm Zugang zu dem Tor und seinem Geheimnis zu verschaffen. Als ihm das nicht gelang, überwältigte er sie und versuchte es mit Gewalt.
Im letzten Moment wurde er entdeckt, hart bestraft und verbannt. Aber er ließ nicht ab von seinem Streben und kehrte mit einem mächtigen Kriegervolk zurück.
Doch die Druidai wurden gewarnt. Sie schickten ihr Volk fort, welches den heiligen Hain nicht verteidigen konnte, und blieben selbst, um ihr Leben zu geben. Die fremden Krieger richteten ein Blutbad unter ihnen an, doch der Ring der Macht hielt stand. Daraufhin beschwor Phileas dunkle Mächte herauf, und die Druidai riefen die Quelle um Hilfe.
Das Aufeinanderprallen dieser Mächte musste die fremden Krieger so verstört haben, dass sie sich voller Reue von Phileas lossagten und ihn gemeinsam mit den Druidai und der Macht der Quelle besiegten. Er wurde mit einem Fluch belegt und zum Tode verurteilt, doch bevor er starb, verschwand er, ohne eine Spur zu hinterlassen. Seitdem geht die Sage, dass sich seine verfluchte Seele befreit hat und weit oben im Norden im Kohinor Gebirge umgehen soll.
Viele waren während der Kämpfe gestorben oder verwundet. Unter den überlebenden Druidai war die ehemalige Geliebte Phileas’, Asklepia. Voller Reue stellte sie sich selbstlos in den Dienst der Verwundeten und heilte alle, ob Freund oder Feind. Das erschöpfte sie so, dass sie dem Tode nahe war, doch bevor sie starb, machte sie noch eine Prophezeiung: Eines Tages, wenn eine dunkle, schreckliche Zeit über diesen Ort hereinbräche, würde ihre Gabe wieder in Erscheinung treten und das Heil über die Menschen bringen.
Und die Fremden, beeindruckt von ihrer Aufopferung und ihrer Macht, taten ebenfalls einen Schwur: Freies Geleit oder das ewige Recht zu bleiben sollten die Überlebenden haben, und sie würden schützen und verbergen den heiligen Hain und das darin enthaltene Tor zur Welt der Feen.
Die meisten Überlebenden entschieden sich zu gehen. Sie zogen fort in ein fernes Land im Westen. Aus ihnen gingen die Völker Temoras und die dortige Priestergemeinschaft hervor. Bevor sie gingen, schlossen sie jedoch einen Pakt mit dem Kriegervolk: Sollte die dunkle Macht jemals wieder erstehen, würde man sie gemeinsam bekämpfen.
Das Kriegervolk blieb und gründete die Stadt Gilda. Auch einige wenige Frauen blieben und gründeten den Orden der heiligen Asklepia, den Orden der Heilerinnen, wie er heute noch existiert. Asklepias Prophezeiung wurde von ihnen bewahrt und von Generation zu Generation weitergegeben.
Viele Jahrhunderte später war Gilda zur blühenden Hauptstadt des großen Landes Morann geworden. Regiert von fähigen, starken Königen und beschützt durch ein mächtiges Heer, wuchs es unaufhörlich.
Doch irgendwann war es derart groß geworden, dass es immer schwieriger zu verteidigen war. Die goldenen Zeiten waren vorbei. Bis dato unbekannte Völker drangen an seine Grenzen vor, brachten neue Waffen, fremde Sitten und Gebräuche durch die Handelsströme ins Land. Viele Menschen reagierten auf diese Veränderungen mit Unsicherheit.
Gerade in solchen Zeiten braucht es einen starken König, der sein Volk sicher führt, doch der damalige König, Aietan, war alles andere als das. Durch den frühen Tod seines Bruders eher unfreiwillig zum Thron gekommen, war er des Regierens überdrüssig und frönte lieber dem Müßiggang, als seinen Pflichten nachzukommen. Seine Günstlinge regierten stattdessen das Reich, allen voran die skrupellosen Mönche. Ihnen gegenüber standen das Heer und die weltoffenen Händler Gildas, denen das Reich seinen Wohlstand verdankte. Seine Frau, die Königin Naluri, und der Heerführer Bajan wurden zu ihren Anführern.
