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Kapitel 2
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Sechstes Frühjahr nach der Flucht
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Althea konnte nicht schlafen, warum, das wusste sie nicht. Eine seltsame Unruhe hatte sie erfasst, es war wie damals vor dem großen Sturm. Irgendetwas würde geschehen, das spürte sie geradezu in ihren alten Knochen, wie ihre alte Beschützerin Chaya sagen würden. Also saß sie auf der Steinplatte am Bach und wartete, weil sie es drinnen in der Hütte nicht aushielt.
Es war eine kühle Frühjahrsnacht. Sie hatte sich fest in ihren Umhang gewickelt und zusätzlich noch ein Fell zum Sitzen mitgenommen, damit sie nicht fror. Der Winter war milde zu Ende gegangen und hatte einem warmen, regenreichen Frühling Platz gemacht, der die Menschen hoffnungsvoll stimmte, dieses Jahr eine gute Ernte einfahren zu können, aber die kalten Nächte ließen noch immer den Winter nachspüren.
Die Menschen hatten eine gute Ernte bitter nötig nach dem vergangenen schlechten Jahr. Althea wollte ihnen nicht die Hoffnung nehmen und sagte nichts dazu, wie meistens, wenn das Gespräch auf die Zukunft kam. Ihre Schweigsamkeit war außer Noemi niemandem aufgefallen, die ihre Freundin mit dem einen oder anderen besorgten Seitenblick bedachte. Althea wusste, dass sie ihr und den anderen irgendwann eine Erklärung schuldig war, und ihr graute vor diesem Augenblick.
Althea hob den Kopf. Sie lauschte, spürte etwas auf sich zukommen in der Nacht. War es ein weiterer Traum in einer langen Reihe? Der Diener war viel unterwegs und sehr rege, sie spürte ihn von den unterschiedlichsten Orten aufsteigen. In regelmäßigen Abständen holte ihn sein Meister, zur Untätigkeit in den eisigen Weiten des Nordens verdammt, zu sich, um ihn zu befragen. Über die Beschlüsse der Clansführer und vor allem, ob er ihr weiter auf die Spur gekommen war. Nichts konnte der Diener seinem Meister berichten, und deshalb bekam er jedes Mal SEINEN Zorn zu spüren.
Ihr Gefühl hatte sie nicht getrogen. Diesmal streifte er sie nur im Vorbeifliegen, aber selbst das reichte, dass sie einfach umfiel. Sie rasten zu jenem Ort, an den ER sie auch schon die ganze Male vorher gerufen hatte. Althea blickte sich beunruhigt um. Der Schnee taute langsam fort, SEINE Wesen waren bereits wieder als kleine Hügelchen zu erkennen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie erwachten.
Der Geist begann wie in jedem Traum, den sie diesen Winter über gehabt hatte. ›SPRICH, HAST DU DAS MÄDCHEN ENDLICH GEFUNDEN?‹
Und wie immer antwortete der Diener geschlagen: ›Nein, Meister.‹
Und wie immer ließ der Geist ihn einen zornigen, eisigen Schlag spüren, der ihn auf den Boden schickte. ›DU NICHTSNUTZIGER KLEINER WURM! VERMAGST NICHT DAS GERINGSTE AUSFINDIG ZU MACHEN. HAST DU MIR WENIGSTENS EINEN NEUEN DIENER GESCHAFFEN?‹
›Mmmeister, nein, ich.. es wurde noch ein Bruder ausfindig gemacht und nach Temora gebracht. Es war derjenige, den ich als Letztes auserwählt hatte, zu dir zu kommen..‹
Zornig fuhr der Geist ihn an. ›DU HAST EINE SCHLECHTE WAHL GETROFFEN!‹
›A..Aber, Meister.. etwas war sehr merkwürdig. Er hat sich so verborgen, wie ich es ihn gelehrt hatte und.. aaahh!‹ Der Geist hatte ihm einen peitschenden Schlag versetzt, der auch Althea bis ins Mark traf. ›Er.. er hat niemanden etwas sehen lassen, da bin ich sicher, und trotzdem kamen nach einiger Zeit die Priester und nahmen ihn gefangen. Einfach so. Es war kein Bote aus der Siedlung nach Temora gesandt worden, sie kamen von sich aus. Ich weiß nicht, wie sie das herausgefunden haben.. die Siedlung ist sehr weit von Temora entfernt und ich..‹
›SCHWEIG!‹, donnerte Phileas. Er schien sich etwas zurückzuziehen und zu rufen.
Althea machte sich ganz klein, damit die beiden ihr vor Angst hämmerndes Innerstes nicht spürten. Wie jedes Mal war sie starr aus Furcht, dass Phileas sie wie schon einmal entdecken könnte. Die blaue Hand war immer noch allgegenwärtig.
Hinter den Bergen wurde es merklich heller, kalte, blaue Lichter stiegen auf. Es erschienen die anderen sechs Geister und scharten sich um sie. Phileas schien mit ihnen zu beraten, sie konnte es nicht hören, nur spüren konnte sie die Gedanken, die zwischen ihnen hin- und herflogen, wie einen kalten Strom.
Was hatte ER vor? Altheas Innerstes zog sich noch mehr zusammen vor Furcht. Etwas war anders als vorher. Seit wann hatte es Phileas nötig, sich mit SEINEN Geistern zu beraten und das auch noch den Diener sehen zu lassen?
Schließlich wandte ER sich wieder zu dem Diener um und näherte sich ihm, bis dieser förmlich gelähmt von der nahen Kälte war. ›GANZ GLEICH, WAS WIR AUCH UNTERNEHMEN, SIE SIND UNS IMMER AUF DEN FERSEN. DAS LÄSST FÜR MICH NUR EINEN SCHLUSS ZU: ES IST JEMAND IN DEINEM LAND, DER UNS SPÜREN KANN, UND DU BIST NICHT IN DER LAGE, DAS ZU BEMERKEN!‹
›Aber.. aber Meister..‹ Furchtsam kroch der Diener zurück, und auch Althea duckte sich in Erwartung eines Schlages.
Doch nichts geschah. Phileas schien anzuschwellen. ›ES ERINNERT MICH AN ETWAS! JA! ES ERINNERT MICH AN ETWAS!‹ Und ER wandte den Kopf. ER begann zu rufen, und kurze Zeit später schwebte die wohlbekannte Gestalt des Maskierten zu ihnen heran. Althea schwante Böses, doch sie konnte sich nicht befreien, nicht ohne dass Phileas und SEINE Schergen das gespürt hätten.
›Meister, du hast mich gerufen?‹ Der Maskierte verneigte sich ehrerbietig.
›SPRICH: WIE WAR ES, ALS DU GESPÜRT HAST, DASS JEMAND BEI DIR WAR?‹
›Meister, es war ein helles, kleines Licht, das hinter mir schwebte, und ich habe es nur dieses eine Mal bemerkt, weil es versucht hat, von mir fortzukommen, und als es nicht gelang, ließ es sich treiben. Da konnte ich es nicht mehr fassen. Ich weiß nicht, wie das möglich war.‹
›EIN KLEINES, HELLES LICHT?‹ Der Geist schien sich aufzublähen, größer zu werden. Althea konnte förmlich sehen, wie sich die Gedanken in IHM überschlugen. ›DU WILLST ALSO DAMIT ANDEUTEN, DASS DU ES NUR SPÜREN KONNTEST, ALS ES SICH GEWEHRT HAT?‹
Der Maskierte neigte den Kopf. ›Ja, Meister, so war es. Deine Weisheit ist groß.‹
›UND DU BIST SICHER, DASS ES NICHT DER TEMORER WAR?‹
›Absolut, Meister. Als ich ihn gefangen hatte, trug er keinerlei derartige Macht in sich. Er konnte sich zwar schützen, aber mich nicht bekämpfen.‹
Der Geist schien wieder zu überlegen. ›Oh bitte, bitte‹, flehte Althea bei sich, ›warum schimpfst du sie nicht Dummköpfe wie all die Male zuvor und lässt das Fragen bleiben?‹ Doch ihr Flehen wurde nicht erhört.
›WAS HAST DU GETAN, BEVOR DU DIESES LICHT BEMERKTEST?‹
Althea musste sich mit aller Macht zusammenreißen, damit nicht wieder die Bilder der gequälten Frauen in ihr hochstiegen. ›Ich verschaffte mir im Geiste Befriedigung an einigen Frauen, die ich zuvor abhängig gemacht hatte‹, berichtete der Maskierte wahrheitsgemäß und legte sich plötzlich die Hand an die Stirn. ›Ja natürlich! Das muss den Träger des Lichtes so in Furcht versetzt haben, dass er sich mit aller Macht davon befreien wollte!‹
Diesmal fuhr die Wut des Meisters wie ein Peitschenschlag auf den Maskierten nieder. ›WILLST DU ETWA DAMIT ANDEUTEN, DASS DIES FURCHTERREGENDER IST ALS MEINE MACHT?‹
Althea klammerte sich an einen Hoffnungsschimmer. Ließ ER in SEINER zornigen Eitelkeit das Fragen bleiben?
›Aaahh, Meister‹, der Maskierte brach auf die Knie nieder, ›für uns Diener nicht, aber für ein kleines Mädchen.. es muss die Tochter des Temorers gewesen sein, eine andere Möglichkeit bleibt nicht. Mann kann sie nicht spüren, es sei denn, sie zeigt sich..‹
›SIE ZEIGT SICH UNS..‹ Blau umloderte IHN SEINE Macht. ER dachte nach, dachte wirklich nach, und als ER geendet hatte, geschah das, was Althea schon die ganze Zeit fürchtete: ER zog den Schluss zwischen ihr und Asklepia. ›SIE WAR ES! SIE WAR ES DIE GANZE ZEIT! SIE IST DIE TRÄGERIN DES LICHTS, SIE IST IN IHR! UND IHR HABT SIE ENTKOMMEN LASSEN!!!
›Meister, von wem redet Ihr? Ich.. ich hatte versucht.. aber.. sie war sehr geschickt und.. und.. wer weiß.. vielleicht ist sie jetzt ja auch bei uns und belauscht uns..‹ Alle, Geister wie der Maskierte, wandten sich Altheas Träger zu.
Der wich schreckerstarrt zurück. ›Nein, Meister, ich.. das kann nicht sein!‹ Althea machte sich ganz klein. Sie kreisten ihn ein. ›Meister..‹, wimmerte der Mann, doch es nützte nichts. Wie eisige Speerspitzen stießen die Geister in ihn und kehrten sein Innerstes nach außen. Es ließ Althea vor Schmerz beinahe blind und taub werden, und sie musste ihre letzte Kraft aufwenden, um den Gequälten nicht doch von sich zu stoßen.
Sie fanden nichts. Als sie endlich von ihm abließen, war er nur noch ein stöhnendes, formloses Bündel am Boden. Sie hatten ihn förmlich verbrannt und mit ihm Altheas Empfindungen. Sie konnte nur noch stumpf schauen.
›NICHTS! SIE IST NICHT HIER!‹, dröhnte Phileas und fegte in seinem Zorn in eisigen Stürmen über die verschneite Weite, gefolgt von den anderen Geistern.
›W..wwas hat das zu bedeuten?‹, wimmerte Altheas Träger.
›Offenbar ist mehr an dem Mädchen dran, als wir bisher dachten. Es trägt eine uralte Macht in sich‹, antwortete der Maskierte regungslos. Es war nicht auszumachen, ob das Schicksal seines Bruders ihm Furcht bereitete oder nicht. Er nutzte Phileas’ Abwesenheit, um auf ihn zuzutreten. ›Du musst dem Mädchen eine Falle stellen, Bruder, sonst riskieren wir SEINEN Zorn. Locke es aus seinem Versteck, so, wie ich es getan habe.‹
›Das war aber nicht dein Plan, sondern Zufall gewesen‹, dachte Althea und kam mit diesem Gedanken wieder zu sich. Eitel war auch er.
Ihr Träger stöhnte. ›Aber wie kann ich.. ich habe nicht die Kraft wie du, kann keine anderen Menschen aufspüren. Ich brauche etwas anderes, Hinweise, eine Beschreibung. Bbbitte..!!‹, flehte er seinen Mitbruder an.
Althea kroch noch mehr in sich zusammen. Bisher hatte der Geist immer verhindert, dass sie sich untereinander berieten. Er musste zurückkehren, schnell! Warum tat er es nicht?
Der Maskierte hockte sich zu ihm und blickte mit dunklen, kalt blitzenden Augen auf seinen Mitbruder herab. Er verachtete ihn wegen seiner Schwäche, das war deutlich zu spüren. ›Du willst eine Beschreibung von ihr?‹, fragte er lauernd.
Wo blieb Phileas? Althea blickte sich hektisch um, doch dessen kaltes Leuchten war weit entfernt. Komm zurück!, war sie versucht zu rufen, ernsthaft versucht. Aber es war zu spät. Der Maskierte sprach weiter: ›Nun, gut, dann bekommst du sie. Als sie aus Gilda floh, war sie elf, vielleicht zwölf Jahre alt. Sie hat dunkle Haut wie eine Gildaerin, aber die hellen Augen der Temorer. Am auffälligsten sind ihre roten Haare. Die kann sie gewiss nicht verbergen.‹ Althea krümmte sich.
›Und ihr Name?‹
›Nein, nein, neiiin!‹, rief sie innerlich.
Der Maskierte schnaubte. ›Den wird sie kaum benutzen, aber bitte: Sie heißt Althea.‹
›Althea..‹
Wo blieb nur Phileas? Sie spürte, wie es in ihrem Träger zuckte.
›Was ist, Bruder?‹, fragte der Maskierte. Das Leuchten kam wieder näher.
›Es gibt dort jemanden, ein Mädchen.. ich bin mir nicht sicher..‹
›Beschreibe sie mir..‹
›Das kann ich nicht, ich habe sie noch nie gesehen, nur gehört habe ich von ihr..‹
Aber bevor Altheas Träger weitersprechen konnte, waren die blauen Lichter heran. ›WAS GIBT ES DA ZU REDEN?‹, fuhr der Geist zornig dazwischen.
›Meister, wir haben einen Plan, wie wir sie finden können‹, antwortete der Maskierte ehrerbietig.
Sein Mitbruder sah die Gelegenheit gekommen. ›Ja, so kann ich sie finden und für dich töten.‹
Zornig fuhr die eiskalte Macht Phileas’ auf sie herab. ›NICHT FINDEN UND TÖTEN, IHR DUMMKÖPFE! ASKELPIAS MACHT RUHT IN IHR, HABT IHR DAS NICHT BEGRIFFEN! WENN IHR SIE HABT, WERDET IHR SIE ZU MIR BRINGEN!‹
Althea wachte mit einem Schrei auf oder zumindest sollte es einer werden. Sie konnte nicht. Kaltes Wasser strömte ihr in den Mund, sie bekam keine Luft mehr. Gurgelnd schlug sie um sich und meinte in ihrer Panik zu ertrinken. Da wurde sie gepackt und von einem kräftigen Ruck aus dem Wasser gezogen.
»Wuff!«, dröhnte es dicht an ihrem Ohr, und gleich darauf spürte sie eine warme Zunge auf ihrem Gesicht.
Hustend und spuckend rollte sich Althea herum. Als sie blinzelnd wieder zu sich kam, erkannte sie, dass sie halb im Wasser des flachen Baches lag. Sie musste in ihrem Traum hineingerollt sein! »Oh Großer!« Dankbar griff sie nach ihm, kraulte ihm das nasse Fell und genoss seine tröstliche Wärme. Waren die anderen wach geworden? Aber nein, Chaya und Noemi waren ja heute Nacht in Vernas Siedlung geblieben, fiel ihr ein. Sie wollten bei einer Geburt helfen. Sie war allein und mit einem Mal sehr dankbar darum.
ER wusste nun unwiderruflich, wer sie war, was sie trug, und es gab keinen Weg aus dieser Erkenntnis heraus. Es brachte nicht nur sie selbst, sondern auch Chaya und Noemi, Verna und Mahin und die Kinder in Gefahr. Alle, die mit ihr in Verbindung standen. Was sollte sie tun?, fragte sie sich wie schon so oft diesen Winter. Es den anderen sagen? Aber was würden sie dann tun? Es war dasselbe, große Dilemma wie in Gilda. Sie würden sie fortbringen und wären dem Bösen dann hilflos ausgeliefert. Chaya und Noemi wären gezwungen, sich zu verstecken, und könnten nicht mehr als Heilerinnen umherziehen. Wer würde dann für sie sorgen? Nein, das durfte nicht sein!
›Ruhe bewahren, Thea‹, befahl sie sich, klopfte noch einmal den Großen und stand auf. Mit triefenden Kleidern lief sie in die Hütte zurück, schürte das Feuer und zog sich um. Es war eh bald Zeit aufzustehen. Schlaf würde sie heute Nacht keinen mehr finden.
Über all den Arbeiten, die sie jeden Morgen zu erledigen hatte, die Tiere füttern, melken und andere Dinge, kam sie langsam wieder zu sich. Wo der Diener sich auch befand, es war weit weg. Also blieb ihr noch etwas Zeit. Sie hatte nur noch eine Siedlung hoch oben in den Bergen übrig, nicht ganz einen Tagesritt entfernt, die sie prüfen musste. Vielleicht ergab es sich ja ganz von selbst, dass sie den Diener fand, bekämpfen und ein für alle Mal vernichten konnte. Entschlossen packte Althea ihre Sachen zusammen, hinterließ Chaya und Noemi eine kurze Notiz auf dem Tisch und ritt los.
Am Mittag des übernächsten Tages befand sie sich wieder auf dem Rückweg. Wie immer, wenn sie in der Gegend nördlich von Mahins Siedlung war, mied sie die große Straße und ritt auf versteckten Pfaden oder querfeldein die Küste entlang. Es war eine ihrer liebsten Strecken, wunderschön, mit herrlichen Ausblicken und versteckten, kleinen Flecken, an denen es sich gut verweilen ließ. Die besten Dinge fand man dort, wie eben eine heiße Quelle, derart versteckt, dass man sie kaum erahnen konnte. Sie war bestimmt schon ein Dutzend Mal daran vorbeigekommen, ohne sie zu bemerken.
Hier beschloss sie, haltzumachen und ein kurzes Bad zu nehmen. Der Ritt hinauf in die Berge war anstrengend gewesen, so sehr hatte sie sich beeilt, in diese Siedlung zu kommen. Doch niemand hatte die dunkle Macht getragen, ja, es war seit Wochen kein Fremder mehr dort gewesen, wie sie nach und nach beim Erzählen mit den Frauen herausgefunden hatte. Dennoch war sie gezwungen gewesen, dort nicht nur eine, sondern zwei Nächte zu bleiben, denn die Leute waren froh und dankbar, dass endlich eine Heilerin zu ihnen kam. Ihre Kiepen waren randvoll mit dem, was sie für ihre Dienste bekommen hatte.
