Читать книгу Blood-Lady - Mandy Hopka - Страница 4
Erste Fragen
ОглавлениеImmer, wenn ich mir die Geschichte der Vampire durchlas, die uns Kindern von Geburt an vorgelesen wurde, verkrampfte sich mein Magen. Damals, als Kinder, hatten wir bereits wahnsinnige Angst vor ihnen. Diesen Geschöpfen der Nacht, die ohne jeglichen Grund mordeten. Es gehörte zu den Praktiken des MFMS, des Ministeriums für Menschliche Sicherheit, dass die Kinder der Fighter - so nannten wir uns - bereits richtig erzogen wurden, um dann ebenfalls für das Ministerium zu arbeiten. Wie Gehirnwäsche, wurde uns schon früh eingetrichtert, dass Vampire grausame Geschöpfe waren. Wir wurden von Anfang an mit dem Hass gegen sie erzogen. Vom Kindergarten bis hin zur Mittelschule. Wir wurden als Fighter geboren, und hatten als diese zu leben, ohne das unsere Meinung dabei zählte. Nun, sehr viele Jahre später, zweifelte man selbstverständlich an dieser Theorie, an diesem Märchen. Der Teufel? Für mich als Atheist war dies hier, nur eine erfundene Geschichte. Erfunden von der Menschheit, die unbedingt eine Antwort auf das plötzliche Erscheinen dieser mutierten Menschengestalt haben wollte. Die Menschheit war schließlich schon immer ein Volk, welches nach Antworten strebte, angespornt von ihrer Neugierde, die Geheimnisse der Welt zu entschlüsseln. Ich blätterte das Buch durch, schaute mir die wirklich brutalen Bilder an, auf denen mehr Blut abgebildet war, als ein kleines Kind ertragen konnte, und nahm das nächste in die Hand, was meine Blicke auf sich zog, nachdem ich Die Geschichte eines Monsters, wieder in das Regal zurückgelegt hatte. „Offiziell anerkannte Fälle“, las ich. Heutzutage gab es Computer und wir hier, besaßen natürlich die neuste Technik, aber früher liefen die Dinge nun mal komplizierter, und da das Ministerium nun schon über 100 Jahre existierte - früher hieß es mal Organisation für menschliche Sicherheit - gab es nicht nur eine Menge an Daten auf unseren Servern, sondern eben auch eine Menge an niedergeschriebenen Texten und alten Büchern, wo die ehemaligen Mitarbeiter über alles berichteten und alles aufgelistet hatten, was sie wussten. Ob Berichte über Vampire, Besonderheiten von ihnen oder die Personalien von anerkannten Vampiren, die man ermordet hatte. Alles musste schon damals für die Nachwelt genauestens notiert werden. Dadurch besaßen wir hier unsere eigene Bibliothek und hatten, gerade durch diesen ganzen Papierkram, ein enormes Wissen über sie. Diesen Geschöpfen, die nicht hierher gehörten. Die in unserer Welt, nur lästige Insekten waren, eine vollkommen unnütze Spezies. Seit Jahrhunderten unser Feind. Ich wollte das alles irgendwann in die Server übertragen, dachte ich und nachdenklich, drehte ich das alte Buch in meinen Händen. Die Seiten waren bereits vergilbt und ein paar, würden wohl bald herausfallen, genau wie die, die sowieso schon herausgefallen waren. Gleichgültig zuckte ich mit den Schultern und schlug es vorsichtig auf, während ich mich gegen das wandhohe Regal lehnte. Wann hatte ich es das letzte Mal in der Hand gehalten? Wann war es überhaupt hier bei mir im Büro gelandet?
Der letzte, international aufsehenerregende Fall von Vampirglauben in Europa, datierte aus dem Jahr 2005: Indem rumänischen Dorf Marotinu de Sus wurde der Körper eines verstorbenen Dorfbewohners ausgegraben. Dieser wurde verdächtigt, des Nachts als Vampir sein Unwesen zu treiben. Familienangehörige schnitten dem Leichnam das Herz heraus, verbrannten es, lösten die Asche in Wasser auf und tranken dann die Lösung. „Ist ja widerlich“, sagte ich und würgte bei dieser Vorstellung. Je mehr ich über die Geschichte, Herkunft, Verbreitung und Charaktereigenschaften der Vampire las und mitbekam, desto mehr wurde mir bewusst, wie sehr sich alles verändert hatte. Wie die Zeit nicht nur die Vampire, sondern auch uns Menschen Verändert hatte. So eine Methode wäre heute kaum vorstellbar. Es war immer wieder interessant zusehen, wie wir Menschen früher gelebt hatten. Wie wir geschrieben, geglaubt oder gedacht hatten.
Nach ein paar, teils skurrilen Geschichten schlug ich gelangweilt auch dieses wieder zu und stellte es zu den anderen Büchern zurück, von denen manche wirklich schon sehr mitgenommen wirkten. Viele von ihnen wurden von den Vampiren selbst zerstört oder man hatte es zumindest versucht, um Dinge vor uns Geheim zuhalten. Klar wollten sie nicht, dass wir alle Geheimnisse an unsere Nachfahren weitergaben. Nur waren wir wohl schon damals ihnen immer einen Schritt voraus. Das mussten wir auch, wenn wir die Vampire zu einer Legende machen wollten, beziehungsweise die Wahrheit nicht ans Licht kommen sollte. Ich fragte mich wirklich, wie wir das geschafft hatten. So wie es aussah, waren wir damals bereits gut im lügen, vertuschen und im manipulieren.
Eigentlich hatten diese ganzen Bücher hier nichts bei mir verloren. Für diese so wertvollen, alten Ausgaben, gab es normalerweise strickte vorgaben. Allerdings lieh ich mir meistens ein Buch aus und dann landete es, nicht einmal durchgelesen, in diesem Regal, wo es dann eine ganze Zeit lang, wenn nicht sogar Jahre stehen blieb, wo es auch scheinbar, niemand vermisste. So staute sich wohl über die Jahre hinweg, diese Masse an Büchern bei mir an. Schon längst hatte ich den Überblick verloren. Ja, mein Büro glich einer kleinen Bücherei. Aber immerhin war ich ein wandelndes Lexikon auf diesem Gebiet und deshalb sehr gefragt im Ministerium, vielleicht nahm man es mir deshalb nicht so übel. Ich beschäftigte mich schon, seit ich Zehn war mit der Geschichte der Vampire, vielleicht mehr, als jeder andere hier. Nicht weil sie mich faszinierten, wie die Teenager da draußen, die bei jedem Anblick eines Vampirs zu kreischen und Tuscheln anfangen würden. Nein! Ich HASSTE sie! Ich hasste sie abgrundtief. Durch sie hatte ich meine Familie verloren. Sie hatten mir meinen Vater genommen, meine Schwester, hatten aus meiner Mutter einen kaltherzigen Menschen gemacht. Durch sie hatte ich nie erfahren, was ein normales Leben ist. Durch sie werde ich niemals frei sein können. Wir Fighter waren wie eine große Familie. Alle Kinder waren dazu verpflichtet, ebenfalls in die Fußstapfen ihrer Eltern zu treten und für diese Organisation zu arbeiten. Mein Leben, unsere Existenz hatte seit jeher nur einen Sinn: Daran zu arbeiten, dass es irgendwann einmal eine Welt ohne diese Geschöpfe gab. Das war der einzige Grund warum wir geboren wurden und darauf war ich persönlich nicht gerade stolz und fühlte mich mit dieser Meinung mehr als allein. Deshalb wollte ich nur eines: Das sie endlich verschwanden! Denn dann konnten wir Fighter frei sein.
