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Der Teufel?

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Ja, ja, so nenne ich sie gerne, meine inzwischen vertraute Krankheit, die mich schon viel länger verfolgt und begleitet als ich dachte. Es fühlt sich so schlimm an, wenn sie mich festhält. Sie ist manchmal endlos gemein. Vor allem an den schlechten Tagen, an denen ich so müde bin, dass ich nur noch schlafen will (es aber nicht tue), an denen alles grau ist, ich nichts wert bin, nichts schaffen werde. Es sind Tage, an denen unser Haus mir nichts bedeutet außer einer Riesenlast; an denen ich überzeugt bin, dass ich nur noch tiefer falle; keine Hoffnung habe.

Ich bin dann überzeugt, dass ich nichts erreicht habe, dass es halt Glück war und ich nichts davon verdiene. Ich bin fett, hässlich, in den Spiegel kann ich lange nicht mehr schauen. Keine Ahnung warum mein Freund mich liebt, wenn überhaupt. Eine gute Mutter schafft alles besser! Ersatzteillager, wenigstens hast du einen Organspenderausweis… Ich könnte wieder ewig weitermachen… Warum mögen sie mich überhaupt? Sehen sie überhaupt hin?

Das sind die Tage, an denen ich mich vor allen verstecken will. Ich mag nicht gesehen werden, weil ich doch so hässlich bin, kann nicht gerade heraus denken, schäme mich vor mir selbst. Und ich bin hervorragend darin, mich selbst zu verurteilen. Das fühlt sich echt an. Wenn ich darüber nachdenke, hat es das schon immer.

Siehst Du, was ich Dir zu zeigen versuche? Das ist nicht die Krankheit, das ist nicht der Teufel, das sind wir. Na gut, ich. Von Dir will ich jetzt nicht sprechen, es steht mir nicht zu. Fakt ist aber, diese Krankheit könnte Sinn machen. Wow… wie sich das liest… Es ist schwer, es so zu sehen, ändert aber nichts an der Wahrheit.

Wenn jemand uns schlecht behandelt, uns kränkt und missbraucht, haben wir die Wahl, zu gehen oder ihm zu sagen, er soll es lassen. Außer in der Kindheit, in der wir auf Bezugspersonen angewiesen sind, vielleicht liegen die Ursachen deswegen meist schon dort. Wir haben also immer die Wahl, uns von bösartigen Situationen oder Menschen zu schützen und zu distanzieren, was wir auch meistens tun.

Was aber nun, wenn die bösartige Person, die uns im hier und heute missbraucht, wir selbst sind? Wie sollen wir uns wehren? Das übernimmt unsere Krankheit. Natürlich ist es nicht bewusst passiert. Du kannst sicher genauso wie ich Personen, Schicksalsschläge, schwere Situationen aufzählen… und wie ich das kann…


Es gibt Schicksalsschläge, die uns überwältigen, überrennen und einen unvergleichlichen Schmerz in uns auslösen. Der Tod eines geliebten Menschen, Vergewaltigung und Situationen, in denen wir nur Opfer sein können, sei es weil wir noch Kinder sind. Solche Situationen sind mir nicht unbekannt.

Solltest Du darunter leiden, dass ein Schicksalsschlag Dein Leben aus der Bahn geworfen und Dich entmachtet hat, dann hast Du mein volles Mitgefühl! Du hast jedes Recht traurig zu sein. An dieser Stelle wünsche ich Dir viel Kraft und hoffe mit Dir - wenn Du noch nicht bereit bist, dann für Dich - dass der Schmerz Dich irgendwann loslässt.

All das wird im Folgenden nicht beschrieben. Vielmehr geht es um Macht und Verantwortung.

Zu diesem Thema folgt ein Stück aus meinem Leben:


Ich war gut auf meinen Exmann vorbereitet, dafür hat mein Vater mich optimiert. Ich komme nicht umhin, ein wenig auszuholen, versuche es aber so objektiv wie möglich.

Ich habe einige gute und schöne Erinnerungen an ihn. Er hat meine Hand gehalten und gestreichelt als Kind, wenn wir in der Kirche standen. Er hat mir aus der Bibel vorgelesen, jeden Abend ein Kreuz auf meine Stirn gemacht und mir einen Gute-Nacht-Kuss gegeben… Und war in meinen Augen natürlich ein Held. Ich habe ihn nicht betrunken gesehen, er hatte einen tollen Humor und alle mochten ihn. Er war so fleißig! Er war der Held, er wusste alles, konnte alles. (Wobei ich auch heute weiß, dass er einiges kann und vieles geleistet hat.) Soweit, so üblich.

Er durfte uns anschreien, schließlich war er immer im Recht. Er durfte uns schlagen, es war die gerechte Strafe. Er durfte dich in den Keller schicken, das Kabel holen, es steigerte die Vorfreude.

