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1 Prolog

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Es würde sehr wenig Böses auf Erden getan werden, wenn das Böse niemals im Namen des Guten getan werden könnte.

Marie von Ebner-Eschenbach

Lacy

Die Welt war dunkel und schwarz in dieser Nacht. Kein Wunder, war es ja eine Neumondnacht, in deren mir der Himmel Mond leer erschien. Enger zog ich die Jacke an mich, da ein Luftzug meinen Körper traf und mich erschaudern ließ.

„Siehst du was, was ich nicht sehe? Oder erhoffst du dir ein UFO zu sehen?“, ertönte Marks Stimme hinter mir. Er war einer meiner Lieblingskollegen, stellte sich neben mich auf den riesigen Mitarbeiterparkplatz und sah ebenfalls nach oben in den Himmel. Nicht einmal ein paar Sterne hatten sich dort verloren. Deshalb starrten wir in das Schwarze nichts, welches mir so unendlich erschien.

„Nein, ich habe nur festgestellt, dass wir heute Neumond haben und es arschkalt geworden ist“, erklärte ich ihm. Soeben fuhren die ersten Autos an uns vorbei, hinein, in ihren Feierabend.

„Na los, morgen ist schon Freitag, dann haben wir endlich Wochenende“, rief er euphorisch und zog mich mit sich. Sein Auto stand genau neben meinem, da wir fast immer die Letzten waren, die zur Spätschicht erschienen.

„Na dann Lacy, bis morgen.“ Mark winkte mir zum Abschied zu, bevor er in seinem VW verschwand.

„Bis morgen“, entgegnete ich vorher. Hastig stieg auch ich in mein Auto. Bei uns in der Firma war immer einer für das Firmentor verantwortlich und dieser musste warten, bis alle verschwunden waren. Auch er wollte ja in den Feierabend starten.

Dadurch, dass ich nach der Ausbildung in diese Stadt gezogen war, rund 100 km von meiner Heimat entfernt, lag meine Wohnung glücklicherweise nur einen Katzensprung von hier entfernt. Eigentlich mit dem Fahrrad zu erreichen, welches ich auch besaß, aber nun ja … Die Faulheit siegte. Ich lenkte meinen kleinen roten Mini auf die Hauptstraße des Gewerbegebietes und sah dabei zu, wie die große Halle hinter mir verschwand. Ja, ich mochte meinen Job, als Maschinenführerin in einer Druckerei aber es gab doch nichts Schöneres als den Feierabend.

Nach nur wenigen Metern erreichte ich die kurze Landstraße, an denen die Felder des örtlichen Bauern lagen. Es war der Mais, der mir die Sicht versperrte und ich deshalb nur 80 km/h fuhr, da ich zu viel Angst vor Wildtieren hatte. Immerhin besaß ich den roten Flitzer erst seit ein paar Monaten.

Trotzdem es so dunkel war, da es hier ja keine Laternen gab, sah ich ein grelles, weißliches Licht im Feld aufflackern, als ich die kleine Anhöhe hinab fuhr. Ich blinzelte und fuhr langsamer. War das ein Auto im Feld? Hatte jemand einen Unfall gebaut? Mein Herz setzte aus, nur um dann um das Doppelte schneller zu schlagen. Ich lenkte mein Auto zu der Stelle, schaltete die Warnblinkanlage ein und stieg aus. Die Insekten waren noch immer am Surren und ein merkwürdiges Knistern durchschnitt die abendliche Stille. Es erinnerte mich an das Knacken von Strom. Normalerweise müsste hier eine Schneise der Verwüstung sein, dort, wo das Auto in das Feld gefahren war. Aber da war nichts. Komisch, ich hätte schwören können, dass es genau hier sein musste. Mit wild schlagendem Herzen trat ich im Schein meines Autolichtes in das Feld und stieß ein paar Maispflanzen beiseite. Das knisternde Geräusch wurde lauter und nach ein paar Metern, erlosch zwar das Licht des Autos hinter den Pflanzen, dafür erkannte ich das weißliche Flackern des Wagens, welches ich vom Hügel aus gesehen hatte. Ich beschleunigte meine Schritte, Panik erfasste mich. Was, wenn es um Leben oder Tod ging? Hätte ich schon längst die Polizei oder einen Krankenwagen rufen sollen? Wusste ich überhaupt noch, wie man Erste-Hilfe leistete? Immerhin besaß ich den Führerschein, seitdem ich 18 Jahre alt bin und das war jetzt acht Jahre her. Meine Gedanken überschlugen sich, noch bevor ich die letzten Maispflanzen beiseitegeschoben und ich auf das Wrack traf. Meine Augen erfassten das Szenario nur langsam. Da lag eine riesige Brachfläche vor mir. Die Pflanzen lagen zerdrückt und fast schon zerkleinert am Boden. Der Metallhaufen lag in einer Kuhle, als wäre dieses Ding vom Himmel gefallen. Vom Himmel ... gefallen ...