Wer den Feind umarmt, macht ihn bewegungsunfähig.
Dies war mein Motto und das, würde es auch bleiben. Ich hatte die Grausamkeit jener Geschöpfe am eigenen Leib erfahren müssen - wie so viele hier, und ganz gleich, wie sehr sie sich auch verändert haben mochten, waren sie immer noch dieselben Monster von Früher. Vampire eben. Erschaffen um zu töten. Seit Jahrhunderten existierte unsere Organisation nun schon und seit Jahrhunderten dauerte dieser ewige Kampf nun schon an. Es war wohl eines der größten geheimen Projekte, die es auf dieser Welt gab und seit jeher waren wir dazu da, um die Vampire auszurotten, zu töten und Krieg gegen sie zu führen. Einen verborgenen, stillen aber durchaus blutigen Krieg. Nur ein Paar Präsidenten oder Minister dieser Welt, wussten von unserer Existenz. Sie finanzierten uns und halfen dabei, auch verborgen zu bleiben. Wir mussten schweigen. Deshalb blieben wir Fighter auch unter uns. Es gab keine Freundschaften oder Beziehungen zwischen normalen Bürgern und Fighter. Niemals durften die Menschen von der Existenz dieser Geschöpfe und damit auch von uns erfahren. Dies war ein vorgeschriebenes Gesetz.
Im Grunde lebten wir, um für die normale Bevölkerung zu sterben. Unsere Männer hatten früher nicht einmal eine Durchschnittliche Lebenserwartung von 40 Jahren gehabt.
Meine Mutter hatte sich dasselbe Ziel gesetzt wie ich, nach alldem was passiert war. Durch ihre harte Arbeit, ihre Verbissenheit, war sie tatsächlich vor ein paar Jahren zur Ministeriums Präsidentin ernannt worden. Nur hatte sie einen anderen Plan als ich. Sie wollte sich unsere Freiheit, unsere Sicherheit nicht erkämpfen, sie wählte den friedlichsten Weg. Damit schlug sie einen ganz neuen Weg ein, der für unser Ministerium vorher undenkbar gewesen war. Meine Mutter wollte ändern, dass wir lebten um zu sterben. Sie wollte eine friedliche Lösung finden und hatte damit eine Revolution ausgelöst. Nur war ich der Meinung, dass man ein Raubtier, nicht mit einer Tüte Gummibärchen besänftigen konnte. Das verstand sie jedoch nicht. Sie hatte sich seit Jahren für nichts anderes interessiert, als diese friedliche Lösung zu finden und Anerkennung zu erlangen, dass sie damals ihre zehnjährige Tochter immer mehr vergessen hatte. Ihre Karriere war ihr nachdem tot meines Vaters und meiner Schwester das wichtigste gewesen und ich war nichts mehr, als ein nützliches vorzeige Objekt, das irgendwann einmal ihren Posten einnehmen sollte. Jetzt, nach so vielen Jahren hatte ich keine Mutter mehr. Ich brauchte sie nicht mehr. Nicht nach all diesen Jahren, in denen ich allein hatte groß werden müssen. Und das in unserer Welt, nicht in der, wo Kinder mit Puppen spielen konnten, in denen sie an die Zahnfee glauben oder für den Weihnachtsmann Kekse backen durften. Für uns war Blut, Tot und Grausamkeit Teil unseres Lebens. Unsere Kindheit unterschied sich so grundlegend, von der, der Normalen Bevölkerung. Wir wurden ausgegrenzt, lebten in unserer eigenen Welt. Hatten eigene Kindergärten, Schulen, eigene Ärzte, die verdeckt in den normalen Krankenhäusern arbeiteten. So gut wir uns auch unter die normale Welt mischten, lebten wir dennoch nicht wirklich mit ihnen zusammen. In der Schule wurde Mathematik nur bei den Kindern ausgeweitet, von denen man sich versprach, dass diese eines Tages gute Wissenschaftler oder Ärzte werden würden. Sport, Musik oder Kunst gab es erst gar nicht. Wir lernten, wie wir überlebten, uns verteidigten. Wie wir unseren Feind am einfachsten Töten konnten. Wir lernten, wie wir sie erkannten, wie wir mit ihnen umzugehen hatten. Früher, hatte man sogar noch lernen müssen, wie man sich selbst am schnellsten und ohne großen Schmerz umbrachte, falls man doch von ihnen erwischt wurde. Die Geschichte unseres Landes oder Geographie, wurde nur angekratzt, viel wichtiger für uns war die Evolutionsgeschichte der Vampire. Wieso sollte man auch wissen wie es in den anderen Ländern dieser Welt aussah, welche Sitten oder Bräuche sie hatten. Wir lebten eh zu kurz, um zu reisen und sie kennenzulernen. Die Leistungsfächer, also die in denen man besonders gut war, entschieden dann schließlich unsere Zukunft. Da ich mich nicht sonderlich als Mathe Ass herausstellte, geschweige denn gut genug war, um einen Vampir umzulegen, hatte ich damals Geschichte als Leistungsfach gewählt.
Während andere Kinder im Garten oder in Parks spielten und nichts ahnend auf Spielplätzen herumliefen, hatten all diese Sachen bei uns einen bitteren Nachgeschmack. Wir wussten, dass es Dinge in dieser Welt gab, vor denen wir uns als Kinder, nicht schützen konnten. Wir sahen sie, wir wussten von ihnen. Allein das, hatte es uns unmöglich gemacht, unbeschwert unsere Kindheit auszuüben. Dafür verbreiteten die Erwachsenen zu viel Panik an den Schulen und Kindergärten. Gehirnwäsche eben, immerhin glaubte man als Kind noch an die Dinge, vor denen die Erwachsenen einen warnten oder was sie einen eintrichterten. Ich fragte mich wirklich, ob es heutzutage immer noch so war, oder ob ich einer der letzten Generationen angehörte, bei denen solche Praktiken angewandt wurden. Meine Mutter hatte vieles geändert, auch die Erziehungsmethoden. Noch mehr fragte ich mich aber, wie es wohl war, in dieser Scheinwelt aufzuwachsen. Wie es wohl war, einfach nichts von alldem zu wissen. So zu tun, als gebe es sie nicht.
Alles was wir taten, unser Leben wurde wie fremdbestimmt. Wir konnten nicht wählen, konnten nichts entscheiden. Wir hatten unsere Befehle auszuführen. Wir waren wie Marionetten und das, konnte wohl auch meine Mutter nicht so schnell ändern.
