Читать книгу Blood-Lady - Mandy Hopka - Страница 5

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„Also Herr Adam, ich habe hier stehen, dass sie gestern bei einer Party waren?“

„Ja, es war die Geburtstagsfeier eines Freundes“, antwortete er brav und spielte nervös mit seinen Fingern. Warum waren immer alle so nervös, wenn sie mit mir in einem Raum waren? „Und hier steht ebenfalls, dass sie eine Frau mit nachhause genommen haben? Stimmt das?“ Natürlich stimmte das. „Ja ihr Name ist Viktoria Hahn.“ Ich nahm den Stift in meine Hand und schrieb mir ihren Namen auf. „Und weiter? Wo wohnt sie, Beruf? Familie? Oder war es eher eine einmalige Sache für sie?“ Ich blickte von meinem Zettel auf und schaute ihm in die Augen. Er bewegte seinen Kopf kaum merklich und dennoch fielen ihm seine langen blonden Haare in sein schönes Gesicht. Nervös schob er sie hinter seine Ohren zurück, während er meinen blicken auswich. Er könnte mit diesen langen Haaren ein Rocker sein, dachte ich, wenn man ihm noch eine Gitarre in die Hände drücken würde. Genügend Tattoos und Piercings besaß er dafür. Wie hatte Nicki es nochmal genannt? Tunnel? Was war so toll daran, wenn ich durch sein Ohr hindurch blicken konnte? Dennoch änderte es nichts an seiner natürlichen Schönheit. Typisch Vampir eben. Es interessierte mich kein bisschen. „Nein ich … also ich weiß noch nicht. Sie wohnt in Dresden und war zu Besuch hier und da ihr Hotel etwas weiter weg war und sie etwas getrunken hatte …“

„Haben sie Sie mit zu sich nach Hause genommen um? Was ist in dieser Nacht so alles passiert?“ Meine Stimme klang engelsgleich und hallte indem Verhörraum wieder, in dem sich nicht sehr viele Dinge befanden. Einzig der Glastisch mit den roten Tulpen, schmückte denn Raum, der mit seinen weißen Wänden und den schwarzen Fliesen ziemlich kalt und beklemmend wirkte. Die perfekte Atmosphäre für eine Befragung. Einzig die Sonne, die durch die Glasfront des Hochhauses hineinschien, erwärmte die Luft im Raum. „Ist das denn wirklich so wichtig?“, fragte er und in diesem Moment glaubte ich Trotz aus seiner Stimme zu entnehmen. „Was denn, werden wir jetzt zickig?“ Verwirrt schaute er zu mir und ich lächelte ihn - mir keiner schuld bewusst, an. „Ich weiß einfach nicht, was sie das angeht“, fragte er und wirkte dabei leicht besorgt, so wie er mit seinen Fingern spielte und mir mit seinen Augen auswich. Nein, er war kein Rocker. Dafür war er viel zu ängstlich, auch wenn er sich versuchte cool und lässig zu kleiden. „Mich geht alles in ihrem Leben etwas an. Selbst wenn sie zum Zahnarzt gehen wollen, würde ich mich dafür interessieren. Also beantworten sie meine Frage und wir sind hier schneller fertig.“

„Ich will sie einfach nur nicht mit reinziehen, okay?“ Herrgott nochmal, ist das nervig. „Ich entscheide hier, wer wann wo hineingezogen wird und außerdem, ist es auch in unserem Interesse, dass Frau Hahn von alledem nichts erfährt. Aber sie werden verstehen müssen, dass wir sie beobachten müssen. Es könnte ja sein, dass sie Herr Adam irgendwann einmal Lust auf eine blutige Vorspeise haben oder auf irgendwelche kranken Sexspielchen“, schilderte ich ihm den Grund für mein Interesse. Seine Augen zuckten und sein Atem war ungleichmäßig. Niemand konnte mich täuschen. Dafür war ich zu gut darin, die Körpersprache eines Menschen zu lesen und zu verstehen. Eine weitere sehr nützliche Gabe, die man nun mal brauchte, wenn man mit Lügnern, Mördern oder Verbrecher zutun hatte. „Sie sind im Lebenden Alter. Irgendwas um die 125 Jahre? Der perfekte Zeitpunkt für Kinder oder nicht?“