Ich habe bruchstückhafte Erinnerungen, aber ich weiß, dass es Dinge gibt, die man nicht tut, wenn man jemanden liebt. Da hätten wir: Den Kopf seines Kindes auf den Boden schlagen, wecken, mit einem Schlag ins Gesicht, erniedrigen (zutiefst und sehr oft, gerne vor anderen), Angst machen… Ich frage mich heute, ob das Angstmachen bewusst war, ob es ihm geholfen hat seine Wut auf diese Art auszuleben. Er musste doch sehen, was in unseren Gesichtern geschrieben stand. Hast du geweint und gebettelt, wurde schlimmer zugeschlagen. Du darfst nicht weinen und schreien, die Nachbarn hören es…

Ich muss es nicht weiter ausführen, damit deutlich wird, welche Figur er in meinem Leben eingenommen hat. Er war alles, durfte alles, hatte alle Rechte, ich war nichts. Es wurde schon sehr deutlich, wo ich auf der Stellenwerttabelle meinen Platz hatte. Das geht mit Worten, man muss nicht immer zuschlagen. „Alle sind besser als du, siehst du, sie machen sich nicht schmutzig, sie können dieses, jenes, du nicht. Du stinkst, alle anderen riechen gut… du stinkst…“


Bis heute denke, sehe, fühle und weiß ich, dass in seinen Augen jeder Fremde und Bekannte mehr wert ist als ich.

Da fällt mir ein: Er hat Fotos von meinen unaufgeräumten Schränken gemacht (Zeit der Rebellion, ich war 14?). Er hat sie verwahrt und ist damit zu meinem ersten Freund gefahren. Er hat sie ihm gezeigt und gefragt, ob mein Freund sich denn wirklich das Leben mit solch einer schlampigen, ekelhaften Frau versauen wolle… Ha! Heute kann ich darüber lachen!

Nun, es liegt nahe, dass das Selbstwertgefühl, das in mir entstand, kein gutes war. Es gab immer die anderen und mich.


Dann kam mein Exmann ins Spiel, anfangs die große Liebe, dann wurde es sehr hässlich. Wie gesagt, reicht für ein eigenes Buch… Zu ihm bleibt vorerst zu sagen, dass ich dachte, er wäre so ganz anders als mein Vater. Ich glaubte er wolle mir helfen in einer sehr schweren und einsamen Zeit… Dabei hat er mich in dieser, wie in den folgenden, von ihm verursachten, schlimmen Zeiten, immer wieder im Stich gelassen. Was soll´s, ich mag nicht über ihn schreiben. Mir ist es auch egal ob er es je verstehen wird. Was es zu sagen gibt, ist, dass er mich fast mein Leben gekostet hat und dass es ein schlimmes Gefühl war, sich vom Leben zu verabschieden. Schlimmer als das war noch zu sehen, dass meine unschuldigen Engel mich gerettet haben. Sie hätten es niemals sehen sollen. Es tut mir leid, ich kann es nicht ungeschehen machen und hoffe, ihr könnt vergessen!

Im Großen und Ganzen war mein Exmann meinem Vater verdammt ähnlich, gefolgt von meinem Ex-Chef, über den ich nur zu sagen habe, dass es mir der Platz in diesem Buch nicht wert ist.

Warum berichte ich Dir jetzt das Ganze?? Ich armes Mädchen, vom Leben geprügelt?

Klar, es WAR schlimm, ist es heute noch, keine Frage. Wir waren beim Thema Macht und Verantwortung. Ich kann es drehen und wenden wie ich will, ab einem gewissen Punkt hatte ich die Wahl. Sicher, ich konnte nicht von meinem Vater weg als Kind, das muss man nicht erst überdenken. Spätestens aber ab Exmann HATTE ich die Wahl.

Ich will jetzt nicht gnadenlos zu mir sein, ich weiß, dass meine Kindheit und Jugend mich so geformt haben, darum geht es aber nicht. Ich habe mich nicht absichtlich misshandelt, ich ging nicht aus Angst – mein treuer Begleiter –, aber ich habe mich jeden Tag entschieden zu bleiben. Und dafür trage ich die Verantwortung.

Bleiben geht aber nicht einfach so… man entwickelt eine Überlebensstrategie, unbewusst (selbstredend)…

Um auf den Teufel zurückzukommen: Ich bin ein Engel! Zu meinen Lieben, zu Bekannten und fremden Menschen. Ich will Dir nichts Böses, im Gegenteil, das kann ich wahrscheinlich nicht mal. Ich bin sogar stolz darauf, dass ich es geschafft habe, nach alledem ein liebes Mädchen zu bleiben und mich noch heute traue zu vertrauen, das ist Mut!


Und ja, ich bin der Teufel, zu mir selbst. Ich kann (noch?) nicht anders. Ich kann einfach nicht glauben, eine von Euch zu sein. Die gleichen Rechte zu haben, und sei es nur das Recht zu leben. Es fühlt sich an wie… Abfallprodukt, das zu Euch aufschauen darf. Hoffentlich bemerkt Ihr mich nicht, spuckt mich nicht an. Sich selbst zu zerstören ist die einzige logische Konsequenz. Dann muss ich Euch nie mehr in die Augen sehen und diese Folter aushalten.