Für uns, waren die Vampire, wie die Klimaerwärmung, für die Normalos. Eine Bedrohung die immer da war, auch wenn man sie gerade nicht wahrnahm. War es egoistisch sich zu wünschen, einfach nicht als Fighter geboren worden zu sein? Ein langweiliges, normales Leben zu haben? Viele waren stolz auf das, was sie waren. Sie gehörten immerhin zu einer abgesonderten Spezialeinheit, einem geheimen Volk, das die Aufgabe hatte, die Menschheit mit ihrem Leben zu beschützen. Wir waren etwas Besonderes, Helden. Zumindest hielten sich einige dafür. Ich jedoch, wollte einfach nur, dass es aufhörte. Ich war diesen Hass in mir allmählich leid. Aber ich konnte einfach nichts gegen ihn tun. Für mich war es einfach eine Strafe, denn vielleicht, hätte ich ja sonst noch alle … Dad und meine Schwester wären dann immerhin noch am Leben. Egal wie der Vampir auch war, der mir gegenüberstand. Ich projizierte diesen Hass auf einfach jeden von ihnen. Ich wollte einfach nichts davon wissen, dass sie sich verändert hatten, dass Mutter sie verändert hatte. Sie konnten sich nicht ändern. Sie waren rücksichtslose Monster und das würde sie auch immer bleiben.
Ein Geräusch ließ mich zusammenzucken. Ich schaffte es doch immer wieder, in Selbstmitleid zu versinken. Selbst jetzt noch - nach so vielen Jahren, verkrampfte sich mein Körper, wenn ich an meine Familie dachte. Wie von selbst, ballten sich meine Finger zur Faust, und ich merkte erst jetzt, dass sich meine Fingernägel auf schmerzvolle Weise in meine Handfläche gebohrt hatten. Ich schüttelte den Kopf, als würde ich mich von etwas befreien müssen und wandte mich der Quelle des Geräusches zu.
Mein Computer war nun endlich mit seinen Updates fertig und hatte sich bereits in die Server des Ministeriums eingewählt. Ich meldete mich mit meiner Mitarbeiter ID an und durchsuchte, den Server mit der Auflistung aller noch existierenden Vampire. Wobei aller, wohl auch nur eine Wunschvorstellung des Ministeriums war. Heute war alles so viel komplizierter als damals. Alle Vampire mussten sich registrieren lassen, wenn sie geboren wurden oder keinen Ärger mit uns wollten. Viele taten dies natürlich noch immer nicht und je nachdem, ob sie mit uns kooperierten oder nicht, wurden sie eben ausradiert. Heutzutage duldete das Ministerium die Existenz zwar aber nur unter höchsten Vorkehrungsmaßnahmen und da die meisten von ihnen mittlerweile normal leben wollten, ließen sie sich registrieren und taten das, was wir von ihnen verlangten. Es war wie ein Waffenstillstand, als hätten sich die Vampire ergeben und ich wartete nur darauf, dass sie eines Tages die Nase voll hatten nach unserer Pfeife zu tanzen und erneut rücksichtslos auf der Welt mordeten und alles wieder von vorn begann. Meine Mutter hatte dieses System eingeführt, hatte es irgendwie geschafft, die Vampire zu unterwerfen und nach anfänglichen Schwierigkeiten, hatten sich die Fighter und die Vampire an diesen Zustand, diesen Frieden gewöhnt. Wer’s glaubt. Irgendwann kam der super Gau und alles würde wieder in Krieg und Hass verfallen. Ein Hund und eine Katze konnten sich nicht vertragen, wenn sie sich einmal gehasst hatten. Das funktionierte einfach nicht. Das lag an Mutter Natur. Aber durch meine geblendete Mutter, durften diese Geschöpfe sich nun unter uns mischen und mit uns leben, wenn auch mit einer Menge an Regeln, an die sie sich zu halten hatten. Aber immerhin wurden sie von uns nicht mehr gejagt, so wie früher. Der Waffenstillstand wurde von uns Fighter seit ein paar Jahren erfolgreich bewahrt. Das absurdeste daran war, dass die Vampire seit jeher nichts dagegen Unternamen, fortan unter ständiger Kontrolle zu leben. Ich würde lieber sterben, als mich von meinem Feind drangsalieren zu lassen. Viel zu groß, war der Hass auf beiden Seiten. Dennoch hatte sich in den letzten Jahren diese Methode bewährt. Wir Lebten länger und starben weniger. Vermutlich war an allem aber auch die Veränderung der Vampire schuld. Sie wollten nicht mehr nur töten, sie wollten im Verborgenen mit der Menschheit in Frieden leben - warum auch immer, und ein normales Leben führen. Sie waren, wie wir, den ewigen Krieg wohl leid. Und auch, wenn es unter ihnen noch immer welche gab, die sich uns nicht unterwarfen und um die sich unsere Exekutionsteams noch immer zu kümmern hatten, waren diese kleinen kämpfe kaum mit denen von früher zu vergleichen. Früher hieß das Ziel dieser Abteilung noch Ausrotten. Heute war es eher ein beschützen und minimieren der Gefahren. Unsere Manipulationsabteilung kümmerte sich darum, dass nichts an die Öffentlichkeit drang, was sie wirklich gut machten, wie man an dem letzten öffentlichen Bericht von 2005 sah. Immerhin war auch heute noch ein Kampf mit einem Vampir nichts leichtes, auch wenn sie keine übermenschlichen Fähigkeiten besaßen, wie sie in Hollywoodfilmen immer dargestellt werden. Nein, sie können sich nicht in Fledermäuse verwandeln, dafür gab es auch noch nie irgendwelche stichfesten Beweise. Sie waren auch nicht mehr unsterblich und krochen auch nicht mehr aus ihren Särgen. Dies hatte sich seit ca. 1880 erledigt gehabt. Bis dato konnten Bisse von Vampiren zum Tod führen, wo sie natürlich nichts ahnend begraben wurden und erst nach einiger Zeit wieder zum Leben erwachten. Der Speichel der Vampire oder das darin enthaltene Sekret, hatte sich mit der Zeit verändert, auch wenn niemand wusste, was zu all diesen Veränderungen in den Genen der Vampire führte. Welche Auslöser oder Einflüsse dafür zuständig waren. Außerdem gab es mittlerweile nur noch die sogenannten Mischlinge. Sie waren das Ergebnis der Zeit und zudem weniger gefährlich als Reinblütige Vampire. Würde es heutzutage noch Reinblüter geben, würden sie sich wohl uns nicht so einfach unterwerfen, da war ich mir sicher. Da bei den Mischlingen nämlich ein Teil menschlich war, fühlten sie sich wohl eher zu uns Menschen hingezogen als zu ihren Vampirischen Genen und beendeten damit das Blutvergießen. Somit hatte die Welt und die Zeit das Ende der Vampire eingeläutet, ohne das wir eigentlich etwas dafür getan hatten. Immerhin hatten wir nichts damit zu tun gehabt, dass sich vor sehr vielen Jahren die Reinblüter plötzlich mit uns Menschen paaren wollten und diese Hybridform entstanden war. So entstand eine vollkommen neue Ära. Die Ära der Mischlinge. Allein die Vorstellung daran, widerte mich an. Ich mein, was war das bitte für ein Leben? Er war ein Mörder! Selbst wenn er sich nur von Tierblut ernährte, war er noch immer kein Mensch, und für mich war es einfach unverantwortlich mit so jemanden Kinder in die Welt zusetzen. Immerhin konnten Vampire nur noch gezeugt und auf die Welt gebracht werden wie Menschenbabys, denn als Mischling konnte man keine Menschen mehr infizieren. Gott sei Dank. Aber man muss wohl auch erwähnen, dass es ein Gesetz gab, was ihnen verbot ihre wahre Identität Preis zu geben, insofern muss man die Menschen wohl wieder in Schutz nehmen, die von alledem nichts wussten und dachten, ihr Geliebter sei ein ganz gewöhnlicher Mann. Eines war allerdings geblieben. So wie die damaligen Reinblüter - die wir ja bereits ausgerottet hatten, alterten sie bis 25, lebten dann knapp 400 Jahre in dieser Jungen Gestalt weiter, wir nannten diese Phase: Lebend, bevor sie dann wieder anfingen älter zu werden und schließlich starben, wie normale Menschen. Diese Phase nannten wir: Sterbend. Auch waren sie nicht mehr unverwundbar. Ihre Heilungskräfte waren enorm, viel besser als bei uns Menschen, aber töten konnte man sie nun dank des menschlichen Teiles trotzdem. Früher waren sie noch anfällig für die Sonne, was sich spätestens im 19. Jahrhundert wieder zurückentwickelt hatte, selbst bei den Reinblütern.
