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Strategisch umdenken

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Ja, das wird’s wohl sein. Wenn ich es mir selbst vorsage, hört es sich sogar sehr schlau an, nach einem handfesten Plan.

Tatsächlich ist es so, dass Verhaltensmuster, die wir uns angeeignet haben, einen Sinn hatten zu dieser Zeit, in der wir es taten. Ich konnte nur auf diese Art bestehen.


Hast Du Dir schon mal Gedanken über Deine Muster gemacht?


Wir alle haben welche. Muster, die wir anwenden, die sich positiv auswirken, uns bestätigen richtig zu handeln. Wie Gewohnheiten in unserem Unterbewusstsein. Die machen natürlich Sinn, die erste Gewohnheit war es wohl zu atmen. Wir haben so viele davon, ich glaube je stressiger unser Leben wird, desto mehr sind wir auf sie angewiesen. Wir sollten wohl überdenken, welche Verhaltensmuster uns dienen und welche schaden.


Wäre ich jetzt ein Guru, der aus uns beiden bessere Menschen machen will, würden mir sofort Möglichkeiten einfallen, an uns zu arbeiten. Schreib sie alle auf, gute wie schlechte, verabschiede Dich von den schlechten, lese sie jeden Tag durch oder verbrenne sie (sehr spirituell), habe Mut, Kraft, Disziplin… bla… bla… vergiss nicht zu atmen – und wenn Dir sonst nichts einfällt, schreib ein Buch.

Okay, so sehr es mir zumindest missfällt, ich fürchte, wir beide müssen heran an das Thema. Erst mal suchen… ich zuerst:

 Fürsorglich – bin ich gerne.

 Mein Drang mich mitzuteilen – danke für Ihre Aufmerksamkeit!

 Hallo, Hier-bin ich-auftreten – ich zeige dir, was du sehen sollst, dann siehst du nicht, was dahinter steckt.

 Ich ducke mich – ich senke mein Haupt vor dir Meister, das magst du doch so gerne.

 Ich bin aufmerksam – will dir nur Gutes.

 Ich höre dir aufmerksam zu – ich höre schnell heraus, wenn etwas nicht stimmt, ich lege dir die Welt so zurecht, wie du sie brauchst.

 Ich bin hilfsbereit – was brauchst du, um dich mit mir wohl zu fühlen? Ich gebe es dir. Ich will, dass es dir gut geht, das ist besser für uns beide. Wenn ich dir helfe, habe ich auch einen Sinn. Es gibt deine Probleme, meine sind nicht so wichtig, das schaffe ich schon.

 Ich erahne deine Gefühle, kann in deinem Gesicht lesen – es ist gut, wenn es dir gut geht, dann habe ich keine Angst, dass du nicht nett zu mir bist.

 Ich kann alles meistern, egal zu welchem Preis – siehst du? Eigentlich bin ich doch gut genug! Warum hast du mich immer noch nicht lieb?

 Du siehst mich nicht weinen (ich auch lange nicht mehr) - ich habe nicht das Recht, dich mit Tränen zu beeinflussen, es wäre nicht fair von mir. Ich weine doch nicht, bin nicht so schwach, wenn es sein muss, stark genug für uns beide. Ich habe noch meinen Stolz, es täte zu sehr weh, wenn der auch noch weg ist.

 Ich nehme dich an die Hand – wie fühlt sich das an? Das möchte ich auch!

 Ich gehe Streit aus dem Weg – ist besser so.

 Ich kann dich besänftigen – hier, schau, alles ist gut, du bist toll, so wie du bist, ich bin sanft zu dir, das brauchst du jetzt.

 Vorausschauend denken – kann ich. Für mich? Für uns beide.

 Wieder aufstehen – ich beweise es dir.

 Dir zeigen, wie toll du bist – du bist es ja auch! Ich bin fest davon überzeugt. Mit allen deinen Fehlern und Macken, ich halte sie aus, keine Sorge.

 Ich passe auf dich auf – das ist fast so, als würde jemand auf mich aufpassen.

 Ich teile mit dir – sehr gerne, und sei es nur meine Freude. Etwas nur für sich haben wollen macht einsam.

 Ich bin bescheiden – es ist eine Tugend. Ich brauche auch nicht so viel, ich brauche dafür, was wirklich zählt… wo finde ich es?

 Ich erreiche Ziele – solche die ich kann. Ich krieg das schon hin, ich beweise es mir, dann bin ich Wer.

 Ich versage – siehst du nicht warum? Schau her, so viel Angst!

 Ich kann dein Herz berühren – weil meines manchmal so laut pocht und ich weiß, du hast auch eins.

 Ich lasse nicht mit mir reden – manchmal. Bis hierhin und nicht weiter!

 Ich weiß, was gerecht ist – für euch, nicht für mich, das erledigt schon das Leben, irgendwann ist es schon gerecht.

 Ich beschütze dich – komm unter meinen Flügel, ich halte dich warm, ruhe dich aus, du brauchst es.

 Ich überzeuge dich – weil ich vieles verstehe, ich ahne, was du hören magst.

 Ich verwöhne dich – willst du bleiben?

 Ich bin gnadenlos ehrlich – was mich angeht. Warum? Du nimmst es oder lässt es. Die meisten nehmen aber, das tut gut.

 Ich bin zuckersüß – das macht süchtig.

 Ich unterhalte dich – schließlich musst du mich mögen, wenn nicht du, wer dann?

 Ich vertraue nur auf meine Kräfte – ich schaffe alles alleine, verlasse mich nur auf mich, ich bin stark, du kannst mir nichts.

Und jetzt Du! Mach Deine Liste, drück dich nicht!

Hm… um ehrlich zu sein, das hier war keine geplante Sache, ich benutze diese Seiten um mich mit mir selbst zu konfrontieren, das war ja schon klar. Das waren jetzt… zwei Zigaretten, ich habe nicht auf die Uhr geschaut, eine Spontanaktion, impulsiv. Was kommt denn noch alles ans Tageslicht, wenn ich genauer darüber nachdenke? Weniger Schönes wahrscheinlich, meine weiße Weste bekommt Flecken. Doch tatsächlich ist es so, dass ich niemandem die Pest an den Hals wünsche, im Gegenteil. Es beschreibt mich schon ziemlich genau.

