Читать книгу Die Entwicklung des gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisses in Galizien (1772-1848) - Людвиг фон Мизес - Страница 8

§ 5. Die ländliche Verfassung Galiziens im 18. Jahrhundert.
(Fortsetzung.)
III. Die Untertanenklassen und ihre Besitzrechte.

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Inhaltsverzeichnis

Die bäuerliche Bevölkerung des flachen Landes zerfällt in Untertanen und in freie Bauern. Freibauern gibt es nur mehr wenige. Die Schulzengüter sind auf den adeligen Besitzungen gänzlich verschwunden, auf den königlichen Gütern aber sind sie als Tenuten im Besitze von Edelleuten[59].

Viele Schulzengüter und adelige Güter sind im Laufe der Zeiten durch fortgesetzte Teilungen unter den Nachkommen der früheren Besitzer in kleine Stellen zersplittert worden. Sie bilden jetzt die sogenannten adeligen Dörfer (wsi szlachecki). Hier bebaut der Edelmann mit eigener Hand den Boden; er genießt keinerlei Dominikalrechte und bezieht keine obrigkeitlichen Einkünfte. Neben diesen adeligen Landleuten, die Erbeigentümer ihrer Gründe sind, gibt es noch eine zweite Klasse von adeligen Bauern, die keine eigenen Gründe besitzen, sondern obrigkeitliche Gründe bebauen, die ihnen censititie, d. i. gegen Zahlung von Grundzins eingeräumt wurden. Viele von diesen Zinsedelleuten (szlachta czynszowa) sind auch robotpflichtig. Die "kleinen Edelleute" sind in Galizien überaus zahlreich. Wenn auch rechtlich dem übrigen Adel vollkommen gleichgestellt, sind sie sozial von ihm durch eine tiefe Kluft getrennt[60].

In den westlichen, an Schlesien grenzenden Bezirken sind die Bauern einiger neu gestifteter Dörfer Nutzungseigentümer ihrer Gründe. Hingegen sind die weitaus überwiegende Mehrzahl aller Untertanen der westlichen Hälfte des Landes und alle Untertanen der östlichen nur "Wirte bis weiter". Sie haben keinerlei Recht an dem Boden, den sie bearbeiten. Sie sind, um mit dem amtlichen Sprachgebrauche des 18. Jahrhunderts zu reden, uneingekaufte Dominikalisten. Der Grundobrigkeit steht das uneingeschränkte Verfügungsrecht über die Grundstücke der Untertanen zu. Sie darf sie ihnen nach Belieben entziehen oder gegen andere vertauschen. Auch das Bauernhaus und das gesamte Wirtschaftsinventar, das Vieh und die Ackergeräte, ja auch die Einrichtung der Wohnräume sind Eigentum der Herrschaft, und nichts hindert diese, den Bauer täglich und stündlich aus seinem Besitztume zu verjagen. Das geschieht freilich nur in den seltensten Fällen, denn es widerspricht dem Interesse des Gutsherrn, dessen Streben vor allem dahin gerichtet sein muß, seinem Gute die Arbeitskräfte zu erhalten. Es kommt wohl vor, daß der Gutsherr dem Untertan gute Gründe entzieht und dafür schlechtere gibt, daß er ihm in Zeiten der Not das Vieh wegnimmt, daß er – etwa aus persönlichem Hasse – einen Bauer abstiftet. Die Regel bildet das aber durchaus nicht. Typischerweise werden vielmehr nur schlechte Wirte oder solche, die sich ein Verbrechen haben zuschulden kommen lassen, abgestiftet. Die Mehrzahl der Untertanen dagegen bleibt im lebenslänglichen Genusse ihrer Gründe. Sterben sie, so teilen die Kinder (Söhne) die Äcker des Vaters, oder setzen – was in den östlichen Teilen des Landes nicht selten vorkommt, – die Haus- und Wirtschaftsgemeinschaft fort. Die Grundobrigkeit ihrerseits begünstigt übrigens die Teilung, bietet sie ihr doch eine erwünschte Gelegenheit, die Fronen zu erhöhen[61].

