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Arbeit ist nicht Beschäftigung:

Ein Blick zurück und einer nach vorn

Vorwort: Citoyens und Entrepreneurs

Manches, das später als Vision bezeichnet wird, beginnt unscheinbar. In St. Gallen etwa bestand vor zehn Jahren ein großer Bedarf an Arbeitsplätzen. »Arbeit statt Fürsorge« hieß ein Programm, das die Stadtbehörde für Langzeitarbeitslose lancierte. Auch schwer Suchtabhängige benötigten dringend geeignete Arbeit. Die stand aber nicht zur Verfügung. Die Perspektive, dass eine steigende Anzahl Menschen nicht mehr in der Lage sein würde, ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, und von der Sozialhilfe abhängig sein würde, war stoßend und verlangte neue Lösungsansätze.

Das war Anlass für die Gründung der Stiftung für Arbeit, die zum Zweck hatte, Arbeitsplätze zu schaffen und Arbeit zu vergeben. Wir wussten, dass wir damit ein delikates Parkett betraten, auf dem Sozialarbeit, Verwaltung, Politik, Industrie und Gewerbe unterschiedliche Vorstellungen von Arbeits- und Sozialpolitik pflegten.

Der Start verlief harzig. Noch immer stand der Gedanke zu helfen vor jenem der Wertschöpfung. Die Leistungen konnten sich kaum messen mit jenen in Wirtschaft und Gewerbe. Die zuweilen mangelhafte Qualität der abgelieferten Arbeit diente nicht als Türöffner, sondern forderte Rechtfertigungen für das ganze Projekt. Hingegen bot die Stiftung für Arbeit innerhalb kürzester Zeit denjenigen Menschen eine Tagesstruktur, die sich nicht scheuten, Arbeit als Basis dafür anzunehmen.

Eine Prämisse verbindet die Stiftung der ersten Epoche mit ihrer Nachfolgerin, der heutigen Dock-Gruppe: das Menschenbild, das wir unserer Tätigkeit zugrunde legten – auch wenn wir damals eher von Klientinnen und Klienten sprachen und nicht von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Wir waren davon überzeugt, dass viele unserer Leute fähig sind, Leistungen zu erbringen, für die in Industrie und Gewerbe eine Nachfrage besteht. Diesen haben wir eine Chance und eine Struktur gegeben und ihnen unser Vertrauen geschenkt. Und sie haben es uns gedankt: Wir konnten bis heute an unserem Menschenbild festhalten.

In unserer Gesellschaft erfolgt Integration, also auch die Wiedereingliederung in den Ersten Arbeitsmarkt, über produktive Arbeit und nicht über Beschäftigung, die bloß einen Zeitvertreib darstellt. Langzeitarbeitslose Menschen brauchen Arbeit – Arbeit als Glied in der Wertschöpfungskette, die wir von Beginn weg anboten.

Ums Jahr 2000 wurde uns klar: Was wir tun, ist bei aller Leistung des damaligen Teams und der Beschäftigten zu ineffizient und hat keine Zukunft. Entweder bauen wir das Projekt zu einer Firma um – oder wir geben es auf. Das war die Weggabelung, an der wir Daniela Merz zur Geschäftsführerin ernannten. Ihr ist es gelungen, unserer zwar innovativen, aber etwas diffusen Vorstellung von dem, was heute »Sozialfirma« heißt, Konturen zu geben und ein leistungsfähiges Unternehmen mit mehreren produktiven Standorten aufzubauen.

Den wichtigsten Schritt taten wir alle aber erst, als wir uns definitiv nicht mehr als ein Programm verstanden, das ausgesteuerte Langzeitarbeitslose beschäftigt, sondern als Unternehmen, das nach kommerziellen Grundsätzen geführt wird und in dem besondere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeiten – und unser Projekt fortan »Firma« nannten. Denn: Selbstverständnis hat auch mit Wortwahl zu tun.

Die Dock-Gruppe und die Stiftung für Arbeit, unter deren Dach die gegenwärtig vier Firmen zusammengefasst sind, stehen in diesem Buch im Zentrum. Das entspricht eigentlich nicht ihrem Naturell; doch die sozialpolitische Situation im In-und Ausland und die Diskussionen, die der Zweite Arbeitsmarkt auslöst, rechtfertigen für einmal das Scheinwerferlicht auf uns selbst. Wir sind der Meinung, dass unser Modell auch eine Chance für andere ist, wenn sie jene Regeln umsetzen, die wir entwickelt haben, die sich bewähren und die wir empfehlen.

Was uns wichtig ist, haben die Autorinnen Lynn Blattmann und Daniela Merz auf den folgenden Seiten zusammengetragen.

Mein Dank gilt allen aktiven und emeritierten Stiftungsräten, die nicht nur den Aufbau, sondern auch beide Phasen des Umbaus – vom Beschäftigungsprogramm zur Sozialfirma und später von der regional verankerten Sozialfirma zum nationalen Player – immer gutgeheißen und mitgetragen haben. Ihre Zustimmung zu jedem Entwicklungsschritt war unerlässliche Voraussetzung für die Entstehung und den Erfolg der Dock-Gruppe, und ich habe sie nie für selbstverständlich gehalten.

Sehr herzlich danke ich Daniela Merz. Mit schier unerschöpflicher Energie und Kreativität, Freude und Lust hat sie mit ihrem Team eine in jeder Hinsicht hoch leistungsfähige und anerkannte Firmengruppe geschaffen, die bereits rund 700 Personen beschäftigt und einen weiteren Ausbau ins Auge fasst. Ohne Daniela Merz und unser Leitungsteam stünden wir niemals da, wo wir heute stehen. Euch allen ein Dankeschön!

Lynn Blattmann ist 2006 zu uns gestoßen und hat sich als Mitglied der Unternehmensführung intensiv mit der Idee der Sozialfirma auseinandergesetzt. In verdankenswerter Weise arbeitete sie neben ihren Aufgaben im Firmenalltag mit großem Einsatz an der Publikation dieses Buches.

Weiter gilt mein Dank allen Partnern auf Ämtern, in Unternehmungen, an gesellschaftlichen Schnittstellen und in der Politik, die unserem Tun immer wieder viel Goodwill entgegenbringen und uns zahlreiche Aufträge verschaffen.

Und schließlich ein großes Dankeschön an alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die wir im Laufe der Jahre bei uns beschäftigt haben. Letztlich sind sie die Dock-Gruppe! Mit ihrer Leistung haben sie maßgeblich dazu beitragen, dass wir über eine gut funktionierende und leistungsfähige Firmengruppe verfügen, die für die Wirtschaft arbeitet und von ihr geachtet wird.

Citoyens und Entrepreneurs: Was Sie auf den folgenden Seiten lesen werden, ist eine spannende und faszinierende Geschichte aus Betriebswirtschaft und Sozialpolitik, aus Unternehmertum und gesellschaftlicher Verantwortung, kurz: eine Erfolgsgeschichte.

Auf die wir ein bisschen stolz sind.

Jürg Bachmann

Präsident der Stiftung für Arbeit und der Dock-Gruppe

St. Gallen/Zürich, 31. August 2009

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