Ich weiß nicht, wie lang Deine Liste ist, du machst sie aber, nicht wahr? Spontan schreiben, es lohnt sich zu sehen, was dabei herauskommt!


Wahrscheinlich kommst du jetzt zu demselben Schluss wie ich: Gurus sind ahnungslos und verkaufen es noch gut dabei! Wahrscheinlich haben sie bloß abgeschrieben.

Also, lieber Guru, wie soll man bitte schön diese Liste in gut und schlecht unterteilen? Jedem, wie er verdient, nicht wahr? Was soll ich mir jetzt Schlaues auf meine Klebezettel am Spiegel schreiben? Das wär´s dann mit meiner Liste, bleibt nur noch spirituelles Verbrennen und ums Feuer tanzen. Ich sehe Guru jetzt vor mir… herablassend lächeln, die Brille zurechtrücken… tief Luft holen… ach, halt die Klappe.

Wahrscheinlich ist das Problem gar nicht, zu wissen, was davon gut und böse ist. Wie schon gesagt, jedem, was er verdient. Wenn in meinen Augen jeder andere besser ist als ich, dann verdient er, das Beste von mir zu bekommen und ich nicht. (Zettel: Lächle in den Spiegel! Ja, es wirkt tatsächlich. Lächle! Lächle, verdammt nochmal! … Guru! Lächelseminar!) Somit wären wir wieder an einem toten Punkt angekommen. Ja, wir. Ich hab Dich ja mitgenommen und eine Lösung hast Du auch noch nicht, oder? Wenn doch, bitte sag sie mir, ich könnte echt gut eine brauchen.


Wenn ich, so christlich ich erzogen wurde, mich an den Spruch halten würde „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ würde ich euch alle nur noch verurteilen, für unzulänglich erklären, oder – die schönere Variante, in Wiedergutmachung baden. Jetzt weißt Du, warum ich weiter mache. Ja, ich weiß, wir Frauen übertreiben gerne… bist Du auch eine? Wenn ich den Statistiken glauben darf, höchst wahrscheinlich. Doch bei Euch Männern ist die Dunkelziffer weitaus höher als bei uns Frauen und Ihr redet nicht so gerne öffentlich darüber, zieht lieber los und kauft ein Buch. Wie auch immer, ich unterhalte mich bisher sehr gerne mit Dir. Merkst du was? Ich lenke wieder vom Problem ab.

Eigentlich kenne ich das Problem inzwischen genau. Egal wie lang ich diese Liste noch schreibe, ich spreche meistens meinen Vater an. War es Dir etwa schon klar? Mir aber eine lange Zeit überhaupt nicht. Guru wusste es, weiß alles. Vor kurzem erst hatte ich ein Gespräch mit meiner Ärztin – tolle Frau – sie sagt nicht viel, aber wenn, dann hat es gesessen. Sie sprach es noch nicht mal deutlich aus und es schlug mir schon ins Gesicht.

Das darf doch nicht wahr sein, ausgerechnet der Mensch, dem ich in so vielerlei Hinsicht niemals ähnlich sein wollte, bestimmt immer noch mein Leben?! Egal, ob er auch nur in meiner Nähe ist? Ich habe mich doch geprägt, habe auf meinen Umgang mit Menschen geachtet, wurde so gar nicht wie er! Stimmt. Ich habe nur fortgesetzt, was er angefangen hat. Ich bin bis heute hörig und würde jeden verteidigen, nur mich nicht.

Habe ich aufgegeben? Wie meine Mutter? Nein, ich habe meinen Exmann zum Teufel gejagt, meine Kinder haben eine tolle Mama, eine, die sie nie im Stich lassen würde…

Ich gebe nicht auf, ich will heute noch den Kampf meiner Mutter kämpfen. Wenn ich kann, bringe ich sie heute noch fort von ihm, damit sie endlich ein schönes Leben beginnen kann. Ich wollte immer stark sein, war es oft genug und was hat es genutzt? Ich bin immer noch die Marionette meines Vaters, sein Instrument und finde Ausreden, rede es mir schön. Er hat immer noch einen festen, wenn nicht den ersten Platz in meinem Leben… und ich will meine hilflose, klagende, Mutter retten…

Ich sehe gerade, ich muss Dir die aktuellen Umstände beschreiben, damit Du mitkommst und ich dich nicht bloß mitschleife:


Ja, wir haben Kontakt. Ich habe es geschafft mit 16 den Kontakt für drei Jahre nach einem schlimmen Zwischenfall zu unterbrechen, wobei wir noch 2 ½ Jahre davon unter einem Dach gelebt haben. Ich habe mich innerlich von ihm getrennt in dieser Zeit, kein Wort mit ihm gesprochen. Es war allgemein eine sehr schwere Zeit für mich.

In der Zeit, in der ich mich ihm nicht mehr verbunden fühlte, bin ich stärker geworden. Mit noch 18 lief ich quasi weg, ließ einen Brief an meine Mutter da, in dem ich ihr erklärte, dass ich es für sie tue, damit sie endlich Ruhe hat. Mein Vater hat seine Wut nämlich inzwischen auf sie verlagert, an mir prallte ja alles ab. Was folgte, war eine Zeit, die ich fast durch geweint habe. Ich wusste nicht, wovon ich leben sollte, (zum Amt gehen war nicht möglich, sie hätten sich Geld von ihm geholt, weil ich in der Ausbildung war… dann – es war sein Versprechen – wäre mein kleiner Bruder dran.) wie ich jemals ein normales Leben führen sollte. Gott, war ich einsam!

Die Angst machte mich ohnmächtig. (Natürlich lernte ich zu dieser Zeit meinen neuen Helden, heute Exmann kennen.) Es folgte ein Versuch des erneuten Kontaktes zu beiden. Wie erwartet hatte mein Vater Vorwürfe zu bieten, wie undankbar und, schlecht ich war. Wie schlimm ich ihn behandelt hätte, drei Jahre wie Luft!

Habe ich schon erwähnt, dass der schlimme Zwischenfall, der dazu geführt hatte, mein Selbstmordversuch war? Nein. War es. Von ihm gefordert seinerzeit. Klar, ich hätte sagen können: „Leck mich“, wurde aber mit dem Leben meines kleinen Bruders erpresst. Kannst Du Dir vorstellen, welche Ohnmacht, vielleicht Wut es auslöst, wenn der Täter es dann leugnet? (Es passt ja nicht in seine Welt, in der er perfekt ist. Es wird dann grundsätzlich verdrängt, das Drehbuch überschrieben, eiskalt, hat´s nie gegeben.) Ich kann mich nur noch erinnern, dass er mich angeschrien hat im Auto und ich während der Fahrt aussteigen wollte, weil ich wusste, ich halte kein Wort mehr von ihm aus.