Nach einiger Zeit erhielten sie einen weiteren wichtigen Verbündeten: In jeder Generation wurde ein Gelehrter aus Temora entsandt, die künftigen Könige Gildas zu unterrichten und sicherzustellen, dass der Pakt an die nächste Generation weitergegeben wird. Das war Meister Thorald. Durch die Heirat mit der Schwester der Königin fand er Aufnahme in die Königsfamilie und wurde nach dem frühen Tod seiner Frau ein treuer Freund der Königin.
Jahre später bemerkten die Priester Temoras, dass sich im Norden eine dunkle Macht zu regen begann. Phileas war wieder erwacht. Sie zogen die richtigen Schlüsse, hatten aber keine Beweise. Gleichzeitig kamen dem Heer Gildas Berichte von unheimlichen Wesen zu Ohren, halb Mensch, halb Tier, welche im Kohinor Gebirge umgehen sollten.
Meister Anwyll, der Hohepriester Temoras und alte Lehrmeister Thoralds, nahm Verbindung zu ihm auf und bat ihn, die Archive Gildas nach Hinweisen auf die damaligen Ereignisse zu durchsuchen, doch sie wurden kaum fündig.
Zu diesem Zeitpunkt wussten sie noch nicht, dass einer von Phileas’ Dienern bereits zum Rat Gildas vorgedrungen war. Er kam aus einem Kloster des Lir-Deltas, jener Region des Reiches, welche dem Kohinor Gebirge am nächsten liegt. Dieser Diener hatte dem König eine Geliebte untergeschoben, die ihn in seinem Sinne beeinflussen sollte. Ahnungslos reisten Anwyll und seine Begleiter nach Gilda, um den König an den Pakt zu erinnern und ihn dazu zu bewegen, eine Expedition in den Norden zu entsenden, um endlich Beweise für ihre These zu finden.«
Mit großen Augen hatten die Kinder zugehört. »Kommen jetzt die Königskinder? Thea, Phelan und Noemi? Und Currann?«, fragten sie.
Die Großmutter lachte. »Oh ja.«
Die Kinder kicherten. »Weiter, Großmutter! Ach bitte!«
»Also gut, ihr kleinen Räuber«, sagte die alte Frau warm. »Die Königskinder, das sind Currann, der ziemlich nervtötende Thronfolger des Reiches, Phelan, sein jüngerer Bruder, und ihre jüngeren Schwestern Lelia und Leanna, die Zwillinge. Und natürlich, nicht zu vergessen, ihre unmögliche Cousine Althea, auch genannt Thea. Sie sind, als die Gesandtschaft in Gilda eintrifft, etwa so alt wie ihr. Althea ist zehn Jahre alt, Phelan zwei Jahre älter und Currann fünfzehn. Da die Königin und Thorald um ihr Leben fürchten, lassen sie die Königskinder möglichst unberührt von all den Zwängen und Intrigen des Königshofes aufwachsen. Ein vergebliches Unterfangen, wie ihr sehr wohl wisst. Ihnen ist schon lange klar, dass ihr bisher so behütetes Leben längst nicht so sorglos ist, wie man es sie glauben machen will. Besonders Althea und Phelan haben bereits jeden Winkel der Festung erkundet und sind Meister im Lauschen geworden.
Die Ankunft der fremden Besucher versetzt sie in höchste Aufregung. Endlich lernen sie Angehörige aus dem Volke von Altheas Vater kennen. Stellt euch vor, Thorald hat seine Tochter absolut im Ungewissen über sein Volk, seine ganze Herkunft gelassen. Schnell schließen sie Freundschaft mit dem fremden Jungen Jeldrik, der klug und belesen ist und ihnen viel zu berichten weiß von fernen Landen.