„Was zum … Nein ich habe sie doch gerade erst kennengelernt und überhaupt“, plapperte er getroffen vor sich hin. „Wir haben in dieser Nacht nichts der gleichen gemacht. Sie hat auf dem Sofa geschlafen und ich in meinem Bett in einem komplett anderen Raum. Mehr war da nicht, ich schwöre“, seine Augen waren starr auf die meine gerichtet und mein Mundwinkel verzog sich erneut zu einem boshaften grinsen. „Also doch kein Gentleman, die Frau einfach auf dem Sofa schlafen zu lassen.“ Ich schüttelte gespielt enttäuscht den Kopf und machte ein paar Notizen. „Ich brauche trotzdem mehr als nur ihren Namen.“ Er zögerte erneut und ich verlor allmählich die Geduld und die Lust an diesem Spielchen. Er wusste mehr, als er vorgab. „Hören sie, ich bin kein Mensch der viel Geduld hat und entweder sie sagen mit jetzt freiwillig was über diese Frau oder ich besorge mir ihre Daten anderweitig. So einfach ist das.“ Er sog die Luft hörbar durch seine Nase ein und endlich begann er zu reden. Akribisch notierte ich mir alles, was er über diese Frau wusste. „Es geht doch. Also …“

In diesem Moment ging die Tür auf und erschrocken drehte ich mich um. „Schon mal was von anklopfen gehört?“, fauchte ich die beiden Männer aus der Exekutionsabteilung an. „Ihr seit viel zu früh hier“, stellte ich fest und mein Blick viel automatisch auf die ganzen Waffen, die sie bei sich trugen. „Mister Adam, sie werden vorläufig festgenommen und in unser Gefängnis überführt.“

„Bitte, aber warum? Ich habe nichts getan!“, erschrocken setzte er sich auf und der Stuhl landete geräuschvoll auf dem Boden. Genervt setzte auch ich mich auf, wenn auch bei weitem eleganter. „Also gut, da die beiden Heeren hier mir den ganze Spaß genommen haben. Denken sie wirklich wir sind so schlecht?“ Gemütlich schlenderte ich um den Tisch herum. Ich liebte diese Momente, wo man die Lügner enttarnte und bloßstellen konnte. Deshalb liebte ich meinen Job vielleicht so sehr. Die Gerechtigkeit siegte eben immer. „Denken sie im Ernst, wir machen unsere Arbeit nicht richtig? Soll ich ihnen sagen, was gestern Nacht alles passiert ist?“ Seine Augen weiteten sich und seine Pupillen wurden größer und größer. Er trat einen Schritt zurück, als ich einen auf ihn zu ging, als wären wir zwei Magnete, die sich gegenseitig abstoßen würden. „Ich ... also ich…“, begann er aber ich ließ mir den Moment nicht zerstören. „Sie haben gegen 23.10 Uhr die Party verlassen und sind mit Frau Hahn zu ihrem Apartment gelaufen. Dort sind sie beide tatsächlich gegen 24 Uhr zu Bett gegangen, im Übrigen genauso, wie sie es gesagt haben. Sie haben die Lady auf ihrem Sofa schlafen lassen, während sie darauf gewartet haben, dass ihr Opfer einschläft. So war es doch, oder nicht?“ Wild schüttelte er mit dem Kopf und trat immer weiter vor mir weg. Sein Gesicht wurde immer blasser und ich hatte das Gefühl, als würde er jeden Augenblick zusammenbrechen. Das war bei weitem nicht die Reaktion, die ich erwartet hatte. Wie oft machte ich dies hier? Im Monat bestimmt dreimal aber das hier, war das erste Mal, das ein Mischling sichtlich betroffen, schockiert oder einfach nur erschüttert darüber schien, dass wir so viel wussten. Das nahm mir fast schon den Spaß daran. „Nein, so war das nicht. Ich … ich habe sie geliebt. Sie … lag da und ich wollte doch nur ... also ich mein …“