Das reicht vorerst zu diesem Thema. Jedenfalls brach ich den Kontakt wieder ab, er war so nicht zu ertragen.

Der nächste Schicksalsschlag hat mich sehr verletzt, zu dem Zeitpunkt gebrochen. Ich wohnte inzwischen mit meinem Exmann zusammen, war aber alleine mit dieser Qual, wie mit jeder anderen die folgenden Jahre. In dieser Zeit suchte ich den Kontakt zu meiner Mutter, ich brauchte dringend eine – und wurde in meiner Vorahnung bestätigt. Sie gab es nur mit ihm.

Hallo Papa. Ja, ich war böse. (Macht und Verantwortung!)

Natürlich habe ich nicht das bekommen, was ich suchte und mir erhoffte, es war inzwischen egal. Ich hatte kapituliert.

Ich brauche eine Schweigeminute.

Du bist jetzt Zeuge dessen, das mir in diesem Moment zum ersten Mal im Leben bewusst wird: Ich weiß schon lange, dass ich um ihre Zuneigung gekämpft habe, auch wenn ich glaube, dass sie mich liebte. Ihre Aufmerksamkeit galt aber in erster Linie ihm. Wahrscheinlich aus demselben Grund, warum er meine hat. Sie hatte wohl schon viel früher aufgegeben. Das macht es nicht weniger schlimm, ich will hier aber vorerst nicht ausführlicher über sie schreiben. Ich liebe sie und weiß, sie wusste es nicht besser, wie er wohl auch nicht. Es ist ein Teufelskreis, er wurde durch uns immer in seiner Art bestätigt. Du merkst, es ist schwer, beim Thema zu bleiben, es ist zu emotional.

Also zurück. Heute besteht Kontakt. Er schlägt nicht, zeigt mir nur bei jeder Gelegenheit, wo ich mich einzuordnen habe.

Jetzt kommt der Knackpunkt, die Stelle, an der ich wohl strategisch ansetzen muss und immer wieder scheiter: Ich kann die Vergangenheit nicht ändern. Wenn ich eine bessere Zukunft will, muss ich die Gegenwart ändern und das macht Angst!

Die Situation ist glasklar, hier zwei Beispiele:

Wir wohnen noch nicht lange in unserem Traumhaus. Dieses Haus hat mich umgehauen, Liebe auf den ersten Blick! Wagemutig wie ich bin, war innerhalb zwei Wochen alles geregelt und das Schmuckstück war unser. Natürlich war das kein Alleingang, mein Freund war auch begeistert, es ist das erste, das wir uns überhaupt angesehen haben. Ich sage gerne, das Haus sei wie Harald Schmidt. Man liebt es oder man kann nicht damit. Ich darf kurz schwärmen: Es ist im Hang gebaut, somit nicht auf zwei Etagen, sondern auf vier Ebenen verteilt und in der Mitte auf ganzer Höhe offen mit einer offenen Treppe. Das Grundstück klein, auf drei Ebenen mit zwei Terrassen und einer Dachterrasse. Eine Schönheit! Da mein Standardsatz lautet(e): „Krieg ich hin.“, hatten wir für Renovierung und Umzug einen Monat im Sommer eingeplant. Mutig. Es hat eng hingehauen. Fast jeden Abend bis 23 Uhr auf der Baustelle, bis spät abends habe ich noch die Fliesen verfugt und am nächsten Morgen war schon der Umzug. Meinen Vater habe ich, so gut ich konnte, herausgehalten. Er hätte mir eine Menge helfen können, das Problem ist in erster Linie: Du machst es wie ich es will, oder ich bringe dich dazu, es so zu machen, wie ich es will. Und wenn ich darüber nachdenke, wollte ich natürlich alles schaffen. Mein Job! ich habe einen Sinn!

So kam es, dass wir den Monat überstanden haben und nach dem Umzug einiger Krempel in der Garage landete. Du weißt schon, das Zeug, das man irgendwann mal braucht, Erinnerungsstücke, Sachen, mit denen ich nichts mehr anfangen kann. Sie liegen dort vorerst gut, wenn Du mich fragst. Vor allem wenn ich bedenke, in welchem Zustand ich mich befinde, dass ich zwischenzeitlich in der Tagesklinik war und nach dem Umzug so lebensmüde wie nie zuvor. Hätte ich nicht den Termin in der Tagesklinik bekommen, hätte ich mich einweisen lassen müssen, ich hätte mich anders nicht mehr vor mir selbst schützen können.

Mein Vater war zur Stelle mit gut gemeinten Ratschlägen. Er hat es sich zum persönlichen Ziel gesetzt, diese Garage vor dem Chaos und Untergang zu retten. Ich sollte erwähnen, dass das Haus glänzt, meistens, nicht nur in Hochglanz, ich gebe mir Mühe. Aber die Garage!!! „Stell dir vor, du musst sie öffnen und die Nachbarn sehen das Chaos! Und der Sperrmüll! Kind, du hast das Unkraut nicht gezupft, da ist Staub auf dem Briefkasten, die Nachbarn sehen das! Schlimm.“

Um die unfähige Tochter und ihre Garage(!) zu retten, kommt man unaufgefordert mit Regalen vorbei. Man hat ja Schlüssel, falls niemand da ist (nicht mehr, ich habe inzwischen gelernt). Aber natürlich ist sie da, wo sonst, und darf mit montieren, (Macht und Verantwortung!) man muss ihr ja helfen, schließlich muss sie endlich – ich zitiere: „…anfangen können zu leben! So geht das nicht in dem Chaos!“


Hm… für Dich als außenstehenden Betrachter nicht wirklich schlimm? Warum sagt sie nicht einfach „Verschwinde!“ Ja. Warum? Ich weiß nicht, ich KANN es nicht.