„Was zum Teufel ist das?“, dachte ich laut, denn das war alles, aber keinesfalls ein Auto! Das silbrige Metall war verbogen. Es besaß keine Fenster, das Licht drang aus den Scheinwerfern, dessen Glas zerbrochen war und sich auf dem Boden verteilte. Strom blitzte auf und an einer Stelle flackerte sogar Feuer.

„Hallo?“, rief ich und trat näher heran, traute mich jedoch nicht, dass Metall zu berühren, aus Angst, einen Stromschlag zu bekommen. Konnte dieses Ding explodieren? War es ein Flugzeug oder eine neue, moderne Drohne? Allerdings war es so groß, wie ein Kleinbus und so zerstört, dass ich nicht im Stande war, diesen Haufen mit etwas vergleichbaren zu assoziieren. Ich hörte das Husten eines Menschen und meine Gedanken sammelten sich wieder.

„Hallo?“, rief ich erneut. „Ist hier jemand?“ Wieder dieses Geräusch und ich glaubte, jetzt auch eine Stimme zu vernehmen, die etwas Unverständliches murmelte. Ich lief weiter um dieses Ding herum.

Dann sah ich ihn.

Um die 30, älter konnte er nicht sein. Er sah zu mir auf, als ich zu ihm hinüberkam. Der Mann lag ein paar Meter von dem Wrack entfernt auf dem Boden und hielt sich den Bauch. Blut rann an seiner Stirn hinab und sammelte sich auf dem weißen Poloshirt, welches er trug. An seinen muskulösen Armen zeichneten sich kleinere Schrammen und Schnittwunden ab. Ich hockte mich zu ihm, erkannte das wahnsinnige Ozeanblau in seinen vor Schreck geweiteten Augen.

„Keine Angst, ich werde Hilfe holen. Alles wird gut“, versuchte ich ihn zu beruhigen, während ich alles andere als ruhig war. Ich war noch nie zuvor in so einer Situation gewesen. Das alles überforderte mich und ich bekam Panik. Als ich mein Handy hervorholte, legte sich seine breite, männliche Hand auf meinen Arm. Ich war nicht die schlankste Frau, da ich einen Beruf ausübte, in welchem man eine gewisse Muskelkraft brauchte. Ich besaß keine Heidi Klum Topmodel Maße aber selbst unter seiner Hand wirkte mein Arm zierlich.

„Nein!“ Seine herrische Stimme ließ mich innehalten. Dieser Mann verströmte eine unfassbar vereinnahmende Energie. Eine Energie, die mich traf und elektrisierte. Selbst jetzt, wo er verwundet war. Gott ich schwöre, dieses Kinn, dieses gemeißelte, maskuline Gesicht war zu perfekt für meine kleine und bescheidene Welt. Alles an ihm schien von einer höheren Macht perfektioniert worden zu sein. Sogar eine None würde wohl bei ihm an ihrer Enthaltsamkeit zweifeln.

„Es geht schon. Ich brauche keinen Arzt.“ Bitte? War das jetzt sein ernst? Verstand er überhaupt, dass ich versuchte, ihm sein Leben zu retten! Sein Blick wurde klarer, als der erste Schreck vorüber war und da lag nun eine Entschlossenheit in seinen Augen, welche mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Er meinte es ernst. Er wusste ganz genau, was er da gesagt hatte.

„Beim besten Willen! Sie bluten und könnten innere Verletzungen haben. Ich rufe einen Arzt und vor allem die Polizei.“

„Nein!“ Meine Güte! Das war wirklich mal ein Nein mit Nachdruck. „Sie dürfen nicht die Polizei rufen.“

„Wieso nicht?!“, fragte ich ihn ungezügelt.

