Читать книгу Mit der 18 bis zu dir - Maartje Kamprath - Страница 6
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ОглавлениеStill und lediglich durch den gelben Schein der Natriumdampflampen erhellt, liegt die Haltestelle Neumarkt schließlich vor uns. Der Weg die Cäcilienstraße hinauf ist mir wie eine Ewigkeit vorgekommen.
Um den Neumarkt herum fährt die Straßenbahnlinie Achtzehn für einige Stationen unterirdisch, um den ohnehin meist schwierigen Verkehr in der Innenstadt nicht zu behindern und selbst auch nicht dadurch behindert zu werden. Ich kann nicht von mir behaupten, dass ich sonderlich viel von urbaner Infrastruktur verstehe, habe ich doch nicht einmal einen Führerschein. Aber mir ist durchaus bewusst, dass in der Stadt vor lauter Straßen, Einkaufszentren, Museen, Denkmählern und Kirchen kein Platz für eine Straßenbahn wäre. Wenn ich darüber nachdenke, was ich seltsamerweise recht häufig tue, kehre ich immer wieder zu der Frage zurück, ob all diese Dinge zuerst da waren und diese Gebäude für die Straßenbahn untertunnelt wurden, oder ob nur einige Gebäude da waren und nach dem Bau eines Straßenbahntunnels beschlossen wurde, den Boden darüber dicht an dicht mit Kommerz und Kultur zu bedecken. Dieser Gedankengang ist einer von denen, die für meine Art, mich mit Tatsachen auseinanderzusetzen, sehr typisch ist. Ich frage mich ständig, was zuerst da war. Mein Gehirn scheint nur in einer „Huhn-oder-Ei“-Struktur zu funktionieren. Manchmal fällt es mir schwer, mich selbst damit ernst zu nehmen.
Wir steigen ein, und es kommt mir vor, als beträten wir eine Gefängniszelle aus blauem Plastik, grauem Laminat und gelb lackiertem Stahl. Hier werde ich Mortimer nicht einmal entfliehen können, wenn ich mich psychisch dazu in der Lage sehe. Was wohlgemerkt immer noch nicht der Fall ist.
Lächelnd lässt er sich auf einem Fensterplatz nieder, schiebt das Becken vor, lehnt sich zurück, verschränkt die Hände im Nacken, schlägt die Beine übereinander und blickt mich unter seiner Hutkrempe hindurch an.
Ich nehme den Sitz, der am meisten physikalische Distanz zwischen uns bringt, ohne mich aus dem unausgesprochenen Radius hinauszuwagen, innerhalb dessen er noch die Hand nach mir ausstrecken kann. Es ist der Sitz schräg gegenüber, am Gang, aber in Fahrtrichtung. Es ist einerlei, was Mortimer über mich weiß; er weiß zu viel. Jetzt schon bin ich ein Spatz in seiner Hand.
Ich schiebe meine Hände in die Taschen meiner Jacke. Zu allem Überfluss habe ich diesen „Stadtbummel“, der einfach als abendlicher Spaziergang begonnen hat, auch noch ohne mein Handy angetreten. Meine Hände sind von einem hauchdünnen Film klebrigen, kalten Angstschweißes überzogen.
„Also“, setzt Mortimer unvermittelt an, „eine Sache würde ich aber schon gerne wissen. Ich kann verstehen, dass du aus diesem Loch in Schleswig-Holstein herauswolltest. Aber dir stand doch die ganze Welt offen. London, Rom, Paris – ich liebe Paris – Hamburg, München, Wien. Sogar Berlin hat schöne Ecken. Aber Köln? Ich bin nicht das erste Mal hier, und dank dir werde ich wohl auch noch einige Zeit hier verbringen müssen, aber warum nur ausgerechnet Köln?“
Ich schlucke. Ein weiterer Hinweis. Offensichtlich sind unsere Schicksale – zumindest seiner Meinung nach – untrennbar miteinander verknüpft.