Wir hätten da meinen Geburtstag. Besorgt wie er nun mal ist, hat er mir auf seine für ihn typische Art gratuliert:

Er wünscht mir von Herzen, dass ich wieder gesund werde, dass ich mich endlich aufraffen kann und arbeiten kann, damit die Firma endlich einen Nutzen von mir hat. Gesund werden geht nur mit Gott, es folgt langes bla bla über Schwule, Homoehen, Pädophile, Brüssel, das alles erlaubt bla bla, Satan! bla und dann das Geständnis: Er hätte auch Fehler gemacht. Sein größter Fehler war es, dass er uns den Glauben nicht näher bringen konnte, mit diesem Makel muss er nun leben. Er gibt die Hoffnung nicht auf.

Danke, Papa. Hättest du mir doch lieber eine rein gehauen. Damit hättest du mich wenigstens überrascht nach all den Jahren.

Meine Mama, der ich gerne einen Heiligenschein aufsetze, teilt auch aus… ob ich denn nicht sehen würde, dass ich zugenommen habe? „Meinst du, der … macht das ewig mit?“

Ja, ich habe nach der großen Trennung vom Exmann auf Größe 38 abgenommen und mit großer Anstrengung das Gewicht 3 Jahre gehalten. Mit meistens einem Brötchen oder einer Mahlzeit am Tag. Jetzt nicht mehr. Ich habe die Kraft nicht. Und was mache ich tapferes Mädchen? Ich rechtfertige mich! „Du weißt doch, wie schwer das mit den Pillen ist, das sind doch Nebenwirkungen… ich versuche es ja, so gut ich kann… die Ärztin sagte, ich solle erst mal gesund werden, das sei wichtiger...“ Bla!

Ich schäme mich gerade vor mir selbst, weil ich mich so erniedrigt habe, ich schäme mich wirklich! Und therapiere mich offensichtlich selbst hier, mir wird vieles klar, während ich es Dir zu erklären versuche. Ein Gefühl, eine Ahnung werden klar ausgesprochen…

Fakt ist, sie wissen in welchem Zustand ich mich befinde. Diese Situationen an sich sind wirklich nicht schlimm, darüber kann man schmunzeln… aber SIE WISSEN, DASS ICH NICHT MEHR LEBEN WOLLTE!

Ich brauche wahrscheinlich nicht zu erwähnen, dass sie nicht gefragt haben, wie es in der Klinik war (oder kurz, bitte keine Details), was die Krankheit genau ist und was die Ärzte sagen. Vielleicht fürchten sie die Antwort.

HAUPTSACHE, ICH FUNKTIONIERE WIEDER. Tut mir leid, das kann ich nicht garantieren… Und doch tue ich die ganze Zeit als ob, nur um sie zu beruhigen. Sie ertragen es (mich) nicht anders…

Das tut weh, ich brauche eine Pause.


Puh! Ich halte fest: Strategisch habe ich mir ein Selbst zugelegt, das ich brauchte um vor meinen Eltern, auch wenn zum Großteil vor meinem Vater zu bestehen. Es diente mir in der Kindheit, heute ist es Gift für mich.

Was ist Deine Strategie? Dient sie Dir? Warum stehst Du heute dort, wo Du stehst?

Guru würde jetzt sagen, Du musst Dich verändern, etwas für Dich tun, Dich lieben, gnädig zu Dir sein und noch vieles mehr. Weißt Du was? Guru hat Recht! Auch wenn er nur abgeschrieben hat.

Wir kommen nicht umhin aufzustehen und es zu TUN. Ich habe gegen mich gekämpft, weil ich es nicht besser wusste, darum habe ich kein schlechtes Gewissen. Jetzt kenne ich die Wahrheit, zumindest gut genug, um zu wissen, dass ich nicht so weiter machen darf. Ich bin nicht der spirituelle Typ - wird Dir schon aufgefallen sein - eher praktischer Natur, denke aber oft mit dem Herzen. So wie ich mir wünsche, mir würde jemand die Hand reichen, damit es ein wenig einfacher wird, so gerne würde ich Dir meine reichen.

Die Wahrheit ist doch, es tut weh. Egal wie viel Leid unsere Situation bedeutet, dieses Leid kennen wir. Es gibt uns Sicherheit, das haben wir schon überlebt, es ist so vertraut, fast als liebe es uns.

Ich denke, dass die Veränderung, die auf mich wartet, positiv ist, dass ich endlich lerne etwas für mich zu tun, mich zu achten und zu lieben… warum macht es solche Angst? Weil ich es nicht kenne? Nicht verdiene? Was wenn nicht?

Eine Angst ist mir deutlich bewusst: Wenn ich locker lasse, nach meiner Rückkehr ins Leben nicht mehr alles schaffe, dann bin ich der Versager, der prophezeit wurde, der Versager, den ich immer in mir sehe. Es besteht die Möglichkeit, dass ich nicht funktionieren werde. NICHT AKZEPTABEL.

Unter dem Strich fühlt es sich an, wie sich selbst sterben lassen. All das, was mich ausmachte, soll nichts mehr wert sein…? Dann lieber sterben… natürlich nicht, heute ist ein guter Tag. Und wir beide wissen sehr genau, dass wir mehr wert sind als solch ein Abgang. Viel mehr, glaube mir.


Nachtrag:

Vater: „Du brauchst eine Wäschespinne. Das ist das Beste wo gibt blabla im Angebot bla…“

Ich: „Nein, danke, ich bevorzuge Wäscheständer, ich brauche nicht immer hinauslaufen bei Regen, stelle sie gleich unters Dach, wenn Wetter blabla.“

Du brauchst den Dialog nicht, es reicht, wenn ich ihn mir antun musste. Ich sehe klar meine Vorteile und meine Wäsche. Leider zieht sich so ein Gespräch derart in die Länge, dass einem schlecht wird. Er macht so lange, bis man aufgibt, schließlich hat er Recht. Man ist auf seiner Seite oder sein Gegner. Ich Gegner fahre jetzt nicht los, Wäschespinne kaufen. Nö. Ich weiß, im Angebot. Nö.

Es passiert, ich war einen Moment unachtsam! Um endlich Ruhe zu haben, erwähne ich den Trockner, falls alles zu viel wird. Peng! Der Knall, er hat mich. „Waaas? Stromkosten blabla? Wegen dir auf der Straße landen bla? Solarenergie wäre eine Investition, könnte man verstehen, aber Trockner? Die ganze Menschheit entwickelt sich nach vorne, nur du zurück!!“

Ich erwähne nicht die Evolution, lasse ihm sein laanges Bla… er atmet auf. (Das tat gut, Papa, gell?)