»Wo steckst du bloß?«, fragte sie die dichten Büsche um sich herum. Ihre Stute zuckte mit den Ohren und drehte fragend den Kopf. Althea streckte die Arme zu den Seiten aus, fasste nach den Felsen und ließ sich träge in dem hüfttiefen Wasser treiben. Das warme Wasser quoll aus den Felsen unmittelbar unter ihr hervor und massierte sie ganz wunderbar. »Hätten wir doch eine solche Quelle auf unserer Lichtung«, sagte sie zu ihrer Stute. »Nie mehr Kübel für ein heißes Bad schleppen, wie herrlich!« Ihre vierbeinige Freundin schnaubte gelangweilt und wandte sich wesentlich interessanteren Dingen zu. »Ja, friss du nur, wir müssen eh bald weiter. Chaya wird mir den Hals umdrehen, dass ich so lange fort war.«
Althea seufzte. Seitdem der Diener nach ihr suchte – und sie nach ihm – waren sie nicht einmal nur im Entferntesten in die Nähe des anderen gekommen. Es war wie verhext. Es schien so, als müsste sie warten, bis alle, wirklich alle, an einem Ort zusammenkamen: beim Einheitsfest. Und damit war sie wieder bei ihren dunklen Vorahnungen.
Ihre Gedanken wandten sich wieder dem Traum zu. Wie oft hatte der Meister SEINEM Diener schon befohlen, sie zu finden und zu töten? Nun war alles anders. ER wusste, wer sie war, ER wollte sie in die Finger bekommen und mit ihrer Hilfe das Tor aufbrechen. Diese Tatsache ließ sich nicht mehr abwenden. Und der Diener.. sie fühlte, wie es immer enger um sie und ihre Freunde wurde, wie die Bedrohung zunahm.
Und dann kam ihr ein Gedanke, der sie nach Luft schnappen und ihr eiskalt im warmen Wasser werden ließ: Wenn die Menschen, die Priester wussten, dass ER sie haben wollte, dann lockte sie IHN hierher. Sie war eine Gefahr, eine Bedrohung. Man würde sie..
Althea setzte sich mit einem Ruck auf. Das durften sie niemals erfahren! Energisch tauchte sie noch einmal unter und stieg dann aus dem flachen Becken, als könne sie die Gedanken damit fortwaschen.
Langsam ritt sie weiter an der Küste entlang und nicht wieder zur großen Straße zurück, wohl auch, weil die anderen sie so oft inständig darum gebeten hatten. ›Am liebsten würden sie mich wohl fortsperren wollen‹, dachte Althea und lenkte ihre Stute um eine breite Felsengruppe herum zurück an die Steilküste. Was würden sie tun, wenn sie erst erfuhren.. Sie fuhr aus ihren Gedanken und zog die Zügel an. Ein Schiff war am Horizont aufgetaucht. Es kam von Süden, und der Größe des Segels nach zu urteilen, war es ein saranischer Winterfahrer. Mehr konnte sie auf diese Entfernung nicht erkennen.
»Jetzt schon?«, murmelte Althea. »Wie merkwürdig.« Sie ritt langsam weiter. Ein früher Festbesucher oder ein Händler, der sich nicht an Roars Gebot, in Saran zu bleiben, hielt? Oder gar.. nein, dafür war es zu früh. Das konnte nicht ihr Großvater sein, der war in den Westen gesegelt. Althea zuckte mit den Schultern und trieb ihre Stute weiter an. Spätestens heute Nacht würde sie es wissen.
»Jaah, segle du nur nach Temora und lass dich von ihnen über’s Ohr hauen!«, rief Althea dem Schiff laut entgegen, streckte ihm die Zunge heraus und freute sich an dem vielfach gebrochenen Echo in den Felsen. Wie albern sie in ihrer Nervosität sein konnte! Die Einzigen, die sie damit erreichte, waren ihre Stute und die brütenden Vögel, die schimpfend ob des Störenfriedes aufflogen. Sie lachte auf und trieb ihre Stute an.
Etliche Biegungen und Felsstürze später war sie bereits so dicht an Mahins Siedlung heran, dass sie schon den Rauch der Hütten in der Ferne erkennen konnte. Althea zügelte überrascht ihre Stute. Aber was machte das Schiff denn da? Es segelte ja gar nicht nach Temora, sondern daran vorbei und schickte sich an, einen weiten Bogen zu fahren, so, wie es alle machten, die in Mahins Hafen wollten. Bekam Bryn Besuch? Sie schnappte nach Luft. Oder vielleicht brachten sie ja Botschaft von Phelan und Bajan!
»Oh verdammt!« Althea sah sich hastig um. Vor ihr lag nur unwegsames Gestrüpp ohne nennenswerte Pfade. Das dauerte zu lange. Sie musste sich durch den dichten Wald bis zur Straße schlagen, wollte sie schnell zur Siedlung gelangen. Sie überlegte nicht lange. Die Botschaft war wichtiger als die Möglichkeit, gesehen zu werden. Noch einmal sah sie zum Schiff hinunter, und diesmal entfuhr ihr ein erstaunter Ausruf.
Es hielt jetzt direkt auf Mahins Hafen zu, sodass sie es von der Längsseite her sehen konnte. Es hatte drei Segel, das übliche, große Quersegel und noch zwei kleinere, die davor und dahinter gespannt waren. Althea hob die Hand und schirmte ihre Augen gegen das gleißende Licht auf den Wellen ab. Was war das für eine Bugfigur? Auf die Entfernung sah sie schlank aus, geringelt, fast wie eine.. Althea schnappte nach Luft. Eine Schlange!
»Nein, das kann doch nicht..« Ihr schlug das Herz bis zum Halse. War das etwa Jeldriks Schiff? Sie wollte nicht hoffen, nein, das wollte sie nicht. Bevor sie es überhaupt richtig bemerkte, schlug sie sich schon querfeldein durch die Büsche. Krachend brach sie auf einen Wildwechsel durch, der sie bis zur großen Straße brachte.
Dort angekommen, hatte sie sich wieder etwas gefangen, und die Vorsicht gewann Oberhand. Rasch prüfte sie den Sitz ihres Kopftuches und ihrer Kapuze, bevor sie ihrer Stute die Hacken in die Flanken hieb und ritt, als seien alle Geister gleichzeitig hinter ihnen her. Sie war so schnell, dass sie aus alter Gewohnheit beinahe an der Abzweigung zu Mahins Siedlung vorbeiraste. Erst im letzten Moment riss sie ihre Stute herum und bog in einer Wolke aus Staub auf den schmaleren Weg ein, nur um sie gleich darauf hart zu zügeln. Ihre Stute stieg erschrocken. Weit vor ihr war eine weitere Staubwolke auf dem Weg zu sehen, und nun hörte sie auch das Geräusch galoppierender Hufe. Wie sehr es Althea auch drängte nachzusehen, wer mit dem Schiff kam, der Instinkt, sich zu schützen, war stärker.
Hastig glitt sie von ihrer Stute und zerrte sie zwischen die Bäume. Das Tier schnaubte empört, so rüde behandelt zu werden war es nicht gewohnt. Althea zog es hinter dichte Büsche und band es fest. »Schscht!«, beruhigte sie ihre vierbeinige Freundin. Leise schlich sie sich zurück und lauschte. Wer kam da angaloppiert? Auf jeden Fall war er schnell, er ritt noch schneller als sie selbst.
Althea sah nur einen Schatten heranrasen, sah dunkle Haut, lange schwarze Haare und eine krallenbewehrte Hand, welche die Zügel schlug, um das Pferd noch mehr anzutreiben.
»Phelan!!« Der laute Schrei war heraus, bevor sie sich beherrschen konnte. Sie hörte, wie das Tier mit einem lauten Wiehern stieg, und wich in den Schatten der Bäume zurück.
Der Reiter sprang ab. Sie stolperte weiter zurück. Hastige Schritte näherten sich ihr. »Thea?«, fragte eine männliche Stimme.
Althea schlug die Hand vor den Mund. Sie konnte nichts mehr sehen, weil ihr die Tränen in die Augen gestiegen waren. Sie sah nur einen Schatten auf sich zukommen und wich unwillkürlich noch weiter zurück.
»Thea.. bitte, hab doch keine Angst, ich bin es doch nur..«
Ihr entfuhr ein Keuchen. »Ja, nur!«, brach es aus ihr hervor.
Der Schatten machte zwei schnelle Schritte auf sie zu und packte sie. »Oh Thea«, flüsterte er und nahm sie fest in die Arme. Er zerdrückte sie fast, als wolle er sie nie wieder loslassen.
Althea stand starr. Sie war vor freudigem Schreck wie gelähmt, konnte noch gar nicht glauben, dass er es wirklich war. Erst als er wieder und wieder ihren Kosenamen sagte und sie wiegte, kam sie langsam zu sich. Sie nahm vorsichtig einen ersten Eindruck von ihm auf, seinen Geruch, eine Mischung aus See, Salz, Leder und etwas, das ihr seit ihrer Kindheit vertraut war, so vertraut. Phelan eben. Er war immer noch schmal, so wie früher, und immer noch so groß wie sie, so wie früher. Althea jauchzte auf. Die wilde Freude durchströmte sie, und endlich konnte sie die Umarmung erwidern. Mit all ihren Sinnen entdeckte sie ihn wieder, spürte die Unterschiede, den kratzigen Bart, breite Schultern und einen harten, sehnigen Körper, all die Veränderungen. Es stimmte sie ein wenig traurig, dass der Junge fort und einem Mann gewichen war, den sie erst neu kennenlernen musste. Sie musste ihn spüren, ihn fühlen und erforschen, und sie tat es, packte ihn fester. Langsam begannen ihre Hände zu wandern, aber beinahe sofort spürte sie, wie er sich versteifte.
»Thea..« Er räusperte sich, löste seine Arme von ihr und schob sie von sich.
»Was..?« Althea riss überrascht die Augen auf, ihr Blick wurde klar. Vor ihr stand wirklich Phelan, älter geworden, aber doch er. Nur beiläufig sah sie die langen Haare, die verwegene Tätowierung.. seine braunen Augen waren es, die sie beunruhigten. Eben hatten sie mit Sicherheit noch warm geleuchtet, aber nun wirkten sie, als hätte er einen Schleier davor gezogen. Seine ausdruckslose Miene und das festgefrorene Lächeln auf seinen Lippen brachten sie gleich auf die richtige Spur. Etwas bereitete ihm großes Unbehagen. War sie zu weit gegangen? Sie dachte an das, was er in den Briefen an Noemi geschrieben hatte, und eine Ahnung stieg in ihr auf. Schließlich hatte auch sie sich sehr verändert, war zur Frau geworden. Althea wusste mit einem Mal, dass sie sofort herausfinden musste, wie es um sie beide stand. Um ihrer beider willen.
Sie lächelte ihn tröstend an. »Komm her..« Mit einer beruhigenden Geste umfasste sie sein Gesicht und zog ihn zu sich, sodass sie dicht an dicht standen. »Sieh mich an. Nein, sieh mich richtig an, weiche mir nicht aus«, befahl sie leise, und er konnte nicht anders, er musste es tun. Althea sah ihm fest in die Augen, durchdrang den Schleier mühelos. Sie spürte die Furcht dahinter auf und wusste, dass sie recht hatte. Es spiegelte exakt ihre eigenen Befürchtungen wieder. Sie zog ihn ganz zu sich, sodass sich ihre Lippen fast berührten und sie den Atem des anderen spüren konnten.
»Thea, was tust du..?«
»Schscht, sei still..«
Ganz nah waren sie sich in diesem Moment, als Althea ein wenig von ihrem Licht holte und zu spüren begann, so nahe, dass sie beide kaum zu atmen wagten. Sie versuchte, sich mit ihm zu fühlen, als wäre er ein fremder junger Mann, und hätte beinahe gejubelt, als die altbekannte Abwehr in ihr aufstieg. Voller Erleichterung atmete sie aus. Er war immer noch ihr bester Freund, ihr Bruder. »Hab keine Angst. So wird es zwischen uns niemals sein.«
Er zuckte zusammen, erstarrte einen Moment vor Schreck. Dann ließ er sich fallen, lehnte sich an sie und gab sich ihrem Licht ganz hin. »Wie habe ich dich vermisst..«, flüsterte er. Er schob sie von sich und schenkte ihr ein warmes, erleichtertes Lächeln. »Ich hätte es wissen müssen. Du weißt immer noch genau, was in mir vorgeht.« Seine Augen leuchteten auf, als er sie von oben bis unten betrachtete, ihre Gestalt wahrnahm, ihre Verkleidung. Sachte strich er mit den Fingern ihre Ärmel nach oben, ihren Umhang ein Stück beiseite, besah sich die dünnen, verblassten Narben, und sein Blick bekam etwas Schmerzliches.
Althea musste schlucken, sie versuchte, etwas zu sagen, und bekam keinen Ton heraus. Stattdessen lief ihr eine Träne herunter, dann noch eine und noch eine. »He, ist ja gut..« Behutsam fasste er wieder zu und zog sie tröstend in seine Arme. Althea barg ihren Kopf an seiner Schulter und ließ ihren Tränen freien Lauf. »Viel zu lange, viel zu lange.. schscht, ist ja gut.« Phelan tröstete sie und sich selbst, murmelte unzusammenhängendes Zeug, weil er seiner eigenen Gefühle nicht mehr Herr wurde. Sie hier zu haben, ganz dicht bei sich, und einen winzigen Moment nicht um sie fürchten zu müssen, überwältigte ihn.
Ein Beben lief durch Altheas Körper, sie begann zu lachen, erst lautlos, und als er mit einfiel, lachte sie lauthals heraus. Phelan packte der Übermut. »Thea, jaahh!«, schrie er und schwang sie herum. Sie drehten sich im Kreis, bis sie stolperten und lachend in das weiche Moos fielen. »Himmel, bist du schwer geworden«, ächzte er.
»Schwer? Ich?! Du hättest mehr saranische Kost essen sollen, dann wärest du größer als ich«, kicherte Althea schniefend.
Phelan pikte sie in die Seite. »Du standest auf einer Baumwurzel! Pah, ich kleiner als du? Du träumst wohl!«
Lachend fing Althea seine Hand ab und warf sich auf ihn. Wie die beiden Kinder von damals balgten sie miteinander, bis sie Phelan, den vor lauter Lachen die Kräfte verließen, mit beiden Armen am Boden festnagelte. Althea grinste spöttisch auf ihn herab. »Jetzt habe ich dich! Und du willst ein großer Kämpfer sein? Lässt dich derart schnell von einer Frau überwältigen.. fast sollte man meinen, die Heldentaten in deinen Briefen sind reines Seemannsgarn.«
»Ha!« Phelan bäumte sich auf, warf sie herum und rang mit ihr, bis sie den nächsten Lachanfall bekamen und keuchend auseinander rollten. Seite an Seite blieben sie liegen und grinsten sich glücklich an.
In Altheas Augen erschien ein übermütiges Funkeln. Betont beiläufig strich sie über Phelans Hand. »Was meinst du, großer Krieger, kommst du schneller.. an deine Waffe als ich?« Noch im Sprechen hatte sie ihr Messer gezogen, sich auf ihn geworfen und ihn erneut zu Boden gedrückt. »Jetzt bist du fällig..«, grollte sie, bewusst ihren Großvater nachahmend, und drehte ihr Messer in der Hand.
Phelan streckte ihr die Zunge raus. »Das werden wir ja..« Er riss die Augen auf, den Blick mit einem Mal auf etwas hinter ihr gerichtet.
Althea kam nicht mehr dazu, sich herumzudrehen. Eine kalte, lange Klinge legte sich an ihren Hals. »Lass das Messer fallen!«, knurrte eine raue Stimme auf Saranisch. »Na los doch. Streck den Arm nach hinten und lass es fallen!«
Althea tat langsam wie geheißen. Unter ihrer Kapuze warf sie Phelan einen fragenden Blick zu. ›Jeldrik?‹ Phelan grinste und nickte und dachte gar nicht daran, ihr zu helfen. Althea rollte mit den Augen.
»Steh auf!« Sie spürte, wie die Klinge sich etwas verlagerte. Offenbar hob er das Messer auf. »Man sollte meinen, mein Freund, dass du mit der Zeit gelernt hast, dich besser gegen..« Jeldrik stockte mitten im Satz. Er sah auf den Griff des Messers in seiner Hand herab, starrte auf das A, das dort prangte anstatt des erwarteten Ps. »Bei den Göttern!«, ächzte er.
Phelan prustete los. Die Schwertklinge an Altheas Hals verschwand. »Los, hoch mit dir!« Er schob Althea von sich, griff ihre Hand und half ihr auf.
Jeldrik stand verdattert mit dem Schwert in der versehrten Rechten und dem Messer in der Linken vor ihnen. Althea lächelte in sich hinein. Sie löste ihre Kapuze und ihr Kopftuch und schüttelte sich. Sie hätte ihn auch ohne Phelan sofort erkannt, trotz des vernarbten Gesichts, des zotteligen Bartes und der schiefen Nase. Es waren die Augen, an die sie sich erinnerte und die sie schon als Kind fasziniert hatten.
»Keine Angst, ich bin kein Diener«, sagte sie und trat lächelnd auf ihn zu. »Es ist schön, dich zu sehen. Kann ich mein Messer wiederhaben?«
Jeldriks Augen weiteten sich, und er machte einen überraschten Schritt zurück. Offenen Mundes starrte er sie an. Gleichzeitig spürte Althea, wie Phelan von hinten die Arme um sie schlang und den Kopf auf ihre Schulter legte. Er bebte vor unterdrücktem Gelächter.
»Was.. Phelan!?« Sie wandte den Kopf und brauchte nur sein breites, zufriedenes Grinsen zu sehen, um sofort bescheid zu wissen. »Du hast es ihm nicht gesagt?« Phelan prustete los. Althea schnappte nach Luft. »Du hast nicht..!?« Sie sah zu Jeldrik auf. Dessen Miene war finster geworden. Seine Augen wandelten sich so schnell zu Eis, dass es geradezu furchterregend war. Althea machte sich mit einem Ruck von Phelan los und riss ihn herum. »Du hast es ihm die ganze Zeit nicht gesagt?!«, zischte sie empört.
»N..nein!«, gluckste er und wandte bei einer Bewegung neben ihnen den Kopf. »He, Jeldrik, warte doch..« Aber sein Freund stürmte schon wutentbrannt davon.
»Wie konntest du nur!«, rief Althea. Phelan hob nur die Schultern und grinste, sehr zufrieden mit sich. Das kam Althea doch sehr bekannt vor. »Du hast auf diesen Moment gewartet, du wolltest sein Gesicht sehen.. du Schuft!«, schimpfte sie und schlug nach ihm. Gleichzeitig musste sie selbst schon wieder lachen.
