Читать книгу Radikalisierung und De-Radikalisierung in Deutschland - Magdalena von Drachenfels - Страница 8
ОглавлениеAbschnitt B: Mehr als die Summe der Teile?
Bei näherer Betrachtung zeigt sich dabei, dass Radikalisierung ein vielschichtiges Phänomen ist und dass es durchaus lohnenswert sein kann, Radikalisierungsprozesse aus einer übergeordneten, die jeweiligen Phänomenbereiche übergreifenden Perspektive zu betrachten. David Meiering nimmt in seinem Beitrag die gemeinsamen ideologischen Brücken zwischen den radikalisierten Gruppen aus verschiedenen extremistischen Milieus in den Blick. Tatsächlich legt er dar, dass „vollkommen unterschiedlich erscheinende radikalisierte Gruppen auf ähnliche Narrative oder Symbole zurückgreifen“, bspw. Antisemitismus, Antifeminismus oder Widerstand. Dieses in der Forschung lange unterbeleuchtete Phänomen sei deshalb interessant, weil es Übertritte zwischen extremistischen Lagern und strategische Allianzen zwischen radikalisierten Gruppen aus unterschiedlichen Phänomenbereichen zu erklären helfe. Solche gemeinsamen funktionalen Elemente der verschiedenen extremistischen Ideologien sind auch für die praktische Präventions- und Deradikalisierungsarbeit relevant, wie Till Baaken und Maximilian Ruf in ihrem Beitrag ausführen. Folge man dieser Erkenntnis, ergebe sich die Notwendigkeit, dass die in den jeweiligen Phänomenbereichen (hier Rechtsextremismus und Islamismus) Tätigen stärker zusammenarbeiten und sich über Analysemodelle, erprobte Methoden o. ä. austauschen. Auch phänomenübergreifende Ansätze gilt es vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis stärker zu berücksichtigen. Daneben zeige „die Erfahrung aus der Praxis, dass das Erkennen von Widersprüchen durch den Bezug der Phänomenbereiche aufeinander ein Türöffner für den Prozess der Selbstreflexion und des Zweifels bei den Klientinnen und Klienten darstellen kann“. Dass Radikalisierungsprozesse vielschichtige Phänomene sind, zeigt auch der Beitrag von Hande Abay Gaspar und Manjana Sold, der sich mit der Verschränkung von Online- und Offline-Radikalisierung beschäftigt. Die Autorinnen legen dar, dass „virtuelle Aktivitäten und realweltliche Bedingungen […] in Radikalisierungsprozessen“ nicht isoliert voneinander betrachtet werden könnten, sondern zusammenwirkten. „Um präventive Maßnahmen bzw. alternative Narrative zu entwickeln oder anzupassen“, so die Schlussfolgerung, müsse „ein fundiertes Wissen über die Nutzung sozialer Medien in Radikalisierungsprozessen generiert werden.“