„Sie haben sie im Schlaf überfallen und ihr Blut getrunken bis sie leblos am Boden lag. Danach haben sie gegen 1 Uhr Abends das Haus durch die Hintertür verlassen und sind erst gegen 3.15 Uhr wieder zuhause angekommen.“ Nun war der Moment gekommen, an dem er normalerweise mich bedrohen sollte, an dem er durchdrehen und sich mit den Jungs anlegen müsste. Stattdessen sank er auf die Knie, was mich kurzzeitig aus der Fassung brachte. Professionell wie ich war, fing ich mich jedoch schnell wieder. „Wir haben sie weder das Haus mit der Leiche verlassen sehen, noch irgendwelche anderen Hinweise darauf, das Frau Hahn’ toter Körper ihre Wohnung verlassen hat. Gehe ich richtig in der Annahme, dass sich die Leiche noch immer dort befindet?“ Er blickte starr zu Boden und gab keinen Mucks mehr von sich. „Also gut, ich werde veranlassen ihre Wohnung zu durchsuchen. Sie werden hier des Mordes an Viktoria Hahn beschuldigt. Über ihr weiteres Leben wird ein Richter entscheiden, der in spätestens drei Wochen ein Urteil fällen wird. Bis dahin werden sie die Zeit in unserem Gefängnis absitzen. Hätten sie sich nach der Tat direkt bei uns gemeldet, hätten sie auf mildere Umständen hoffen können. Da sie noch keine Vorstrafen bei uns besitzen, hätten sie sogar auf Freiheit hoffen können.“ Ich machte auf dem Absatz kehrt und ging zu meinem Platz hinüber, um meine Sachen einzusammeln. Für mich war der Fall hier erledigt. „Ich habe sie geliebt. Ich hatte nicht vor, sie umzubringen.“ Ich blickte auf und sah, wie er sich langsam erhob und zu mir schritt. Scheinbar hatte er seine Stimme wiedergefunden. „Ich wollte nur ein wenig, nur ganz kurz und dann ... dann habe ich die Kontrolle verloren. Was denken sie wie ich mich gefühlt habe? Ich habe die Person umgebracht, die ich eigentlich geliebt habe!“

„Ach, ich dachte sie kennen die Frau erst seit der Party. Verliebt man sich heutzutage so schnell?“, fragte ich desinteressiert, während ich mich wieder meiner Tasche widmete.

„Bin ich nicht schon genug bestraft? Wenn ich könnte würde ich mir meine verdammten Zähne rausreißen lassen, aber was soll ich machen?“

„Erzählen sie das dem Richter. Gemeinsam mit den Berichten und meiner Einschätzung, wird es zu ihrer endgültigen Strafe beitragen“, erklärte ich ihm kühl. Was interessierten mich seine Gefühle? Er war ein Mörder, ein Tier was sich nicht unter Kontrolle hatte und als dieses, sollte er nicht frei herumlaufen. „Ich bitte sie.“ Er griff nach meinem arm und erschrocken blickte ich auf. „Sie waren doch sicherlich auch schon mal verliebt! Sie müssten doch wissen, wie sehr ich darunter leide?“ Ups, leider war ich tatsächlich noch nie verliebt gewesen. „Helfen sie mir. Ich bin kein schlechter Mensch.“ Ich blickte zu den Jungs, die wie immer an der Tür warteten, bis ich ihnen den Befehl gab, ihn abzuführen. Nach leichtem zögern und mehreren Zeichen von meiner Seite, setzte sich einer in Bewegung, um mich von seinen widerlichen, mit Blut befleckten Händen zu befreien. „Sie können kein schlechter Mensch sein, da sie kein Mensch sind. Vergessen sie das nicht. Sie haben sich nicht unter Kontrolle und das gestern, wird nicht das letzte Mal gewesen sein. Sie haben eine unschuldige Frau umgebracht und jetzt haben sie die Konsequenzen zu tragen. Das sind wir den Angehörigen, die jetzt um diese Frau trauern müssen schuldig.“ Als ich mich in Bewegung setzte, gab ich den beiden den Befehl, in abzuführen und damit war der Fall endgültig abgeschlossen. Wieder ein Vampir weniger, um den ich mich kümmern musste.