»Er wird es überleben«, ächzte Phelan, weil er vor lauter Lachen keine Luft mehr bekam.
Althea verpasste ihm einen Stoß. »Das hat er nicht verdient, Phelan! Du wirst dich bei ihm entschuldigen.«
»Es sollte eine Überraschung sein«, verteidigte er sich halbherzig.
»Jaahh, das wette ich. Warte es nur ab, dir steht heute auch noch eine bevor«, sagte Althea boshaft und mit verschränkten Armen.
»Was für eine..?« Phelan merkte beunruhigt auf.
»Na, Noemi natürlich.« Er schluckte und bekam eine solch bleiche Miene, dass Althea spöttisch lächelte. »Ausgleichende Gerechtigkeit, würde ich sagen, nicht wahr? Aber bevor es soweit ist, möchte ich erst einmal Fürst Bajan begrüßen. Ihr habt ihn doch mitge.. was ist?«
Phelan war zusammengefahren. Plötzlich wirkte seine Miene besorgt, und das längst überfällige Schuldbewusstsein stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. »Das habe ich völlig vergessen! Du musst schnell mitkommen. Fürst Bajan ist krank, todkrank. Deswegen sind wir schon hier.«
»Und das sagst du erst jetzt?!« Althea rannte schon und steckte sich im Laufen Kopftuch und Kapuze fest. Keinen Moment später preschten sie beide zurück in die Siedlung, doch so eilig sie es hatten, auch diesmal vergaß Althea ihre Vorsicht nicht. Oberhalb der Siedlung zügelte sie ihre Stute. »Reite voraus, ich komme gleich nach.«
»Aber Thea, was..?«
»Geh schon. Es könnten Fremde in der Siedlung sein, ich muss zu Fuß als Thea, die Heilerin, erscheinen. Bringt ihn irgendwo hin, wo ich mich ungestört um ihn kümmern kann.«
»Er ist bei Bryn..« Phelan sah ihr verwundert hinterher und zuckte dann mit den Schultern. Sie würde schon ihre Gründe haben, die Jungenkleidung sprach ganz für sich.
Langsam ritt Phelan in die Siedlung zurück. Er fand seine Freunde noch immer am Steg bei ihrem Schiff vor, wo sie sich aufgeregt unterhielten. Nur von Jeldrik war nichts zu sehen.
»Phelan!« Eine kleine Frau mit exotischen Gesichtszügen lief ihm besorgt entgegen.
Er saß mit einer beruhigenden Handbewegung ab. »Alles in Ordnung, Rana, ich habe sie gefunden. Sie ist schon auf dem Weg zu ihm«, sagte er leise, damit die anderen Saraner es nicht hörten.
Sie schloss vor Erleichterung kurz die Augen. »Oh, gut.«
»Da fällt mir ein..« Er breitete mit einem warmen Lächeln die Arme aus. Rana lachte auf und umarmte ihn voller Freude. So schnell war er vorhin davongeprescht, dass dafür keine Zeit geblieben war.
Eine Pranke landete krachend auf seiner Schulter. »Schäkerst du etwa mit meiner Frau?«, grollte der Schmied.
»Bryn! Es ist schön, dich zu sehen«, rief Phelan. Er wurde gleich mitgezerrt, die anderen kennenzulernen, Siedlungsherr Mahin und seine Frau Verna, ihre Leute.. Jeldriks Schwester Jorid, die seit dem Winter hier lebte, begrüßte ihn mit einem verhaltenen Lächeln, was er mit einem Zwinkern beantwortete und sie in Gelächter ausbrechen ließ, dann zerrte Bryn ihn auch schon weiter.
»Pheli! Komm her, kleiner Floh!«, rief der Schmied in einen Pulk Kinder, welche die Fremden und ganz besonders Phelan neugierig beäugten. Ein kleines Mädchen mit dunklen Haaren und schrägen blauen Augen löste sich aus dem aufgeregten Haufen und kam langsam näher. »Ja, komm nur, lerne deinen Patenonkel kennen.«
›Himmel, was für ein süßes Ding!‹, dachte Phelan.
Sogleich korrigierte er es in ›rotzfrech‹, als sie ihn ohne Scheu angrinste. »Warum malst du dich denn an? Bist du sonst zu hässlich?«
»Ha!« Phelan packte sie und hob sie hoch. »Damit ich kleinen frechen Mädchen so richtig schön Angst machen kann?«
Sie kicherte. »Nee, du doch nicht!« Alle brachen in Gelächter aus.
»Was ist, kleine Pheli, stellst du mir deine Freunde vor?«, fragte Phelan. Sie nickte begeistert.
In dem ganzen Trubel bemerkte niemand die Gestalt, die in Bryns Hütte schlüpfte. Sie hatten Bajan dicht neben das Feuer auf eine Liege gebettet. Er war nicht allein, eine kleine Frau saß bei ihm. Sie erhob sich, als Althea hereinschlüpfte. »Pst!«, machte Althea und bedeutete ihr, sitzen zu bleiben.
Es verwunderte Althea etwas, dass sie den Fürsten so allein ließen, denn sie war über sein Aussehen mehr als erschrocken. Das Gesicht war eingefallen, die Lippen blau und rissig. Er wirkte so abgemagert, grau und schattig, dass sie ihn kaum erkannte. Wollten sie, dass niemand sie sah? Wohl eher das, dachte Althea, kniete sich an das Lager des Fürsten und fühlte nach seinem Herzschlag, aufmerksam beobachtet von der Fremden, einer Ethenierin, vermutete sie. Gesehen hatte sie noch nie jemanden aus diesem Volk.
Fast fürchtete sie, sie käme zu spät, doch sie fand seinen Herzschlag. Er war flach und sehr schnell, kaum mehr ein Flattern. »Er ist ganz schwach, hat hohes Fieber. Wie lange geht das schon so?«, fragte sie die Frau und holte ihre Kiepe heran. Diese sah sie nur an und schüttelte den Kopf. »Oh, verzeih.« Althea besann sich und wechselte ins Saranische. »Mein Name ist..«
»Althan Thoraldsfalir, Phelans Cousin, ich weiß«, nickte die Frau. »Du bist noch jung. Ich hätte dich für älter gehalten.«
»Oh nein«, Althea streifte Umhang und Kopftuch ab, »Althea Thoraldsfalan, und so jung bin ich nicht mehr.« Die Frau starrte sie an. Althea musste lächeln. »Alle nennen mich Thea. Verrätst du mir deinen Namen?«
»Ich.. nein, ich.. ob bitte, du musst ihm helfen!«, flehte sie.
Althea lächelte ihr beruhigend zu. »Das werde ich, aber erst einmal muss ich wissen, was mit ihm geschehen ist.« Während die Frau, deren Namen sie immer noch nicht kannte, stockend und vorsichtig erzählte, legte Althea die Hand auf Bajans Stirn, schloss die Augen und begann zu forschen.
»Etwas hindert ihn am Atmen. Es sitzt in seiner Lunge«, murmelte sie und musste sich zurückhalten, um nicht etwas von ihrem Licht zu holen. »Er stirbt. Geh, hole Jorid und Rana, aber niemanden sonst. Alle anderen sollen draußen bleiben«, befahl sie. Die Frau verneigte sich hastig und tat, was sie befohlen hatte.
Althea bemerkte es nicht. Sie spürte, dass sie sich beeilen musste. Kaum war die Frau fort, holte sie etwas von ihrem Licht. Mit seiner Hilfe fand sie es sofort. Seine Lunge schien förmlich untergegangen zu sein, er ertrank, so voller Flüssigkeit war sie, verklebt von Eiter und Wasser. Nur noch ein kleiner Teil war gesund und ließ Luft hereinströmen. Das, was sie bisher für flachen Atem gehalten hatte, war in Wahrheit ein letztes, gequältes Anstemmen gegen den Tod. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Das Dunkle lauerte bereits in seinem Körper, bereit, jederzeit zuzuschlagen. Sie musste sich beeilen.
Vor der Tür hatten sich Bryn und Phelan, Mahin und Verna und alle anderen versammelt und lauschten nervös dem Husten und Röcheln, das bis zu ihnen herausdrang. Jeldrik und seine Schiffsleute sahen verwundert von ihrem Liegeplatz aus zu. »Ganz schön merkwürdig hier, nicht wahr?«, raunte Oren ihm zu.
»Hmpf!«, machte Jeldrik und beobachtete es weiter aus schmalen Augen.
»Erst lassen sie Bajan einfach in der Hütte liegen und kümmern sich nicht um ihn..«
»Jaah, feiern geradezu ihr Wiedersehen..«
»..und jetzt lauern sie alle besorgt vor der Tür und würden die Hütte am liebsten stürmen, als verrecke er jeden Moment. Da stimmt doch etwas nicht«, versuchte es der Anführer der Bergwache noch einmal.
Jeldrik sagte nichts. Er ahnte ja bereits, was der Grund dafür war. Es war die Erleichterung, die sie so fröhlich hatte werden lassen. Und sie verbargen das Mädchen, alle miteinander. Also war sie jetzt bei ihm. Sie.. ohne dass er es bewusst beschlossen hätte, stürmte er vom Schiff, das Messer mit dem ›A‹ auf dem Griff fest umschlossen, und suchte sich den Unhold, dem er diese Überraschung zu verdanken hatte.
»Bei den Göttern, er stirbt«, murmelte Bryn gerade.
Phelan hinderte ihn daran, die Tür aufzureißen. »Nein, lass es! Sie weiß, was sie tut.«
»Ja, sie!«, knurrte Jeldrik sie an, packte Phelan und zerrte ihn hinter die nächste Hütte.
»Lass mich! Dafür ist jetzt nicht die Zeit!« Phelan schlug seine Hand weg. Er hatte jetzt nicht den Nerv für diese Auseinandersetzung.
»Ach, und wann ist dafür die Zeit? Wann wolltest du mir das endlich sagen?«, grollte Jeldrik wutentbrannt.
Phelan lehnte sich mit verschränkten Armen an die Hüttenwand, starrte auf den Boden und sagte nichts. Er war mit seinen Gedanken ganz woanders, das sah Jeldrik sofort und vermutete, dass es Bajan war, der ihn so beschäftigte. Ihn selbst ja auch. Sie wussten alle, dass es für den Fürsten Hilfe im allerletzten Moment war. Jeldrik merkte, wie seine Wut immer mehr hochkochte, und beschloss, sich lieber mit Arbeit abzulenken, bevor er noch seine Faust im Gesicht seines Freundes versenkte. Das hob er sich für später auf. Wütend kehrte er zum Schiff zurück und schnauzte die anderen an, endlich mit dem Entladen anzufangen.
Es dauerte lange, bis sich in der Hütte etwas rührte. Bajans Husten war schon lange Zeit nicht mehr zu hören gewesen, und sie fragten sich alle besorgt, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war, als Jorid aus der Tür schlüpfte. Sie hielt eine Schale in der Hand, bei deren Anblick sie alle bleich wurden. Die Schale war randvoll mit Eiter und Blut.
»Es geht ihm gut. Thea..«, sie stockte und sah sich rasch um, aber kein Fremder war in der Nähe, »Thea sagt, er wird es schaffen. Bryn, ich muss dies hier verbrennen. Kann ich es in deiner Schmiede tun? Rana wollte es nicht im Wohnraum machen, wegen der Kinder. Es könnte ansteckend sein.« Alle machten ihrer Erleichterung lautstark Luft.
Verna hakte sich bei ihrem Mann unter. »Komm, lassen wir ihn ruhen.« Nach und nach verstreuten sich alle.
Phelan lief zum Schiff, er wollte mit Jeldrik reden, doch der ließ ihn nicht einmal zu Wort kommen. »Hör mal..«
»Halt den Mund! Kein Wort über die Sache!«, fuhr Jeldrik ihn an.
Alle anderen wandten sich erstaunt um. »Kann mir einer von euch sagen, was hier eigentlich los ist?«, fragte Oren.
»Nein!«, riefen beide. Jeldrik machte einen drohenden Schritt auf Phelan zu. »Geh mir aus den Augen, bevor ich mich vergesse!«
Phelan trat den Rückzug an. Er kannte Jeldrik gut genug, um zu wissen, dass dieser sich erst einmal beruhigen musste. Weil er nicht wusste, was er tun sollte, schlüpfte er unbemerkt von den anderen in Bryns Hütte. Dort kümmerte sich Rana um den Fürsten, wusch und trocknete ihn und tauschte die verschwitzten Felle gegen neue aus. Althea lag etwas weiter auf der umlaufenden Schlafbank und schlief. Sie erholte sich von der kräftezehrenden Heilung. Phelan ließ sich neben ihr nieder. »Wie geht es ihm?«, fragte er leise.
Rana sah von ihren Verrichtungen auf und lächelte. »Er atmet tief und ruhig und hat kein Fieber mehr«, flüsterte sie. »Das war wirklich Rettung im letzten Moment.«
»Ihr braucht nicht so leise zu sein.« Althea schlug die Augen auf und streckte sich.
Überrascht sah Phelan sie an. »Das ging aber schnell.« Früher hatte sie nach einer solchen Heilung immer stundenlang geschlafen.
»Hmm, ich bin stärker geworden.« Sie gähnte und rieb sich das müde Gesicht.
Phelan fühlte einen wehmütigen Stich. Es gab so vieles, was die Briefe nicht hatten ersetzen können, so vieles, das er nicht wusste. Er wandte den Blick ab und bemerkte: »Er sieht schon viel besser aus.«
Althea konnte er damit jedoch nicht hinters Licht führen. »Was ist mit dir, hm?«
Phelan senkte den Kopf. »Ich fühle mich betrogen«, gab er zu. »Es gibt so viel, was ich von dir nicht weiß..«
»He, ist ja gut.« Sie richtete sich auf und strich ihm tröstend über die Wange. »Bis zum Einheitsfest haben wir jede Menge Zeit, das zu ändern. Ich habe dir so viel zu erzählen.«
»Jahh, ich auch, nur.. ähm.. ich fürchte.. nun..«
»Oh, ich weiß schon«, lachte sie. »Komm, es wird Zeit. Ich zeige dir jetzt, wie du ungesehen aus dieser Siedlung zu unserer Hütte gelangen kannst.« Sie sprang auf und packte rasch ihre Dinge zusammen. »Rana, lass den Fürsten schlafen, das ist das Beste im Moment für ihn. Wenn er aufwacht, gib ihm etwas dünne Brühe und den Tee zu trinken, mehr verträgt er noch nicht. Und mach dir keine Sorgen. Es geht ihm gut.«
Ihre Freundin lächelte erleichtert. »Wenn du das sagst.. kommst du nachher wieder?«
Althea grinste. »Natürlich, so schnell ich kann. Aber nun.. haben wir noch etwas Wichtiges zu erledigen.« Sie streckte Phelan auffordernd die Hand hin. Er schluckte und ließ sich willenlos mitziehen.
»Thea!« Auf dem Weg aus der Siedlung rief Verna sie leise an. Sie schlüpfte hinter einer Hüttenecke hervor. »Kannst du Noemi bitten, mir heute noch die Seife zu bringen? Jemand von Amins Leuten hat sich angekündigt.«
Phelan entging nicht, wie Altheas Hände wie von selbst an die Kapuze fuhren und deren Sitz prüften. Es war wie ein Reflex. »Ist gut, ich sage es ihr.«
»Ihnen willst du nicht begegnen?«, hakte Phelan nach, als sie Altheas Stute holten.
»Nein, auf keinen Fall. Sie haben zu viel Verbindung zu Großvater, sie würden sofort erkennen, woher ich stamme. Glaube mir, es ist besser so.«
Phelan sagte dazu nichts, aber innerlich begann er sich zu fragen, ob sie nicht in weitaus größerer Gefahr schwebte, als sie es in ihren Briefen zugegeben hatte. Ihre Handlungen, ihre Verkleidung, all das sprach ganz dafür.
Althea führte ihn über versteckte Heckenwege hinein in den Bannwald. Dabei sprachen sie kein Wort. Sie mussten sich erst einmal wieder aneinander gewöhnen, brauchten Zeit. Sie spürten es beide und hatten die kostbare Gelegenheit, einander Zeit zu geben, nicht zu drängen. Stumm genossen sie es, sich wiederzuhaben, und liefen Hand in Hand.
Je näher sie ihrer Lichtung kamen, desto nervöser wurde Phelan. Bald kündigte das Bellen des Großen sie an. Phelan hatte zwar schon von ihm gelesen, aber dass er so riesig war.. »Himmel, was ist das denn für ein..« Da wurde er auch schon von den Füßen gerissen und gründlich abgeschleckt.
Althea lachte aus vollem Halse. »Scheint so, als kenne er dich bereits. Runter, Großer, lass von ihm ab!«
»Wuff, Wuff!« Der Hund drehte begeisterte Kreise um sie, als wüsste er, warum Phelan gekommen war. Phelan zögerte nun ernsthaft, die dichte Hecke zu durchschreiten, bekam sogar weiche Knie.
Althea lächelte ihn wissend an. »Komm.« Sie streckte die Hand aus, und Phelan ergriff sie wieder nach kurzem Zögern. ›Noemi!‹, rief sie in Gedanken. ›Wo steckst du?‹
›Oh, du bist wieder da! Endlich, wir hatten uns schon Sorgen gemacht!‹, hallte es ihr erleichtert entgegen. ›Ich bin hier hinten im Anbau.. gut, dass du kommst. Du kannst mir beim Einpacken helfen, sonst werde ich nicht fertig.‹
Althea zwinkerte dem zögernden Phelan zu und zerrte ihn mit sich. »Nun komm schon.«
»Thea.. nein.. ich.. warte!«
Doch sie kannte kein Erbarmen, und er hatte keine Kraft, sich gegen ihren starken Griff zu wehren. Eigentlich wollte er es auch gar nicht. In Wahrheit wusste er nicht, was er wollte. Er konnte nur daran denken, dass er gleich..
Althea umrundete mit ihm im Schlepptau die Hütte. Als sie hinten herumkam, sah sie gerade einen Schatten im Stall verschwinden. »Noemi!«, rief sie laut und in Gedanken und schob Phelan vor sich.
›Ach da bist du. Wieso kommst du..?‹ Noemi brach mitten im Gedanken ab und schrie auf. Der Korb fiel ihr aus den Händen, Seifenstücke purzelten zu Boden. Sie bemerkte es nicht. Mit weit aufgerissenen Augen machte sie einen erschrockenen Schritt zurück in das Halbdunkel des Stalles.
»Noemi..« Phelans Stimme krächzte, als er langsam auf sie zuging. Dass er dabei dem einen oder anderen Seifenstück den Garaus machte, merkte er gar nicht.