Leider ist blabla nach einer Zeit ausgelutscht, nicht sehr hilfreich, was weghören angeht, die Pfeilspitzen kommen noch an.

Hier meine neue Strategie: Ab jetzt denke ich anstatt bla an einen Penis. Vor Jahren gab es beim Quatsch Comedy Club folgendes Fundstück der Woche: Ein Video - vom Mann selbstgedreht - von seinem entspannten Penis, der sich rhythmisch zur Musik bewegen konnte… nun, dieser Mann war seeehr talentiert, es sah nicht nur aus, als könnte sein bestes Stück nur tanzen, singen war auch noch drin! Vielleicht findest Du es noch im Netz, kann ich nur empfehlen, sehr amüsant!

Danke, Fremder, Du hast mir sehr geholfen, DAS wirkt. (Solltest Du das hier lesen, ich könnte noch einen gebrauchen, der zu Barry White kann, für Härtefälle)


Nachtrag:

Rückschlag. Nicht schön. Ich stelle fest, ich rechtfertige mich wieder für alles. Es ist sehr schwer, solch ein eingefahrenes Muster zu durchbrechen. Fehlt nur noch, dass ich anfange, Dir hier zu erklären, warum ich die Sätze nicht besser formulieren kann, warum ich überhaupt das Recht habe, Dir zu schreiben… Mist. Es ist schwer, dagegen anzukommen… habe ich etwa gedacht, es wäre ein Kinderspiel? Ich erzählte gestern meiner Mutter, wie viele Seiten ich schon geschrieben habe, dass es mir gut tut… (natürlich lasse ich sie niemals diese Seiten lesen, sie weiß nur, ich schreibe an einem Buch.) „Wenn du so viel schreibst, bleibt doch alles andere liegen? Wer kümmert sich um die Kinder?“ Hallo? Als ob ich keine Prioritäten setzen könnte… dann erkläre ich noch, dass man schlecht pausenlos schreiben kann, dass diesmal sogar keine Bügelwäsche liegen bleibt – ich … stimmt, ich beschimpfe mich nicht mehr selbst… aber ich … schon gut. Ich liebes Mädchen. Was mich so aufregt ist, dass ich heute aufgestanden bin mit Kopfschmerzen und gleich schon in Gedanken durchgegangen bin wie ich das Haus heute von oben bis unten putze, evtl. noch etwas in der Garage schaffe, ich wasche, die Blätter wollen draußen auch noch gefegt werden, es brennt mir so in den Fingern. Sie haben wirklich noch so viel Macht über mich. Ich arbeite daran. Ich fange damit an, es heute liegen zu lassen. Nur das Wichtigste, das reicht.


Nachtrag:

Es ist mir wirklich schwer gefallen… ich habe liegen lassen. Es war ein Tag voller Anspannung, mir fiel alles Ungemachte noch viel mehr ins Auge, sprang mich fast schon an. Es war ein Kunststück auszuweichen. Fühlte sich nicht gut an, falsch sogar. Trotzdem habe ich mich gezwungen, anderes zu tun, auch wenn mir viele Ausreden durch den Kopf gingen. Mach es schon mal, dann hast du es hinter dir, du fühlst dich doch viel wohler, wenn kein Berg Arbeit auf dich wartet… usw.

Zunächst habe ich geschrieben, das hat mich sehr gut abgelenkt. Mich mit der Nachbarin nett unterhalten… dann wieder geschrieben… dann kam der Geistesblitz! Mein Problem ist, dass ich immer meine, für alles alleine verantwortlich zu sein. Allein schon die Angst, wie es werden soll, wenn ich wieder Vollzeit arbeite! Dann kann ich doch nur wieder hetzen! Meine Ärztin sagte mal zu mir, ich sei doch nicht alleine, ich könne Verantwortung abgeben… hm… ja, könnte ich.

Sollte ich sogar. Wenn ich so weitermache, tanzen mir die Kinder auf der Nase herum. Es heißt immer Zimmer aufräumen, bitte aufräumen, hast du nicht was vergessen? Bis solch ein Chaos entsteht, dass ich denke, das schaffen sie jetzt auch nicht mehr und es selbst mache. Das hat jetzt ein Ende. Ich war sehr produktiv heute. Habe wichtige Entscheidungen getroffen. Heute WIRD aufgeräumt, sie machen es so lange, bis es fertig ist. Meine kreative Ader durfte sich heute entfalten, ich habe einen Arbeitsplan für alle in der Familie aufgestellt, der hängt jetzt am Treppenaufgang, nicht zu übersehen. Es wird noch etwas Kraft kosten ihn durchzusetzen, allerdings weitaus weniger als immer jedem hinterher zu räumen. Das hätten wir. Viel produktiver als putzen. Ich bin stolz auf mich! Die Anspannung ist weniger, ich kümmere mich heute mal um mich und klopfe mir auf die Schulter.

Nachtrag:

Telefonat mit meinem Vater:

Ich: „Habt ihr schon gefrühstückt?“

Er: „Warum? Wir essen jetzt.“

Ich: „Wir möchten dann die Kinder abholen, sie wollten nach dem Frühstück nach Hause.“

Er: „JA, weil sie nicht zur KIRCHE wollen.“

Ich: „Wie auch immer, wir wollten sie dann gleich abholen.“

Er: „JA, wie auch immer, weil sie nicht zur KIRCHE wollen. Wo soll das enden… ich mache mir Sorgen.“

Ich: „Ja, wir holen sie dann jetzt ab.“

Sehr gut. Sie werden nie diesen Zwang abbekommen, dieses Leben, das einen jeder Macht unterstellt. Und ja, sie gehen ab und an zur Kirche, wenn sie wollen. Mein Freund hat sie abgeholt, mit ihm diskutiert er nicht… ich kann ja von Glück reden, dass ich noch einen Mann gefunden habe… kurz: Mann gut, ich nicht. Die Kinder erzählten anschließend, er sei sehr sauer gewesen. Sie brauchen dort nicht mehr am Wochenende zu übernachten. Ist okay. Wenn das der Preis ist. Sie wollten hin, weil sie Oma so vermisst haben. Wenn es so ist, die Oma weiß ja wo wir wohnen. Ob nun schade oder nicht, ich kann´s nicht ändern. Ich zahle keinen Preis mehr, wir ordnen uns nicht mehr unter, leben nicht ihr Leben oder das nach seiner Vorstellung. Das wird noch weh tun, Papa.