Reinblütigkeit. Dieser Begriff entstand irgendwann um 1940, wenn ich mich recht erinnerte. Es war das Jahrhundert der Mischlinge, in dem das Ministerium den ersten großen Sieg feierte: Die Ausrottung der Reinblüter. Diese waren eine enorm große Gefahr, für uns gewesen auch durch die Fähigkeit, mit einem Biss neue zu erschaffen. Ja, die Vampire hatten ihre eigene Evolutionsgeschichte, genau wie wir Menschen, ganz gleich, wie sie nun entstanden sind. Aber eines hatten sie schon immer gehabt, diese unglaubliche Aura von Macht und Stolz, sowie ihr gutes Aussehen, was man nun mal nicht abstreiten konnte. Tatsächlich war ich noch nie einem hässlichen Vampir begegnet, egal ob Männlich oder Weiblich. Im Grunde war dies wohl von Mutter Natur gewollt. Hätte sie dem Falken rote Federn gegeben, hätte er es bei seiner Beute deutlich schwerer.
Am Anfang hatten wir uns alle gefragt, weshalb meine Mutter so einen aufriss machte. Warum sie ihnen ihre Existenz gewährte, neue Abteilungen einführte, so ein Risiko einging, dass sie die Menschen auch weiterhin angreifen oder sie etwas verraten konnten. Versprechen kann man viel und auch, wenn die Mischlinge - anders als ihre Vorfahren, kein Blut mehr zum überleben brauchten, war der drang danach noch immer da. Nachforschungen hatten sogar ergeben, dass dieser Wille stärker wurde, wenn ein Vampir eine besondere Beziehung zu seinem Opfer hegte, was also ein zusätzliches Risiko darstellte, wenn sie sich beispielsweise verliebten. Wir betrieben mittlerweile - dank meiner Mutter - einen ziemlichen Aufwand, nur um Friedlich mit ihnen leben zu können. Aber was war das bitte schön für ein Frieden?
Dazu gab es zu der Exekutionsabteilung und der Manipulationsabteilung nun noch eine weitere: Die Observationsabteilung, wo auch ich eingestuft war. Wir kümmerten uns um den Papierkram oder hielten die Server auf dem neuesten Stand. Hauptsächlich waren wir jedoch für das Beobachten der Registrierten zuständig, um Zwischenfälle und Morde vorbeugen zu können. Wir führten Befragungen durch, gingen Hinweise nach und traten in direkten Kontakt mit ihnen. So werden die Mischlinge mehr als nur überwacht und wenn man es genau nimmt, leben sie in einem großen Gefängnis. Das ganze war wohl viel größer, als sich manch einer vorstellen konnte. Wir arbeiteten mit der NSA und dem BND zusammen und hatten eigene Leute, die im beschatten und einschüchtern wohl besser waren als jede Stasi oder Yakuza. Die Vampire dürfen ja nicht einmal das Land in dem sie leben verlassen, nicht einmal die Stadt. Jedes ihrer Telefonate, jeder Brief, jeder Arbeitsvertrag wurde von uns abgefangen, überprüft und dokumentiert. Seit etwa zwei Jahren war es ihnen dann sogar offiziell erlaubt, sich mit den Mensch zu paaren, allerdings dürfen diese wie gesagt niemals etwas davon erfahren, dass der oder die ein Blutdürstiger Halbmensch war. Was sich natürlich als nicht so einfach herausstellte, wenn man im lebenden Stadium war, wo man sich ja optisch nicht veränderte. Deshalb dauerten diese Vampir – Mensch - Beziehungen auch nie sehr lang. Das ganze hatte damals riesige Wellen geschlagen und meine Mutter stand lange Zeit in der Kritik. Immerhin war es irgendwo ethisch unkorrekt, eine Person mit einem anderen Wesen verkehren und Nachwuchs zeugen zu lassen, von dem sie nicht einmal wussten, dass dieser anders ist, als man selbst. Zwar gab es da noch die anderen Minister, die Vertreter der anderen Länder – immerhin konnte meine Mutter ja nicht überall auf der Welt gleichzeitig sein, aber diese waren meiner Mutter, der Präsidentin untergeordnet. Im Grunde waren sie nur ihre Assistenten. Sie war die Präsidentin, sie hatte das vollkommene Bestimmungsrecht bis sie einen neuen erwählte, dem man ohne Widerrede Loyal zu sein hatte. Auch gab es nur hier im Hauptsitz in Deutschland und in den USA ein Labor für wissenschaftliche Zwecke, die das Blut, die Entwicklung und die Anatomie der Vampire untersuchten und eingehend studierten. Das alles passierte ebenfalls auf illegalem Wege, immerhin wurden ein paar von ihnen benutzt, wie Laborratten oder Frösche, die man Sezierte. Wobei für uns ja eigentlich nichts illegal ist, solange es dazu beiträgt, die Menschheit zu schützen. Der Mensch war grausam aber war es doch der Vampir auch.
Nur bei uns hier in Leipzig, wo unser Hauptsitz ist, gab es da noch unsere Bibliothek, unser Wissen, das von unschätzbarem Wert war. In den übrigen Ländern war alles etwas kleiner, auch wenn sich die Aufteilungen und die Abteilungen glichen. Ich fragte mich, warum man gerade Deutschland als Hauptstützpunkt ausgewählt hatte? Und wer dachte, wir würden im Geheimen unter der Erde arbeiten oder irgendwo im Nirwana, der irrt. Wir besaßen ein schickes, 1972 fertiggestelltes und 2002 saniertes Hochhaus, welches unter dem Schutz eines Radiosenders arbeitete, das natürlich ebenfalls von nichts wusste.