Althea beobachtete ihn wachsam. Phelan machte eine unsichere Bewegung mit den Armen, als traue er sich nicht so recht näher heran. Keine Gefahr für Noemi, er würde nichts Unbedachtes tun, dachte Althea und war erleichtert. ›Lächle‹, sandte sie ihrer Freundin einen Gedanken, ›schenke ihm ein Lächeln. Er hat genauso viel Angst wie du.‹ Sie wusste nicht, ob ihre Freundin sie gehört hatte oder ob sie es von selbst tat. Noemi begann zu lächeln, erst vorsichtig, dann schenkte sie ihm ein strahlendes Lächeln.
Erleichtert stieß Althea den angehaltenen Atem aus und wandte sich ab, um die Seife aufzuheben. Sie wusste auch nicht, weshalb sie meinte, dass er eine Gefahr für Noemi sein könnte und sie ihre Freundin beschützen müsste. Darüber dachte sie verwundert nach, während sie ihre große Kiepe leerte, sorgfältig die Gaben der Menschen in der Vorratskammer verstaute und sie mit Noemis Seife wieder auffüllte.
Ihr großer Tisch war voller Stapel mit den verschiedenen Sorten. Den ganzen Winter schon stellte Noemi her, was sie nur konnte, und verpackte jedes einzelne Stück in kunstvoll bestickte kleine Säckchen, welche die Frauen in Vernas Siedlung genäht hatten. Es passte längst nicht alles in Altheas Kiepe, die sie randvoll packte und mit einem leisen Ächzen auf den Rücken wuchtete.
Bevor sie ging, konnte sie nicht widerstehen, einen kurzen Blick in den Stall zu werfen. Aus Sorge, aber auch aus Neugier. Noemi saß im Stroh. Phelan hatte den Kopf in ihrem Schoß vergraben, und sie strich ihm beruhigend über den Rücken. Sie sah auf, als sie den Blick ihrer Freundin auf sich spürte, und schüttelte leicht den Kopf. Althea zog sich lautlos zurück. ›Wir sehen euch später bei Bryn und Rana..‹
›Ist gut..‹, hallte es hinter ihr her.
Nachdenklich lief Althea mit ihrer schweren Last los. Dieser Anblick war ihr allzu gut von Tavar, von Galvin und nicht zuletzt von ihr selbst bekannt. Sie alle hatten das Bedürfnis, bei Noemi Trost zu suchen, aber was war mit Noemi selbst? Dachten sie jemals daran, wie es für Noemi sein musste, all das, was sie belastete, aufzufangen? Phelan ganz sicher nicht, so viel konnte sie jetzt schon sagen. So sehr hatte er sich nicht verändert. Vermutlich ahnte er nicht einmal, wie tief Noemis Gefühle für ihn waren. Nun, sie würde ihm schon bescheid stoßen, wenn Noemi es nicht von selbst tat.
Ungesehen gelangte sie in die Siedlung und schlüpfte in Vernas Küche. Sie sah gleich, dass Fremde da sein mussten, denn die Tür zum großen Wohnraum war geschlossen.
»Thea!« Vernas Tochter Livie sprang an ihr hoch, sodass sie fast das Gleichgewicht mit ihrer schweren Kiepe verlor.
»Runter mit dir, du kleiner Räuber! Wo ist Verna?«, fragte sie die Großmutter, die an der Feuerstelle stand und in einem großen Kessel rührte.
»Drinnen. Amins Gehilfe ist gekommen.«
Althea merkte sofort auf. »Ach ja?«, fragte sie und setzte die kleine Livie ab.
Im Vorfelde des Einheitsfestes hatte es eine ernsthafte Auseinandersetzung zwischen Mahin und den anderen Clansherren gegeben. Jeder Clan durfte auf dem Fest einen Händler stellen. Prompt hatte Mahins ehemaliger Clansherr behauptet, Mahin und seine Leute gehörten nach wie vor zu ihm. Es ging ihm um das Gold aus dem Seifenhandel, nichts anderes. Althea sah jetzt noch Mahins vor Wut bleiches Gesicht vor sich. Er hatte natürlich Protest eingelegt, doch die Priester hatten sich geweigert, ihm Gehör zu schenken, und gesagt, sie sollten das untereinander ausmachen. Und da Mahin nicht gewillt war, sich seinem alten Clansherren unterzuordnen, hatte dieser die anderen dazu gebracht, Mahin das Handelsrecht beim Einheitsfest abzuerkennen. Er war nun gezwungen, vorher feste Mengen und Preise mit den Clansherren zu vereinbaren, was ihn um einen hübschen Gewinn brachte.
»Na, dann wollen wir doch mal lauschen, was er so will«, zischte sie und zwinkerte Livie zu. »Aber leise, pst!«
»Jahh, ganz leise..«, wisperte Livie begeistert, und Althea nahm der Großmutter jede Möglichkeit des Tadels, indem sie die Tür ein wenig aufzog.
»Ich glaube es nicht!«, fauchte Verna gerade aufgebracht. Hoheitsvoll stand sie mit ihrem dicken Bauch vor dem Händlergehilfen, der sichtlich eingeschüchtert seinen Becher in der Hand drehte. Die verschiedenen Seifensorten lagen zur Prüfung vor ihm.
»Mein Herr meint, dass ihm für diese Menge ein Nachlass zusteht.«
»Wir hatten vorher einen Preis vereinbart, und der beinhaltet bereits einen kräftigen Nachlass«, erwiderte Mahin kühl.
Eine Weile ging es hin und her. »Was machen sie da?«, wisperte Livie in Altheas Ohr.
»Sie streiten, kleiner Floh. Der Mann dort will nicht bezahlen.« Althea wurde zunehmend wütender, als sie mit anhören musste, wie Mahin langsam aber sicher in die Ecke gedrängt wurde. Der Mann schien genau zu wissen, womit er Mahin treffen konnte. Es ging um komplizierte Dinge, Handelsgeflechte, Rechte und Pflichten unter den Clans. In gewisser Weise waren sie alle voneinander abhängig, und Althea verstand einmal mehr, warum Mahin so sehr nach Unabhängigkeit strebte.
»Ich verkaufe das Zeug an die Saraner, wenn ihr eure Zusagen nicht einhaltet«, drohte Mahin zuletzt.
Damit hatte Amins Gehilfe offenbar gerechnet. Er tat gelangweilt. »Die Saraner haben kein Handelsrecht auf dem Einheitsfest, außerdem werden sie eh nicht zahlreich genug erscheinen«, trumpfte er auf.
Althea merkte auf. Woher wusste er das? Er wusste sehr gut bescheid über diese Dinge. Verna und Mahin wechselten einen raschen, ratlosen Blick, der Althea wütend machte. Sie beschloss einzugreifen, Amins Gehilfe hin oder her. »Geh zu deiner Uma, Kleines«, flüsterte sie. Sie schob Livie fort, prüfte den festen Sitz ihrer Kapuze und zog die Tür auf.
»Verna, ihr solltet es lassen.«
Alle fuhren zu ihr herum. Die Überraschung stand Mahin und seiner Frau ins Gesicht geschrieben, doch als sie sahen, dass Althea unter ihrer Kapuze nicht zu erkennen war, fingen sie sich gleich wieder.
Verna begriff am schnellsten. »Was meinst du, Maret?«, fragte sie und redete sie bewusst mit dem Namen von Mahins Schwester an.
»Hier gibt es eine Menge Frauen, die sich nur allzu gerne ein Zubrot verdienen würden«, sagte Althea und zog die Tür hinter sich zu. Sie sah, wie Amins Gehilfe die Stirn runzelte, und prüfte ihn rasch. Keine Gefahr. »Überlass es mir und den anderen Frauen, die Seife zu verkaufen.«
»Jeder Clan darf nur einen Handelsherrn stellen, Frau!«, fuhr der Mann sie an.
Althea lächelte wölfisch. »Ja, aber hier leben eine Menge Clanlose, und für die gilt es nicht. Sie haben seit jeher das Recht, dort zu handeln.« Das wusste sie von Chaya, die es ja bereits seit Jahrzehnten tat. Oft bestand das Handelsgut dieser Frauen jedoch nicht aus Waren, sondern aus ihrem Körper in der Hoffnung, doch noch einen Mann zu finden, das war die bittere Wahrheit dahinter.
»Das ist doch wohl unerheblich!« Der Mann trat einen drohenden Schritt auf sie zu.
»Das glaube ich nicht«, widersprach Verna. In aller Seelenruhe begann sie, die Seifenstücke wieder einzuräumen.
»Was tust du?!«, rief er und fuhr zu ihr herum. Althea war sofort vergessen.
»Ich räume sie fort. Maret hat recht, wir finden einen anderen Weg.«
»Aber das kannst du doch nicht machen!« Nun klang er regelrecht entsetzt. Die Angst vor dem, was geschehen würde, wenn er ohne Ware zu seinem Herrn zurückkehrte, stand ihm förmlich ins Gesicht geschrieben. »Wir hatten eine Vereinbarung!«
»Sehr richtig!«, fauchte Verna.
Mahin legte ihr den Arm um die Schultern. »Wie gut, dass du uns daran erinnerst«, bemerkte er sarkastisch. »Richte deinem Herrn aus, wenn er nicht gewillt ist, seinen Teil zu erfüllen, fühle ich mich nicht an meinen Teil gebunden.«
Der Handelsgehilfe sah seine Felle davon schwimmen. »Wir werden alle Clanlosen ausschließen!«, rief er.
»Dann kaufe ich sie dir ab«, sagte da eine andere Stimme aus einer dunklen Ecke neben der Tür. Eine Stimme mit einem übertrieben starken, saranischen Akzent. Zwei lange, in vor Alter fast schwarzem Leder gekleidete Beine erschienen in dem Lichtstreifen der Tür. Jeldrik streckte sich genüsslich und stand dann langsam auf, bis er in seiner vollen Länge über ihnen aufragte. »Ich werde das übernehmen«, knurrte er, »mich kann nichts und niemand von diesem Fest ausschließen. Ich werde auf jeden Fall zugelassen.«
Amins Gehilfe wich doch tatsächlich zurück, als er das Gesicht des Saraners erblickte. ›Er sieht geradezu grausig aus‹, dachte Althea beim Anblick der kalt blitzenden Augen und der höhnischen Miene, welche die Narbe und die schiefe und zugleich scharf geschnittene Nase noch unterstrichen. Die von der langen Fahrt verfilzten Haare und der wirre, lange Bart taten ein Übriges, um das Schreckensbild eines wilden Saraners abzugeben. Sie musste sich doch sehr zusammennehmen, um nicht zu grinsen, und beobachtete alles mit angehaltenem Atem.
»Wenn du das tun würdest, mein Freund, dann werde ich gerne auf dein Angebot zurückkommen«, dankte Mahin ihm und verschränkte herausfordernd die Arme.
Der Handelsgehilfe musste einsehen, dass er so nicht weiterkam. »Ich werde Amin berichten!«, rief er und lief grußlos hinaus. Gleich darauf hörten sie das Geräusch von Hufen, die sich rasch entfernten.
»Ich fasse es nicht!«, rief Verna empört und ging schnaufend zur Schlafbank hinüber.
»Beruhige dich. Es wird ihm zu denken geben.« Mahin half ihr besorgt, sich zu setzen. »Im Ernst, Jeldrik, war das ein Angebot?«
»Ach was!« Jeldrik winkte ab. »Aber warum überlässt du es nicht meiner Schwester? Sie wird das Zeug schon mit Gewinn verkaufen, sie hat ein Händchen dafür.« Seine Mundwinkel unter dem Bartgestrüpp zuckten, seine Augen begannen, belustigt zu funkeln.
Althea konnte nicht mehr, sie musste einfach lachen. Verna fing ihren Blick auf und prustete los. »Ha, daran wird Amin noch lange denken!«, freute sie sich.
»Sind alle Fremden fort?«, fragte Althea, und als Verna nickte, löste sie ihre Kapuze und streifte sie zurück. »Ich finde Jeldriks Einfall gar nicht so schlecht. Überlasse es Jorid. Wir teilen den Gewinn wie bisher auch und geben ihr jeder einen Anteil.«
Jeldriks freundlicher Gesichtsausdruck schwand. Er musterte sie kühl. »Auf jeden Fall beschert euch das einen stattlichen Gewinn.. Althea.« Das letzte Wort betonte er geradezu provozierend.
Sie kniff unmerklich die Augen zusammen. »Verna, ich habe die Seife mitgebracht, sie steht in der Küche.« Sie schlug ihre Kapuze wieder hoch und ging zu Vordertür. »Ich muss mit dir reden«, sagte sie im Vorbeigehen zu Jeldrik. Mit verschränkten Armen wartete sie vor der Tür, dass er hinterher kam. »Hör mal, ich kann ja verstehen, dass du böse bist, aber mein Einfall war das ganz gewiss nicht. Ich dachte, er hätte es dir längst gesagt.«
»Hmpf!« Jeldrik schlug sich eine neue Pfeife an, starrte mit zusammengekniffenen Augen in die Sonne und sagte nichts.
Althea wusste nicht, was sie davon halten sollte. Er kam ihr vor wie ein Eisbrocken, so abweisend. Dass er aber auch gar nicht auf ihre Entschuldigung einging.. »Tja.. dann sehe ich mal nach Fürst Bajan«, sagte sie. Schon im Fortlaufen drehte sie sich noch einmal um. »Ach übrigens, meine Freunde nennen mich Thea«, bemerkte sie spitz und ließ ihn stehen.
Das war ja gründlich schiefgegangen! Sie hätte Phelan erwürgen mögen. Voller Wut stürmte sie zu Bryns Hütte hinab, um nach Bajan zu sehen. Dort war es still und ruhig. Nur Rana und die Ethenierin waren bei ihm. Althea sah es mit Erleichterung. »Wie geht es ihm?«, fragte sie.
Rana sah lächelnd von seinem Lager auf. Die kleine Ethenierin schaute ihr etwas ängstlich entgegen. »Er schläft, atmet tief und ruhig«, sagte Rana. »Willst du ihn aufwecken, damit er etwas trinken kann?«
Althea hockte sich zu ihnen und fühlte seine Stirn. »Nein«, entschied sie, nachdem sie kurz die Augen geschlossen hatte. »Lassen wir ihn noch eine Weile ruhen, das ist im Moment noch besser für ihn.« Sie machte die Augen auf und sah die Ethenierin offen an. »Das muss dir alles sehr merkwürdig vorkommen«, sagte sie auf Saranisch.
Die Ethenierin warf einen vorsichtigen Blick auf Bajans zwar immer noch mageres, aber nicht mehr vom Tode gezeichnetes Gesicht und nickte vorsichtig.
»Thea ist Heilerin, eine sehr begabte noch dazu«, sagte Rana. Wieder nickte die Frau vorsichtig, als könne sie es nicht richtig glauben.
Althea ahnte, dass man ihr nicht so leicht etwas vormachen konnte, und setzte zu einer vorsichtigen Erklärung an, da erlöste sie Jorids Ankunft. »Hier ist deine Kiepe, Thea. Verna sagt, sie rechne damit, dass Amin ihrer Forderung nachgibt. Obwohl..«, sie lächelte diebisch, »ich hätte nicht übel Lust, es selbst zu versuchen. Auch wenn ich dann wieder all den Mistkerlen begegne.« Sie setzte sich zu ihnen und nahm Bajans Hand. »Stetig und gut. Das hast du gerade noch rechtzeitig geschafft, Thea.«
»Bleibt ihr bei ihm?« Althea stand abrupt auf. »Ich komme nachher wieder.« Sie spürte die fragenden Blicke in ihrem Rücken, als sie ohne eine weitere Erklärung nach ihrer Kiepe griff und hinauslief. Sie hatte auf einmal das Bedürfnis allein zu sein, so, als bekäme sie keine Luft. Draußen sah sie sich rasch um. Sie wollte nicht den fragenden Blicken der anderen begegnen oder gar Jeldrik oder seiner Mannschaft. Die Kiepe auf dem Rücken, lief sie hinauf in den Wald oberhalb der Siedlung. Irgendetwas würde sie dort schon finden.
Als sich ihre Kiepe schon merklich gefüllt hatte und die Sonne weit nach Westen gewandert war, hatte sie ihre Gedanken und Gefühle so weit geordnet, dass sie wusste, woran es lag: Wie hatte sie sich auf diesen Tag gefreut, auf das Wiedersehen mit Phelan, aber auch auf seine Hilfe in ihrem Dilemma, und nun lag alles im Argen! Sie hatte noch mehr Probleme als vorher, sorgte sich um Noemis Gemütsverfassung, Jeldrik war ernsthaft erzürnt und verachtete sie sogar, Bajan war todkrank.. sie war enttäuscht, bitter enttäuscht, und kam sich ganz allein gelassen vor.
»Thea, du dumme Gans! Sie wissen ja nichts davon!«, schalt sie sich laut und ließ ihre schlechte Laune an einem Büschel Wegerich aus. Wütend warf sie ihn in die Kiepe und ärgerte sich sogleich, dass sie die Wurzeln samt Erde ausgerissen hatte. Jetzt waren die Kräuter darunter voller Sand. »So wird das nichts!« Sie brauchte etwas Anstrengendes, eine Ablenkung, etwas wie..
Kurze Zeit später kletterte sie auf der Suche nach Eiern in den Klippen nördlich von Mahins Siedlung. Es war genau das richtige Wetter, trocken, nicht zu windig und wenig Wellen. Hier kannte sie jeden Felsen und wusste genau, wo sie nach brütenden Vögeln suchen musste. Das würde ein feines Nachtmahl ergeben! Aus ihrem Kopftuch hatte sie sich einen Beutel geknüpft, den sie jetzt nach und nach füllte.
Ihre Suche war nicht ungefährlich. Sie konnte es nur bei den Brutplätzen der kleineren Vögel tun, an solch große wie die Raubmöven und andere traute sie sich nicht heran. Die hätten sie im Nu zum Absturz gebracht, aber so störte sie sich nicht an dem aufgeregten Geflatter. Verschwitzt und etwas beruhigter kehrte sie in der warmen Abendsonne zurück zum Klippenrand.
Nur um zu entdecken, dass ihre Kiepe fort war. »Was zum..?«
»Hast du gar keine Angst herunterzufallen?«, fragte eine gedehnte Stimme aus einer Felsennische schräg oberhalb von ihr.
Althea schrie auf, fasste sich aber gleich wieder. »Himmel, hast du mich erschreckt!«, rief sie und zog sich auf den Klippenrand. »Beinahe hätte ich die Eier fallen lassen. Musstest du das tun?«, funkelte sie Jeldrik böse an.
Der blies nur mit schmalen Augen den Rauch seiner Pfeife aus. »Wenn es nur die Eier sind.. was ist mit dir selbst? Hast du gar keine Angst? Solltest du nicht lieber bei Bajan wachen, falls es ihm wieder schlechter geht?«
»Wo ist meine Kiepe?«, verlangte Althea statt einer Antwort zu wissen.