Doch dann verläuft der Besuch gänzlich anders als erwartet. Aufgeschreckt durch die Ankunft des Hohepriesters Temoras höchst persönlich, begeht Phileas’ Diener einen entscheidenden Fehler: Er beschwört die dunkle Macht seines Meisters und nimmt gedanklich zu ihm Verbindung auf.
Das erste Mal in ihrem jungen Leben hat Althea eine Vision. Sie träumt von einem Unglück mit vielen Toten. Es sind die Bilder, die der Diener von seinem Meister gesandt bekommt. Bald stellt sich der Traum als wahr heraus, als ein Bote überraschend Nachricht von genau dem Unglück im Lir-Delta bringt. Meister Anwyll ahnt, dass sie über eine seherische Begabung verfügen muss, und versucht ihren Vater zu überreden, sie zur Ausbildung nach Temora zu schicken. Doch Thorald zögert. Er will sie nicht ohne Weiteres den Temorern überlassen, weil er einst nicht im Guten von ihnen gegangen ist. Später nimmt Meister Anwyll ohne Thoralds Wissen Fürst Bajan einen Schwur ab, Althea unter allen Umständen sicher nach Temora zu bringen, und er bittet sie, alle ihre Träume aufzuschreiben und an ihn zu senden.
Der Rat Gildas beschließt, eine Expedition unter der Führung Fürst Bajans und unter Beteiligung der Temorer in den Norden zu entsenden, den Unglücklichen dort zu helfen. Thorald und Meister Anwyll aber verschweigen tunlichst ihren Verdacht über das Erstarken der dunklen Macht, zu gut kennen sie das Misstrauen der Gildaer gegenüber derartigem fremden Wissen. Selbst der weltoffene Bajan mag ihnen nur schwer Glauben schenken, als sie ihn einweihen.
Die Expedition bietet der intriganten Geliebten des Königs eine nie da gewesene Möglichkeit, in die Herrschaftsfolge einzugreifen. Sie bringt den König dazu, seinen Ältesten mit auf Reisen zu schicken. Ist Currann erst aus seiner gewohnten Umgebung gerissen, so hofft sie wohl, könnte sie ihn leicht beseitigen lassen.
Im Norden angekommen, finden die Männer eine Stätte der Verwüstung vor. Eine riesige Schlammflut hat das gesamte Lir-Delta ausgelöscht. Niemand ist mehr am Leben, alle Spuren sind vernichtet. Sie wollen schon unverrichteter Dinge zurückkehren, als plötzlich ein wahnsinniger Mönch auftaucht und einen Mordanschlag auf Currann verübt, der ihn fast das Leben kostet. Nur Dank Jeldriks Eingreifen überlebt er knapp, und beide Jungen gehen gezeichnet daraus hervor. Es soll Jeldrik für immer mit den Königskindern verbinden.
In Gilda freuen sich Althea und Phelan unterdessen zu früh über Curranns Abwesenheit. Selbst Altheas gutmütiger Vater hat erkannt, dass ihm die Erziehung über die beiden zu entgleiten droht. Deshalb wird Phelan zur Ausbildung in die Heerschule geschickt, und Althea soll mit ihren jüngeren Cousinen Lelia und Leanna unterrichtet werden. Doch Lelias Sticheleien – mit ihr hatte sie sich noch nie verstanden – lassen sie sehr schnell rebellieren. Die Königin verliert die Geduld mit ihr und bringt sie zu den Heilerinnen der Stadt. Überraschenderweise, am allermeisten wohl für Althea selbst, geht sie völlig in der neuen Aufgabe auf. Sie spürt bereits jetzt, dass es ihre Berufung ist, Heilerin zu werden, und verändert sich sehr, wird ernster und ruhiger. Na, kommt euch das bekannt vor?«, unterbrach sich die alte Frau und zwinkerte insbesondere der Unruhestifterin unter der Schar zu. Diese lachte, und die alte Frau fuhr fort:
»Trotzdem unternehmen Phelan und Althea ausgedehntere Streifzüge denn je, ohne dass jemand etwas davon ahnt. Durch einen Zufall stolpern sie über eine Geheimtür und finden dahinter uralte Gänge innerhalb der Festung. Sie machen sich daran, heimlich die Mitglieder des Hofstaates zu beobachten, und lernen dabei sehr schnell die Schattenseiten des Hofes kennen. Unter der Knute der Haushofmeisterin müssen Waisenkinder hart schuften. Sie befreien die taubstumme Waise Noemi schwer verletzt aus ihren Fängen und bringen sie zu den Heilerinnen, wo sie fortan leben wird. Sie wird Altheas beste Freundin.