Man sollte niemals die Macht des Staates und der Politiker unterschätzen, denn wer glaubt, er kennt die Geschichten der Welt, er kennt durch die Medien jedes Geheimnis der Politik. Dieser irrt sich gewaltig. Im Vertuschen war die Menschheit schon immer gut gewesen.
Als bekannt wurde, warum man ihnen diesen Wunsch gewährte, so eng mit den Menschen in Kontakt zu kommen, waren auch die letzten Kritiker verstummt, denn für diesen ganzen Aufwand, den meine Mutter betrieb, gab es auch einen sehr guten Grund. Sie war eine durchaus schlaue Person und hatte recht behalten mit ihrer Theorie über die Vererbbarkeit der Vampirgene. Mittlerweile gab es bereits mehrerer Generationen von ihnen und bereits in der dritten Mischblutgeneration – sprich, wenn ein Mischling ein Kind mit einem Menschen zeugt und dieses Kind wiederum nachwuchs erwartet, führt dies zu einer vollkommenen Eliminierung des Vampirgens. Also: Je mehr Vampire es mit Menschen trieben, desto eher starben sie von selbst aus. Somit brauchten wir laut ihr nur abzuwarten bis dieser Moment gekommen war. Bis dahin mussten wir einfach das Beste aus dieser Situation machen.
Immer die einfachste Variante zu wählen, wie in unserem Fall das Morden, war nicht immer die richtige, dass verstand selbst ich. Immerhin waren unsere Lebenserwartung und unser Lebensstandard seitdem drastisch gestiegen. Als Präsidentin war sie wohl die mächtigste Frau auf der Welt. Alles was sie sagte, war Gesetz. Selbst die Präsidenten der Länder taten im Grunde alles was meine Mutter von ihnen wollte. Sie hatten wahrscheinlich einfach so viel angst vor der Bedrohung namens Vampir, dass sie uns auf keinem Fall im Weg stehen wollten.
Als ich noch ein kleines Kind war, gab es hier nur Exekutionsteams. Zusammenarbeit mit den Vampiren gab es nicht, warum auch? Sie waren von Grund auf böse Geschöpfe, die nicht in unsere Welt gehörten und ausradiert werden mussten, um das Überleben der Menschheit zu sichern. So war der damalige Leitsatz. Zusammenarbeit statt Krieg, war jedoch das Motto meiner Mutter und wer nicht mitspielen wollte ... hatte Pech. Und dennoch traute ich den Vampiren einfach nicht. Auch wenn sie mittlerweile zum Teil Mensch waren, waren sie noch immer zum anderen Teil ein Monster, das tötete.
„Da ist sie ja! Die Blutgräfin: Elisabeth Nadasdy oder Báthory“, las ich und klickte mit der Maus auf ihren Eintrag. Die Blutgräfin war wohl das einzig wahre, an unserer Gute-Nacht-Geschichte. Ich hatte vorher immer gedacht - wie wohl alle anderen hier auch -, dass man sie damals umgebracht hatte, nachdem sie dieses Massaker mit ihren Dienstmädchen angerichtet hatte. Aber das schien wohl nicht zu stimmen. Meine Mutter hatte mir heute Morgen eine SMS geschickt, dass wir ihr wohl bald einen Besuch abstatten würden. Es musste etwas enorm Wichtiges sein, wenn sie das selbst übernahm. Aber gut, es handelte sich hier ja auch schließlich um einen Reinblüter. Einer eigentlich bereits ausgerotteten Spezies wohl bemerkt! Nur Reinblüter, wie diese Báthory, konnten uns noch gefährlich werden, womit sich mir massenhaft fragen auftaten, denn ich glaubte kaum, dass sie den Leichnam von ihr besuchen wollte.
Ich hatte ihr natürlich sofort eine verwirrte Sms zurückgeschrieben, aber es kam nur ein „Wir reden später.“ zurück. Ich hoffte inständig, dass sie eine logische Erklärung dafür hatte, dass Báthory noch lebte! „Besonderheiten: Die Blutgräfin gehört zu der letzten, am längst existierenden, Reinblütigen Vampir Familie.“ Ich hatte mir schon gedacht, dass hier nichts davon stehen würde, ob sie nun noch lebte oder bereits tot war. Was auch immer hier gerade passierte, es gefiel mir nicht. Das alles war ziemlich verrückt und kompliziert. Ich versuchte, noch einmal all mein Wissen zusammenzusetzen.
Denn eigentlich hassten die Reinblüter uns Menschen. Schließlich waren sie das höchste Wesen, welches existierte. Etwas ganz besonderes! Ein paar von ihnen dachten da wohl mit der Zeit anders. Sie verliebten sich in die Menschen, mussten allerdings ihre Beziehung und ihre gezeugten Kinder, geheim halten. Denn diese wurden mit Verachtung, wenn nicht sogar Folter oder Mord, bei den anderen Reinblütern bestraft. Die Reinblüter hatten somit Verräter in den eigenen Reihen, die sie nicht akzeptierten, was ebenfalls dazu beitrug, dass sie ausgestorben waren. „Bis auf die eine“, stellte ich wütend fest und gedankenverloren starrte ich wohl auf ein längst veraltetes, nicht mehr aktuelles Bild dieser Frau. Ich hatte es bereits mit vielen Mischblüter zu tun gehabt aber noch nie, hatte ich je einen Reinblüter getroffen. Dafür war ich einfach zu Jung. Das was ich aber bisher über sie wusste und gelesen hatte, verriet mir, dass ich sie hassen würde und zwar noch mehr als die Hybridform. Ich hasste Personen, die dachten, dass sie etwas Besseres wären, dass sie sich alles nehmen konnten und dass ihnen die Welt gehörte, nur weil sie anders waren als wir. So wie es wohl auch der Vampir von sich gedacht hatte, der meine Schwester erst vergewaltigt und sie dann schließlich als ausgetrocknete Hülle liegen gelassen hatte. Ganz so als wäre sie nichts wert. Wieder einmal fragte ich mich, was so toll an ihnen war? Gerade in der heutigen Zeit würde die Erkenntnis, dass es Vampire tatsächlich gab, durch diese ganzen erfundenen Serien, Bücher oder Filmen, wohl eine Massenhysterie zur Folge haben. Alle würden sich freiwillig beißen und sich von ihnen flachlegen lassen, weil sie wahrscheinlich dachten, sie hätten dann eine genauso schöne und romantische Liebesgeschichte wie Bella und co. Bei dem Gedanken lief es mir kalt den Rücken herunter. Die Menschen da draußen hatten einfach keine Vorstellung, wie sie wirklich waren, wie die Realität tatsächlich aussah. Sie hatten sich alles schön geredet und ihre eigenen Geschichten erfunden, ihre eigene Wirklichkeit. „Da würde ich ja lieber diese Herzasche - Wasserlösung trinken“, bemerkte ich bitter. Für den ersten Moment würden es wohl alle für toll halten doch im zweiten, würden sie angst bekommen und Panik würde sich auf der Welt ausbreiten und dann, müssten sie alle in derselben Angst leben wie wir Fighter. Nein das musste auf jeden Fall Geheimbleiben, alles andere wäre eine Katastrophe. „Geboren als Báthory lebte sie in Ecsed in Ungarn“, las ich weiter. „Geboren: 1560, verheiratet mit Franz Nádasdy, der wiederum am 4.1.1604 durch die Organisation ermordet wurde.“ Sein Vergehen interessierte mich hier nicht, deshalb übersprang ich den kleinen Absatz. „Ein gemeldetes Kind: Damianos del Báthory.“ Ich konnte mir das Lachen nicht verkneifen. „Damianos, klingt wie eine Dinosaurier-Rasse.“ Doch in diesem Moment stockte mir der Atem. Er schien ebenfalls nicht gestorben zu sein, was hieß, dass es noch einen weiteren Reinblüter gab, der noch existierte. Der wahrscheinlich eine größere Gefahr darstellte, als die alte Schachtel, die eh bald ins Grass beißen würde. Aber er… wie alt konnte er schon sein?