Nachtrag:

Sich lieb zu haben ist nicht einfach. Schön zu sehen, wie andere es können, ich würde es euch gerne nachmachen können. So, wie ich bisher auf die Liebe von außerhalb angewiesen war, ist es jetzt, wie neu laufen lernen. Meinen Körper zu lieben scheint mir unmöglich, diese Hürde überwinde ich, wenn überhaupt, zuletzt. Liebevoller mit mir im Alltag umzugehen, unnötiges liegen zu lassen, ist der Anfang. Manchmal darf ich mir auf die Schulter klopfen. Ich muss noch daran arbeiten, nicht nur kein Teufel mehr zu mir zu sein, sondern kein Engel mehr für jeden anderen. Nicht jeder braucht, verdient es – und ein liebes Mädchen reicht auch so manch einem. Einen Engel haben nur wenige verdient… mal sehen wie ich mich mache…


Nachtrag:

Ich weiß, vor mir liegt ein weiter Weg. Ich erwarte wieder mal viel von mir. Will gesund sein. Was ist das? Wie fühlt es sich an? Werde ich es jemals wissen? Schaffen? Werde ich mich lieb haben oder wenigstens gnädiger mit mir umgehen? Irgendwie ist alles zur Aufgabe geworden. Ich muss es schaffen, ich muss es leisten… ein Rückfall.

Schauen wir uns an, was ich bisher geschafft habe, sehen wir uns die junge Frau an, die noch nichts verstehen konnte. Da gab es die Einsame, die nächtelang geweint hat, sich verurteilt hat, weil sie das Leben nicht so meistern konnte wie die anderen, mit denen sie sich ständig verglichen hat. Hoffnungslos, Angst vor jedem Schritt, den sie gehen musste. Alle waren besser. Es gab die Frau, die verheiratet war, hoffnungslos einsam, die alles mit den Kindern alleine meistern musste, alles wieder ausbügeln musste, was er verursacht hat. Ich sehe diese Frau im Wohnzimmer in einer Ecke auf dem Boden sitzen, in der Angst um ihr Leben versunken, schreiend, sich die Haare vom Kopf reißend, wo Weinen nicht mehr half… Diese Frau hat sich immer mit denen verglichen, deren Leben vergleichsweise „normal“ verlaufen war, die all das nicht kannten, was sie zerstört hat. Sie konnte sich nur unzulänglich, unfähig sehen.

Was sehe ich heute, wenn ich zurückblicke? Was fühle ich?

Ich sehe eine Frau, die so vieles gemeistert und überstanden hat in diesem Zustand! Wie hast du das geschafft, Mädchen? Wie hast du das überlebt? Du wolltest so oft nicht mehr, bist immer nur an deine Grenzen gegangen. Das kannten die anderen nicht, mit denen du Schritt halten wolltest. Wie viele von ihnen wären zerbrochen an alldem? Und doch hast du die meisten von ihnen anschließend überholt…

Lieber Begleiter, Du ahnst nicht wie schlimm es war, was ich erleben musste, sollst es auch nicht, Du brauchst den Müll nicht… es ist ein großer Haufen. Bei diesem Rückblick geht es darum zu sehen, verstehen, vergleichen. Ich sehe die Frau von damals und empfinde zum ersten Mal Mitgefühl. Sie hat es verdient. Vielmehr noch empfinde ich – garantiert zum ersten Mal – Respekt. Sie hat ihn verdient. Dafür was sie in dieser Situation schaffte und später daraus machte. So, wie die Frau damals dachte: „Wie schafft ihr das alle?“, so denkt sie heute „Wie hast du das alles geschafft? Sie hätten es wahrscheinlich nicht.“ Wie fühlte ich mich jedem von Euch maßlos unterlegen, ich unfähiges Ding. Wie kann man gleichzeitig so stark und so schwach sein? Bin ich schwach? Müde bin ich, war ich schon lange. Angst habe ich, hatte ich schon immer… aber stark war ich auch immer schon, habe es nur nie gesehen. Und ja, verändert habe ich mich auch schon ganz stark, es wird Zeit es zu sehen. Und mir auf die Schulter zu klopfen. Ich mag dich, Kleines.


Nachtrag:

Es gibt noch einiges dazu zu sagen… das tue ich auch, an anderer Stelle. An manch einer Stelle… Du wirst es noch erfahren, ich mag hier nichts vorwegnehmen. Ach ja, spannend sollte es auch sein!


An dieser Stelle darf ich Dir Guru vorstellen, klein gedruckt, das passt. Er ist vom Dalai Lama weit entfernt, steht stellvertretend für Alldiejenigen, die eine Idee haben und sie ausschlachten, bis sie kein Geld mehr einbringt – ohne schlechtes Gewissen. Ob sie Dich nun mit E-Mails bombardieren oder Dir versprechen, dass sie aus Dir einen besseren Menschen machen, wenn Du erst fleißig ihre Seminare besuchst… Sie verstehen, wie arm Du dran bist - wenn sie mit Dir durch sind, bist Du wirklich arm. Die Wunderheiler nicht vergessen! Sie heilen Depression mit Kräutern und entschlacken gleichzeitig! Wow!


Gestatten, Maggie!

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