Bei seiner Rückkehr merken Althea und Phelan Currann sofort an, dass etwas Ernstes geschehen ist. Niemand will ihnen etwas sagen, doch die Tatsache, dass Currann und Fürst Bajan umgehend vor den König zitiert werden, spricht für sich. Althea und Phelan lauschen wieder einmal und hören, dass er von einem Wahnsinnigen fast ermordet wurde und gezwungen war zu töten. Deshalb ist er so verändert. Und wie er Althea mit Blicken verfolgt! Currann ahnt etwas von ihrem heimlichen Tun, da sind sich Althea und Phelan sicher. Sie beschließen, sich noch viel mehr vor ihm in Acht zu nehmen und ihre Streifzüge besser zu verbergen.
Diese neuen Schliche führen sie zu einer noch gefährlicheren Entdeckung: Tief versteckt in den Gängen finden sie ein merkwürdig schimmerndes Tor. Es ist jenes, das die Eroberer einst verborgen hatten. Voller Neugier öffnet Althea es und trifft auf ein fremdes Wesen, einen Feenjungen, der sie eindringlich vor dem Todesring warnt, der das Tor beschützt. Erst da bemerkt sie, dass Phelan von einer tiefen, alles Leben auslöschenden Schwärze umgeben ist und sich nicht mehr rührt. Bei dem Versuch, ihn zu retten, entdeckt sie heilende Kräfte in sich, erweckt durch die Berührung mit der anderen Welt. Sie kann Phelan befreien und zu den Heilerinnen bringen. Es ist für Phelan die Rettung im letzten Moment, er ist dem Tode nahe.
Currann ist natürlich sofort misstrauisch. Wie kann Phelan, eben noch todkrank, plötzlich geheilt sein? Er ist überzeugt, dass sie etwas sehr Gefährliches angestellt haben, und stellt Althea voller Wut zur Rede. Doch sie schweigt und merkt, dass sie ihm regelrecht unheimlich ist. Er ahnt ja nicht, dass sie Angst hat wie noch nie zuvor. Phelan hat sie eindringlich beschworen, ihre Entdeckung zu verbergen. Wer wird ihnen schon glauben? Fortsperren würden die Erwachsenen sie und bei dem Versuch, das Tor zu untersuchen, umkommen. Außerdem liefe Althea Gefahr, als Hexe angeklagt zu werden, wenn man ihre Kräfte entdeckte, und ihr wisst, das ist keine leere Drohung.« Die Kinder schluckten trocken und nickten.
»Curranns Aufnahme als Offiziersanwärter ins Heer verschafft ihnen eine Atempause. Bald hat er treue Kameraden um sich geschart und lernt ganz neue Seiten seiner Stadt kennen, besonders das Mädchen Siri, mit dem er Freundschaft schließt und in das er sich verliebt. Da geraten die Spielchen der beiden nur allzu leicht in Vergessenheit.
