Читать книгу Die Entwicklung des gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisses in Galizien (1772-1848) - Людвиг фон Мизес - Страница 7

§ 4. Die ländliche Verfassung Galiziens im 18. Jahrhundert.
(Fortsetzung.)
II. Die Grundobrigkeit.

Оглавление

Inhaltsverzeichnis

Über den Untertanen steht herrschend die Grundobrigkeit. "Sie vereinigt in sich Herrschaftsverhältnisse und Berechtigungen privat- und öffentlich-rechtlichen Charakters." Sie ist ein kleiner Staat im Staate.

Nach dem Stande der Besitzer zerfallen die Güter in vier Kategorien: In die königlichen, geistlichen, adeligen und die von privilegierten Städten oder von Bürgern solcher Städte besessenen Güter.

Die königlichen Güter zerfallen wieder in zwei Klassen: In die Ökonomiegüter und die Staatsgüter. Die Ökonomiegüter (bona mensae regiae) sind zur Bedeckung des Aufwandes des königlichen Haushaltes bestimmt. Sie werden von Administratoren bewirtschaftet. Die Staatsgüter dagegen werden als panis bene merentium an verdiente Edelleute zu lebenslänglichem Besitz verliehen. Der König ist verpflichtet, diejenigen Güter, die durch den Tod der zeitlichen Besitzer an die Krone heimfallen, wieder auszutun. Die Besitzer dieser Starosteien, Advokatien, Tenuten und Skultetien führen den vierten Teil des Erträgnisses, die sogenannte Quarta, an den Staatsschatz ab[42]. Zu den bestbewirtschafteten Gütern gehören die Kirchengüter. Auch gegenüber den Untertanen ist die Herrschaft des Klerus milder als die der Edelleute. Die weitaus größte Zahl von Gütern befindet sich in Händen des Adels. Doch sind die Bürger auch nicht völlig der Grundbesitzfähigkeit beraubt. Die Bürger von Lemberg und Krakau haben das Recht, Herrschaften zu erwerben und zu besitzen. Auch besitzen einzelne Städte als solche Herrschaften und Untertanen[43].

Die Größe der Güter ist sehr verschieden. Es gibt Güter, die 30 und mehr Dörfer umfassen, und solche, zu denen nur Teile eines Dorfes gehören. Mancher Edelmann herrscht über Tausende von Untertanen, während ein anderer wieder nur eine Bauernfamilie sein eigen nennt. Im Durchschnitte besteht ein Gut aus zwei bis drei Dörfern[44].

Das Gut wird als einheitlicher Wirtschaftsorganismus Schlüssel (klucz) genannt. Als verwaltungsrechtlicher Körper heißt es państwo (Herrschaft, aber auch Staat, Reich). An seiner Spitze steht der Gutsherr (heres = Erbherr oder pan = Herr). Er residiert im Hofe (dwór) Er ist auf dem Gute Gesetzgeber und Richter, oberster Herr der Untertanen, Träger der politischen, administrativen und executiven Gewalt[45]. Alle Macht und alles Recht auf dem Gute geht von ihm aus. Nur aus Gnade läßt er der Dorfgemeinde gewisse Rechte. Er ernennt die Gemeindebeamten und hebt nach Belieben die Urteile des Dorfgerichtes auf, ändert oder bestätigt sie[46]. Innerhalb des Gutsbezirkes ist er ein kleiner König[47]. Er erläßt als Gesetzgeber Vorschriften, die Bestimmungen des geltenden allgemeinen Rechtes abändern oder aufheben.

Viele Magnaten unterhalten auf ihren Gütern Haustruppen, deren Zahl im Vergleiche zu den königlichen ganz bedeutend ist.

Die Einhebung und Repartierung der Staatssteuern (des podymne = Rauchfangsteuer) obliegt der Grundobrigkeit. Nicht selten ist diese gezwungen, für den nicht leistungsfähigen Bauer die Steuer zu bezahlen[48]. Zur Bestreitung der Kosten der öffentlichen Agenden, die sie besorgen, heben manche Grundbesitzer selbst Steuern ein[49].