»Dort hinten, wo sie nicht abstürzen kann. Was ist?«, rief er hinter ihr her und sprang auf. »Gefallen dir meine Fragen nicht? Ich finde sie berechtigt.«
Althea riss die Kiepe förmlich an sich, obwohl sie sehr schwer war. Was sollte das? »Fürst Bajan braucht meine Hilfe nicht mehr.«
»Woher willst du das wissen?«
Sie fuhr herum, jetzt ernsthaft wütend. Ihre Augen blitzten in eisigem Grau. Dabei sah sie Regnar so ähnlich, dass Jeldrik beinahe grinsen musste. Seine Augen verrieten seine Belustigung, was Althea erst recht aufstachelte. »Soll das ein Verhör werden oder willst du dich über mich lustig machen?«
»Das war eine ernst gemeinte Frage. Warum bist du nicht bei ihm?«
»Ich sagte bereits, dass er mich nicht mehr braucht«, erwiderte Althea gereizt. Dieser spöttische Blick machte sie irgendwie nervös, sie wusste auch nicht, warum. Hastig wandte sie sich ab und verstaute die Eier vorsichtig in einer weich gepolsterten Lage aus Kräutern, damit sie nicht zerbrachen.
»Ist das wieder einer deiner.. Träume?«
Sie hielt inne. »Es stimmt«, gab sie zu und sah auf, »ich kann es spüren. Er wird wieder gesund.« Mehr wollte sie unter keinen Umständen verraten. Energisch hob sie die Kiepe auf ihren Rücken. »Ich muss jetzt zurück.«
»Thea, warte..« Er hielt sie fest.
Althea sah auf die Hand an ihrem Arm. Es war seine versehrte Rechte. Was hatte Phelan geschrieben? Egal, wie sehr er auch übte, er war und blieb Rechtshänder. Er kämpfte ja auch mit dem Schwert in der rechten Hand. Es juckte ihr in den Fingern, diese Verletzung zu befühlen und zu untersuchen, eine Regung, die völlig überraschend für sie kam. Sie schob es auf die Heilerin. Mit einem Ruck entzog sie ihm ihren Arm. »Ach?!«, fragte sie spitz und spielte damit auf ihren Kosenamen an. »Soll das etwa ein Friedensangebot sein?«
Ihre Abwehr hatte Jeldrik wohl bemerkt, aber er dachte, seine verkrüppelte Hand und die Narben stießen sie ab, wie viele andere auch. Ein wenig war er enttäuscht. Sie wollte eine Heilerin sein? Er verschränkte die Arme und verbarg unbewusst seine verletzte Rechte in der Armbeuge seines anderen Armes. »Es gibt hier einige Dinge, die ich nicht verstehe. Du musst sie mir erklären.«
Langsam wandte sie sich um. ›Muss ich das?‹, schien ihr Blick zu sagen.
»Bitte..«
Dieses Wort kam ihm nicht leicht über die Lippen. Auf einmal wirkte dieser lässige, sich manchmal auch betont finster gebende Saraner sehr unsicher. Er war es nicht gewöhnt, mit fremden jungen Frauen umzugehen, ging Althea auf. Ihre Abwehr begann sofort zu bröckeln. »Also schön, dann frage. Aber erst möchte ich mein Messer wiederhaben. Ich habe es heute Nachmittag schmerzlich vermisst.« Sie stemmte die Arme in die Hüften und sah abwartend zu ihm auf.
Zögernd holte er es heraus, er wusste auch nicht, warum. »Wollen wir uns nicht setzen? So bekommst du ja Nackenstarre«, spielte er auf ihren Größenunterschied an. Das spöttische Funkeln in seinen Augen kehrte zurück, er hatte sich wieder im Griff.
Althea sah es mit Erleichterung. Auffordernd hielt sie ihm die Hand hin, und als er ihr das Messer zurückgab, sagte sie: »Na gut. Etwas Zeit habe ich noch, denn Fürst Bajan wird so schnell nicht wieder aufwachen.«
Er half ihr sogar, die Kiepe abzusetzen, eine ganz und gar ungewohnte Sache für Althea. »Was hast du eigentlich da drin, dass sie derart schwer ist?«, fragte er kopfschüttelnd und stellte sie in sicherer Entfernung zum Klippenrand.
»Steine. Hier oben gibt es eine Sorte, die Chaya gerne zum Bau ihrer Hochbeete verwendet.« Althea setzte sich auf den Klippenrand und ließ die Beine herunterhängen.
Er wollte schon sagen, dass es gefährlich war, unterließ es dann aber. Schließlich hatte er sie vorhin klettern sehen, umschwirrt von aufgeregten Vögeln und vollkommen furchtlos. Langsam setzte er sich in eine Felsennische und beobachtete sie. Eine Haarsträhne hatte sich unter dem Kopftuch gelöst und leuchtete in der tief stehenden Sonne wie Feuer. Die schrägen Augen wirkten beinahe golden. Sie hatten ihn schon damals fasziniert, erinnerte er sich und dachte daran, dass sie eben noch eisig grau gefunkelt hatten. Wie Regnars auch. Er wunderte sich, dass er damals nicht gleich die Ähnlichkeit zwischen ihnen bemerkt hatte. Althea war dem alten Seeräuber mit den langen Zügen wie aus dem Gesicht geschnitten, und auch sein Temperament hatte sie todsicher geerbt.
Langsam zog er den Rauch seiner Pfeife ein. »Du erwähntest eben Chaya. Wer ist das?«
Althea wandte den Kopf. »Phelan hat dir nicht.. oh nein, was hat er dir denn erzählt?«
Jeldrik blies ruckartig den Rauch aus. Es klang wie ein Auflachen. »Nicht viel, wie ich gerade merke.« Seine Mundwinkel zuckten. Althea begann zu lächeln. »Ach verflucht!«, grinste Jeldrik, und sie brachen beide in Gelächter aus.
Damit war Althea besänftigt. Sie setzte sich zu ihm in die Felsennische. »Dann fange ich am besten ganz von vorne an, bei deinem Besuch in Gilda. Damit begann alles.«
Es war anders als bei den anderen. Sie musste ihm vor allem begreiflich machen, warum Phelan ihm ihre wahre Identität und ihren Aufenthaltsort verschwiegen hatte. Wegen der Diener, die überall lauern konnten.
Vieles davon war Jeldrik schon bekannt, und es milderte etwas den Zorn auf seinen Freund. Er hatte ihm nicht alles verschwiegen. Neu hingegen war, dass Althea gar nicht in der Gemeinschaft lebte, sondern bei einer Freundin ihres Großvaters untergekommen war. »Sie wissen es also nicht, wo du lebst? Niemand in Temora?«
»Nein, bis auf Meister Anwyll, meine Großmutter und unsere Freunde. Du wirst sie heute Nacht kennenlernen.«
Jeldrik nahm überrascht die Pfeife aus dem Mund. »Dürfen sie denn einfach so hinaus? Phelan und du, ihr habt mir doch mehr als einmal erklärt, dass nur die Priester diesen Ring durchschreiten können.«
Althea lachte. »Nein, das dürfen sie nicht, aber das macht nichts. Meister Anwyll weiß davon und duldet es. So halten wir die Verbindung zwischen uns aufrecht.« Jeldrik entging nicht viel, das merkte sie schon jetzt. Er war mit Sicherheit so schlau und gerissen wie seine Schwester und darüber hinaus noch ein geborener Stratege und erfahrener Anführer, erinnerte sie sich aus Phelans Briefen. Sie gemahnte sich, auf der Hut zu bleiben. Sie setzte zu einer Erklärung an, merkte dann aber, dass sie damit schon sehr viel von sich preisgegeben hätte. »Später zeige ich es dir.«
Eine Erklärung zu diesem Zeitpunkt wäre nur die halbe Wahrheit gewesen, und das hätte er sofort gemerkt. Sie fühlte, dass sie das begründen musste, wenn sie nicht das gerade aufgebaute Vertrauen wieder zerstören wollte. Daher sah sie ihn offen an. »Ich merke, du hast noch viele Fragen, und ich verspreche dir, dass ich sie dir alle beantworten werde, aber jetzt noch nicht. Verstehst du, das sind sehr persönliche Dinge von mir.. ich kann Phelan in gewissem Maße verstehen, dass er geschwiegen hat.«
Ihre Offenheit war wirklich entwaffnend. Er merkte, wie noch das letzte Bisschen Wut bei ihren Worten verrauchte. »Er hätte mir zumindest verraten können, dass du ein Mädchen bist«, grollte er trotzdem.
Althea grinste. »Dafür habe ich ihm schon gehörig den Kopf gewaschen, da kannst du sicher sein. Sei ihm nicht allzu böse.«
Jeldrik schnaubte. »Irgendwie..«, er klopfte seine ausgerauchte Pfeife aus, »..irgendwie schaffst du es, dass mir mein Zorn auf ihn abhandenkommt. Trotzdem.. so etwas macht man nicht mit seinem besten Freund.«
»Nein, da gebe ich dir recht. Das war ein übler Streich, den er dir da gespielt hat.« Sie warf einen Blick auf die tief stehende Sonne. Wahrlich lange hatten sie geredet. Sie sprang auf und zog sich wieder ihren Umhang über. »Die Sonne geht bald unter. Vielleicht ist Fürst Bajan ja wach, und außerdem möchte ich noch etwas essen, bevor wir aufbrechen.«
»Aufbrechen? Zu euren Freunden? Halt, die nehme ich..« Er sprang auf und wollte ihr die Kiepe aus der Hand nehmen.
Althea schüttelte nur den Kopf. »Danke, die trage ich selbst«, wehrte sie ab.
Ihre Arme zitterten nicht einmal, als sie die schwere Kiepe auf den Rücken hob. Jeldrik dachte so bei sich, als er ihr auf einem schmalen Pfad zurück in die Siedlung folgte, dass sie wohl noch einige Überraschungen bereithielt. Diese Kraft jedenfalls sah man ihr nicht an, ob es an der nach saranischen Maßstäben geringen Größe oder der unförmigen Kleidung lag, wusste er nicht zu sagen. So gekleidet wirkte sie wie eine ärmliche, magere Clanlose, ein Bastardmädchen, und er hätte schwören können, sie legte es sogar darauf an. Sie spielte ihre Rolle so gut, dass niemand auf den Gedanken gekommen wäre, sie mit dem Jungen in Verbindung zu bringen, den sie vorher abgegeben hatte. Es machte Jeldrik neugierig auf den Menschen, der hinter dieser Verkleidung steckte. Allzu viele Einblicke hatte sie ihm noch nicht gewährt, erkannte er mit einem Mal. Sicherlich, sie hatte ihm von der Flucht erzählt, von den Träumen, von den Dienern. Aber er wusste fast nichts von ihrem Leben hier, von ihren Freunden, von dem, wie sie lebte, was sie dachte, fühlte. Nur die Tatsache, wie sie es gewohnt war, sich zu verbergen, sprach für sich. Und ihre entwaffnende Offenheit und dass sie das erste Mädchen neben seiner Schwester war, das ganz unbefangen mit ihm sprach, nahm ihn für sie ein. Weil sie sich bereits seit Jahren kannten. Verrückt, dachte er, völlig verrückt war es, sich derart zu kennen und doch nicht zu kennen.
Wie wichtig es für sie war, sich zu verbergen, sollte er sehr bald erfahren. Bryns Hütte hatte sich merklich gefüllt, als sie dorthin zurückkehrten. Nicht nur der Schmied und seine Frau, auch Verna und Mahin und eine große alte Frau, die er nicht kannte, hatten sich dort versammelt, und diese nahm sich Althea gleich zur Brust.
»Ah, da ist sie ja«, sagte Mahin. Sie hatten also über sie gesprochen. Jeldrik sah, wie Althea sofort angriffslustig das Kinn reckte.
»Mädchen, auf der Botschaft stand nichts davon, dass du fast drei Tage fortbleiben wolltest!«, tadelte die Alte mit krächzender Stimme. Jeldrik setzte sich abwartend neben der Tür nieder und beobachtete, was jetzt geschah.
Althea wirkte nicht gerade wie das Schuldbewusstsein in Person. Sie wehrte den Tadel ab wie eine lästige Fliege. »Ich weiß, Chaya, es war dort nur so viel zu tun..«
»Soll das etwa heißen, dass du ganz allein..«, unterbrach der Schmied sie so grob, dass Jeldrik die Augenbrauen hoch zog.
»Bryn!«, mahnte seine Frau mit Blick auf ihren kranken Gast.
»Nein, er hat recht, Rana«, sagte Mahin, »Thea sollte nicht allein unterwegs sein und..«
›Sie war allein tagelang fort?‹, dachte Jeldrik, nun selbst beunruhigt.
Althea verdrehte die Augen, als hätte sie auch das gehört. »Oh, hört doch schon auf! Ich bin doch wieder hier, was soll’s!«
»Trotzdem darfst du nicht..«
»Wenn der Diener dich gefangen hätte..«
Alle redeten durcheinander auf sie ein. Althea ignorierte es. Sie setzte ihre Kiepe ab und übergab Rana die kostbaren Eier. »Hier, für unser Nachtmahl.«
»Oh, danke, ich mache uns daraus etwas Leckeres.«
»Sag mal, hörst du uns überhaupt zu?!« Bryns Pranke landete auf ihrer Schulter und zerrte sie herum.
»Nein! Nicht, wenn ihr weiter solchen Unsinn von euch gebt«, sagte Althea scharf und schüttelte ihn ab.
»Gebt es auf, das ist vergebene Mühe. Sie hat schon als kleines Mädchen nicht gehört und ist immer ihre eigenen Wege gegangen.« Dies sagte eine fremde ächzende Stimme. Sie brauchten alle einen Moment zu begreifen, woher sie gekommen war. Althea fuhr zum Krankenlager herum. Bajan war wach. Seine Augen leuchteten auf, als er sie erblickte. »Komm her, Kleines!« Er war zu schwach, die Hände zu heben, aber das machte nichts.
»Fürst Bajan!« Althea stürzte zu ihm und ergriff sie. Er wollte sie zu sich ziehen und war selbst dafür zu schwach. Sie half ihm, barg ihren Kopf an seiner Schulter.
»Wie sehr hatte ich mir gewünscht, dich noch einmal wiederzusehen..«
Es war mehr als eine Überraschung für Jeldrik. Bisher hatte er angenommen, dass Althea oder vielmehr Althan für den Fürsten ein ähnlicher Schützling war wie Phelan auch. Nun sah er, dass die Bindung der beiden wesentlich tiefer ging, und er fragte sich, woran das wohl liegen mochte. Sie ist wie eine Tochter für ihn, dachte er, als sie flüsternd Worte tauschten, die nicht für die Ohren der anderen bestimmt waren. Er wandte den Blick ab, weil er das Gefühl hatte, in etwas zutiefst Persönliches einzudringen.
Den anderen erging es wohl ähnlich. Übellaunig brummend verließ der Schmied die Hütte, Rana und Verna kümmerten sich um das Essen, und die Alte und Mahin beschäftigten die Kinder.. Jeldrik kam sich auf einmal ziemlich überflüssig vor. Bis er plötzlich eine Bewegung neben sich spürte. Er wandte den Kopf und fand sich seiner Schwester gegenüber. Jeldrik musterte sie aufmerksam. Gut sah sie aus, befand er, irgendwie strahlte sie etwas aus, das vorher nicht da gewesen war, und war schöner denn je. Er begann zu lächeln. »Es geht dir gut hier, nicht wahr?«
Sie erwiderte es. »Oh ja, es ist ganz anders hier als in Saran.« Ein wenig befangen sahen sie sich an. Vorhin, vor allen anderen, hatten sie nicht vielmehr getan, als sich zuzunicken. Sie mochten ihre Gefühle nicht offen vor Fremden zeigen und grinsten sich daher nur wissend an.
»Hättest du nicht einmal was schreiben können?«
Jorid hob die Schultern. »Wozu? Um zu jammern und zu klagen, wie schrecklich alles nach eurem Fortgang geworden war? Was hätte das gebracht? Nichts!« Ihr Lächeln vertiefte sich. »Hast dir ein hübsches Gestrüpp im Gesicht stehen lassen«, neckte sie ihn. »Ich glaube, ich verpasse dir noch ein Bad, bevor wir nachher aufbrechen.«
»Bad?!« Er tat entsetzt.
Sie wurden von Althea unterbrochen. »Jorid, Fürst Bajan möchte dich sehen.«
»Oh!« Jorids Gesicht wurde weich. Sie stand auf und ging zu ihm.
Althea trat auf Jeldrik zu. »Kommst du mit? Ich möchte dir Chaya vorstellen.«
Die alte Heilerin hatte ihre Verstimmung längst überwunden. Sie freute sich, Jeldrik kennenzulernen. »Ich habe schon viel von dir gehört, junger Seefahrer«, sagte sie.
»Was hat Phelan denn alles über mich preisgegeben?«, fragte Jeldrik.
»Phelan? Nein, der nicht so sehr. Nein, es war Regnar.«
»Regnar?!« Jeldrik war überrascht.
»Großvater und Chaya sind alte Freunde. Sie kennen sich schon ihr Leben lang«, sagte Althea.
»Bei den Göttern!« Jeldrik kratzte sich am Bart. »Was kann der alte Seeräuber schon über mich gesagt haben?«, fragte er, seine Neugier kaum verbergend.
Chaya lachte heiser. »Dass du ein schlauer, gefährlicher Gegner, ein mutiger Kämpfer und ein starker Anführer bist. Das ist wirklich ein Kompliment, denn so etwas sagt er nur selten und wenn, dann über seine Gegner, und die sind meistens tot.«
»Oha!« Althea traf ein fragender Blick.
Sie zuckte mit den Schultern. »Mich brauchst du nicht zu fragen. Ich glaube, es verging kein Mal, dass ich nicht mit Großvater aneinandergeraten bin.«
»Das kommt, weil du alle, die dich beschützen wollen, in den Wahnsinn treibst«, bemerkte Mahin. »Warum schließt du dich nicht meinen Leuten an, wenn du in die weiter entfernten Siedlungen reisen willst?«
»Das solltest du das nächste Mal wirklich tun«, mahnte Chaya.
Althea schloss kurz die Augen. Als sie diese wieder aufmachte, waren sie für einen winzigen Moment merklich dunkler geworden, bevor sie wieder normal wirkten. »Ein nächstes Mal wird es nicht geben.«
»Was meinst.. Thea!« Mahin schob seine Tochter vom Schoß und kam zu ihnen herüber. »Was hat das zu bedeuten?«
Augenblicklich hatte sie sich wieder im Griff. »Ich bin durch«, sagte sie schlicht.