„Mein Gott, was war dass denn?“, presste ich hervor als die Fahrstuhl Tür sich schloss. Als könnte dieser Typ tatsächlich liebe empfinden … Als würde es ihm etwas bringen so zu tun, als wäre er tatsächlich ein Mensch. Lächerlich. Ich griff in meine Hosentasche und holte mein Handy hervor. Es war jetzt fast 16 Uhr und für heute hatte ich meine Aufgaben erledigt. Höchste zeit meine Mutter zu besuchen. Ich war wirklich gespannt auf ihre Erklärungen, vor allem aber auf die, weshalb sie einen Reinblüter hielt, wie eine Hauskatze, die tun und lassen konnte was immer sie wollte, egal wie viele Mäuse sie dabei umbrachte. Komischerweise gab es kaum Leute, die sich gegen meine Mutter stellten. Viele hatten die Änderungen mit einem Jubelschrei angenommen. Auch wenn nun vieles komplizierter und komplexer war als früher, hatten wir nun viel mehr Freiheiten und ein viel Besseres Leben. Das war es wohl, was sich viele hier erhofften. Dennoch würde es niemals an die tatsächliche Freiheit herankommen. Es war eher so, als hätte Mutter uns einen schöneren Käfig bereitgestellt.

Das Büro meiner Mutter war im allerletzten Stock und so betätigte ich den Fahrstuhlpfeil. Nur wenige Sekunden später hielt er allerdings schon wieder. „Hey, Amy.“ Ich drehte mich zu der Stimme hinter mir um. „Martin.“ Mich grüßten alle hier, durch meine Mutter genoss ich einen Besonderen stand im Ministerium. Nicht, dass ich das so unbedingt wollte, aber ich konnte nichts dagegen unternehmen. Echte Freunde zu finden, war für mich daher schon immer schwer gewesen, schon zu Zeiten, wo sie nur Vize Präsidentin war. „Wie geht‘s wie stets?“

„Gut, gut“, antwortete ich knapp. Über was sollte ich mich mit ihm unterhalten? Er arbeitete bei uns als Techniker und kümmerte sich um unsere Server und andere Sachen, die am Tag anfielen. Also quasi niemand, mit dem ich direkt etwas zu tun hatte. Der Fahrstuhl schloss sich und erneut setzte er sich in Bewegung. Wie ich diese Momente hasste. Der Raum war viel zu eng für uns zwei. „Auf dem Weg zu deiner Mutter?“ Ich bejahte und lehnte mich an die gespiegelte Fahrstuhlwand. Mein Zopf hatte nicht sehr lang gehalten. Meine dunklen, braunen Haare hingen vorn heraus und streiften meine Wange. Ich entfernte den Haargummi und schüttelte mit meinen Händen meine langen Haare in Position zurück. „Du solltest sie öfters offen tragen, steht dir besser.“ Überrascht schaute ich zu ihm hoch und er schenkte mir ein nett gemeintes Lächeln. Zum Glück blieb mir eine Antwort erspart, denn der Fahrstuhl hielt und er verabschiedete sich mit einer lässigen Handbewegung. Ich nahm den Haargummi wieder in die Hand und versteckte meine Mähne erneut hinter einem neuen, sauberen Zopf. Selbst in diesem Zustand reichten sie mir bis unter meinen Busen. Da sie zudem noch recht dick waren, hatte ich tatsächlich eine wahrhaftige Mähne. Vielleicht sollte ich sie doch einmal abschneiden lassen? Aber ich war kein Fan von Veränderungen und meine Mutter hatte immer zu mir gesagt, dass eine Lady lange Haare haben sollte und hatte mir deshalb schon als Kind die Haare wachsen lassen. Vielleicht sollte ich sie schon aus diesem Grunde abschneiden lassen. Nur, um ihr dummes Gesicht zusehen? Nur um mich endgültig von ihr zu entfernen?

