Читать книгу Void - Mandy Hopka - Страница 6
3 Es wird nie mehr so sein wie zuvor.
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Verwirrt. Panisch. Ängstlich. Es gab keine Worte, um zu beschreiben, wie ich mich in diesem Augenblick fühlte. Jetzt stand ich hier in meinem Flur, in meiner Hand dieses merkwürdige Amulett und dann dieser Mann, der einfach so aus meiner Wohnung spazierte ohne, dass ich etwas dagegen unternahm. Ich erwachte erst wieder aus meiner Trance, als er wahrscheinlich schon über alle Berge war. Was sollte das denn heißen? Was wollte er mir damit sagen? Die Welt würde sich verändern? Tat sie das denn nicht ohnehin schon jeden Tag?
Als ich wieder die Herrscherin meines Körpers war, betrachtete ich den Anhänger des Amuletts genauer und ließ meine Sachen wieder zu Boden fallen. Meine Finger strichen über das metallische Muster. Das kalte Metall formte einen gezackten Stern. Es erinnerte mich an einen dieser japanischen Wurfsterne. Wie nannte man sie doch gleich … Shuriken? Jedenfalls war in dessen Mitte ein Violetta Diamant eingelassen und um die gezackten Spitzen zog sich ein Kreis, geformt aus einem anderen, glänzenden, fast durchsichtigen Material. Man könnte meinen, es wäre Glas …
Es war im Grunde bildschön, aber was sollte das verdammt noch mal? Wie konnte er mich nur hier zurücklassen, mit diesem ganzen Chaos im Kopf? Diesen ganzen Fragen? Ich nahm mir seine Worte zu Herzen und legte sie mir um den Hals. Auch schon, weil ich sie tatsächlich sehr schön fand.
Die Zeit rannte vor mir davon und ob ich nun wollte oder nicht, ob ich bereit dafür war oder nicht. In weniger als zwei Stunden musste ich auf Arbeit sein.
So als wäre nichts passiert. Na klasse!
Als ich wenig später an dem Maisfeld vorbeifuhr, lenkte ich den Wagen auf der Anhöhe an den Straßenrand. Es kam momentan kein Auto und so zog ich lediglich die Handbremse an und lugte aus dem Fenster. Das Wrack war verschwunden. Die Erde zeugte aber noch von den Ereignissen letzter Nacht. Das Hupen eines Autos ließ mich aufsehen.
„Ja, man!“, fluchte ich und fuhr weiter. Was war hier nur geschehen?
Meine Gedanken kreisten die nächsten Tage um diesen geheimnisvollen Fremden, dessen Körper sich selbst heilte. Entweder das oder ich war verrückt. Vielleicht hatte ich ja den Verstand verloren? Selbst, als bereits ein Monat vergangen war, ließ mich dieses erschreckende Erlebnis nicht los. Ich arbeitete und lebte so, als wäre nichts passiert aber innerlich, war mein Geist vollkommen durcheinander. Es gab keinen Menschen, der sich selbst heilen konnte. Ich hatte mir das nicht eingebildet! Das bewies doch schon das Maisfeld. Ich hatte mir auch diese Wunden nicht eingebildet oder dieses Wrack! Ich war nicht verrückt. Aber was war er dann? Konnte er wirklich mit diesem Ding vom Himmel gefallen sein?
„Erde an Lacy! Wo bist du schon wieder mit deinen Gedanken?“ Ich sah zu Mark auf, der mir meine Pizza entgegen schob. Heute war Mittwochabend und in der Spätschicht wurde mittwochs immer das Essen bestellt.
„Danke“, entgegnete ich mit entschuldigendem Tonfall.
„Also …, wenn du reden willst …“, druckste er herum und setzte sich auf den Stuhl neben mich.
„Es ist alles gut, Mark.“ Meine Stimme klang bei weitem nicht so überzeugend, wie ich es vorgehabt hatte. Glücklicherweise setzte sich Jennifer neben mich und wir unterhielten uns über die royale Hochzeit des englischen Königshauses. Alles war mir recht, solange wie es mich ablenkte. Von diesem sonderbaren, unwiderstehlichen Mann. Die Gespräche schweiften von einem Thema zum nächsten, bis Alex - ein Mann um die 40 und unser Schichtleiter, sich so arg verschluckte, dass ein paar meiner Kollegen ihm zur Hilfe eilten. Er deutete auf sein Smartphone, noch ehe er aufgehört hatte zu husten.