»Du hast alle Siedlungen geprüft?! Wirklich alle?«, rief Mahin mehr entsetzt als böse aus.
»Ja, alle. Lass gut sein, Mahin, es sind keine Diener mehr dort.«
»Aber Thea..«
»Mahin, lass sie endlich in Ruhe«, mahnte Verna von der Feuerstelle herüber. »Es gibt jetzt Essen. Pheli, lauf, hol deinen Vater herein, sei so gut.« Damit beendete sie die fruchtlose Diskussion, wofür Althea ihr wirklich dankbar war. Trotzdem war sie sich der Blicke bewusst, die ihr alle, aber ganz besonders einer beim Nachtmahl zuwarfen. Es war wie bei Taisto, dachte sie und hätte am liebsten das Weite gesucht.
Natürlich beobachtete Jeldrik sie, während das Nachtmahl lebhaft seinen Lauf nahm. Althea gab sich ausgelassen, sie scherzte mit den Kindern herum und versorgte mit ihnen Bajan, der es schaffte, noch ein wenig wach zu bleiben und etwas zu sich zu nehmen. Was hatte er dort eben an ihr gesehen? Wenn Phelan recht hatte, dann war es ein Zeichen der Furcht gewesen, wie Regnars Augen auch, wenn sie sich verdunkelten. ›Sie verbirgt etwas vor ihnen allen‹, dachte er, und ein ganz und gar ungutes Gefühl stieg in ihm hoch.
»He!« Seine Schwester stieß ihn an. »Thea mag für dich ja eine Überraschung sein, aber das ist noch lange kein Grund, sie derart finster anzustarren.«
»Habe ich das?«, fragte Jeldrik gedehnt, ohne die Augen von ihr zu nehmen.
»Ja, hast du. Was ist, hast du aufgegessen? Dann komm mit, dein Bad ist fertig. Oren hat euer Gepäck heraufbringen lassen.«
So ruppig sich Jeldrik meistens gab, allein mit seiner Schwester gestattete er es sich, in vollen Zügen zu genießen, derart umsorgt zu werden. »Die anderen werden vor Neid platzen.« Er ließ sich mit einem wohligen Seufzer in das warme Wasser sinken. Dabei musste er die langen Beine über den Rand des Zubers hängen lassen, um wenigstens die untere Hälfte seines Oberkörpers mit Wasser bedecken zu können.
»Die anderen..« Jorid gluckste. »Das glaube ich nicht. Sie werden gerade von den Clanlosen versorgt.«
»Soso!«, grinste Jeldrik. »Aber doch nicht Oren, unser treu sorgender Ehemann.«
»Oh doch, der auch. Mit der Treue ist es nicht allzu weit, wenn man wochen- oder monatelang auf See ist.«
»Mmpf!«, machte Jeldrik und sagte nichts mehr. Er ließ es zu, dass sie ihn gründlich einseifte und abspülte und sich anschließend um seinen Bart kümmerte.
»Wie kurz willst du ihn?«, fragte sie und drehte auffordernd das Messer in ihrer Hand.
»So, wie Bajan ihn normalerweise trägt.«
»Im Ernst?« Jorid war überrascht. So kurz trug kein Saraner seinen Bart, selbst Bryn nicht, und dessen Bart war schon kurz für saranische Verhältnisse. Es galt als unmännlich. Bajans und auch Phelans Art ihn zu tragen wurde dagegen als Sitte eines fremden Volkes akzeptiert. Sie lächelte spöttisch. »Wen willst du denn beeindrucken? Oder.. ah, ich verstehe. Wegen Roars Plänen..«
»Hmm..«, machte Jeldrik und sagte dazu nichts. Er konnte nicht erklären, warum er auf einmal das Gefühl hatte, sich für hiesige Verhältnisse in seinem besten Licht zeigen zu müssen. Vielleicht lag es an dem bevorstehenden Treffen mit ihren temorischen Freunden, er wusste es nicht.
Frisch gewaschen und gekleidet, das Haar gekämmt und zurückgebunden, fühlte er sich in der Tat wie ein ganz anderer Mensch. Als sie in den Wohnraum zurückkehrten, war es dort schon wieder voller geworden. Phelan hockte mit angezogenen Beinen neben Althea auf der umlaufenden Schlafbank und unterhielt sich leise mit ihr. Sie sahen beide auf, als die Geschwister eintraten, und Phelan pfiff anerkennend durch die Zähne. »Guter Einfall, das sollte ich auch tun.«
Jeldrik reagierte nicht. Seine Aufmerksamkeit hatte sich auf jemand anderen gerichtet: An Bajans Lager kniete ein Kind, ein Mädchen. Die Kleine saß mit dem Rücken zu ihnen und hielt die Hand des Fürsten an ihre Wange. Jeldrik wusste nicht so recht, was er davon halten sollte. Warum saß ein Kind mit einer derart vertraulichen Geste beim Fürsten? Rana beugte sich zu der Kleinen herüber, legte ihr die Hand auf die Schulter, und als sie aufsah, bedeutete sie ihr, sich umzudrehen.
›Aber nein, das kann doch nicht sein!‹, war seine erste Regung. Vor ihm stand eine erwachsene junge Frau, eine Gildaerin, gekleidet mit der üblichen Chadra. Jeldrik erkannte Noemi sofort von der Zeichnung. ›Wie winzig sie ist‹, dachte er und machte einen nur vorsichtigen Schritt auf sie zu, weil er sie unter keinen Umständen erschrecken wollte.
Das bemerkte Noemi natürlich sofort. Sie schüttelte leicht den Kopf und musste lächeln, sie konnte einfach nicht anders. Sie brauchte ihn gar nicht zu prüfen oder seine Miene erforschen. Es reichte, dass er sich um sie sorgte. Das nahm sie sofort für ihn ein. Lächelnd streckte sie ihm die Hände hin und musste den Kopf weit in den Nacken legen, um ihn weiterhin ansehen zu können.
»Donnerwetter!« Phelan und Althea staunten.
»So schnell hat sie noch nie einen Fremden begrüßt«, brummte Chaya Rana zu, die fragend von einem zum anderen sah.
Noemi erhaschte einen Blick auf ihre Lippen und ließ Jeldriks Hände los. ›Nein, er ist doch kein Fremder‹, zeigte sie.
Althea lachte. »Na gut, du hast ja recht, schließlich kennst du ihn schon mehr als gut aus Phelans Briefen.«
Jeldrik stutzte. »Moment mal, wie habt ihr denn..« Er trat einen Schritt zurück, um sie richtig ansehen zu können. Noemis Lächeln vertiefte sich. Sie wollte sehen, ob er von selbst darauf kam, und hielt Althea mit einer leichten Handbewegung zurück, die schon zu einer Erklärung ansetzte. »Du.. du kannst nicht sprechen? Und nicht hören?« Das erklärte, weshalb sie nicht aufgesehen hatte, als sie eingetreten waren. Jeldrik war so verblüfft, dass sie noch mehr lachen musste. »Also hör mal, Phelan, wie viele Überraschungen hältst du eigentlich noch für mich bereit?«, rief er in komischer Verzweiflung. Sie brachen alle in schallendes Gelächter aus.
»Hmm..«, machte Phelan und duckte sich unter Jeldriks Hand fort.
»Aufhören, ihr zwei«, lachte Jorid. »Los, komm, Phelan, ab in den Zuber mit dir, solange das Wasser noch warm ist. Ich verspreche dir, es ist nicht allzu dreckig.«
›Soll ich nicht lieber..‹, deutete Althea mit Handzeichen an, aber Phelan winkte ab. »Nein, lass nur. Die Zeiten, in denen Jorid mich in Verlegenheit bringen konnte, sind lange vorbei«, scherzte er, und Jorid stimmte dem vollen Herzens zu.
Es stimmte wirklich. Während Jorid sich um ihn kümmerte, knüpften sie vorsichtig wieder an die alte, lockere Freundschaft an, die zwischen ihnen geherrscht hatte, bevor all diese unglückseligen Ereignisse in Saran stattgefunden hatten. Sie erzählte ihm ein wenig aus ihrem Leben, welche Aufnahme sie bei den Mädchen und in der Siedlung gefunden hatte. Es diente Phelan dazu abzuprüfen, wie viel sie über Althea wusste, Jorid merkte es wohl, und sie gab ihm bereitwillig Auskunft.
»Oh gut, wenn du das alles weißt. Ich habe überhaupt keinen Überblick darüber, wer hier wieweit in Theas Fähigkeiten eingeweiht ist«, sagte er und tauchte einmal unter. Mit triefenden Haaren kam er wieder hoch und strich sie sich aus dem Gesicht.
Jorid überlegte. »Bryn und Rana und Verna und Mahin wissen ziemlich viel, vor allem von ihrer Abstammung, aber längst nicht alles. Ansonsten weiß niemand hier, wer und vor allem was sie wirklich ist. Thea ist halt das Bastardmädchen, das Chayas Botengänge übernimmt, ihr hilft und ihre Nachfolgerin wird. In den anderen Siedlungen jedoch.. ich kann verstehen, dass sie sich Sorgen machen. Die Männer hier sind zwar längst nicht so aufdringlich wie in Saran, aber es gibt sicherlich genug, die nicht lange fragen und sich ein Bastardmädchen nehmen würden. Denk doch an Taisto, hat sie dir von dem geschrieben?«
»Ja, hat sie. Aber sie konnte sich doch gegen ihn wehren«, wandte er mit geschlossenen Augen ein, denn Jorid hatte begonnen, seinen Kopf einzuseifen.
Sie schnaubte. »Oh ja, und das hat ihn erst recht auf sie aufmerksam gemacht.« Mit einer Hand griff sie nach einem Kübel und goss ihm frisches Wasser über den Kopf. »Wie wehrt sie sich denn? Mit ihrem Licht oder mit ihrem Schwert oder den kleinen Kunstgriffen, die du ihr beigebracht hast. Alles Dinge, die ein Bastardmädchen nicht können sollte und sie unheimlich interessant macht, nicht wahr? Das ist nicht gut, wenn man sich eigentlich verstecken sollte. Du kannst sicher sein, dass Taisto noch nicht aufgehört hat, nach ihr zu suchen.«
»Na warte, wenn ich den in die Finger bekomme.. au!« Jorid hatte mit einem Ruck den Kamm durch seine Haare gezogen.
»Die sollte ich etwas abschneiden, meinst du nicht auch? Sie sind schon ganz zottelig an den Enden.«
Phelan brummte missmutig. »Na schön, tu, was du für nötig hältst. Dann mach auch gleich im Gesicht weiter, ich will dieses Gestrüpp nicht mehr haben.«
»Wirklich? Alles soll ich abschaben?« Jorid beugte sich vor, damit sie ihn ansehen konnte. »Sag mal, was ist denn in euch gefahren? Erst Jeldrik und dann du auch noch.. lass doch wenigstens etwas am Kinn stehen, ich bitte dich.«
»Hmm«, machte Phelan mit geschlossenen Augen.
Das machte Jorid stutzig. »Ihr.. ha, ihr tut es gar nicht wegen Roar. Ihr habt plötzlich weibliche Gesellschaft bekommen! Ja, das ist es!« Sie lachte los.
»Im Ernst?« Phelan klappte die Augen auf und grinste.
Während Phelan mit Jorid verschwunden war, ließ sich Althea neben Noemi an Bajans Lager nieder. Forschend betrachtete sie ihre Freundin. ›Und?‹ Noemi hob die Schultern und zog Bajans Decke ein wenig höher. Der Fürst schlief tief und fest. ›War es schön, ihn wiederzusehen?‹, hakte Althea weiter nach. Diesmal senkte Noemi den Kopf, um nicht auf ihre Hände sehen zu müssen. ›Noemi, was ist passiert?‹, drängte Althea in Gedanken.
›Nichts!‹, erwiderte ihre Freundin und presste die Lippen aufeinander, als könne sie so ihre Gedanken zurückhalten.
›Was hat er getan?‹
›Nichts, das ist es ja eben. Er.. er hat sich trösten lassen, mehr nicht.‹
›Und dann?‹
Noemi drehte abwehrend den Kopf fort. ›Dann nichts.‹
›Wie, ihr habt die ganze Zeit..??‹
›Nein! Lass es, Thea, bitte..‹ Noemi sah auf. In ihren Augen leuchtete ein Kummer, wie Althea es noch nie bei ihr gesehen hatte, nicht einmal beim Tod des kleinen Wächters.
Althea erkannte ihren großen Irrtum zu glauben, Phelan könne Noemi nicht wehtun. ›Oh Phelan, was tust du nur! Ich werde ihn..‹
›Nein! Das wirst du nicht!‹ Noemi war aufgesprungen. Sie machte eine entschiedene und beendende Handbewegung.
»Mädchen, was ist denn?«, fragte Chaya.
»Nichts!«, sagte Althea und zeigte Noemi. Sie mochten sich nicht mehr in die Augen sehen.
Auf der anderen Seite des Raumes waren Jeldrik und Bryn in eine leise Unterhaltung vertieft. Trotzdem beobachtete Jeldrik die beiden Mädchen genau. Er war sich ziemlich sicher, dass dort eben eine hitzige Diskussion stattgefunden hatte. Körperhaltung, Gesichtsausdruck, Altheas wütendes Funkeln und Noemis abwehrend abgewandter Kopf, alles sprach dafür. Aber wie? Ihre Hände hatten geruht.
Diese Frage beschäftigte ihn, selbst als sie schon zu Fuß auf dem Weg nach Temora waren. Doch der Anblick der lichterübersäten Felseninsel, wie sie beinahe über dem nachtdunklen Meer zu schweben schien, ließ ihn erst einmal alles andere vergessen.
»Beeindruckend, nicht wahr?«, flüsterte Jorid.
Phelan und Jeldrik waren stehen geblieben und staunten wie zwei kleine Jungen. Phelan musste schlucken. Solange es her war, er konnte die Erinnerungen an die damaligen Ereignisse, vor allem an das, was die Priester mit ihm versucht hatten, nicht abschütteln. Er vermochte ein Schaudern nicht zu unterdrücken. Im selben Moment spürte er, wie jemand seine Hand griff.
»Keine Sorge, sie werden uns nicht sehen«, sagte Althea. »Siehst du, der Mond ist hinter den Wolken verschwunden.«
Phelan atmete tief durch. »Dann lass uns gehen, bevor er wiederkommt.«
Ihre Freunde waren noch nicht da, deshalb kletterten sie zuerst zur Höhle hinab und machten Feuer. »Hier trefft ihr euch also.« Phelan und Jeldrik untersuchten interessiert die Übungswaffen und die übrige Einrichtung.
Althea warf einen Blick nach draußen. »Ich sehe mal nach, ob die anderen jetzt da sind.«
»Ich komme mit«, sagte Jeldrik sofort.
»Das brauchst du nicht..«
»Doch, ich bin neugierig, wie ihr es anstellt, durch den Ring zu gelangen.« Jeldrik folgte ihr einfach, ohne auf ihren Protest zu achten.
»Das ist ganz einfach«, rief Althea über die Schulter, »ich bringe sie hindurch.«
»Du? Aber wie..?«
»Pst, leise jetzt! Jedes Wort auf dem Klippenpfad kann man oben in den Felsen hören. Der Wind trägt die Geräusche weit.« Sie kletterte so schnell hinauf, dass er fast nicht hinterherkam. Als Jeldrik oben ankam, war sie bereits bei dem schmalen Tor angelangt. Er konnte in der Dunkelheit drei Gestalten ausmachen, die dahinter warteten.
»Thea, Vorsicht!« Die Größte von ihnen zeigte alarmiert in Jeldriks Richtung und drängte die beiden anderen in den Schatten der Felsen. In seiner Hand blitzte etwas im Mondlicht auf, er hatte sich bewaffnet.
Althea hob beruhigend die Hände. ›Keine Sorge, er gehört zu mir‹, zeigte sie. Sie drehte sich um und winkte Jeldrik heran. »Phelan schrieb mir, dass du nicht begabt bist. Willst du es noch einmal versuchen?«, flüsterte sie.
»Du meinst.. hier läuft der Ring entlang?« Jeldrik betrachtete abschätzend das Tor. Es war absolut nichts zu erkennen.
»Irgendwo hier, ja. Ich kann ihn auch nicht spüren. Keine Angst, wenn du fällst, helfe ich dir auf.« Die anderen traten neugierig näher.
Jeldrik zögerte immer noch. So ganz traute er der Sache nicht. Wie wollte sie ihm aufhelfen? In einem Ring zu fallen, war ein Erlebnis, das man sein Leben lang nicht vergaß. Doch dann sah er die blitzenden Zähne der anderen. Sie lachten über ihn. Das ließ er natürlich nicht auf sich sitzen. Betont lässig zuckte er mit den Schultern und beschloss, es einfach zu probieren. Wie er so langsam auf das Tor zu schritt, kam ihm ein Einfall. Schließlich wusste er ganz genau, wie es sich anfühlte, in einem Ring zu liegen. Er streckte seine versehrte Hand aus, und tatsächlich, mit einem Mal hörte das altvertraute Ziehen und Pochen auf, und sie wurde taub. Er blieb stehen. »Hier ist er«, flüsterte er.
Althea staunte. »Aber wie..«
Von vorne kam leises Gelächter und sofort ein energisches: »Pst! Hilf uns hindurch, Thea.«
»Wirklich schlau, so hat das noch niemand versucht«, sagte Galvin anerkennend, als sie unten an der Höhle angelangten. »Wen hast du uns da Schlaues mitgebracht, Thea?«
»Kommt ins Licht. Ihr werdet staunen.«
Das taten sie wirklich, als sie eintraten. »Jeldrik Roarsfalir!«, riefen die Zwillinge wie aus einem Mund.
»Und du musst Phelan sein«, ergänzte Maret und trat lächelnd auf ihn zu.
»Endlich bekomme ich Verstärkung«, rief Galvin.
Prompt bekam er von Jorid einen Stoß in die Seite. »Nun tu nicht so, als hättest du so viel unter uns zu leiden!«
»Doch, waahnsinnig..«
Die Zwillinge stürzten sich in der gewohnt saranischen Neugier auf die Neuankömmlinge. Sie fragten ihnen wahre Löcher in den Bauch, und für Galvin war der Abend spätestens dann gekrönt, als Jeldrik mit ihm seine Pfeife teilte. Es gipfelte daran, dass Galvin Jeldrik zum Kampf forderte und sie sich mit Phelan und Jorid draußen einige wilde Gefechte lieferten.
Niemandem fiel in dem ganzen Trubel auf, dass Althea und Noemi ungewöhnlich zurückhaltend blieben, und wenn, dann dachten sie, Althea käme mit dem Übersetzen für Noemi nicht hinterher.