Mortimer ergreift seinen Hut mit der rechten Hand und nimmt ihn ab. Eine Strähne seines aschblonden Haares, das er vorhin noch streng zurückgekämmt getragen hat, fällt ihm in die Stirn. Er platziert sie mit einer federleichten, grazilen Bewegung seines Ringfingers wieder dort, wo sie hingehört, senkt den Blick, und seine langen, skelettartigen Finger spielen mit der Krempe des Hutes, während er auf meine Antwort wartet.
„Na ja“, spöttele ich, tief versunken in meiner emotionalen und physischen Abwehrhaltung: Ich will dieses Gespräch nicht führen. Immer noch nicht, auch nicht nach all den Jahren. Es ist eine der seltenen Gelegenheiten, in denen sich meine sarkastische, kleine Stimme in den Vordergrund drängt und ausnahmsweise laut ausspricht, was ich üblicherweise zurückhalte. „Hässlicher Mensch, hässliche Stadt. Ich dachte, ich bringe das Innere mit dem Äußeren in Einklang.“
Wieder lacht Mortimer dieses leise, hohle Lachen. An den Falten zwischen seinen Augenbrauen kann ich erkennen, dass mein erster Eindruck vielleicht gar nicht einmal so abwegig war: Offensichtlich hat dieser wenigstens oberflächlich betrachtet in Würde gealterte Mann tatsächlich Schmerzen, wenn er lacht. Endlich wird meine Angst und auch der Ärger, den seine bevormundende Haltung mir gegenüber in mir ausgelöst hat, von einer anderen Empfindung abgelöst, oder vielleicht eher überdeckt. Ich habe Mitleid mit ihm. Kein echtes Mitgefühl, dazu verschließe ich mich ihm zu sehr – zu Recht, wie ich finde – aber Mitleid. Kein Wunder, dass er bitter und launisch ist, wenn die Schnittmenge positiven emotionalen Erlebens und dessen Ausdrucksmittels ihm körperliche Schmerzen bereitet.
Ich überspiele meine Überraschung darüber, dass er offenbar die Gedanken, die ich mir zu seinem eigenen Wesen gemacht habe, nicht hat erraten können. Ein Glück, überlege ich. Etwas in mir ahnt, dass es eine Herausforderung werden könnte, abwägen zu wollen, welche meiner intimen Gedanken er lesen kann und welche nicht. Schließlich hat er vorhin ja keine Hemmungen gehabt, mir meine Worte zu stehlen, ehe ich überhaupt die Chance hatte, meine Gedanken zu artikulieren, während er nun vollkommen ungerührt immer noch mit den Fingern über seinen Hut streicht.
Es fühlt sich falsch an, dass er mir nicht widerspricht. Gut, meldet sich die Stimme in meinem Kopf wieder, es ist doch gleichgültig, was er tut. Wenn er etwas sagt, ist es falsch, und wenn er nichts sagt, dann offenbar auch.
Es ist nicht falsch, weil ich mit meiner saloppen Aussage eine These aufgestellt hätte, auf die ich Widerworte für die angemessene Reaktion halte, sondern, weil ich selbst einen tiefen inneren Widerstand dagegen verspüre, mit Mortimer einer Meinung zu sein. Als wäre es ein Verbrechen, nicht am Gesetz, eher am Menschen. An der Natur. In meinem Kopf entbrennt ein ungezähmter Kampf zwischen meinem stolzen Auftreten, das mich zu dieser Antwort verleitet hat, und meinem Sachverstand, der mich daran erinnert, dass in jeder Aussage zumindest ein klein wenig Wahrheit steckt, und dass ich mich dann nicht gekränkt zu fühlen habe, wenn jemand das ernst nimmt.
„Also, ich würde ja sagen, dass deine Vernunft da vollkommen richtig liegt“, kommentiert Mortimer meinen Gedankengang.