„Vertrauen Sie mir.“ Er blinzelte mit seinem rechten Auge, als hätte er Schmerzen. Dennoch wirkte er um einiges gefasster als zuvor. So besonnen und bedacht, dass er mir noch mehr Angst einjagte. Welcher Mensch war nach einem Unfall die Ruhe selbst, während er blutete und Schmerzen hatte! Niemand! Keiner konnte da so ruhig bleiben! Keiner, außer Mister Fragezeichen.

„Ich verstehe nicht. Warum ... ich mein ... das geht nicht. Ich kann doch nicht ...“, stammelte ich und die Panik mischte sich wieder ein. Er sah mir forschend in die Augen. Ich erwiderte seinen Blick und sah dann zu dem Wrack hinüber.

„Ich muss zumindest die Polizei rufen.“

„Nein!“ Dieses Wort drang tief und bestimmend aus seiner Kehle.

„Ich glaube nicht, dass sie das bestimmen können! Es ist meine Pflicht, die Polizei zu rufen.“ Ich wollte mich aufrichten, aber sein Griff um meinen Arm wurde stärker.

„Ich bitte Sie. Das hier … Es ist eine Angelegenheit, die weitaus größer ist, als sie es sich vorstellen können. Bitte …“ Er machte eine Pause und ich spürte, wie der Druck seiner Hand erneut nachließ. „Bitte. Vertrauen sie mir. Sie dürfen keine andere Person in diese Angelegenheit einweihen. Ich brauche nur etwas Ruhe. Dann kümmere ich mich um alles.“ Was? Etwas lief hier gewaltig schief. Da lag ein Metallklotz inmitten eines Maisfeldes, brannte und leuchtete lichterloh. Sein Besitzer kauerte auf der Erde, blutüberströmt und ich sollte was tun? Einfach weggehen? Ihn hier sitzen lassen? So tun, als wäre nichts passiert? Das verstieß gegen mehr Regeln, als ich bisher in meinem 26 Jahre alten Leben gebrochen hatte.

„Ich kann sie nicht einfach hier zurücklassen.“ Ich wusste genau wie ängstlich und verzweifelt ich in diesem Augenblick auf ihn wirken musste. Ich wusste, wie sich die Panik in meinen Augen widerspiegelte. Aber er, derjenige, der hier verletzt war, verströmte eine fürchterliche Ruhe. Dieser Mann war noch immer Herr seiner Sinne.

„Gehen Sie. Es geht mir gut. Auch sie sollten da nicht mit hineingezogen werden.“ Ich streifte mir meine kastanienbraunen Haare aus dem Gesicht, die mir immer wieder störrisch nach vorne fielen. Auch wenn er diese Ruhe ausstrahlte, zeugte sein angespannter und zitternder Körper von tieferen Schmerzen.

„Ich lasse sie hier sicher nicht allein zurück.“ Entschlossen, schossen meine Worte aus meinem Mund und ein verblüffter Ausdruck huschte über sein Gesicht.

„Können Sie aufstehen oder laufen?“ Was tat ich da nur? Ich konnte das doch nicht wirklich tun!

„Ich denke schon.“ Er richtete sich auf und ich half ihm dabei. Das hier war der größte Fehler meines Lebens! Mein Verstand riet mir, auf ihn zu hören und mich ganz schnell vom Acker zu machen. Mich in mein Bett zu legen, meine Serie zu schauen und einzuschlafen, wie jeden Abend nach der Spätschicht. Mein logisch denkendes Gehirn riet mir, die Polizei zu rufen, die dem Bauern erklären mussten, dass fünfzig Prozent seiner Ernte Schrott waren. Die einen Krankenwagen für Mister: Ich brauche keine Hilfe, rufen würden, sodass er untersucht und verarztet werden konnte. Aber stattdessen half ich ihm auf die Beine, stützte ihn beim Gehen. Es lag nicht nur an seiner Stimme, weshalb ich auf ihn hörte. Es war vor allem dieser Schrotthaufen hier vor mir, an dem wir vorbei humpelten. Das hier war kein altes Auto. Kein normaler Unfall. Er hatte gesagt, dass diese Angelegenheit größere Ausmaße hätte. War es dann eine Staatsangelegenheit? Ein geheimes Projekt oder eine militärische Operation? Gehörte er zu einer Spezialeinheit des Militärs? Denkbar wäre es bei diesem Körper! Denn dieser bestand aus reiner Muskelkraft. Unter seinem blutdurchtränkten Shirt zeichnete sich deutlich sein Bizeps ab. Sein Kopf, mit den dunklen schwarzen Haaren, lag auf seinen breiten Schultern, an deren sich sicher viele Frauen gern anlehnen würden. Doch nun lastete sein schwerer Körper auf meinen Schultern, als wir zu meinem Auto liefen. Dieser Mann war fast 2 Meter groß und durchtrainiert. Keine leichte Aufgabe für mich. Selbst, als ich ihn in mein Auto hievte, beschäftigte sich mein Kopf nur mit der Frage, wer zum Teufel dieser Mann war!