Es klopfte an meiner Bürotür und ich schaute zu Nicki, die mit gewohnt eleganten schritten, in ihren 20 cm High Heels, mit ein paar Blättern in der Hand hereinspazierte. Sie arbeitete mit ihren 23 Jahren in der Buchhaltung und half mir mit meiner Arbeit. Ihre blonden Haare hatte sie fast immer zu einem Knoten geflochten und ihre blauen Augen versteckte sie hinter einer dunkelblauen, riesigen Brille, die sie schlauer wirken ließ, als sie im Grunde war. Nicki war in meinen Augen die Perfekte Frau. Sie hatte eine entsprechend große Oberweite zu ihrem schlanken, aber dennoch kurvigen Körper. Eine kleine Nase, große Augen und eine reine, pickel- und faltenfreie Haut, mit der sie einfach nur an eine Barbiepuppe erinnerte. Wenn es für mich nicht wichtigere Dinge geben würde, als Schönheit, dann wäre ich wohl ziemlich neidisch. „Ich habe hier die Daten von dem Vampir um die du mich geben hattest. Er wird im Übrigen gegen 15 Uhr eintreffen, Amy.“
„Danke Nicki, was würden wir nur ohne dich machen?“, witzelte ich und zwinkerte ihr zu. Sie war im Grunde gar nicht so eingebildet, wie sie auf den ersten Moment wirkte und ich mochte ihre selbstbewusste Art und Weise, da auch ich sehr Selbstbewusst war und vor allem verdammt Stur sein konnte. Keine Eigenschaft, auf die ich besonders stolz war. Sie zählte im Übrigen auch zu den wenigen Menschen, denen ich überhaupt vertraute. „Wer ist denn Báthory?“, fragte sie mich skeptisch und schaute auf das Bild, der alten Frau. „Du kennst die Blutgräfin nicht mehr?“, antwortete ich überrascht. „Ach, DIE Blutgräfin aus unserem schönen Kindheitsbuch?“
„Sarkasmus ende? Aber ja genau die“, entgegnete ich.
„Ich dachte die wäre längst tot?“
„Das dachten wir alle.“ Nicki lehnte sich an meinen Tisch und ich bemerkte, dass sie mal wieder ihre Nägel machen lassen hatte. Wie konnte man mit diesen Unechten, langen teilen, überhaupt etwas anfassen? Bei meinen Fingern würde so etwas wohl nur lächerlich wirken. Nicki bemerkte wohl, dass ich ihre Nägel bewunderte, die mit Dunkelrot begannen und in Schwarz übergingen. „Ja ich weiß die Farbe ist schrecklich. Was ist das Sorbet? Ich hätte vielleicht so was nehmen sollen“, stellte sie fest und betrachtete erst meine und dann ihre neuen Nägel mit Skepsis.
„Was weiß ich, irgendein Pink“, sagte ich gleichgültig. Manchmal hatte wohl selbst ich diese femininen Phasen. „Los erzähl, was treibt sie so“, entgegnete sie neugierig aber kein bisschen schockiert darüber, dass sie noch immer in dieser Welt lebte. „Sie hat sogar ein Kind Namens - halt dich fest, Damianos.“ Ich betonte seinen Namen extra lang und sie schmunzelte zwar, zeigte aber sonst keine Reaktionen. War ich hier die einzige, die zutiefst bestürzt war, dass es noch zwei lebende Reinblüter gab? Von denen auch scheinbar niemand etwas wusste? „Der erste Vampir Zusammenhang der Familie war: 1611 wegen der Ermordung der ca. 650 Dienerinnen, du erinnerst dich?“
„Oh waren es doch so viele?“, warf sie ein. „Sie einer an. Báthory wurde in einem kleinen Zimmer auf ihrer Burg Čachtice eingemauert und hatte nur durch ein kleines Loch in der Mauer Kontakt zur Außenwelt.“
„Ist ja interessant. Kein Wunder, dass wir sie alle für tot hielten.“
„Naja, aber wenn sie und ihr Sohn die letzten Reinblüter sind, dann frage ich mich, warum bis dato niemand über sie gesprochen hatte oder gar wusste. Wieso war niemand von unserer Abteilung für die beiden zuständig? Bei der Macht, die sie besitzen?“ Nicki zuckte mit den Schultern. Die Frage behielt ich mir für meine Mutter im Hinterkopf. Ich schaute wieder zu den Daten und fuhr fort. „Ihr Alter liegt jetzt – wenn ich mich nicht verrechnet habe, bei 479 oder 79 Jahren und damit ist sie bereits sterbend.“
„Das war’s?“, stellte Nicki fest und drehte ihren Kopf zu mir, um einen Blick auf die Daten zu erhaschen. „Wir haben wohl ein Datenleck bei uns.“
„Sehr witzig Nicki. Das ist wirklich nicht komisch sondern todernst. Das sieht mir ganz stark nach einer Verschwörung aus und ich weiß noch nicht, wer da alles mit drin hängt.“ Nicki lachte lautstark und ich schenkte ihr einen vorwurfsvollen Blick, woraufhin sie sich schnell wieder dazu zwang, sich zu beruhigen. „Miss 007 wittert also eine Verschwörung ja?“
„Lach du nur. Wie erklärst du dir sonst das alles was nach der Einmauerung kam, hier nicht existiert. Sie wird ja wohl kaum noch immer dort eingemauert sein.“ Nachdem sie eine Weile überlegte, kam nur ein. „Was weiß ich“, und ich Rollte mit den Augen.
