Читать книгу Radikalisierung und De-Radikalisierung in Deutschland - Magdalena von Drachenfels - Страница 4
ОглавлениеAbschnitt A: Diskussion der Grundbegriffe
Auch kompakte Darstellungen komplexer Sachverhalte wie der vorliegende Band müssen auf einem Minimum an geteilten Begriffen aufbauen, um verständlich zu bleiben und Zugang zu verschiedensten Adressatenkreisen zu finden. Es ist daher unabdingbar, sich über bestimmte Grundbegriffe zu verständigen. Das bedeutet nicht, zu letztgültigen Definitionen und damit zwangsweise Minimalbestimmungen zu gelangen. Doch sollte zumindest ein Bewusstsein für die Umstrittenheit mancher Begriffe vorhanden sein. Dies ist umso wichtiger, wenn wie in diesem Fall, ganz unterschiedliche Phänomene unter ähnlichen Fragestellungen erforscht werden sollen.
Eine solche Begriffsarbeit leisten die drei ersten Beiträge in diesem Band. Schon im ersten Text zeigt Simon Teune auf, wie problematisch eine geteilte Annahme über einen Begriff – hier „Extremismus“ – sein kann. Durch seine Allgegenwärtigkeit schreibe sich die Verwendung des Extremismus-Begriffs immer weiter fort (so auch im Titel unseres Forschungsprojekts), obwohl damit ganz unterschiedliche Dinge benannt werden können. Politisch problematisch, so Teune, werde die Rede vom Extremismus, wenn sie den Raum für Dissenz innerhalb einer Gesellschaft verkleinere. Entsprechend fordert er: „Statt über ein Label vermeintlich Klarheit herzustellen, braucht es eine Auseinandersetzung darüber, was konkret als problematische Entwicklung gefasst wird.“
Über den Anwendungsbereich von Begrifflichkeiten, diesmal allerdings des Radikalisierungsbegriffs, wird auch in den nächsten beiden Beiträgen gestritten. Abay Gaspar, Daase et al. sprechen sich gegen ein rein gewaltgebundenes Verständnis von Radikalisierung und für ein weites Begriffsverständnis aus, das „die zunehmende grundlegende Infragestellung der Legitimation einer normativen Ordnung und/oder die zunehmende Bereitschaft umfasst, die institutionellen Strukturen dieser Ordnung zu bekämpfen“. Zwar stimmt Aziz Dziri zu, dass ein weiter Radikalisierungsbegriff vor allem in der vergleichenden Forschung durchaus angebracht sein könne. Er gibt allerdings auch zu bedenken, dass manche Kontexte, insbesondere solche, die (sicherheitsrelevante Handlungsoptionen nach sich ziehen, einen engen Radikalisierungsbegriff erforderlich machen. „Eine Änderung der Parameter und des Rahmens der Definition“, so seine Schlussfolgerung, sollte daher an die je spezifische Nutzung des Begriffs angepasst werden.