Читать книгу Keine Nachricht von Kami - Magnhild Bruheim - Страница 6

4

Оглавление

Am nächsten Morgen kam eine neue SMS von Kamis Handy: Alles okay mit mir. Kein Wort zu den anderen. In Ordnung?

Bentes Herz hüpfte ihr bis zum Hals. Was ist passiert?, schrieb sie zurück. Sie war immer noch nicht sicher, ob Kami selbst diese Nachrichten schrieb oder eine andere Person, die Kami gefangen hielt. Sie nahm das Handy mit ins Bad, aber es kam keine Antwort.

Auf dem Küchentisch schrie die Titelseite der Zeitung ihr entgegen: Wo bist du, kari-marie?

Im Innenteil gab es einen größeren Artikel. Das Bild von Kari-Marie war dasselbe wie im Fernsehen. Es war letzten Sommer aufgenommen worden. Kami war leicht angezogen, das lange, helle Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, die großen Augen sahen direkt in die Kamera. Sie sah fröhlich aus.

Die Journalisten hatten die Polizei interviewt, die an allen Hinweisen aus der Bevölkerung interessiert war. Die Polizei hatte eine Suchaktion über ein größeres Gebiet organisiert. Der Artikel umfasste auch ein Interview mit der Direktorin, die beunruhigt war, und einigen Schülern, die sagten, dass sie Angst hätten und empört darüber waren, was passiert war. Ganz unten rechts gab es eine kleine Spalte, in der sie selbst zitiert wurde. Dasselbe ängstliche Gesicht wie im Fernsehen. Die Überschrift lautete: Ich firchte, dass etwas Kriminelles passiert ist.

»Du wirst die reinste Berühmtheit«, sagte Sven, in einem viel zu munteren Tonfall.

»Darüber macht man keine Witze«, wies sie ihn zurecht.

Ihr Frühstück bestand aus einem Glas fettarmer Milch und einem Knäckebrot, das sie ganz langsam aß, damit die anderen ihren Diätversuch nicht bemerkten. Danach versuchte sie, sich vom Tisch zu schleichen.

»Hast du dir ein Pausenbrot geschmiert?«, fragte die Mutter und hatte sie ertappt.

»Ich habe zurzeit kaum Appetit. Nachdem, was mit Kami passiert ist …«

»Wenn Dinge schwierig sind, ist es besonders wichtig zu essen. Ich mache dir eins, während du dich fertig machst.«

Die Mutter bot sich sonst nie für solche Dinge an, und Bente verstand, dass Ausnahmezustand im Hause herrschte.

»Die Polizei versucht ihr Bestes«, fügte die Mutter hinzu. »Es gibt nichts, was du tun kannst.«

Bente war sich bewusst, dass sie von den SMS erzählen sollte. Aber sie musste noch warten, bis sie weitere Nachrichten bekam.

»Ich weiß«, sagte sie und ging in ihr Zimmer, um den Rucksack zu packen. Immer noch keine weiteren Nachrichten.

In der Küche stand die Mutter mit dem Pausenbrot für sie in der Hand. Bente nahm es widerwillig entgegen und dachte, dass sie das Essen jederzeit in den Müll werfen könnte. Es war einfacher, es so zu machen, als eine Diskussion über die Sache anzufangen.

»Wir bleiben heute Abend alle zu Hause«, sagte die Mutter, als ob das ein Trost wäre.

»Ich nicht«, sagte Bente schnell, »ich hab doch erzählt, dass ich auf eine Party bei Gunn will.«

»Wollt ihr gerade jetzt eine Party machen?«, wunderte sich die Mutter, »nach dem, was passiert ist?«

»Gerade jetzt haben wir das Bedürfnis, zusammen zu sein«, sagte Bente kurz, »um uns auszusprechen.«

»Ihr könnt doch in der Schule sprechen. Nein, ich will nicht, dass du heute Abend weggehst.«

»Aber ich will es«, sagte Bente mit lauter Stimme.

»Dann musst du aber früh nach Hause kommen. Ich hole dich um zehn Uhr ab.«

»Zehn Uhr! Ich gehe doch nicht von einer Party um zehn Uhr nach Hause. Wir haben morgen frei, und die Winterferien fangen an.«

»Darüber wird nicht diskutiert«, sagte die Mutter streng. Das letzte Wort war gesprochen.

»Ich gehe doch nicht von einer Party um zehn Uhr nach Hause«, wiederholte Bente, bevor sie sich ihren Rucksack schnappte und aus der Tür des Reihenhauses marschierte. Warum wollten sie ihr das Leben noch schwerer machen, als es sowieso schon war? Sie hastete über die winterglatte Straße herunter zur Haltestelle, auch wenn es noch zehn kalte Minuten Wartezeit waren, bis der Bus kam.

Während sie an der Bushaltestelle stand, kam ein wohlbekanntes Geräusch aus ihrer Tasche. SMS von Kami, dachte sie.

Sind deine Beine müde? Du bist die ganze Nacht in meinen Gedanken herumgewandert.

Bente verstand nichts. Bis ihr aufging, dass die SMS von Jon-Arne kam. Ein Standard-Spruch, den er von anderen aufgeschnappt hatte, dachte sie sich. Sie war nicht in der Stimmung, um zu antworten. Aber es kam noch eine Nachricht vom selben Absender: How do U do? Sehe ich dich heute Abend?

Gehe auf eine Party, war das Einzige, das ihr zu antworten einfiel. Sie sah keinen Grund, ihm Näheres zu erzählen. Außerdem gab es gewisse andere, die sie auf der Party lieber sehen wollte. Stian würde sicher dort sein. Wie reagierte er wohl auf das Verschwinden von Kari-Marie? Sie musste mit ihm darüber sprechen. Und noch über ein paar andere Dinge.

Sie ärgerte sich, dass sie an jenem Abend mit Stian zusammen gewesen war. Auf jeden Fall ärgerte sie sich jetzt nachträglich darüber. Die ersten Tage danach war sie nur froh, selbst wenn das schlechte Gewissen an ihr nagte. Da hatte sie nur die wärmsten Augen der Welt vor sich gesehen und auf eine SMS von ihm gewartet.

Aber es war keine SMS gekommen. Und sie musste sich selbst eingestehen, dass sie etwas mit dem Freund ihrer besten Freundin gehabt hatte. Auch wenn es nur einen Abend war. Und selbst wenn Bente genauso lange in ihn verliebt gewesen war wie Kami. Sie entschuldigte sich selbst damit, dass sie nicht sicher gewesen sei, ob die beiden noch zusammen waren. Auch jetzt war sie sich immer noch unsicher darüber.

Trotzdem. Sie hatte die Freundschaft aufs Spiel gesetzt und die Freundinnenregel Nummer eins gebrochen: Halt dich vom Freund der Freundin fern! Hatte Kami Wind davon bekommen?

Keine Nachricht von Kami

Подняться наверх