„Da bist du ja endlich!“

„Was für eine herzliche Begrüßung“, maulte ich und durchquerte dabei den Raum. Meine Mutter schaute mich finster an. Sie war wohl mächtig gut gelaunt. Na klasse. „Ich habe ein paar Fragen an dich“, rief ich sofort und schenkte der Aussicht eher wenig Aufmerksamkeit. Der Ausblick hier oben war wie immer fantastisch. Gerade jetzt, wo der Sommer begann und der Himmel wolkenlos war, konnte man von hier oben bis ins unendliche blicken. Die gesamte Stadt lag einem zu Füßen und die Sonne tauchte den Raum in eine angenehm, warme Farbe. „Was vertuscht du hier? Wie kannst du diese Reinblüter einfach so leben lassen? Hast du jetzt vollkommen den Verstand verloren?“ Entsetzt starrte Mutter mich an, während ich auf dem Stuhl vor ihr Platz nahm. „Habe ein wenig mehr Respekt vor deiner Mutter, Amy“, sagte sie empört, als sie sich wohl wieder gefangen hatte. „Und ich habe nichts vertuscht. Es hat sich bis jetzt nur niemand für diese Báthory interessiert und niemand hat mich nach den Datenlücken gefragt. So einfach ist das.“ Ihre Lippen formten ein Lächeln, dass allerdings nicht wirklich Liebevoll gemeint war, sondern eher hinterhältig. Ich überkreuzte meine Beine und betrachtete sie. Es kam mir vor, als hätten wir uns Jahre nicht mehr gesehen. Ihre Augen wirkten müde und erschöpft. Sie wirkte im Allgemeinen ziemlich übermüdet. Ich fragte mich, weshalb sie so mies drauf war? Ihre Hände wirkten noch heller und ihre Finger noch dünner. Nur ihr makellos geformter Körper erinnerte an ihre einstige Schönheit. Das Einzige, was ich von ihr geerbt hatte, waren ihre Haare und ihre dunklen, braunen Augen. Mein Körper war im Gegensatz zu ihrem, eher wie eine Birne. Ich war nicht sonderlich schlank aber auch nicht kräftig, hatte allerdings auch wenig bis gar keine Oberweite. Zum Glück interessierte ich mich nicht für solche Oberflächlichkeiten.

Seitdem ich ausgezogen war, hatten wir fast ausschließlich über das Ministerium Kontakt miteinander. Nicht dass ich mehr wollte, dafür war es bereits zu spät. Eigentlich hatte es mich auch nicht mehr zu interessieren, warum sie so müde und ausgelaugt wirkte. „Es gab bis jetzt nie irgendwelche Gespräche über diese Reinblüter. Gespräche das ES überhaupt noch welche gibt! Sie werden nicht einmal beobachtet, obwohl sie Reinblüter sind und ich erinnere dich nur Zugern daran, dass sie nur jemanden beißen müssen, um ganze Vampirepidemien zu erzeugen. Noch zu alledem, hat dieser Damianos nicht mal einen Eintrag im System. Erklär mir das bitte!“ Sie rückte ihre Brille zurecht und ich holte tief Luft. Wenn ich mich erst einmal in Rage geredet hatte, konnte man mich nicht mehr aufhalten. Wie ein Wasserfall überschwemmte ich meine Mutter mit meiner Meinung. „Ich wusste, dass du sofort anfangen würdest, deine Nase da hineinzustecken. Du warst schon immer viel zu neugierig und engagiert. Du hast alles, was man als Präsidentin haben muss.“ „Ich werde niemals so werden wie du. Und ich werde niemals, auch nur einen Gedanken daran verlieren, irgendwann einmal hier oben zu sitzen“, teilte ich ihr zum bestimmt hundertsten Mal mit. „Solange du diese Wut und diesen Hass nicht ablegen kannst, wirst du das auch nicht tun.“ Ich schnaufte verachtend, aber entgegnete nichts. Es hatte so oder so keinen Sinn mit ihr zu diskutieren. „Jedenfalls hast du dann aber sicherlich auch bemerkt, dass die beiden keine Epidemien, wie du so schön sagtest, erzeugt haben.“