Nachtrag:

Ich brauche dringend eine Strategie. Mir ist bewusst geworden, dass meine Weiblichkeit immer hinten ansteht. Was musste ich auch das Kapitel Frau schreiben, ich hätte mich lieber gedrückt. Also, kurz gesagt, ich kann mich erst um mich kümmern, wenn alles andere im Haushalt erledigt ist. Ich habe gestern festgestellt, es ist nicht möglich, dass ich in die Wanne gehe, mich hübsch zurecht mache oder einfach nur entspanne, wenn nicht alles aufgeräumt und geputzt ist. Ich habe es gar nicht erst versucht, die Anspannung ist schon so groß geworden, dass es keinen Sinn gemacht hat, ich habe sogar gedacht, erst die Fenster! In der Vergangenheit war es auch schon so. Selbst wenn mein Freund am Wochenende kam, verbrachte ich den ganzen Samstagvormittag damit, im Lauftempo zu putzen. Ich war echt fertig, bevor ich in die Wanne ging! Es musste perfekt sein! Es war ein Gefühl, als hätte ich es sonst nicht verdient, etwas aus mir zu machen, als hätte ich mich sonst viel besser präsentiert als ich bin. Es hat immer hingehauen, egal ob Kopfschmerzen, Hunger oder totale Erschöpfung der Preis waren. Ich habe es immer geschafft… zum spucken…

Jetzt ist Dir bestimmt schon klar, was hier vorgeht:

Ich bin die meiste Zeit erschöpft, versuche den Haushalt eben nicht mehr perfekt zu machen, mich nicht mehr so zu hetzen… und sehe aus wie… lassen wir das, schlimmer geht’s kaum. Natürlich will ich das nicht, welche Frau will schon so aussehen! Ich habe gestern festgestellt, es macht überhaupt keinen Sinn in die Wanne zu gehen, ich würde mich schrecklich fühlen. Also habe ich mir gedacht, es wird eh Zeit, du räumst das Haus auf, gehst danach in die Wanne und dann sehen wir weiter. Du musst ja nicht alles auf einmal umstellen können, es braucht seine Zeit. Wenn das Haus erst mal in Ordnung ist, kannst du anfangen, dich um dich zu kümmern, es beibehalten, blabla, Frau, das hast du doch selbst nicht geglaubt. Ich habe aufgeräumt, geputzt, war müde, keinen Finger für mich gerührt. Es ist ein so eingebranntes Gefühl, ich verdiene es nicht! Ich bin zu müde dazu! Oder ich suche pausenlos Ausreden?! Warum??? Ja, irgendjemand, sei es der Postbote, könnte an der Tür klingeln und sehen, dass im Schlafzimmer Bügelwäsche steht! Dass das Bad nicht geputzt ist! Du Flitzpiepe hast gedacht, du wärest einen großen Schritt weiter, weil du die Bettwäsche nicht mehr bügelst und den Haushalt nicht an erster Stelle siehst. Trotzdem siehst du dich immer noch an letzter Stelle stehen… wenn ich das hier so lese, werde ich jede Anspannung aushalten müssen! Es gibt keinen anderen Weg.

Kennst Du dieses Problem? Sich unglaublich schlecht zu fühlen, wenn Du etwas für Dich tust?

Ich kenne es gut. Für einen gesunden Menschen wahrscheinlich nicht nachvollziehbar. Für mich eine Folter, all das, was jede Frau sich gönnt.


Nachtrag:

Es wurde Zeit… auf dem Briefkasten sammelte sich der Staub an… und wie. Ich ging, mit einem Tuch bewaffnet, vor die Tür, schließlich sollte mein Vater vorbeikommen. Wie schön, dass es Nachbarn gibt, die trifft man in solchen Momenten. Ich habe mich sehr nett unterhalten, mich danach umgedreht und mit dem Finger „Ja, ich weiß“ auf den Briefkasten geschrieben. Was für ein Kunstwerk! Und deutlich zu sehen! Die ersten Stunden danach waren mies… ich habe mir tausend Dinge durch den Kopf gehen lassen und Ausreden gesucht, warum ich jetzt dringend hinaus muss und alles sauber machen sollte. Ich tat es dann nicht. Das Ergebnis: Kein Wort – und er hatte es gesehen! Später, im Flur, meinte er dann, das mit den Regalen wäre keine so gute Idee. Er hatte doch von Anfang an gesagt, auf dem Schwarz sieht man den Staub so gut. Ich sagte, er solle genau hinsehen, auf dem Weiß auch, es liege nur daran, dass ich lange genug nicht geputzt habe. Thema erledigt, kein Wort mehr. Es fühlte sich gut an!

Leider muss ich immer auf der Hut sein. Ich merke deutlich, dass, wenn ich mich stärker fühle, an mir arbeite, er sich nicht traut, ein Wort zu sagen. Wahrscheinlich strahle ich es aus.

Er lauert…. Sobald ich erschöpft bin, wie zuletzt nach einer Gerichtsverhandlung, die mich zwei Monate außer Gefecht gesetzt hat, holt er aus. Er spürt, wann er es sich erlauben kann, wann ich wehrlos bin – und dann wird gnadenlos zugeschlagen. Natürlich „gut“ gemeint, doch offensichtlich, was dahinter steckt. Das ist schwer zu erklären, es ist so eine subtile Sache… er ist Meister darin zu sehen, wie weit er gehen kann. Er merkt, wann ich bestenfalls zur Vermeidung fähig bin und mich zurückziehe. Ich glaube, er kann meine Angst riechen, die ich leider immer noch habe. Die Angst, eine Welle auszulösen.