Die allgemein vorherrschende Form der Landwirtschaft ist im Polen des 18. Jahrhunderts die Gutsherrschaft[50]. Die Haupteinnahmsquelle des Gutsherrn ist der eigene landwirtschaftliche Großbetrieb. Er produciert für den Markt und besorgt auch selbst den Vertrieb der Erzeugnisse seiner Wirtschaft. Er schickt auf eigene Rechnung Getreide und Vieh nach Danzig und den anderen Ostseehäfen und da der Adel für alle Waren, die er ein- oder ausführt, Zollfreiheit genießt, so wird es ihm leicht, die Konkurrenz nichtadeliger Kaufleute zu schlagen[51].

Trotzdem die wirtschaftliche Politik des Gutsherrn dahin gerichtet ist, seinem Eigenbetriebe die größtmögliche Ausdehnung zu geben, tritt das Bestreben, das Hoffeld auf Kosten des Bauernlandes zu erweitern, erst spät und nur in geringem Ausmaße hervor. Denn noch steht ihm reichlich unbebautes Land zur Verfügung, und seine Bemühungen müssen vor allem darauf abzielen, die kostbare und seltene Arbeitskraft des Bauern beim Gute zu erhalten[52].

Neben den Einnahmen aus dem eigenen Großbetriebe spielen die Abgaben und Zinsungen der Untertanen, so bedeutend sie auch an und für sich sind, und so schwer es auch den Bauern fallen mag, sie pünktlich zu entrichten, in dem Haushalte des Gutsherrn nur eine untergeordnete Rolle. Doch kommt daneben der Propination eine immer steigende Bedeutung zu.

Das Propinationsrecht (ius propinationis s. propinandi) ist das ausschließliche Recht, gewisse Getränke im Gebiete eines gewissen Ortes zu erzeugen und auszuschenken. Gegenstand des Propinationsrechtes sind Branntwein, Bier, Met, Himbeerwein und Kirschwein. Auf Wein erstreckt sich das Propinationsrecht nicht. Denn der Wein ist, da er im Lande nicht gebaut wird, ein Luxusgetränk, das sich der Adel nicht verteuern will. In der Regel steht die Propination dem Gutsherrn zu, und das Gebiet seiner Geltung deckt sich mit dem Gutsgebiete. Fast jeder Edelmann hat auf seinem Gute eine Branntweinbrennerei errichtet, um von dem Propinationsrechte Vorteil zu ziehen. Ihre große wirtschaftliche Bedeutung hat die Propination erst durch die Verpachtung der Schenken an die Juden erlangt. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts haben nämlich die Juden den Königsschutz aufgegeben, sind von den Städten in die Marktflecken und auf das flache Land hinausgezogen und haben sich ganz unter den Schutz des Adels gestellt. Sie haben überall die Pachtungen (arenda) der Schenken übernommen und die Einkünfte aus der Propination auf eine früher ungeahnte Höhe gebracht. Bei der Abschätzung des Wertes von Landgütern wird nächst den Diensten der Untertanen vor allem das Einkommen aus der Propination in Betracht gezogen. Auf hundert verschiedene Weisen wird der Bauer dazu gebracht, mehr Branntwein zu konsumieren als sein Wunsch ist. Bei Familienfestlichkeiten, bei Kirchweihen, an Sonn- und Feiertagen wird er gezwungen, eine gewisse, von der Obrigkeit vorgeschriebene Menge Branntwein abzunehmen. Strenge ist es ihm verboten, außerhalb des Gutsbezirkes Branntwein zu konsumieren; alles, was er trinkt, muß er von der Obrigkeit beziehen. In jeder Ortschaft wendet der Arendator eine andere Art der Aufdringung des giftigen Getränkes an. So ist im Laufe der Jahrhunderte dem galizischen Landvolke die Trunksucht anerzogen worden[53].