„Ja, was mich ehrlich gesagt nur noch mehr beunruhigt“, fiel ich ihr ins Wort. „Ich erkläre es dir, also hör gut zu, ich habe nicht vor alles zu wiederholen und damit eines klar ist: Das hier bleibt unter uns“, sagte sie und fixierte mich mit ihren schmalen Augen. Sollte ich ihr sagen, dass Nicki bereits davon wusste? Ich Vertraute Nicki also entschied ich mich, es lieber dabei zu belassen. „Ich habe seit langem einen Vertrag mit Herrn Báthory.“

„Was meinst du mit Vertrag? Wie alt ist er überhaupt? Und wieso eigentlich? Du kannst ihm doch nicht im Ernst vertrauen!“

„Würdest du mich bitte ausreden lassen?“, schimpfte sie und ich kam mir dabei wie ein Kind vor, das von der Schuldirektorin zusammengestaucht wird. „Mister Báthory befindet sich bereits im Sterbenden alter und ist um die 428 Jahre, für uns also 28. Und ja ich vertraue ihm. Er ist für mich sehr wichtig, weil er der einzige Vampir ist, der diese Ausbreitung verhindern kann. Er besitzt eine unglaubliche Macht, Amy. Wenn du ihn kennenlernst, wirst du verstehen wovon ich rede. Durch ihn können wir sicher sein, dass alle Mischlinge uns gehorsam sind. Denn solange er mit uns zusammenarbeitet, werden es auch die Mischlinge tun müssen.“

„Warum sollte er das wollen? Warum sollte er mit uns verhandeln. Er ist ein Reinblüter Mutter und keiner dieser Handzahmen Hybriden“, wand ich misstrauisch ein. Ich traute dem Ganzen nicht, ich traute ihm nicht. „Weil ihm der Frieden wichtig ist. Als der damalige Ministerpräsident noch lebte und regierte, gab es das reinste Blutbad an toten Vampiren. Als er starb und ich an die Spitze kam, stattete Mister Báthory mir hier einen Besuch ab. Er bat mich, diesen geheimen Krieg zu beenden und mit ihm zusammenzuarbeiten.“

„Warte, er ist einfach so in unser Ministerium eingebrochen? Hast du die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt seit damals? Ich mein, dass ist eine Katastrophe, wenn er hier einfach so hereinspazieren kann.“ Meine Mutter schien belustigt und begann zu lachen. Sofort schwieg ich. „Natürlich habe ich die Sicherheitsmaßnahmen verschärft und er hat laut meinen Kenntnissen auch nichts beschädigt, warum auch? Er war nur zum reden hier.“ Zum reden? Ist klar … „Wie dem auch sei, da ich diesen Krieg - wegen meiner These, so oder so vorhatte zu beenden, gab ich ihm mein Versprechen und er gab mir sein Versprechen, mir dafür zu dienen. Außerdem wollte Mister Báthory sich auch nicht mehr vor uns verstecken müssen. Er war es leid, in diesem Krieg zu leben, immerhin ist sein Leben nun vergänglich.“ Ich starrte sie ungläubig an. „Was meinst du mit dienen?“ Nie im Leben würde sich ein Reinblüter einem Fighter unterwerfen. Das war gegen meine Kenntnisse, gegen alles, was ich bisher gelesen oder gehört hatte.