Ich schaue ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an. „Natürlich sagst du das. Sie gibt dir ja auch Recht. Und abgesehen davon ist die Tatsache, dass es meine Vernunft ist, die in meinem Kopf sitzt, nicht unbedingt ein Indiz für ihre eigene Glaubwürdigkeit, im Gegenteil: Mit jeder Aussage, die sie trifft, untergräbt sie sich selbst. Sie ist immer noch gefärbt von meiner Wahrnehmung, meiner Bewertung.“ Überrascht stelle ich fest, dass es mich jetzt gar nicht mehr so sehr stört, und es mir vor allem schon nicht mehr sonderbar erscheint, dass Mortimer Teil meiner Gedankenwelt ist.
Gern würde ich sagen, den Rest der Fahrt über wäre nichts geschehen, über das zu berichten es sich lohnt. Aber nein.
Nach der Haltestelle Barbarossaplatz fahren wir nicht mehr unterirdisch, sondern mittig entlang der breiten Luxemburger Straße. Die Bahngleise sind gesäumt von Straßenlaternen und Bäumen. Das kalte Licht, das durch ihre Blätter fällt, zeichnet dynamische, bläuliche Muster auf Mortimers Stirn und seine Haare. Seine Augenbrauen sind wie eine Steilküste: Von dem hohen, klar definierten Schädel mit dem zurückweichenden Haaransatz ziehen sie eine scharfe Grenze zu den tiefliegenden grauen Augen, die das bläuliche Licht der Straßenlaternen immer wieder im Schatten ihrer Höhlen aufleuchten lässt. Und darunter liegen feine Züge, Millionen Details, die mir so wahnsinnig vertraut sind. Die markante Nase, die schmalen, scheinbar durch ihre Fältchen ineinander verkanteten Lippen. Wenn er spricht, fällt mir immer wieder auf, dass seine Eckzähne ein wenig vorstehen, was ihm einen aparten, unperfekten Eindruck verleiht, einen Widerspruch zu allem, wofür er zu stehen scheint. Sein ganzes Gesicht ist scharf umrissen, fein gezeichnet und doch irgendwie hart wie ein Diamant, aber dabei scheint es mir so vertraut und so stark, auf eine verkappte Weise attraktiv, dass ich mit jeder Sekunde mehr zwischen Furcht und Sympathie hin- und hergerissen werde.
Seine Züge sind für mich ein Versprechen von etwas, das sich wohl am ehesten beschreiben lässt als das Gegenteil von Einsamkeit, und wann immer ich ihn verstohlen anschaue, habe ich das Gefühl, mich in all den Kleinigkeiten zu verlieren. Sein Gesicht, seine ganze Erscheinung übt eine kaum erfassbare Macht und Faszination auf mich aus. Und ich weiß, jetzt, wo er entspannt und so fröhlich ist, wie er mit seiner ganzen Art eben sein kann, bedeutet diese Macht große Gefahr für mich. Die Versuchung, ihm nachzugeben, auf ihn zu hören, ohne seine Absichten zu kennen, steigt mit jedem freundlichen Wort, das er an mich richtet. Zum Glück, wirft die kleine, sarkastische Stimme in meinem Kopf ein, sind das nicht allzu viele.
Es wäre so einfach, meldet sich dann eine leise Sehnsucht in mir zu Wort, so einfach einmal nicht abwägen und entscheiden zu müssen, den Weg nicht allein zu gehen. Mit einer subtilen, hoffentlich von Mortimer nicht bewusst wahrnehmbaren Handbewegung wische ich die Bitte fort. Humbug, denke ich, ich kann mein Leben keinem Fremden in die Hand geben. Und vor allem nicht jemandem, der so unberechenbar ist, dem ich nicht vertrauen kann, obwohl etwas in mir beteuert, dass das absolut notwendig ist. Und da ist sie wieder, die Einsamkeit. Der Zwilling des Schmerzes.
Noch hat Mortimer jedoch außer seinem Einschüchterungsversuch auf der Cäcilienstraße nichts getan, was meine Furcht vor ihm gerechtfertigt hätte. Nicht, nachdem ich ganz intuitiv weiß, dass er die Wahrheit sagte, als er meinte, wir würden uns kennen. Ich kann es nicht begründen, nicht erklären und schwanke immer noch zwischen den Extremen, die er in mir auslöst, aber er kann für mich definitiv kein völliger Unbekannter sein.
