Читать книгу Anne LebensLiebe - Malte Kerber - Страница 10

Das verborgene Wort heißt Liebe.

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Was für ein schöner Gedanke! Er drückte sehr intim etwas Allgemeines über die Liebe und etwas Wesentliches über die Persönlichkeit meiner Frau aus. Liebesworte sind tatsäch-lich häufig verborgene Wort. Diese sollten aber aus-gesprochen werden. Nicht zu früh, vor allem nicht zu spät! Und Liebeworte warten auch darauf, aufgeschrieben zu werden. Das ist noch wichtiger, als sie nur auszusprechen! Was auf dem Papier steht, das hat etwas Gültiges. Es steht dort schwarz auf weiß. Oder auch Farbe auf Farbe, je nach Phantasie. Es steht dort, kann wiederholt gelesen werden. Die Liebe zwischen Anne und mir begann etwa 1983. Drei Jahre später heirateten wir. Von Anfang an schrieben wir uns. Holten auch die verborgenen Worte aus unserem Gedanken und machten sie dem anderen lesbar. Das war oft nicht einfach. Kleine Notizen füreinander, Postkarten und die langen Briefe gehörten zu unserem Alltag und zu unseren Festtagen. Beide mussten wir uns aus schwierigsten persönlichen Verhältnissen heraus- und zueinander finden. Dabei half uns das Aufschreiben für den anderen. Dieses Aufeinander-zu-Schreiben hatte auch einen ganz praktischen Grund. Wir lebten in getrennten Wohnungen und hatten über die Woche meist keine Zeit füreinander. Verstärkt wurden unsere Schwierigkeiten auch durch die komplizierter werdenden gesellschaftlichen Verhältnisse Mitte der 80er Jahre in der DDR. Sie berührten fast alle Bürger und Familien ganz direkt.

Im Zentrum des kleineren deutschen Landes, in Berlin, erlebten wir, Anne und ich, in dieser Zeit die Krise und das Zusammenfallen einer Gesellschaft, die ihren hohen Ansprüchen nicht gerecht wurde und wohl nicht werden konnte. Das hatte auch für uns persönliche, familiäre, berufliche, kulturelle, soziale und manch andere Konsequenzen. Es ging auch bei uns um sehr existentielle Fragen.

Da unterschieden wir uns nicht von den meisten Menschen in der DDR. Unser Staat hatte sich ausgelebt oder verlebt. Wir wurden ebenfalls hineingeworfen in für uns völlig neue Lebensverhältnisse. Einschneidendes musste sich auch in unserem Denken und Fühlen verändern. Wir halfen uns, wo wir nur konnten, hätten manches allein wohl nicht bewältigt. Da spielte eben auch das Aufschreiben der „verborgenen Worte“ des einen für den anderen eine große Rolle. Anne sammelte, unbemerkt vor mir, solche schriftlichen Zeugnisse unseres Gedankenaustauschs. Sie schenkte mir Jahre später einen von ihr schön gestalteten dicken Hefter, darin Postkarten, Briefe und Liebesnotizen aus den Jahren 1984 – 2001. Die Titelseite schmückte sie mit einer kleinen Klebearbeit zum erwähnten Motto.

Diese sechzehn Wende-Jahre waren für Anne und mich und für unser gemeinsames Leben ganz entscheidende Jahre. Nach 1989 bis zum Anfang des neuen Jahrhunderts hatte sich für uns alles, alles verändert. Und auch wir veränderten uns, ohne uns zu verbiegen. Vieles Wertvolle aus unserer Vergangenheit nahmen wir in die vor uns liegenden Jahre mit. Unsere Liebe aber war uns trotz aller Veränderungen zu einer gelebten LebensLiebe gewachsen. Sie trug uns gemeinsam in eine andere für uns neue Zeit, im weiteren und ganz persönlichem Sinne.

Anne LebensLiebe

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