„Wir arbeiten nicht wirklich zusammen. Er erfüllt mir manchmal eine Bitte und ich ihm.“

„Wie die Freilassung seiner Mutter? Die Einträge im System?“, mutmaßte ich, denn normalerweise, müsste sie für so einen Massenmord lebenslänglich bekommen, eigentlich eher die Todesstrafe. „Richtig. Er wollte eine transparente Existenz. Ohne, dass jemand ihn ständig kontrollierte wie es bei den Mischlingen der Fall ist. Er ist eben etwas Besseres, er sei anders als dieser Haufen von Babys - das waren tatsächlich seine Worte, und solange wie er niemanden beißt und nicht gegen uns agiert, ist mir jedes Mittel recht.“ In ihrer Stimme lag nicht ein Funken von Zweifel. Sie war vollkommen von dem, was sie da sagte, überzeugt. „Es sollte niemand wissen, dass er existiert. Da wäre ein Eintrag in unserem System eher negativ gewesen. Ich glaube außerdem auch nicht, dass es so einfach wäre ihn zu töten. Nicht umsonst hat er als einziger überlebt und suchte mich auf.“ Sie schaute mir in die Augen und ich versuchte etwas darin zu erkennen, aber da war nichts. Kein Gefühl. Selbst wenn sie lachte, selbst wenn sie belustigt schien, war da kein echtes Gefühl dahinter. Ich vermisste diesen warmen Ausdruck in ihren Augen. Ihr Lächeln und … Verdammt, reiß dich zusammen, ermahnte ich mich selbst. „Du siehst, wir haben ein Ass im Ärmel. Er beherrscht die Mischblüter wie wir es niemals könnten und damit beherrschen wir sie ebenfalls.“ Sie erhob sich und wand sich ihrem Fenster zu, wo sie gedankenlos in den Himmel schaute. „Und er braucht uns, damit wir ihn in Frieden leben lassen, anstatt ihn auf der Welt zu jagen. Wir sind für ihn dieselbe Bedrohung wie er für uns.“ Ich starrte sie noch immer an. Diese Frau, die trotz ihrer müden Erscheinung, noch immer stark und elegant wirkte. Wie sie ihre Arme vor der Brust verschränkte und ihre Blicke nun den Menschen auf den Straßen zuwandte. Wir waren uns kein bisschen mehr ähnlich. Ich war eher der Trampel, der sich nie benehmen konnte. Der einfach drauf los plauderte, während sie stets vornehm, erst überlegte, bevor sie etwas sagte. Wann waren wir uns nur so fremd geworden, dass ich keine Verbindung mehr spürte? Das alles, was zwischen uns einmal gewesen war, diese ganzen glücklichen Jahre, mir jetzt wie ein Traum erschien?