An der Haltestelle Klettenbergpark steigen wir schließlich aus. Der Geruch von Marihuana steigt mir in die Nase. So lange schon wohne ich nicht mehr in diesem Stadtteil, und immer noch erscheint es mir, als würde jeden Abend jemand zum Rauchen in den kleinen Park an der Ecke Luxemburger Straße- Geißbergstraße gehen. Jemand, den ich noch nie gesehen, aber zwei Jahre lang mit beunruhigender Regelmäßigkeit gerochen habe.
„Das weckt Erinnerungen, nicht wahr?“, Mortimers Stimme ist wie das Schnurren eines zufriedenen Katers, der sich soeben auf der Brust seines Menschen hingelegt hat, sodass dieser sich nicht mehr rühren kann.
„Woher weißt du all das über mich? Die meisten Menschen, die heute in meinem Leben eine Rolle spielen, wissen nicht, dass ich hier gewohnt habe – und vor allem nicht, was hier passiert ist“, entgegne ich und denke im selben Moment: Willst du die Antwort auf diese Frage wirklich hören?
„Woher ich das weiß?“, Mortimer verzieht wieder das Gesicht. Ein kurzes Lachen entfährt ihm. „Ich war dabei.“
Wir biegen in den Eingang des Parks ein. Entfernt höre ich das Plätschern der Teichpumpe, die den Mittelpunkt des Teiches markiert und damit den Mittelpunkt des gesamten Parkstücks.
Jetzt strömen Millionen Bilder auf mich ein, Gesprächsfetzen, Gesichter. Mortimers ist nicht dabei. Einen Moment lang halte ich inne, schließe die Augen und spüre, wie die Anspannung von vorhin sich wieder in mir ausbreitet. All die Erinnerungen sind so laut, so erschütternd, als würden sie mich aus nächster Nähe anbrüllen.
Mortimer ist gleichzeitig mit mir stehen geblieben. Als ich die Augen wieder öffne, sehe ich seine langen Finger sanft auf meinem rechten Unterarm ruhen. Wieder habe ich nicht gespürt, wann und wie er mich berührt hat. Aber jetzt ist sie da, die Hand. Meine eigenen Hände habe ich vor meinem Bauch ineinander verknotet und presse sie mit aller Kraft zusammen. Ich habe die Schultern hochgezogen. Meine Knie zusammengepresst. Den Rücken gekrümmt. Noch einmal schlage ich die Augen nieder, dann versuche ich mit meinem Atem auch die ganze Spannung aus meinem Körper weichen zu lassen. Es gelingt mir nicht zur Gänze.
Als ich die Hände sinken lasse, zieht auch Mortimer seine Hand zurück. „Gehen wir chronologisch oder alphabetisch vor?“, fragt er dann. Angesichts dieser Unerhörtheit schnappe ich nach Luft und möchte ihm etwas entgegenschleudern, doch mit einer einzigen, geschmeidigen Bewegung steht Mortimer wieder vor mir und legt mir seinen Zeigefinger auf die Lippen. Beinahe löst das noch größere Empörung in mir aus, aber ich kann mich nicht wehren. Ist das der Vierte im Bunde, der Zorn? Ein Automatismus nimmt in meinem Kopf seinen Anfang, und ohne genau zu wissen wie, lasse ich meinen Ärger schnell von meiner geistigen Bildfläche verschwinden, wissend, dass er mich in meiner Situation unter keinen Umständen weiterbrächte.
Wieder ist Mortimer mir so nahe, dass sich bei jedem seiner Atemzüge die Härchen in meinem Nacken aufstellen. Meine körperlichen, nicht steuerbaren Reaktionen sind fast synchron mit jeder seiner Bewegungen.
Er schaut sich mein Gesicht an, sein Blick wandert mit einem Mal meine Haut hinauf und hinab, als hätte er vergessen, warum er eigentlich vor mir steht, und ich kann beim besten Willen nicht erkennen, ob er von meiner Haut fasziniert ist, weil er sie für kostbar oder weil er sie für verabscheuungswürdig hält.