„Warum interessierst du dich eigentlich für unser Kindheitstrauma?“, fragte sie daraufhin skeptisch. „Meine Mutter will ihr einen Besuch abstatten. Warum auch immer“, antwortete ich noch immer auf den Bericht fixiert. „Haben die Reinblüter nicht einen besonderen Rang bei den überbleibenden Mischblüter? Ich mein, wie gefährlich können sie schon sein?“, warf sie zweifelnd ein und ich seufzte lang. „Ja ja, der Typische: Wie kannst du das nicht wissen, Ausdruck.“ Ihre Stimme klang mehr als vorwurfsvoll. Aber wie konnte sie mich auch so etwas fragen? Ich ignorierte lieber ihren Tonfall. „Selbstverständlich. Die Reinblüter haben so viel Macht, dass sie alle anderen Vampire quasi beherrschen. Alles was sie sagen, müssen die anderen ausführen, ohne zu murren. Irgendetwas in den Mischblütern verhindert es, dass sie die Reinblüter weder angreifen noch sich gegen sie stellen können. Das ist ihr innerer Instinkt. Unser Labor hat dafür noch keine Erklärungen, ebenso wie die Mischblüter selbst. Aber bei den meisten scheint es die Angst vor ihnen zu sein. Voll bescheuert, wenn du mich fragst! Als könnten die Reinblüter mit den Fingern schnippen und die Mischblüter würden sofort in Flammen aufgehen“, sagte ich feixend. „Vielleicht verheimlichen sie es uns aber auch nur. Dadurch, dass wir dachten, es gibt keine mehr, konnten wir da auch nicht allzu viel Nachforschen. Deshalb ist diese Existenz für mich auch so sehr fragwürdig. Irgendwas vertuscht Mutter oder wer auch immer hier.“
„Erinnert mich an damals mit den Juden und Hitler“, sagte sie gedankenverloren und schien den letzten Satz gar nicht mehr gehört zu haben.
„Ja, dass ist sehr vergleichbar. Wie die Juden damals zu Hitlers Zeiten nichts wert waren, sind es die Mischblüter für die Reinblüter. Sie wurden behandelt, als seien sie abnormale Wesen - was sie ja im Grunde auch sind, und wurden von den Reinblütern, die sich ja bekanntlich für etwas Besseres hielten, getötet oder gefoltert solange, bis wir die Reinblüter ermordeten, und sie eben fast ausgerottet wurden. Das müsstest du aber wenigstens wissen“, stellte ich fest und dieses Mal war sie es, die genervt die Augen verdrehte. Die meisten interessierten sich eben mittlerweile nicht mehr für diesen trockenen Geschichtskram und nutzten die Zeit in der Schule wohl lieber für andere Dinge. Vielleicht unterschieden wir uns dann doch nicht so sehr, von den anderen Menschen. „Laut Berichten aus dieser Zeit sollen sich die Reinblüter mit den Mischlingen erst ziemlich spät wegen uns zusammengeschlossen haben, aber zu dem Zeitpunkt, war es bereits zu spät und ihr Schicksal besiegelt. Aber es war lange Zeit unter ihnen verpönt, etwas mit Menschen anzufangen, was sie irgendwie trotzdem nicht davon abgehalten hatte“, erklärte ich weiter. Manchmal kam ich mir mit meinen 23 Jahren vor, wie eine Lehrerin. „Und nun gibt es, ich fasse mal zusammen“, sagte sie und starrte an die Decke, als stünde dort die Lösung. „Nur noch erstens: Diese beiden Reinblüter. Zweitens: Eine Menge Mischblüter und drittens: Bereits 10% bei denen das Vampirgen ausgelöscht wurde. Oh, und natürlich die Vampire, die nicht wissen, was sie eigentlich sind.“ Ich klatschte in die Hände „Sieh einer an. Ich bin überrascht“, lobte ich sie und stützte meinen Kopf auf meinen Händen ab. „Tja ich kriege hier so einiges mit. Zum Beispiel das der Sohn von Thiele schon wieder ein Mädchen überfallen hat.“ Ich starrte sie an. „Was denn? Das ist das dritte Mal in diesem Monat! Also Pubertät hin oder her, so langsam muss doch mal jemand eingreifen“, sagte ich sauer. „Würdest du einen 15 jährigen Jungen umbringen lassen? Oder ihn in unser Gefängnis einsperren? Du bist zu hart Amy, das sagen alle hier.“
„Und wenn schon, ich mach eben bei dieser Kuschelpolitik nicht mit und ja, ich würde ihn zumindest härter bestrafen als es Mathias macht. Er ist ein Amateur. Hätte er ihm ehern gesagt was er ist, wären weniger Menschen verletzt worden und jetzt schafft er es nicht einmal ihn einen Monat lang zu kontrollieren? Herrgott jeder weis doch, dass es gerade zu Beginn schwierig für einen Vampir ist, sich unter Kontrolle zu haben und noch schlimmer ist es, wenn dieser jemand ein kleiner arroganter Teenager ist, der denkt er wäre total cool mit seinen 20 Zentimeter Ohrloch umfang.“
„So was nennt man Tunnel und es ist der neuste Schrei derzeit.“
„Bitte?“ Ich schaute sie fragend an. „Das ist mir doch egal. Ich hasse es, wenn man seine Arbeit nicht richtig macht. Fehler können wir uns nicht erlauben, gerade bei denen, die nicht wissen was sie sind, oder bei Kindern. So was ist gefährlich.“ Nicki atmete schwer aus und blickte aus dem Fenster. Sie diskutierte nicht mit mir, nicht mehr. Denn meine Sturheit hatte ich von meiner Mutter geerbt und meine Meinung, war nun mal meine Meinung.