Logisch betrachtet hält Kontra ihn klein, leider stinke ich nach Angst, wenn ich schwach bin. Ich denke, es ist ihm nicht bewusst, was er da tut. Doch er muss mich klein halten, anders hält er es nicht aus. Es ist, als würde dich jemand langsam vergiften, immer nur so viel Gift, dass du nicht aufstehen kannst, da liegst und um Hilfe bettelst. Manchmal muss ich mich so arg zusammenreißen! Thema Haushalt kann ich meistens abwinken, seine angebliche Sorgen über meine Lunge auch. „Waaas??? Du hast schon drei geraucht???“ Ich zünde mir noch eine: „Okay, jetzt sehen wir, ob du auch bis vier zählen kannst.“ Alles easy. Was mir noch so richtig zu schaffen macht ist das Thema Kinder. Er weiß, - wenn er sonst nichts findet -, das geht an meine Substanz. Selbst wenn ich mich auf keine Diskussion einlasse, er merkt, dass er mich damit auslaugen kann. An jeder Stelle wird vorgeführt, was für eine schlechte Mutter ich bin, wie froh ich sein kann, ihn zu haben. Wehe, sie sind mal erkältet! (zweimal pro Jahr) Ich kümmere mich nicht um sie. Alle, die er kennt, wissen dann, dass sie wieder krank sind. Er sagt ja immer bla bla… Wenn sie mir etwas bedeuten würden, würde ich für sie/mit ihnen beten, sie zur Kirche bla bla… uff…

Als meine Engel zur Welt kamen, gab ich ihnen folgendes Versprechen: Ich werde immer nach bestem Gewissen handeln. Ich werde mir Ratschläge anhören, nie, ohne zu überlegen entscheiden, aber – ich werde entscheiden. Weil sie das Wertvollste auf der Welt sind. Diese Verantwortung gebe ich nicht aus der Hand. Ich weiß, egal wie gut ich es meine, sie werden mir irgendwann genug vorzuwerfen haben. Ob die Erziehung nun zu locker oder zu streng war aus ihrer Sicht. Ich werde immer antworten können, dass ich nach bestem Gewissen und aus Liebe entschieden habe, nicht weil jemand sagte bla bla. Und diese Engel sind wirklich gut versorgt, entwickeln sich prima, sind clever und werden geliebt… Siehst Du? Jetzt rechtfertige ich mich schon vor Dir!

Da muss ich jetzt raus. Das geht nicht einfach so, ich werde immer auf der Hut sein müssen. Es gibt keine Hoffnung mehr, dass ich ihn ändern kann, wenn ich mich oft genug behaupten werde. Solange er lebt, wird er es versuchen.

Ich muss nicht ihn, sondern mich verändern, stark werden. Keine Superheldin, nicht TeflonWoman, an der alles abprallt, es wird noch oft genug weh tun. Nur stark genug für ihn… meinen Endgegner?


Nachtrag:

Hm… das Umdenken ist sehr wichtig, das Umsetzen wohl das Wichtigste. Es hat sich einiges bewegt, in den letzten zehn Monaten, ich stecke noch mittendrin. Als erstes nehme ich mir meine spontane Liste und schaue, was es Neues gibt. Mache es wieder spontan, korrigiere, ergänze und streiche:

 Fürsorglich – ja, zu meinen Lieben, andere stellen sich bitte hinten an.

 Mein Drang mich mitzuteilen – ist nicht immer gut. Ich arbeite daran, stiller zu werden. Das Problem: meine Krankheit wird zum Thema, ich fühle mich unter Druck gesetzt, will mich rechtfertigen. Damit ist jetzt Schluss.

 Hallo, hier bin ich – bleibt.

 Ich ducke mich – nie wieder. Ich kenne Menschen, die so vieles erreicht haben, die mich beeindrucken. Selbst hier schaue ich aufrecht, respektvoll in die Augen. Diese Menschen wollen es ja auch nicht anders, brauchen es nicht anders.

 Ich bin aufmerksam – ja.

 Ich höre dir aufmerksam zu – ja, der Grund ist ein anderer.

 Ich bin hilfsbereit – mehr, als mir lieb ist. Schaffe es noch nicht immer, die Grenze zu ziehen.

 Ich kann in deinem Gesicht lesen – bleibt, ist eine durchaus hilfreiche Eigenschaft.

 Ich kann alles meistern, egal zu welchem Preis – längst nicht mehr.

 Du siehst mich nicht weinen – ich versuche, mir keinen Grund dafür zu liefern. Ich sehe mich manchmal doch weinen.

 Ich nehme dich an die Hand – und hoffe es kommt etwas zurück. Wenn nicht, lass los.

 Ich gehe Streit aus dem Weg – den brauche ich nicht. Legst du es drauf an, wird es ruhig und hässlich, wenn nötig. Ich komme dir mit der Wahrheit. Vor der kannst du dich nicht verstecken.

 Ich kann dich besänftigen – nur mache ich mir nicht immer die Mühe, sieh selbst zu, wie du erwachsen wirst.

 Vorausschauend denken – schwierig, oft nur dunkle Vorahnungen.

 Wieder aufstehen – würde ich gerne, bald.

 Dir zeigen, wie toll du bist – ja!

 Ich passe auf dich auf – auf meine Lieben, so gut ich kann.

 Ich teile mit dir – gerne.

 Ich bin bescheiden – nicht immer, ich bin auch mal dran.

 Ich erreiche Ziele – manchmal, kleine, ich bin müde… es gibt zurzeit nicht viele Ziele. Gesund will ich sein!

 Ich versage – immer wieder, nicht schlimm.

 Ich kann dein Herz berühren – wenn ich darf, ich werde es beschützen.

 Ich lasse nicht mit mir reden – absolut nicht, wenn es mir zusteht.

 Ich weiß, was gerecht ist – für uns alle.

 Ich beschütze dich – wenn ich kann, ich bin müde.

 Ich überzeuge dich – nicht um jeden Preis.

 Ich verwöhne dich – verwöhnst du mich?

 Ich bin gnadenlos ehrlich – längst nicht zu jedem. Es gibt jetzt Abstand, zuerst musst du dich in meine Nähe wagen.

 Ich bin zuckersüß – na klar!

 Ich unterhalte dich – an guten Tagen, damit unterhalte ich auch mich. Ich liebe es.

 Ich vertraue nur auf meine Kräfte – welche Kräfte?

 Ich weiß wer ich bin – an guten Tagen, dann wird es fast schon deutlich.

 Ich habe Angst – manchmal so groß, dass kein Platz bleibt für anderes.

 Ich lasse mich nicht verarschen – unschönes Wort, trifft es aber.

 Ich spiele fair – immer nach bestem Gewissen.