Für die Dauer eines Wimpernschlages stehen wir beide da wie versteinert. Dann wendet sich Mortimer ab. War wohl doch eher Abscheu, denke ich, was auch sonst. Seite an Seite gehen wir schweigend die Runde um den Teich. Sterne spiegeln sich in seiner Oberfläche, bewegt durch die Kreise, die das von der Pumpe ausgestoßene Wasser beim Auftreffen auf die Oberfläche zieht.
Wieder spüre ich die Magie, die vom Wasser ausgeht. Durch die Sinneseindrücke, die die Szenerie vor mir auf mich macht, habe ich wieder das Gefühl, voll und ganz Teil eines Systems zu sein, der Nahordnung der Moleküle nämlich. Der Anziehung und Abstoßung der Teilchen untereinander und dem Bestreben des Wassers, in jedem Zustand die kleinste mögliche Oberfläche im Verhältnis zum jeweiligen Volumen zu haben. Für die Sekunden, in denen Mortimers ruhige, sonore Stimme mich nicht zwingt, verbalisiert, fokussiert und reflektiert zu sein, verwandelt sich meine Gedankenwelt in ein Elektronenmikroskop: Ich habe den Eindruck, durch bloßes Hinschauen das Wesen des Wassers erkennen zu können. Ich meine, sicher wäre ich eine schlechte Chemikerin, würde ich nicht auch die physikalischen Grundlagen beherrschen, um das Verhalten von Wasser zu durchschauen. Aber in solchen Momenten ist es, als würde ich eine Art schwere Rüstung ablegen, eine Hülle, die mich immer umgibt, mich schwerfällig macht, und übrig bleibt dann nur die Anmut der Erkenntnis.
Als wir den Teich zur Hälfte umrundet haben, entdecke ich in den dichten Gräsern am Rand des Gewässers eine kleine Gruppe Leuchtkäfer. Es ist wirklich schön hier. Das hatte ich ganz vergessen.
Mortimer schaut mich erwartungsvoll von der Seite an.
„Wozu müssen wir das besprechen?“, frage ich dann. Meine Stimme ist belegt. Ich möchte nichts erzählen müssen.
„Wenn es nur in deinem Kopf bleibt, wirst du niemals damit abschließen können. Worte für das zu finden, was du erlebt hast, gibt ihm eine Dimension, und vielleicht folgen darauf Erkenntnisse“, antwortet Mortimer ruhig.
„Oder es gibt ihm Macht“, entgegne ich. „Weißt du, Worte sind die mächtigste Waffe, die ich habe. Sie für Erinnerungen zu verwenden, die mich schon durch ihre bloße Existenz schmerzen, wäre, als würde ich eine offene Wunde mit Feuer desinfizieren: Es bleibt verbranntes Fleisch zurück, übelriechend, schwarz, schmerzend und sekundär gefährlich.“
Jetzt, zum ersten Mal seit unserer Begrüßung auf der Deutzer Brücke, nehme ich bewusst wahr, wie Mortimer mich berührt. Er legt seinen Arm um meine Schultern. Wieder rieche ich sein Parfum, und fast scheint es mir, als könnte ich sein Herz schlagen hören. Seine Berührung verspricht so viel Nähe – ein Zustand, den ich absolut nicht mehr gewöhnt bin, und ich komme nicht umhin, so etwas wie Geborgenheit zu fühlen. Diese Geste erscheint mir so ausgesprochen ungewohnt. Wie kann es nur sein, dass mich das alles derart durcheinanderbringt? Sicher, die Faktenlage ist nichts, was man objektiv in irgendeiner Hinsicht als normal bezeichnen würde. Aber warum kann ich dann nicht einfach gehen? Was hält mich auf?
Meine Welt steht Kopf, und nur durch seinen Blick, nahe an meiner Schläfe, seinen leisen Atem an meinem Ohr und seine kalte Hand auf meiner Schulter überzeugt Mortimer mich, einige Worte zusammenzusuchen, meine Gedanken zu ordnen und zu erzählen.