„Es wäre doch möglich“, begann Nicki und beendete das schweigen. „Das diese Familie, also die Báthory’s, deshalb überlebt hatten, um den ganzen Mischblütern Einhalt zu gebieten. Ich mein, alle haben doch was mit Menschen zu tun aber trotzdem weiß kein Außenstehender von der Existenz. Klar liegt das an uns aber vielleicht helfen sie uns im Geheimen? Vielleicht ziehen sie die Fäden im Hintergrund.“
„Du meinst diese Familie verbietet es, den Vampiren darüber zu reden, was sie eigentlich sind und befiehlt ihnen, sich uns zu unterwerfen?“
„Und da sie nicht anders können, führen die Mischlinge den Befehl aus?“ Ich dachte einen Moment darüber nach, ehe ich ihr antwortete. Sie könnte recht behalten aber dennoch, erschien mir das alles zu einfach, immerhin redeten wir hier von Reinblütern. Andererseits würde das auch ziemlich viel erklären. „Ich weiß nicht recht. Ich mein, dass sind Reinblüter. Das ist etwas vollkommen anderes, als die Hybriden. Ich glaube kaum, dass sie sich uns so einfach unterwerfen und uns helfen würden.“
„Vielleicht wollen sie einfach nur dabei helfen, dass die Mischlinge aussterben. Ich dachte die Reinblüter hassen die Mischlinge?“
„Ja schon, aber das ist quatsch, Nicki. Schau mal, die Vampire sterben doch schon jetzt aus. Ich glaube kaum, dass sie es darauf anlegen, ihre Existenz zu verlieren, selbst wenn es sich dabei nur um dummes Mischblut handelt.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Für was du dich alles interessierst“, sagte sie verständnislos und ging zur Tür. „Ich muss unbedingt mit meiner Mutter darüber reden! Reinblüter stellen eine unglaubliche Gefahr für uns da und sie lässt sie frei herumlaufen? Das kann ich nicht verstehen!“
„Sie wird schon ihre Gründe haben, immerhin ist sie die oberste Befehlshaberin des MFMS. Darf ich dir einen Rat geben?“, fragte sie mich und ich signalisierte ihr, dass es mir egal war, was sie nun wieder zusagen hatte, denn sie hielt mir ständig irgendwelche Vorträge über das Leben und wie ich es besser machen könnte, was auf Dauer ziemlich nervig war. „Hör auf so verbissen an den Vampiren zu hängen, Amy!“ Ach die Nummer. „Lass uns mal wieder feiern gehen, vielleicht ist ja der ein oder andere heiße Kerl dabei?“ Belustigt starrte ich sie an. „Du bist erst 23“, sagte sie daraufhin und ihre Ernsthaftigkeit erstickte meine Belustigung. „Klar sind wir Fighter, aber wir haben ebenso das Recht auf Spaß und ein normales Leben, wie all die anderen da draußen auch! Das ist es doch, was deine Mutter uns immer predigt. Du kannst nicht dein ganzes Leben damit verbringen, die Vampire zu hassen und dafür zu sorgen, dass sie endlich von der Bildfläche verschwinden! Laut deiner Mom passiert das doch so oder so früher oder später. Irgendwann ist dein Leben vorbei und du fragst dich, ob dein Leben überhaupt sinnvoll war, doch dann, wird es zu spät sein, etwas zu ändern!“ In ihrem Gesicht lag nicht nur ein besorgter Ausdruck, sondern auch Mitleid und ich hasste Mitleid! Wie oft hatte ich in so ein Gesicht blicken müssen, als man mir meinen Vater und meine Schwester genommen hatte. Ändern? Was konnte ich schon ändern? Dieser Hass würde immer existent bleiben und es würde nie jemanden geben, der ihn mir nehmen konnte. Egal wie sehr ich darauf gehofft hatte, dass es einen Menschen geben würde, der in mein Leben treten und alles verändern würde. Mir all meine Trauer, meine Einsamkeit, die Wut und diesen Hass nehmen konnte. Doch dieser jemand kam nicht und nun, hatte ich aufgehört an Märchen zu glauben. „Du weißt wie wichtig du mir bist, aber wenn du nicht aufpasst, ist dein Leben vorbei, ohne das du die schönen Momente des Lebens gesehen oder gespürt hast. Ich mach mir doch nur sorgen um dich, dass tun wir alle.“
„Du meinst heiraten und Kinder bekommen und so was? Du weißt ganz genau, dass ich nicht der Typ für so was bin, wie oft denn noch? Dein Leben ist nicht gleich mein Leben! Ich bin nicht so wie ihr und mir geht es gut, glaub mir. So wie es ist, ist alles perfekt!“ Ich wusste, dass alles gelogen war. Das nichts perfekt war. Das es mir im Grunde nicht gut ging aber das würde es in diesem leben wohl niemals mehr und zu heulen, mich in Depressionen zu verlieren, brachte mir niemanden zurück. Vielleicht deshalb, konnte ich mich nicht in irgendein Gefühlschaos stürzen, womit ich mein eigentliches Ziel aus den Augen verlieren würde. Nein, so wie ich jetzt lebte, kam ich mit all diesen Dingen klar und konnte wenigstens noch aufrichtig lachen. Ich hatte gelernt damit zu leben. Die Einsamkeit war ein Teil von mir geworden und das konnte ich akzeptieren. „Treffen wir uns zum Abendessen?“, lenkte ich sie vom Thema ab. In diesen Dingen, dachten wir einfach zu unterschiedlich und sie würde mich nie verstehen, niemand konnte das. „McDonald’s?“, fragte Nicki und ich schaute verwundert zu ihr, denn normalerweise hasste sie Fastfood. „Bei uns herrscht derzeit Chaos. Die neue Küche ist angekommen und Tom’ Handwerkliches Geschick kennst du ja. Nein, ich kann ihn heute nicht solange allein lassen.“ Stimmt ja, sie und Tom hatten sich ein kleines Haus gekauft. Im Exekutionsteam - wo Tom hingehörte, verdiente man eine Stange Geld. Kein Wunder, immerhin brachte man Tag und Nacht sein Leben in Gefahr. Wie konnte sie jemanden lieben der jeden Tag Sterben könnte? Allein diese Angst machte es mir wohl so unmöglich Liebe für einen Mann zu empfinden. Ich glaubte kaum, dass ich es ertragen konnte, noch jemand zu lieben und zu verlieren. Ich glaube der Mann, in den ich mich überhaupt verlieben könnte, müsste tatsächlich unsterblich sein. Wieso begann ich jetzt wirklich darüber nachzudenken? „Verstehe. Dann machen wir es so“, willigte ich ein. „Und vergiss nicht, dass hier bleibt erst einmal unter uns.“ Sie nickte versichernd und schenkte mir ein letztes Lächeln, bevor sie mein Büro verließ und die Tür hinter sich schloss. Selbst jetzt noch, blickte ich zu der Stelle wo sie gestanden hatte. Nicki verstand es nicht. Die meisten Männer arbeiteten in der Exekutionsabteilung und ich konnte mir bei Weitem nicht vorstellen, mit jemandem zusammen zu sein, wo ich jeden Tag Angst haben musste, er käme nicht mehr zu mir zurück, wenn er das Haus verließe. Genauso wie Dad. Außerdem war es uns ja verboten Außenstehenden zu erzählen, wo und für was wir arbeiteten und eine Beziehung, die auf einer so großen Lüge aufgebaut war, konnte niemals funktionieren. Ich brauchte keinen Mann an meiner Seite. Alles was ich wollte, war Rache an dem Tod meiner Familie. Es gab für mich nur ein Ziel im Leben, das zu tun, für was ich erzogen wurde. Die Vampire zu hassen, sie auszulöschen und sei es nur mit Informationen.
Meine Lust am Leben war gestorben, als man mir meine Familie nahm, aber würde ich offen zu Nicki sein, würde sie mich nur noch mitleidiger ansehen und sich nur noch mehr Sorgen machen und so was hasste ich. Ich wollte meine Ruhe. Ich wollte so sein wie ich es für richtig hielt, so wie ich auch das tun wollte, was meiner Meinung nach das Beste für mich war und dafür, wollte ich mich nicht dauernd rechtfertigen müssen. Ich wickelte mir eine Haarsträhne um den Zeigefinger, wie ich es immer tat, wenn ich angespannt war, und widmete mich weiter meinem Reinblütigen Problem. Ich klickte auf den Namen ihres Sohnes und stieß währenddessen auf etwas sehr Interessantes, dass meine Befürchtungen nur noch mehr bestätigte. Wie konnte das sein? Für den Sohn von Frau Báthory, gab es keinen einzigen Eintrag. Da war nichts. Weder wann er geboren wurde, noch ob er gestorben war oder gar wo er Lebte, was er machte. Einfach nichts.
„Was versuchst du zu vertuschen Mutter?“