Ebenso unbestritten wie an den untertänigen Gründen ist das Eigentum des Gutsherrn an Wald und Weide. Doch stehen auch an diesen den Untertanen weitgehende Nutzungsrechte zu, die juristisch prekär sind wie das Recht am Ackerland, dennoch aber von der Obrigkeit nicht eingeschränkt werden. Ist doch der Wert des Waldes gering, da Holz noch nicht ausgeführt wird, im Lande aber reichlich vorhanden ist.

Der Wirtschaftsbetrieb des Untertanen steht unter beständiger Aufsicht der Obrigkeit. Wird sein Haus durch Feuer oder Wasser zerstört, so baut es die Herrschaft wieder auf; fällt sein Vieh, so schafft die Obrigkeit Ersatz[62].

Verschieden von den geschilderten Verhältnissen ist die Grundeigentumsordnung in den südöstlichen Bezirken, in Pokutien. Hier besteht noch in zahlreichen Gemeinden der Kreise Kolomea, Czortkow und Stanislau Feldgemeinschaft. Im festen Besitze der Hauswirte stehen nur die Hausgärten. Die Feldflur ist gemeinschaftliches Nutzungseigentum der Untertanen, wodurch jedoch das Eigentumsrecht des Gutsherrn nicht berührt wird. Die Benützung der Gründe geschieht nicht gemeinschaftlich. Vielmehr werden die Acker durch das Los oder durch den Gemeindevorstand, selten unter Mitwirkung des Dominiums an die Gemeindemitglieder verteilt. Die Anteile sind verschieden je nach der Untertansklasse, zu der ein Gemeindemitglied gehört. Die Acker werden durch mehrere Jahre unter dem Pfluge gehalten, dann aber wieder auf ebensoviele Jahre zur gemeinschaftlichen Viehweide liegen gelassen, dagegen aber die bis dahin beweideten Brachfelder unter die Gemeindeglieder zur Aufackerung verteilt, wobei ein jeder Grundbesitzer "das vorige Flächenmaß an Gründen, aber nicht die nämlichen Gründe erhält"[63].

Die Entstehung und die Geschichte der Feldgemeinschaft in Pokutien liegen im Dunkeln. Jedenfalls ist sie mit jenen Formen des Gemeineigentums verwandt, die wir um dieselbe Zeit in Kleinrußland[64], in der Moldau, in der Bukowina[65] und in Ungarn treffen[65].

In den Inventaren sind die Untertanen nach der Größe ihres Besitzes in Klassen eingeteilt. Doch sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Klassen durch die Sitte der Naturalteilung bei Erbfällen verwischt. Die Inventare teilen nun die Untertanen auf dem flachen Lande – die Bewohner der untertänigen Städte interessieren uns hier nicht – in Bauern, Gärtner, Häusler und Innleute ein.

Die Bauern (włosciani, chłopi) sind Ganzbauern (kmieci, rolnicy), Halbbauern (połrolnicy) oder Viertelbauern (cwierciorolnicy). Sie besitzen einen Hausplatz im Dorfe und Ackerstücke, die auf der Flur im Gemenge mit denen der Herrschaft liegen. Die Gärtner (zagrodnicy) besitzen nur Hütte und Hausgarten (zagroda), die Häusler (chałupnicy) nur eine Hütte (chałupa). Die Innleute (komornicy) besitzen weder Hütte noch Grund und wohnen bei angesessenen Untertanen zu Miete[66].

Die Größe des Grundbesitzes eines Ganzbauern ist in den einzelnen Teilen des Landes verschieden; im Westen ist er am kleinsten und wird in dem Maße größer, als man nach Osten schreitet[67].

Die Entwicklung des gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisses in Galizien (1772-1848)

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