Bis Altheas Träume wieder einsetzen, und das grausamer denn je. Ein Mann wird furchtbar gequält, ein Ratsherr von einem Wahnsinnigen ermordet. Althea versucht, den Ratsherrn zu retten, und wird dabei von Fürst Bajan entdeckt. Er wird nun endgültig zu ihrem Beschützer, und da sie wissen, dass der Täter nur ein Opfer ist, bittet er sie zu versuchen, ihn durch ihre Gabe zu heilen. Dabei kommt sie das erste Mal wirklich mit der dunklen Macht in Berührung und ist fortan in der Lage, Phileas als Geist zu sehen. Sie träumt, dass er sich ein grausames, unsichtbares Wesen schafft. Da zweifelt sie an ihrem Verstand und fürchtet, langsam wahnsinnig zu werden. Die Erwachsenen stehen dem allen hilflos gegenüber. Sie können ihre Erlebnisse nur Meister Anwyll schildern und hoffen, dass er ihnen hilft, sie zu verstehen.
Das Attentat hat schwere Folgen. Die Mönche im Rat beschuldigen Bajan, seine Pflichten als Heerführer vernachlässigt zu haben. Sie entziehen ihm die Macht über die Festung und setzen eigene Wachen ein, die bald Angst und Schrecken verbreiten. Fortan ist die Königin von Feinden umgeben, und die Erwachsenen überlegen fieberhaft, was sie tun können. Sie greifen zu einem Mittel, das sich der ehrenvolle Bajan niemals hätte träumen lassen: Er begeht Hochverrat. Heimlich lässt er seine treuesten Untergebenen und Curranns Kameraden auf den jungen Thronfolger vereidigen. Zudem finden sie treue Verbündete bei den Heilerinnen, die fest zur Königin stehen. Unter ihnen ist Meda, die von ihrer Ordensvorsteherin entsandt wird, Bajan bei der Behandlung des todkranken Attentäters zu unterstützen. Sie wollen herausfinden, wer wirklich hinter dem Attentat steckt. Bald wird die anfängliche Hochachtung zwischen ihnen zu einer tiefen Freundschaft, die sie beide zutiefst beunruhigt, und es kommt, wie es kommen muss: Sie verlieben sich ineinander, allen Regeln zum Trotz, die insbesondere Medas strenges Ordensleben bestimmen. Zu dem Zeitpunkt wissen sie es noch nicht, aber das wird die Rettung der Königskinder sein.
Die Mühe der beiden bleibt indes vergebens. Der Attentäter wird zum Tode verurteilt. Zu seiner Hinrichtung schleichen sich Phelan und Althea trotz strikten Verbotes in die Stadt. Eine tödliche, von dem Diener ausgelöste Panik bricht aus, nur knapp entkommen sie dem Unglück und werden obendrein von Bajan und Currann erwischt. Dieser findet seinen Verdacht bestätigt, dass sie alle hintergehen, und erreicht in seinem Zorn, dass sie getrennt werden. Sie dürfen sich nicht mehr sehen. Und, was hättet ihr getan?«, fragte die alte Frau in die Runde.
»Ich hätt’ mich davongeschlichen und ihn trotzdem gesehen!«, rief die Unruhestifterin aus.
Die alte Frau lachte. »Genau so ist es. Althea ist nun ihres einzigen Vertrauten beraubt, und sie braucht Phelan, das könnt ihr mir glauben. Sie treffen sich heimlich nachts, und Phelans kleine Schwester Leanna wird zu ihrer heimlichen Botin. Über diesen Dienst entzweit sie sich endgültig mit ihrer Zwillingsschwester Lelia, was noch böse Folgen für sie alle haben soll.
In den Nächten nehmen ihre Beobachtungen ein ganz anderes Ausmaß an. Die Geliebte des Königs verabreicht ihm heimlich eine Droge, damit er nicht mehr handlungsfähig ist. Sie trifft sich zudem mit einem unbekannten Mann, an dem Althea die dunkle Macht spürt. Doch erst, als Althea einen uralten Text vom Fall der Druidai findet und Phelan von den Erwachsenen in den Pakt eingeweiht wird, begreifen sie, was das alles zu bedeuten hat: Althea ist eine Druidai, in ihr erfüllt sich die Prophezeiung vom Wiedererstarken der bösen Macht, und der Unbekannte ist Phileas’ Diener und steckt hinter den Vorkommnissen bei Hofe. Er will die Herrschaft an sich reißen und die Königsfamilie auslöschen.