Althea war nicht undankbar, dass ihr ein Aufschub gewährt wurde. Sie wusste ernsthaft nicht, wie sie ihren Freunden beibringen sollte, was sie vor ein paar Tagen geträumt hatte. Fest stand nur, sie brauchte Hilfe, auch die von Phelan und Jeldrik.
Maret beteiligte sich ebenfalls kaum an der lebhaften Runde. Sie warf ihrer Freundin von Zeit zu Zeit einen forschenden Blick zu, und als die anderen zu den Übungswaffen griffen, da wusste sie, dass wirklich etwas nicht stimmte. Sonst war Althea immer als Allererste dabei.
Kaum waren die anderen fort, setzte sich Maret zu ihr. »Sag mal, ist irgendetwas mit dir?«
Althea senkte den Kopf und presste die Lippen zusammen. Nun wurde endlich auch Noemi aufmerksam. Bisher hatten sich all ihre Gedanken und Gefühle um Phelan gedreht, sodass ihr Altheas Schweigsamkeit nicht aufgefallen war. Es stimmte. Über Altheas Gesicht glitt ein Schatten, einer, den Noemi schon öfter diesen Winter gesehen hatte und der sie ganz unruhig machte. ›Thea..‹ Noemi griff nach ihren Händen. ›Was ist?‹
Althea schluckte und schloss die Augen. Sie spürte, wie sie umfasst wurde, ein sicheres Mittel, um ihre Fassung ins Wanken und sie zum Reden zu bringen. Wie war sie dankbar, dass die anderen das nicht sahen! »Ich.. ich glaube, ich muss euch etwas sagen.«
›Thea!!‹ Noemis entsetzter Aufschrei in Gedanken drang bis zu den Zwillingen nach draußen. Sie fuhren herum. Jeldrik ließ verwirrt sein Übungsschwert sinken. Was hatten sie denn? Da stürzten sie auch schon zur Höhle.
»Da stimmt etwas nicht!« Phelan rannte hinterher. Seine Befürchtung wurde wahr, als er Althea inmitten der Freunde sah. »Thea!« Er stürzte zu ihr.
Althea hob den Kopf. Ihre Augen waren voller Tränen, aber normal. Ihr wurde das Gedränge um sie herum zu viel, sie schob alle von sich. Maret griff ein. »Nein, lasst sie. Setzt euch, allesamt.« Maret sah sie alle fest und mit mahnendem Blick an, sich ja ruhig zu verhalten. »Thea hat euch etwas zu sagen.«
Sprachlos und mit zunehmendem Entsetzen hörten sie alle zu, wie Althea stockend von ihrem jüngsten Traum berichtete, dass ER nun wusste, wer sie war. Immer wieder hielt sie dabei inne, formulierte sorgfältig ihre Erlebnisse, und das lag nicht daran, dass Jeldrik nichts von ihrem Licht und von den Toren wusste. Nein, sie verschwieg ihnen ihre größte Angst: Dass sie IHN herlocken könnte, weil ER wusste, dass ER mit ihrer Hilfe durch das Tor kam, und dass die Menschen in ihr unweigerlich eine Bedrohung sehen würden.
Die anderen waren so entsetzt, dass sie nichts davon bemerkten. »Bei den Göttern, warum hast du nichts gesagt?!«, rief Galvin. Es klang anklagend, und das brachte sie auf.
»Ich hab’s doch gerade erst erlebt! Was hättest du denn getan?!«, verteidigte sie sich.
»Ich.. ich weiß nicht, aber auf jeden Fall..«
»Thea konnte nichts sagen«, unterbrach Phelan ihn. Er fing ihren Blick auf und hielt ihn fest. »Es ist wie in Gilda, nicht wahr? Irgendjemand hätte überstürzt gehandelt, auch gegen deinen Willen. Chaya, Meister Anwyll, Bryn, Mahin oder Regnar. Nein, du musstest schweigen. Ich verstehe dich.. he, ist ja gut.« Maret räumte ihm bereitwillig ihren Platz an Altheas Seite, und er nahm sie fest in die Arme. »Es ist also das geschehen, was du in deinem Brief befürchtet hast. Du musst wissen, ich habe viele Dinge mit dir geträumt, diesen letzten Traum jedoch nicht, aber andere. Zum Beispiel den mit der großen Hand. Ich habe auch einen kleinen Jungen gesehen. Wer war das? Ich hielt es für einen verrückten Albtraum.«
Althea wischte sich schniefend die Tränen mit dem Ärmel ab. Phelan reichte ihr ein Tuch, und sie schnäuzte sich. Sie mochte den Blicken der anderen nicht begegnen, besonders Jeldriks nicht, der immer noch mit verschränkten Armen im Eingang der Höhle lehnte. Seine Miene war zu Stein geworden, die Augen blitzten eisig. Vorbehalte? Sie räusperte sich. »Das war Nathan, Curranns Ziehsohn. Er musste alles mit ansehen, wie ER versuchte, mich zu fangen. Nur durch eine List habe ich IHN abschütteln können.«
»Wie?«, entfuhr es Galvin. Das hatte Althea ihnen noch nicht erzählt.
Althea sah auf. In ihren Augen stand eine solche Abwehr, dass nicht nur Jeldrik verwundert aufmerkte. »Darüber möchte ich nicht sprechen, nicht einmal zu euch«, sagte sie bestimmt und schob Phelans Hände von sich.
Es ließ alle bleich werden. »Bei den Göttern, was hat ER mit dir gemacht?!«, rief Gayle. Althea schloss die Augen.
»Nicht, lasst sie.« Maret hielt sie alle zurück. »Du bist IHM entkommen, nur das zählt.«
»Danke«, murmelte Althea mit weiterhin geschlossenen Augen.
»Wie kommt es, dass Phelan deine Träume miterlebt hat und wir nicht?«, fragte Maret, um die anderen davon abzuhalten, weiter auf sie einzudringen.
»Weil er länger und tiefer mit mir, mit meinem Licht verbunden ist als irgendjemand sonst«, flüsterte Althea. »Was sollen wir jetzt tun?« Ihr Gesicht nahm einen derart gequälten Ausdruck an, dass sie alle erschrocken waren.
Jeldrik beschloss, ihr zu helfen. Es gab vieles, das er nicht verstand – was war das mit dem Licht? -, aber es war jetzt nicht die Zeit, danach zu fragen. Er stieß sich vom Höhleneingang ab und kam zu ihnen herüber. »Welche Folgen fürchtest du durch die Tatsache, dass der Diener dich jetzt beinahe kennt?«, fragte er, um ihr zu helfen, sich zu fassen, und er hatte Erfolg damit.
Sie straffte sich und machte die Augen wieder auf. »Es bringt uns alle in Gefahr. Selbst wenn man mich und Noemi fortbringt, Chaya, Verna, Mahin und die Kinder, sie sind alle noch da und gefährdeter denn je. Sie müssten sich mit mir verbergen. Chaya könnte nicht mehr Heilerin sein, niemand würde sich um die Menschen kümmern, und es wäre das Ende von Mahins Traum einer unabhängigen Siedlung. Es würde alles zerstören.«
»Aber Thea..«
Jeldrik hob die Hand, und sie verstummten. »Was willst du stattdessen tun?«
»Ich will mich nicht verbergen. Ich möchte den Diener in eine Falle locken, bevor er mich in eine lockt und er all unsere Pläne verrät. Das kann ich nur auf dem Einheitsfest.« Verblüfft hielt sie inne, verblüfft darüber, dass die Antwort so einfach war. Jeldriks Mundwinkel zuckten, er zwinkerte ihr zu.
»Du willst dich zeigen?!«, entfuhr es Gayle.
»Ja, nur wie, das weiß ich noch nicht. Sie wissen, dass ich Phelans Cousine bin. Ihr könntet mich offiziell vorstellen. Oder ich bin mit Chaya als Thea, die Heilerin, dort. Es gibt viele Wege.«
»Dich als meine Cousine vorzustellen, hätte den Vorteil, dass dich niemand mit Chaya in Verbindung bringt. Aber Thea, könntest du es? Könntest du ihnen die Prinzessin vorspielen, die du von Geburt an bist? Du bist es seit Jahren gewohnt, nicht beachtet oder gering geachtet zu werden..« Phelan verstummte, als er merkte, was er drauf und dran war zu sagen.
Das nahm sie ihm nicht übel. Er hatte ja recht. »Nein. Ich könnte mich nicht frei bewegen. Dann wäre er im Vorteil. Als Thea, die Heilerin, kann ich wesentlich mehr Leute prüfen.«
»Aber dann wärest du allein«, wandte Galvin ein.
Althea sah auf. »So, wie die anderen Male auch. Dabei kann mir niemand helfen.«
»Trotzdem solltest du nicht allein sein.. Thea!!« Phelan nahm ihr Gesicht in beide Hände und drehte es zu sich. »Wenn du ihn entdeckst, musst du uns irgendwie benachrichtigen und Meister Anwyll und die Priester auch. Du brauchst jemanden, der das tut.«
»Bajans Leute«, sagte Jeldrik, bevor sie weiter protestieren konnte.
»Wie, seine Leute? Wen meinst du damit?«, fragte Galvin.
»Die mein Schiff gesegelt und Bajan hierher gebracht haben. Es sind alles ausgebildete Wächter, und es gibt hier für sie nichts weiter zu tun, als die Zeit totzuschlagen. Wenn sie sich abwechseln, dann fällt es gar nicht weiter auf.«
»Sie haben das schon einmal gemacht, als der Diener mich in Saran jagte«, fiel Phelan ein. »Ja, Thea, das ist es!«
»Ich soll mich auf Schritt und Tritt bewachen lassen? Auch hier im Bannwald? Kommt nicht infrage!« Sie machte sich von ihm los.
»Dort könnten wir euch behüten«, setzte Phelan nach.
»Ihr habt auf dem Einheitsfest andere Dinge zu tun, als mich nach Hause zu begleiten«, wehrte Althea ab.
»Lass mich doch mit Fürst Bajan reden, wenn er sich ein wenig erholt hat, Thea.«
»Damit es dann auch gleich Bryn und Mahin wissen? Das will ich nicht.« Althea wehrte sich vehement gegen diesen Vorschlag. »Lasst es mich doch einfach so..«
»Nein!!«, kam es nun nicht nur aus einem Mund.
Gayle verdrehte die Augen. »Das wird so nichts. Dann musst du ihnen halt als Prinzessin gegenübertreten. Das wird nicht leicht. Du müsstest dich sehr zurückhalten, geziert und vornehm tun und dürftest kein offenes Wort sprechen..«
»Und die Menschen nicht so mit ungewöhnlichen Dingen erschrecken..«, ergänzte Maret. Althea hob die Schultern. Und wenn schon.
»Und du müsstest aufwendige Kleider tragen..«, fuhr Gayle todernst fort.
»..und Schmuck..« Jorid zwinkerte Gayle zu.
»..und schminken müsstest du dich auch..«
»..und deine Haare erst..«
»Hört auf!!« Althea raufte sich dieselbigen, dass sie wirr in alle Richtungen standen. »Rede mit Fürst Bajan, Phelan!«, fauchte sie. Ihre Augen schleuderten wütende Blitze, und nicht nur zufällig trafen eine Menge davon Jeldrik.
Später, sehr viel später lagen Phelan und Jeldrik Kopf an Kopf in Bryns Hütte auf ihrem Lager. Sie waren beide todmüde, ihr Kopf zum Bersten voll mit Eindrücken, dass sie schon seit geraumer Zeit schwiegen, aber nicht schliefen.
Schließlich brummte Jeldrik und gähnte müde. »Ich habe drei Fragen«, flüsterte er fast unhörbar, um Bryn und seine Familie nicht zu wecken.
»Und welche?«
»Erstens: Was hat es mit Theas Licht auf sich?«
»Das ist etwas sehr Schönes. Aber sie soll es dir selbst erzählen, es steht mir nicht zu, darüber zu sprechen«, erwiderte Phelan offen. »Und weiter?«
»Zweitens: Hat Galvin etwas mit meiner Schwester?«
Phelan hob verwundert den Kopf. Er verfluchte mal wieder seine Unfähigkeit, Menschen auf Anhieb einschätzen zu können. »Keine Ahnung, da fragst du den Falschen. Frage sie doch einfach, sie wird dir schon nicht den Kopf abreißen. Und drittens?«
»Warum weicht Noemi dir aus und Thea uns allen?«
Phelan richtete sich mit einem Ruck auf. »Noemi weicht mir.. bist du sicher?!«
»Pst, nicht so laut! Natürlich bin ich sicher.«
»Davon habe ich nichts bemerkt, und ich kann mir auch keinen Grund vorstellen.«
»Hmm..« Jeldrik schloss die Augen. »Was verbirgt Thea nur?«
»Das ist eine vierte Frage, und ich muss dir gestehen, ich habe Angst vor der Antwort. Aber das muss sie von sich aus sagen, es nützt nichts, sie zu drängen«, hörte er Phelan flüstern. Also hatte auch er Altheas Zurückhaltung bemerkt. Nach kurzer Zeit hörte er, wie sich sein Freund wieder hinlegte. Nach so einem Tag voller neuer Eindrücke war es schwer, das alles auf einmal zu verarbeiten. Da war es leichter, noch einen tiefen Zug von Bryns hervorragendem Met zu nehmen und alles vorerst seinen Träumen zu überlassen.
Jeldriks Fragen ließen Phelan nicht mehr los. Er schlief schlecht in dieser Nacht und hoffte, dass ihm der nächste Morgen Erlösung bringen würde. Doch die Mädchen erschienen nicht. Nun ja, sie werden erst einmal ausschlafen wollen und danach beschäftigt sein, dachte Phelan und unterdrückte mit Macht den Wunsch, einfach zu ihnen zu laufen und nachzuforschen, was mit ihnen war.
Jeldrik sagte dazu nichts, es gab seinem Verdacht neue Nahrung, dass da irgendetwas nicht stimmte. Hätten sie nicht jeden freien Augenblick mit Phelan verbringen müssen, dem lang vermissten Freund?
Dafür war Bajan überraschend munter, er nahm am Frühmahl teil, zeigte sogar einen gesunden Appetit und blieb wach, um sich die neuesten Neuigkeiten berichten zu lassen. Phelan deutete vorsichtig an, dass sie auf Schwierigkeiten gestoßen waren und dass sie diese mit ihm erörtern wollten, sobald es ihm wieder besser ginge.
Früher hätte Bajan alle Schwäche ignoriert und sich sofort darauf gestürzt wie auf einen Feind, scharf hinterfragt und sie nicht eher entlassen, bis alles zu seiner Zufriedenheit geklärt war. Doch jetzt hatte sich etwas verändert. Seine Krankheit hatte ihm eine Ahnung vom nahenden Alter gegeben. Er war dem Tode gerade noch einmal entkommen und wollte diese Gelegenheit nicht leichtsinnig verschenken.
»Denkt Althea denn, dass bis dahin Zeit ist?«, fragte er.
»Ja, das denkt sie«, nickte Phelan und stand auf, bevor der Fürst weiter in ihn dringen konnte. »Ruht Euch aus, sonst dreht sie mir den Hals um, dass ich Euch jetzt schon damit belästigt habe.«
»Wenn sie das sagt, dann werde ich mich dem fügen.« Bajan legte sich zurück und schloss die Augen. Gleich darauf war er eingeschlafen.
Da den beiden jungen Männern nichts weiter zu tun blieb, beschlossen sie, nach dem Schiff zu sehen. Es gab nach der kurzen Überfahrt von Saran hierher nur wenig zu überholen, sodass sie auch hier schnell fertig waren. Es war das erste Mal seit Langem, dass sie wirklich gar nichts zu tun hatten. Sie beschlossen, die Zeit zu nutzen und ein wenig auf der faulen Haut zu liegen, zu schwimmen, sich die Sonne auf den Pelz brennen zu lassen, den einen oder anderen Krug Met zu leeren und sich von den Frauen verwöhnen zu lassen. Doch da hatten sie ihre Rechnung ohne Verna gemacht. Müßiggang und Faulenzerei waren für sie ein rotes Tuch, und was sie erst recht nicht gebrauchen konnte, war ein Haufen junger Saraner, der ihre Frauen von der Arbeit abhielt und Unfrieden unter den anderen Männern stiftete.
Ehe es sich Jeldrik, Phelan, Oren und die anderen versahen, waren sie eingespannt und halfen Mahins Männern dabei, ein neues Lagerhaus zu errichten. Die Saraner nahmen es gelassen. So ging die Zeit bis zur Versammlung wenigstens schnell herum, und es hatte den unbestreitbaren Vorteil, dass sie schnell Freundschaft mit den Einheimischen schlossen. Verschwitzt und mit einem Bärenhunger wurden sie zum gemeinsamen Mittagsmahl eingeladen, und so sah niemand von ihnen Althea, wie sie allein in Bryns Hütte schlüpfte und sich um den Fürsten kümmerte. Sie hatte eigens darauf gewartet, bis die anderen fort waren.
Jorid, Rana und die Ethenierin waren bei ihm, und er war wach. Die Ethenierin flüchtete gleich, sobald sie Althea kommen sah. »Nanu, kommst du ganz allein?«, fragte Jorid.
»Nanu, bist du gar nicht bei deinem Bruder und seinen Freunden?«, gab Althea zurück. Sie klang gereizt, so gereizt, dass Jorid nur die Augenbrauen hochzog.
»Ich gehe ja schon!« Sie erhob sich und ging hinaus.
Auch Rana suchte sich rasch eine andere Beschäftigung außerhalb des Raumes, sodass Althea allein vor dem Fürsten saß. Er sah zu ihr auf. »Machen dir die Schwierigkeiten Sorgen, in denen ihr steckt?«, fragte er behutsam.
Althea presste die Lippen zusammen und nickte zögernd. Dem forschenden Blick des Fürsten hielt sie nicht lange stand. Oh ja, Bajan ging es unbestreitbar besser, ohne Zweifel. »Woher wisst Ihr das?«
Bajan lächelte leicht. »Es ist nicht Jorids Schuld, denke das nicht. Phelan hat mir heute Morgen gesagt, dass ihr meine Hilfe benötigt.«
»Ihr seid noch nicht..«, hob Althea zum Protest an, doch Bajan winkte lächelnd ab. »Es geht mir viel besser, als ich je zu hoffen wagte. Also, erzähle mir, was bedrückt dich?«
Althea gab sich einen Ruck. Sie erzählte ihm dasselbe wie ihren Freunden in der Nacht zuvor. Bajan hörte ihr ruhig zu, unterbrach sie nicht einmal, sondern beobachtete nur. Er war wach gewesen, als Jeldrik und Phelan in der Nacht zurückgekehrt waren, und hatte ihren Worten gelauscht. Er sah ganz genau, wann sie nach Worten suchte, wie ihr Blick zur Seite ging, sobald sie etwas verschwieg oder einer Tatsache auswich. Was um alles in der Welt verbarg das Mädchen denn noch außer dem Beunruhigenden, das es nun preisgab?