Aber was auch immer diese Angelegenheit hier bedeutete, ich konnte ihn doch nicht zurücklassen! Das wäre nicht menschlich.

Selbst, als wir bei mir ankamen, zweifelte ich noch an meinem handeln. Entweder würde ich in den Knast kommen oder eine Auszeichnung dafür bekommen, dass ich beim Vertuschen eines Staatsgeheimnisses half.

Kraftlos, ließ ich ihn auf mein Bett fallen. Ich spürte, dass er dabei war, das Bewusstsein zu verlieren.

„Bitte, lassen Sie mich einen Arzt rufen“, flehte ich ihn an. Unsere Augen fanden sich erneut, als er mir antwortete.

„Ich brauche … nur … schlaf. Vertrauen sie mir ... einfach.“ Mit diesen Worten ließ er sich nach hinten in die Kissen fallen und schloss seine Augen. Ich seufzte, fuhr mir durch meine Haare und lief nervös vor dem fremden Mann in meinem Bett auf und ab. Was wenn er sterben würde? Warum wollte er keinen Arzt, verdammt! Was, wenn er ein gesuchter Schwerverbrecher war? Aber was zum Teufel, war dann dieses Etwas, was dort noch immer im Feld lag. Ich sah, dass sich sein Brustkorb gemächlich hob und senkte. Seine kurzen schwarzen Haare lagen zerzaust auf dem Kissen. Sie wirkten weich und… sexy. Diese langen Wimpern, für die viele Frauen wohl Morden würden, ruhten aufeinandergepresst, als würde er noch immer Schmerzen leiden. Es dauerte eine Weile, bis sich der Ausdruck in seinem Gesicht entspannte und seine vollen Lippen sich einen Spalt weit öffneten. Er lebte und schlief. Ich atmete noch einmal tief durch, bevor ich ihm seine Schuhe auszog und seine Beine ordentlich auf mein Bett drapierte. Als ich dann aus dem Badezimmer kam, mit einem Erste-Hilfe-Koffer in der Hand - der wohl niemals ausreichen würde, um seine Wunden zu versorgen, stellte ich erschrocken fest, dass ihm nichts fehlte. Mit einem feuchten Lappen befreite ich sein Gesicht und seine Arme von dem Blut und musterte ihn dabei ungläubig. Als ich fertig war, blieb dieser Mann mir ein Rätsel. Ich hatte die Schürfwunden doch gesehen, oder nicht? Ich hatte doch die Wunde an seiner Stirn beäugt, aus deren das Blut geflossen war. Aber jetzt war er ein makelloses Geschöpf. Der schönste Mann, der wohl je in meinem Bett geschlafen hatte und wohl auch schlafen wird. Die Hose war zwar zerrissen und das Shirt an manchen Stellen noch immer blutrot aber dennoch sah er nun wie ein gesunder, perfekt aussehender Mann aus. Mit markantem Gesicht, gutgebautem Körper und ozeanblauen Augen. Ich nahm den Saum des Shirts in meine Finger und krempelte es ein Stück weit nach oben. Dort klebte Blut an seinem Bizeps aber dieses begann bereits zu trocknen. Ich erkannte keine Wunde ... Stammte das Blut etwa nicht von ihm? Hatte ich mir das alles in meiner Panik nur eingebildet? Was passierte hier?

Erschöpft ließ ich mich vor dem Bett auf den Boden fallen. Meine Beine konnten mich einfach nicht mehr tragen. Ich legte meinen Kopf auf der Matratze ab und schloss meine Augen, verschränkte meine Arme vor meinem Gesicht. Meine Gedanken kreisten und irgendwann viel ich in einen unruhigen Schlaf.

Void

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