Ich ließ mir ihre Worte durch den Kopf gehen. Es war eine verzwickte Lage. Ich konnte Mutters Gedankenzüge nachvollziehen. Er war der letzte Reinblüter, der letzte seiner Art abgesehen von seiner Mutter, die erstrecht nicht mehr lange leben würde. Aber dennoch war mir die Gefahr einfach zu groß, die von ihm ausging. Außerdem glaubte ich meinen Kollegen aus längst vergangenen Zeiten bei dem, was sie uns hinterlassen hatten. Und das hieß, dass man ihnen niemals Vertrauen schenken durfte. „Ich traue ihm nicht! Die Reinblüter hassen die Mischblüter, sie hassen die Menschheit. Wieso sollte er plötzlich anders sein, als seine Vorfahren? Woher willst du sicher gehen, dass er nicht im Geheimen gegen dich agiert und uns, das MFMS ausnutzt? Er handelt bestimmt jetzt schon im Geheimen gegen dich. Er muss doch etwas planen? Sich etwas daraus erhoffen? Er muss doch denselben Hass haben, wie wir gegen ihn. Wir haben seinen Vater getötet und seine Mutter Jahrhunderte lang eingesperrt!“, erwiderte ich überzeugt aber meine Mutter seufzte nur. „Das ist natürlich war und daran habe ich auch schon gedacht. Aber selbst wenn, sind die beiden bereits im sterbenden Alter. Sie werden aussterben und es gibt keinen Weg mehr, Reinblüter zu zeugen. Die Reinblütigkeit wird aussterben, selbst wenn er Menschen beißen würde, wären sie noch lange keine Reinblüter sondern ebenfalls nur Mischlinge. Also welchen Grund hätte er noch? Ich glaube ihm, dass er seine letzten Jahre in Frieden leben möchte. Du unterschätzt unsere Macht und Herr Báthory ist nicht so dumm, sich mit dem gesamten Ministerium anzulegen. Ich weiß wo er sich aufhält, ich weiß, wo er wohnt und wir reden öfters mit einander. Glaub mir Amy, du kannst mir vertrauen. Er will um jeden Preis seine Ruhe vor uns haben und die geben wir ihm. Und ja, vielleicht sind ihm die Mischblüter egal, sodass es ihm nichts ausmachte, ihnen den Befehl zu geben, ihre Existenz zu verleugnen und sich unseren Regeln zu unterwerfen. Mittlerweile glaube ich, machen es viele so oder so bereits freiwillig, aber was interessiert es uns, ob er sie leiden kann oder nicht? Alle werden sterben. Mutter Natur wird von selbst dafür sorgen, dass diese Rasse verschwindet und wir müssen nur dafür sorgen, dass dies geschieht ohne, dass die andere Welt davon erfährt. Ich will nur das alle hier ein besseres Leben haben als wir beide und dafür, gehe ich den packt mit dem Teufel gern ein. Ich vertraue auf die Macht des Ministeriums.“ Da war was dran. „Und du unterschätzt die Reinblüter! Ein Satz von ihm und sie überrennen uns, scheiß drauf, ob sie Familie oder Kinder haben! Was auch immer er ihnen befielt, sie machen alles. Dein Ass kann genauso gut auch gegen dich nutzbar sein.“ Meine Mutter schien genervt von meinem ständigem kontra. Im Reden stand ich ihr in nichts nach, weshalb wir stundenlang diskutieren konnten. „Wie gesagt, Herr Báthory ist sehr an einer Kooperation mit uns interessiert. Er wirkte nicht gerade so, als ob er uns vernichten will. Versteh doch, ich weiß nicht genau wieso aber ich hatte einfach das Gefühl, dass wir einen von ihnen am leben lassen sollten. Seine Mutter stirbt so oder so in den nächsten Jahren, über die 90 in der sterbenden Phase ist noch kein Vampir gekommen und jetzt akzeptiere das einfach.“ Mutters Intuition enttäuschte sie nie. Eine Gabe, die sie schon früh berühmt gemacht hatte. „Na schön, lassen wir das. Aber was willst du dann von ihnen? Seiner Mutter die letzte Ehre erweisen und ich soll die Grabrede halten?“, fragte ich sie trotzig. „Ich würde zu gerne wissen, wie diese aussehen würde.“ Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, was diesmal sogar richtig menschlich wirkte und ich hatte es mir wirklich nicht eingebildet. „Er bat mich, zu ihm zu kommen. Er wollte etwas sehr Wichtiges mit mir bereden und das bei einem Abendessen. Ich dachte daran, dich mitzunehmen. Du kennst dich fast schon besser mit Vampiren aus, als jeder andere von uns und hast eine sehr gut ausgeprägte Menschenkenntnis. Außerdem bist du meine Tochter und so langsam alt genug, um mehr wissen und Verantwortung zu tragen. Da du früher oder später in meine Fußstapfen treten wirst, musst du dich so oder so mit ihm auseinandersetzen, immerhin wird er fast genauso lange leben wie du meine liebe.“ Ich lehnte mich zurück und verkniff mir die Bemerkung, dass ich nicht, niemals nie! Präsidentin werden würde. „Heute Abend?“, fragte ich und sie nickte als Antwort. Na toll so viel zu meinem Abend mit Nicki. „Also muss ich dich nicht erst zwingen? Das ist erstaunlich. Normalerweise hasst du doch diese langweiligen und nervigen Geschäftsessen“, bemerkte sie und schaute mich mit großen Augen an. „Denkst du etwa, ich lasse mir ein Essen mit einem waschechten Reinblüter entgehen? Ich freue mich auf diese Erfahrung aber glaub nicht, dass ich ihm oder ihr je vertrauen werde! Vielmehr werde ich darauf achten, dass du keinen weiteren Fehler mehr begehst!“

Das hatte ich mir bereits gedacht“, entgegnete sie zufrieden.

Blood-Lady

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