Innerhalb des Gutsbezirkes darf nur der Gutsherr Mühlen errichten, und die Untertanen sind gehalten, ihr Getreide ausschließlich auf den obrigkeitlichen Mühlen mahlen zu lassen. Selbst der Gebrauch von Handmühlen ist ihnen nur gegen einen an die Obrigkeit zu entrichtenden Zins gestattet[54].

Einst hatte der Schulze von den auf dem Hauptplatze des Dorfes ansässigen Handwerkern und Krämern Abgaben eingehoben. Dieses Recht übt jetzt der Gutsherr als Rechtsnachfolger des Schulzen. Er hält sich auch für berechtigt, allen Handel innerhalb des Dorfes für sein Monopol zu erklären, und nur gegen Entrichtung eines Zinses freizugeben. Er erhebt daher von jeder Ware, die der Bauer in die Stadt zum Verkaufe führt, eine Abgabe, das sogenannte Targowe (targ = der Markt). Er geht aber noch weiter, und zwingt die Untertanen, ihm Waren, die er nicht brauchen oder anbringen kann, zu einem willkürlich bestimmten Preise abzunehmen. Es liegt also eine "Aufdringung obrigkeitlicher Feilschaften" vor, wie andererseits die "Abdruckung unterthäniger Feilschaften" stattfindet, d. h. der Bauer gezwungen ist, gewisse Erzeugnisse nur an die Herrschaft zu verkaufen[55].

Die Abgaben der Bauern sind überaus mannigfaltig, wenn auch nicht besonders hoch. In Geld oder in Naturalien entrichten sie Grund-, Holz- und Weidezinse. Sie prästieren ferner den Geflügelzins für die Erlaubnis, ihr Vieh auf die obrigkeitliche Weide treiben zu dürfen. Als Geflügelzins werden Gänse, Kapaune, Hühner, seltener auch Schwäne geliefert. Die Innleute zahlen für das Recht des Holzklaubens eine besondere Geldabgabe, das Komorne. Auch die untertänigen Handwerker zinsen der Obrigkeit. Die Untertanen sind auch verpflichtet, eine gewisse Menge Himbeeren, Nüsse, Schwämme und Kochenille[56] zu sammeln und abzuliefern. Ferner haben sie der Herrschaft Eier, Honig und Hopfen unentgeltlich darzubringen. Getreidezehent ist selten an die Obrigkeit, öfter an den Pfarrer zu entrichten. Dagegen hat jene Anspruch auf Obst-, Tabak-, Bienen- und Vieh- (besonders Schaf)zehent. Immer kehrt die Klage der Untertanen wieder, daß der Gutsherr stets das Beste, das beste Stück, den besten Stock für sich aussuche. – Von allen Abgaben der Untertanen, die unter den verschiedensten Titeln erhoben werden, hat jedoch nur der Getreidezins (auch Haferzins) eine größere wirtschaftliche Bedeutung[57].

Neben den Abgaben an die Obrigkeit müssen die Untertanen auch an die obrigkeitlichen Beamten Taxen und Sporteln entrichten. So das Waggeld für das Abwiegen der untertänigen Zinsungen, sowie das Quittowe und Groszowe für das Ausstellen von Quittungen über geleistete Dienste.

Zur Verwaltung des Gutes unterhält der Gutsherr ein Wirtschaftsamt (urząd), an dessen Spitze der Amtmann (faktor, rządca, starosta) steht. Die Vorwerke leitet ein Unterverwalter (podstarosta). Doch wird nur der kleinere Teil der Güter von Beamten verwaltet. Der größere Teil ist verpachtet. Während der Gutsherr in Warschau lebt und sich ausschließlich mit Politik beschäftigt, treibt der Pächter, der entweder ein Edelmann oder ein Jude ist, auf dem Gute Raubbau, sowohl mit den Kräften des Bodens und dem Holzbestande, als auch mit den Kräften der Fronbauern. Auch auf jenen Gütern, die in eigener Verwaltung des Gutsherrn stehen, sind Propination und Mühle an Juden verpachtet[58].

Die Entwicklung des gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisses in Galizien (1772-1848)

Подняться наверх