Hinterher schwieg Bajan lange, solange, dass Althea schon wieder im Aufbruch begriffen war, als er endlich zu sprechen begann. »Ich halte Jeldriks Vorschlag für gar nicht so schlecht. Es muss alles wohl überlegt werden.. lass mich eine Weile darüber nachdenken, ja?«
Althea mochte ihm nicht in die Augen sehen. »Ist gut, Fürst«, sagte sie und wollte sich erheben.
Bajan hielt sie mit überraschend festem Griff zurück, und diesmal war alle Milde aus seinem Blick gewichen. Er sah sie zwingend an. »Du wirst mir irgendwann erzählen müssen, was du all die Jahre verschwiegen hast und dir nun solche Furcht einjagt.«
Altheas Kopf fuhr hoch. »Fürst, ich..« Sie schloss die Augen. »Das.. das kann ich nicht, und Ihr würdet es verstehen, warum das so ist. Ihr müsst mir einfach glauben. Es geht nicht. Ruht Euch jetzt aus.« Das klang nicht wie eine Bitte, sondern wie ein Befehl. Sie machte sich los, griff nach ihrer Kiepe und ging einfach hinaus. Hätte sie zurückgeblickt, dann hätte sie gesehen, wie Bajan den Kopf vom Lager hob und ihr besorgt hinterher sah.
Althea drückte erleichtert die Tür hinter sich zu, und gleichzeitig haderte sie mit sich. Das war reine Flucht gewesen, Bajan wusste das sicherlich genau. Warum gelang es ihr nicht mehr, ihre Gedanken zu verbergen? Weil sie Angst hatte, Angst wie noch nie zuvor in ihrem Leben, gestand sie sich ein. Das Unheil lauerte in ihr, sie war das Unheil. Sie kniff die Augen zusammen und atmete tief durch, um sich wieder zu fassen. Einen Moment blieb sie so mit gesenktem Kopf stehen, nicht ahnend, dass sie dabei gesehen wurde.
»Thea!« Sie sah auf und entdeckte Phelan, der auf sie zukam. »Ist alles in Ordnung?« Seine Augen sahen sie mit der liebevollen Besorgnis an, die sie immer aus der Fassung brachte.
»Fürst Bajan weiß, dass wir ihm etwas verschweigen. Er hat versucht, etwas aus mir herauszubekommen, und ich.. ich konnte mich wieder einmal nicht richtig dagegen wehren.«
»Mache dir keine Sorgen, Fürst Bajan würde dich doch nie zwingen.. ganz im Gegensatz zu Regnar. Thea, da ist etwas, das ich dir unbedingt von ihm erzählen muss«, flüsterte Phelan eindringlich.
»Von Großvater? Was hast du denn..?« Sie versummte, denn Jeldrik war mit den anderen Saranern zwischen zwei Hütten aufgetaucht. Althea schlug sofort ihre Kapuze hoch. »Ich verschwinde lieber, ich muss noch ein paar Dinge für Noemi aus dem Wald holen. Kommst du mit?«
»Warte.« Phelan zögerte. »Wo ist sie überhaupt? Hast du sie nicht mitgebracht?«
»Sie ist zu Hause, Phelan. Sie wollte nicht mitkommen«, antwortete Althea leise, einen nervösen Blick in Richtung Jeldrik und der anderen Saraner werfend.
»Sie wollte nicht.. aber.. warum?«, rief Phelan beunruhigt und vergaß sofort, was er Althea erzählen wollte.
»Weil sie es halt nicht wollte. Bis zum Einheitsfest hat sie noch alle Hände voll zu tun, Verna hat so viel bei ihr bestellt..« Mit der Ausrede konnte sie ihn nicht täuschen, sie sah es wohl. »Lass ihr Zeit, Phelan, bitte. Deine Ankunft hat sie sehr aufgewühlt.« Auf keinen Fall wollte sie, dass er jetzt zu ihr ging.
Es war zu spät. Er war sofort besorgt. »Ich werde nach ihr sehen.«
»Phelan!« Aber er war schon fort. »Verdammt!« Sie sah, wie er ein paar kurze Worte mit Jeldrik wechselte, der dann mit unschwer zu durchschauender Absicht mit seinen Freunden auf sie zugeschlendert kam.
»Vergiss es!«, zischte Althea ihm lautlos zu. Sie schlüpfte in die Hütte, vorbei an dem schlafenden Bajan und der überraschten Rana, rannte beinahe die gerade zurückgekehrte Etheniern über den Haufen und wieder zur Hintertür hinaus. Ein paar Schritte weiter war sie in den dichten Hecken um die angrenzenden Felder verschwunden.
Sie hatte nicht einmal gelogen. Noemi brauchte Blüten, wahre Unmengen davon, sodass Althea sich bis zum Sonnenuntergang doch tatsächlich anstrengen musste, ihre Kiepe zu füllen. Noemi musste sich wirklich beeilen, wenn sie bis zum Einheitsfest fertig werden wollte, doch das war nur die halbe Wahrheit. Den anderen Teil verdrängte Althea erfolgreich mit ihrer Arbeit, bis sie beschloss, auf den Klippen eine Rast einzulegen und dem Sonnenuntergang zuzusehen.
Sie blieb nicht lange allein. Bald näherten sich ihr leise Schritte. Sie brauchte nicht den Kopf zu wenden, um zu sehen, wer dort kam. »Du brauchst es gar nicht zu versuchen, ich werde mich deinen Kumpanen heute nicht vorstellen«, sagte sie, ohne sich umzublicken.
»Hmmpf!« Steine knirschten, es raschelte. »Warum läufst du davon?«, fragte Jeldrik. Es klang nicht anklagend, sondern verwundert.
»Phelan hat mir geschrieben, dass du ausgesprochen hartnäckig sein kannst«, antwortete sie mit einem halben Lächeln. »Ich möchte warten, bis Fürst Bajan ausreichend genesen ist.«
Jeldrik brummte: »Und du bist ausgesprochen stur, so, wie dein Großvater.« Jetzt war es an Althea zu schnauben. Sie sah ihn immer noch nicht an. Mit bedächtigen Bewegungen zog Jeldrik seine Pfeife, Tabak, Feuerring und Stein aus seinem Beutel und ließ sie dabei nicht aus den Augen. »Du solltest hier draußen nicht allein herumstreifen..«
»Oh bitte!« Althea rollte die Augen und war drauf und dran, einfach zu gehen.
»..schon gar nicht tagelang. Warum gehst du nicht mit Chaya, wenn du es unbedingt musst?«
»Weil es nicht reicht!«, rief sie und milderte sofort ihren Ton, weil sie erkannte, dass sie es ihm erklären musste. Woher sollte er es schließlich wissen? Endlich wandte sie sich um. »Jeldrik, wer, meinst du, sorgt für uns? Niemand tut es, wir müssen es selbst tun.«
Er hielt damit inne, seine Pfeife zu stopfen, und sah auf, ehrlich überrascht. »Ihr werdet nicht..?«
»Nein. Nur dank Noemis Seife geht es uns so gut. Vorher waren besonders die Winter knapp. Chaya wird einfach alt, sie schafft keine weiten Strecken mehr, und Noemi kann nicht allein fort. Ich muss in die weiter entfernten Siedlungen reisen und dort meine Dienste als Heilerin anbieten. Es ist mein Leben!« Sie war selbst überrascht, wie heftig sie das sagte. Hatte sie es denn nötig, sich zu verteidigen? Nein, ganz bestimmt nicht. Sie wandte sich wieder um und sah auf das Meer hinaus. »Es ist meine Berufung, der Weg, den ich gewählt habe. Niemand wird mich davon abhalten, ihn zu gehen.«
Sie konnte förmlich hören, wie Jeldriks Gedanken arbeiteten. »Ich dachte immer, die Priester oder wenigstens Regnar versorgen euch mit dem Nötigsten.«
»Großvater? Ha!« Althea lachte verächtlich auf. »Das Einzige, was der mir gebracht hat, ist dieser Umhang, damit ich mich verstecken kann, ein Schwert und jede Menge Streit und Schläge. Darauf kann ich gerne verzichten.«
»Er hat..?!« Jeldrik fuhr auf.
»Oh, das ist ihm nicht gut bekommen. Ich kann mich wehren, keine Sorge.«
Ungläubig ließ sich Jeldrik wieder gegen den Felsen sinken, den er als Sitzplatz gewählt hatte. »Wie willst du dich denn gegen einen solch gerissenen und grausamen Seeräuber zur Wehr setzen?«
»Du glaubst mir nicht?«, fragte sie gefährlich ruhig, und als sie sich zu ihm umdrehte, sah sie ihn spöttisch grinsen. »Ja, du glaubst mir nicht. Willst du gegen mich antreten? Dann zeige ich es dir.«
»Ah..« Jeldrik streckte sich, »ich glaube, dafür bin ich zu müde. Schließlich haben wir den ganzen Tag für Mahin geschuftet.«
»Ja, das habe ich gesehen. Feigling!«, fügte sie hinzu. Man konnte das Lachen in ihrer Stimme hören, und das Glitzern in ihren Augen sagte ein Übriges, deshalb nahm er ihr das nicht krumm.
»Wohl eher ein Faulpelz.« Jeldrik schlug seine Pfeife an und nahm einen ersten, genussvollen Zug. »Was hast du diesmal gesammelt? Steine?«
»Nein, Blüten für Noemi. Sie gewinnt daraus Düfte für ihre Seifen.. es ist sehr kompliziert und dauert sehr lange, und sie braucht noch eine Menge davon bis zum Einheitsfest.«
»Ist sie deshalb nicht gekommen? Phelan fragte sich den ganzen..« Er verstummte. Althea hatte den Kopf abgewandt. Täuschte er sich, oder war ihr diese Frage unangenehm? »Ist etwas passiert?«
»Fragst du immer so viel?«
»Ständig«, musste Jeldrik zugeben. »Es engt den Gegner ein, das hilft sehr, zu bekommen, was man möchte. Gestern Nacht, da hat ein Blinder gesehen, dass du etwas verschweigst. Noemi hat es gemerkt und Phelan auch, und das will schon etwas heißen.«
Althea saß stocksteif. Dass er ihr so einfach auf die Schliche kam! ›Ich hatte Streit mit Noemi deswegen‹, war sie versucht zu sagen. Diese Regung überraschte sie.
»Hat es Ärger deswegen gegeben?«, setzte Jeldrik nach.
»Ja.« Sie kniff die Augen zusammen, weil die Sonne verschwamm. Das war nur der Wind, redete sie sich ein und wischte mit dem Ärmel über die Augen.
»Willst du darüber reden?«
»Nein.«
Er schwieg. Ab und zu verrieten ein leises Blasen und der Geruch von Pfeifenrauch, dass er noch da war. Althea spürte es eng in ihrer Kehle werden. Gegen Vorwürfe, gegen Fragen konnte man sich wehren, aber dieses aufmerksame, beinahe tröstliche Schweigen, das ihr so seltsam naheging.. »Ich kann nicht.« Das kam so leise, dass Jeldrik es kaum hörte. Althea sprang auf und griff nach ihrer Kiepe.
»Warte!« Diesmal hielt er sie wirklich und mit voller Absicht fest. »Was macht dir solche Angst, dass du deswegen Streit mit all deinen Freunden riskierst und sie vor den Kopf stößt?« Die blauen Augen leuchteten mitfühlend und gleichzeitig zwingend, als er das fragte.
»Lass mich los!«
»Nein.«
Althea war versucht, ihn einfach zu Boden gehen zu lassen, aber das wäre wieder eine Flucht und würde es nur schlimmer machen. Es drängte sie, sich einfach gehen zu lassen und alles auszuplaudern. Warum war sie so schwach? Es wurde immer stärker, und das macht sie zornig. »Lass mich los!« Diesmal fauchte sie es.
»Gut, wie du willst!« Mit kalt glitzernden Augen gab er sie frei. Abwesend knetete er seine Hand, während er beobachtete, wie sie über den Klippenpfad davonlief. Langsam folgte er ihr und sah gerade noch, wie sie ein kurzes, heftiges Wortgefecht mit dem gerade zurückgekehrten Phelan hatte und dann einfach davonstürmte.
Im selben Moment spürte er neben sich eine Bewegung. Jorid trat an ihn heran. »Etwas liegt da ganz im Argen«, sagte sie. »Hat sie dich auch so angefaucht?«
»Hmpf!«, machte Jeldrik einmal mehr. »Du scheinst sie in der kurzen Zeit hier schon sehr gut kennengelernt zu haben.«
Jorids Gesichtsausdruck war in der heranbrechenden Dunkelheit nicht zu erkennen, als sie nickte, sonst hätte er gesehen, wie es sich einen winzigen Moment verzog. Sie dachte an ihre Reinigung in der Höhle zurück. Gut kennengelernt war stark untertrieben. »Sie und ihre Freunde haben mir ein neues Leben geschenkt, als ich nicht mehr weiter wusste. Freiwillig, einfach so. Das kann ich ihnen niemals wieder vergelten.«
»Ja, das hat man gemerkt. Besonders mit Galvin scheinst du dich ja gut zu verstehen..«
Jorid durchschaute seine Absicht natürlich sofort. »Ach der! Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, wir sind Freunde, mehr nicht. Ich mache mir halt nichts vor, er versucht, sich mit mir nur über eine andere hinwegzutrösten. Obwohl..«, sie lächelte spöttisch, als sie Jeldriks überraschte Miene sah, »es war wirklich nett mit ihm. Mund zu, Bruder, es zieht!«
Er hatte doch tatsächlich daran zu kauen. Nicht, dass aus seiner kleinen Schwester eine erwachsene Frau geworden war, sondern daran, dass sie sich auch so verhielt. Es beschäftigte ihn sogar beim Nachtmahl, sodass ihm erst mit Verzögerung auffiel, dass Phelan die ganze Zeit kein Wort sagte, sondern mit finsterer Miene in seiner Schale herumrührte. Jeldrik stieß ihn an.
»Sie will nicht reden«, flüsterte Phelan.
»Nein«, brummte Jeldrik ebenso leise. »Ich hatte den Eindruck, dass sie vor etwas Angst hat, obwohl.. eigentlich ist sie nicht jemand, der so leicht vor etwas Angst hat.«
»Bist du sicher?«, fragte Phelan. Jeldrik nickte. Phelan seufzte. »Sie und Noemi hatten einen heftigen Streit. Das ist noch nie vorgekommen. Noemi war sehr.. es hat sie getroffen. Sie wollte nicht darüber sprechen. Ich konnte ihr nicht helfen.«
»He, was gibt es da zu flüstern mit düsteren Gesichtern?«, fragte Bryn von der anderen Seite des Raumes.
Sofort nahmen sie sich zusammen. »Nichts!« erwiderte Phelan und bat Jeldrik mit einem Blick zu schweigen.
Althea kehrte auf leisen Sohlen nach Hause zurück. Sie wollte Chaya jetzt nicht begegnen und Noemi.. allein bei den Gedanken an ihre Freundin musste sie schlucken. Klammheimlich verkroch sie sich im Heulager und gab sich ihrem Elend hin. Sie wusste weder ein noch aus.
Kurze Zeit später schlangen sich zwei Arme um sie, und sie wurde fest umfasst. Noemi dachte nichts, sie wartete. Diesem neuerlichen Ansturm war Althea nicht mehr gewachsen. Sie machte Phelan und Tavar und all den anderen Vorwürfe, dass sie ihre Probleme bei Noemi abluden und Trost suchten, dabei war sie nicht besser, sondern noch schlimmer. Das, was sie auf Noemis schmale Schultern lud, war für ihre Freundin kaum zu ertragen.
›Verstehst du jetzt, warum ich das verschwiegen habe?‹
Noemi zitterte, Althea konnte es deutlich spüren. ›Ich wünschte, du hättest es getan! Thea.. oh, sie werden dich umbringen. Wenn die Priester erkennen, dass ER dich haben will, dass du IHN herlockst.. und Phelan erst.. und Fürst Bajan.. du darfst es niemandem sagen, du hast absolut recht. Oh, verzeih mir!‹
›Ist schon gut‹, dachte Althea, und nun war sie es, die Noemi mit ihrem Licht tröstete. Es gab ihnen beiden Kraft.
Später in der Nacht lagen sie auf ihren Schlafstätten und ›flüsterten‹. Phelan war Gegenstand ihrer Gedanken, wie so oft. ›Was hat er denn getan?‹, fragte Althea.
›Oh, er ahnt etwas. Er hat es versucht herauszufinden, ernsthaft sogar, sodass ich ihm ziemlich deutlich klarmachen musste, dass ich nichts weiß. Danach hatte er ein so schlechtes Gewissen, dass er mir beim Verpacken der Seife geholfen hat.‹
›Frauenarbeit‹, spottete Althea. ›Deswegen bist du so weit gekommen.‹
Noemi fand das gar nicht witzig. ›Hör auf! Er meint immer noch, mich schonen zu müssen.‹
›So, wie ich..‹
›Nein, du wolltest mir einen tödlichen Schrecken ersparen. Das ist etwas ganz anderes.‹
In dieser Nacht sprachen sie sich seit langer Zeit das erste Mal wieder richtig aus. Sie spürten beide, dass sie an einem Scheideweg standen. Ihr alter Dreierbund war dabei zu zerbrechen, und sie konnten nichts dagegen tun. Sie mussten sich in ihrer Vertrautheit von Phelan trennen, es gab keinen anderen Weg.
Althea schlief erschöpft bis in den späten Vormittag hinein. Als sie aufwachte, fühlte sie sich so gut wie schon lange nicht mehr. Sie hatte wieder jemanden, mit dem sie diese Last teilen konnte. Mit einem Lächeln im Gesicht kletterte sie ihre Schlafstätte herunter. Noemi war schon fleißig. Wahre Berge aus in Säckchen verpackter Seife türmten sich vor ihr.
»Ach du meine Güte.. alles zusammen auf einem Haufen ist es wirklich eine Menge.«
Noemi sah auf von ihrer Arbeit auf und lächelte. ›Gut geschlafen?‹
»Ja, sehr gut! Wo ist Chaya?«
›Sie wollte nach einigen Leuten in der Siedlung von Vernas Vater sehen. Ich wäre dir dankbar, wenn du mich nach deinem Frühmahl von diesen Bergen hier befreien könntest.‹
»Oh je, selbst mit dem Pferd werde ich mindestens zweimal gehen müssen. Na denn, ich beeile mich lieber.« Frisch gewaschen und gestärkt begann sie zu packen. In ihre normale Kiepe tat sie einige Dinge für Bajan, und zwei weitere Kiepen, randvoll gefüllt mit Seife, lud sie auf ihre Stute. Derart beladen machte sie sich auf den Weg zu Verna.