Hilflos müssen sie zusehen, wie der Diener in immer schnellerer Folge zuschlägt. Althea erlebt alles in ihren grauenhaften Träumen mit, aber ihre Warnungen kommen häufig zu spät. Durch eine vom Diener eingefädelte Intrige wird Heerführer Bajan entmachtet. Als sie Currann vor einem Mordanschlag bewahrt, kommt dem Diener der Verdacht, dass es in ihrer Familie jemanden gibt, der ihn aufspüren kann, und auf wen anderes sollte sich sein Verdacht richten als auf Thorald, den temorischen Gelehrten? Im Traum stellt er eine Falle auf und schafft es, Althea bis zu ihrem Zuhause zu verfolgen. Voller Furcht darüber, dass ihr Vater sie überstürzt fortbringen könnte, verschweigt sie dies. Sie will in der Nähe ihrer Cousins bleiben, um sie zu schützen. Currann begreift nun endlich, dass sie furchtbare Angst vor etwas hat, doch anstatt zu warten und sich als Helfer anzubieten, geht sein Jähzorn mit ihm durch. Er zwingt sie, vor den versammelten Erwachsenen zuzugeben, dass sie jetzt entdeckt ist.
Altheas Befürchtung bewahrheitet sich: Ihr Vater trifft hastige Vorbereitungen für ihre Abreise. Der Diener ahnt, dass sie ihm im letzten Moment entkommen könnten, und verübt einen Giftanschlag auf Thorald. Nur dank Altheas heilender Kräfte gelingt es, Thorald zu retten. Dabei wird sie jedoch gesehen und an die Mönche verraten.
Auf eine solche Gelegenheit, die Königin und ihre Getreuen in Ungnade zu bringen, haben diese schon lange gewartet. Sie melden dem König einen Fall von Hexerei. Thorald und die Königin werden vor ihn gebracht. Althea kann sich zunächst mit der Hilfe Leannas verbergen, aber Lelia verrät sie, und sie wird mit Leanna vor den König getrieben, verhört, geschlagen und gequält. In einem Akt der Verzweiflung nimmt Thorald alle Schuld auf sich und schafft es, die gesamte Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Althea kann mit Leanna entkommen.
Alarmiert von ihrer taubstummen Freundin Noemi finden Currann und Phelan die Mädchen. Erst jetzt überwindet sich Currann, versöhnt sich mit Althea und schließt Waffenstillstand mit seinem Bruder. Sie fliehen zu Bajan, der seit seiner Entmachtung im Verborgenen über die Königskinder wacht. Mit der Hilfe von Meda, die inzwischen seine Geliebte geworden ist, will er sie fortbringen, aber Leanna weigert sich zu gehen, sie will in der Nähe ihrer Mutter bleiben. Noemi wiederum mag sich nicht von Phelan und Althea trennen, daher greifen die Mädchen in ihrer Not zu einem Tausch. Leanna verbirgt sich unter Noemis Namen bei den Heilerinnen. Den Übrigen gelingt mit Hilfe von Bajan und Curranns Kameraden die Flucht aus der Stadt.
Doch dabei werden sie entdeckt. Die Soldaten der Mönche nehmen die Verfolgung auf. Todesmutig wirft sich Currann mit seinen Kameraden ihnen entgegen. Bajan entkommt mit Phelan, Althea und Noemi geht einem ungewissen Schicksal entgegen.
Und nun sind sie auf der Flucht, in der kargen Steppe, ohne Wasser, ohne Nahrung, ohne Schutz.«
»Und nun?«, wisperten die Kinder atemlos.
»Und nun .. geht es ab ins Bett. Morgen erzähle ich weiter.« Die alte Frau erhob sich und machte damit jedem Protest ein Ende.
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