 Ich merke manchmal, dass meine Weste nicht so rein ist, wie ich sie gerne hätte – arbeite dann daran.

 Ich will! – Jetzt! Geduld war noch nie meine Stärke.

 Ich will besser sein als du – und jeder andere, wo es nur geht. Ich brauche es noch, ich Flitzpiepe.

 Ich liebe – von ganzem Herzen, diesen Mut habe ich nicht verloren.

 Ich trenne mich – von denen, die mich nur wollen, damit es ihnen besser geht.

 Ich bin schwach – manchmal wie gelähmt.

 Ich bin stark – tief in mir, ich werde irgendwann aufstehen. Ich spüre eine Kraft verborgen, die überwältigend ist.

 Ich falle – es fühlt sich schrecklich an, ich finde keinen Halt.

 Manchmal lande ich hart – manchmal aber wie IronMan… nicht hilflos auf dem Rücken, nein mit der Faust auf dem Boden… schaue auf… kennst du diesen Blick?

Es tut gut zu sehen, dass ich, während ich mir das hier durchlese, nicht mehr an meinen Vater denken muss, bzw. daran, dass ich ihn anspreche. Das ist ein Erfolg!


Nachtrag:

Inzwischen (ich schreibe Dir seit zwei Jahren) Kleidergröße 32, nicht geplant… es war alles so schwer in letzter Zeit, ich habe einfach keine Kraft mehr… Zwei Menschen in den Tod verabschiedet, die Kinder aufgefangen, dabei brauche ich selbst so dringend Hilfe und sei es am Tropf zu liegen. Ich habe einfach keine Kraftreserven mehr. Den Wäschekorb aus dem Keller holen, am Bügelbrett stehen, bloß nicht bücken! Auto fahren kaum noch, wenn nur kurze Strecken, alles scheint zu schwer! Wenn überhaupt, reicht die Kraft zum Existieren, zum Überleben, hoffe ich. Ich versuche mit der letzten Kraft die Kinder aufzufangen, während ich nur noch falle und hoffe, dass ich sie nicht mit in die Tiefe reiße. Bis zur Reha sind es noch vier Wochen, es werden sehr lange vier Wochen. Hoffentlich habe ich dann noch genügend Kraft dafür, was mich dort erwartet.

Diese Zeit war emotional so schwer, dass ich meinem Körper nur zusehen konnte, wie er unter mir versagt. Dabei habe ich versucht ihm alles zu geben, was er braucht, so viele Nährstoffe, Vitamine… eine Mahlzeit am Tag habe ich geschafft, habe sie im Bett gegessen. Mein Körper scheint mit der Verdauung überfordert, wenn ich esse, muss ich anschließend schlafen. Keine Chance mich dann noch wach zu halten. Ich glaube, ich war noch nie so müde, so schwach. Alles, was getan werden muss, ist eine Folter. Über den Haushalt muss ich hier gar nicht erst schreiben, nicht mal Augenbrauen zupfen ist drin. Diese Frau mag ich auch nicht im Spiegel sehen, ich erkenne sie nicht.

Ich habe mich erwischt… ich hatte mich nicht im Griff… meine Gefühle. Es tat weh! Wie Du Dir vielleicht denken kannst, kam meine Familie ins Spiel. Was sonst. Ich durfte mir von meinen Eltern anhören, ich würde diäten, ohne Rücksicht, und meine Kinder im Stich lassen. Natürlich bin ich ja so dumm, dass ich absichtlich meinen Körper ruiniere und meine Kinder mir egal sind. Gott sei Dank haben meine Kinder noch besorgte Großeltern. Diese haben den ultimativen Beweis für ihre Unterstellungen: Ich ziehe mich Figur betont an. Ja. Von irgendjemand muss ich schließlich die Intelligenz geerbt haben… Ach ja, ich soll mich doch endlich um das Haus und die Garage kümmern…

Mein älterer Bruder ist auch gut: „Kommst du eine Scheibe Brot schnorren?“ Ich hoffe nur, sollte seine Frau jemals so krank sein – ich wünsche es ihr nicht! – und sollte ihr jemand in diesem Zustand solch einen Spruch drücken, dass er dann eine Faust versenkt. Einigkeit besteht bei allen, ich bin richtig hässlich geworden, man könne kaum hinsehen. Vielen Dank fürs aufmerksame Hinsehen. Danke, dass ihr alle so besorgt seid um meine Kinder und meinen hässlichen Körper. Liebster Guru, was hast Du mir auch die scheiß Lass-dich-im-Stich-Diät empfohlen!

Ja, ich habe mich erwischt… konnte mich nicht wehren… habe mich gefragt, wie es wäre, eine Familie zu haben, die mal fragt: „Kind, wie schlecht muss es dir gehen, dass du so leidest? Dass so etwas mit dir passiert?“ Stattdessen habe ich gehört, ich solle die scheiß Pillen weglassen und mir selbst in den Hintern treten und endlich mal etwas tun. Es tut weh! Ich kann nicht IMMER weghören! Klar werde ich nie solch eine Familie haben…

Strategisch, logisch, selbstkritisch:

Ich habe mal hingesehen, in den Spiegel. Ihr seid blind. Diese Frau ist nicht hässlich. Ein schlankes, ausdruckstarkes, sogar schönes Gesicht. Nicht hässlich. Nur unendlich traurig.


Nachtrag:

Ich kleiner Stratege… werde es noch bleiben, werde es noch oft brauchen. Hier die Entwicklung der vier Jahre zu schreiben wäre einfach zu viel. Es sei aber gesagt, diese Frau mag ein offenes Buch sein, neuerdings aber nicht mehr immer. Mit einem Schmunzeln sagt sie Dir gerade heraus, sie mag jetzt doch ein wenig geheimnisvoll sein. Steht mir auch. Das Schmunzeln kommt nicht von ungefähr, ich bin stolz auf mich. Auch mag ich Dir hier nichts verheimlichen, ich habe die Zeit sehr bewusst gelebt und sehe die Entwicklung. Doch denke ich, sie ist für Dich nicht in allen Einzelheiten von Bedeutung, Du wirst selbst erkennen, was nötig und wichtig für Dich ist. Das, worauf es ankommt, ist, dass Du Dich entwickelst… und irgendwann stolz zurückblickst.


Gestatten, Maggie!

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