„Seht euch das an!“, rief er gequält. Die Jungs beugten sich über den Tisch, während Jenni und ich nur die Augen verdrehten. Vermutlich war es wieder nur irgendein Schwachsinn. Ich bis das fast letzte Stück meiner Pizza ab. Kaute darauf herum, während ich Facebook öffnete. Es war ein Ritual von mir. Erst essen und quatschen und dann die übrig gebliebenen Minuten der Pause meine Nachrichten auf Facebook durchstöbern. Beinahe wäre mir das letzte Stück Pizza wieder aus dem Mund gefallen. Jetzt wusste ich, weshalb die Jungs so still geworden waren. Jenni schaute zu mir hinüber.
„Alles okay, Lacy? Du bist so blass?“
Das war er.
Keine Frage! Der mysteriöse Mann, aus jener Nacht.
Er prangte in jeder Facebook-Meldung, die sich auf meiner Startseite befand. Jede Seite hatte etwas über ihn gepostet. Im Raum war es still geworden, da jeder das Gleiche las und sah. Deshalb zuckte ich zusammen, als seine Stimme die Stille durchdrang. Die Stimme, die mich selbst in meinen Träumen verfolgte. Sie ertönte aus dem Lautsprecher von Alex Handy.
„Menschen. Ich spreche jetzt zu euch, um euch mitzuteilen, dass die Erde nicht mehr in euren Händen liegt.“ Was? Ich richtete mich auf und drängte mich zwischen meinen Kollegen hindurch. Sein Gesicht sprach Bände. Er war es wirklich. Stand in einer Nachrichtensendung, während die Moderatorin ihn mit schreckgeweiteten Augen musterte.
„Mein Name ist Deneb Avior. Ich bin der rechtmäßige Herrscher der Void.“ Ich verstand nur Bahnhof und war damit wohl nicht die einzige hier, so wie meine Kollegen unmissverständlich die Köpfe schüttelten.
„Wir kommen von Avior, ein Planet, der nach meiner Familie benannt ist. Unser Heimatplanet liegt in eurer Galaxie, mehr braucht ihr darüber nicht zu wissen. Es reicht, wenn ihr einen Planeten zerstören wollt. Durch die Menschheit - durch euch, verändert sich diese Welt. Nicht nur die Erde, sondern auch das Universum. Euer handeln hat nicht nur Auswirkung auf eure eigene Existenz, sondern auch auf derer anderer Lebewesen, einschließlich der unseren. Bis jetzt haben wir dabei zugesehen, wie ihr diese Welt hier zugrunde richtet. Aber das hat jetzt ein Ende.“ Sein Ausdruck war so anders. So ernst und einschüchternd. Er wirkte nicht mehr, wie der Mann, der so hilflos in meinem Bett gelegen hatte, der mich so zärtlich berührte und mit meiner Haarsträhne spielte. Der meine Hand ergriffen hatte, als wäre er ein kleiner Junge, der zum ersten Mal wirklich krank war und … Angst verspürte. Ich erinnerte mich an seinen sanften Ausdruck, mit dem er mich angesehen hatte, als er mir diese Kette gab, die nun in meinem Spind lag. Jetzt sah ich nur noch einen hochmütigen Mann, in dessen Gesicht sich der blanke Ernst widerspiegelte.
„Hiermit verkünde ich euch, dass wir Voids von nun an diese Erde übernehmen werden. Die Menschheit hat bereits genug Unheil in diese Welt gebracht. Ihr habt euren Müll, nicht nur hier verteilt, sondern auch im Kosmos. Ihr lebt und regiert rücksichtslos und eigennützig. Führt Kriege mit Waffen, die diese Erde vernichten könnten. Verschmutzt und verpestet diese Welt mit eurem schändlichen Dasein. Ihr Menschen seid zerstörerische und selbstsüchtige Wesen, die verlernt haben zu lieben. Von Hass getrieben, tötet ihr euch selbst, löscht andere Organismen aus, richtet euren eigenen Planeten, dessen Flora und Fauna, zugrunde. Warum das ganze? Wegen der Sucht nach Geld und Macht. Aus Hass. Ihr seid eine Gefahr für diese Galaxie. Auch für mein Volk. Geht zu euren Familien, verbringt eure letzten Tage mit den Menschen, die ihr liebt. Wir werden diese Welt von euch bereinigen. Denn mein Volk wird nicht wegen euch leiden. Diese Galaxie gehört euch nicht allein.“ Das Video stockte und ahnungslos sahen wir noch immer alle in sein Gesicht. Deneb also … was hatte ich getan? Ich hatte diesem Monster … diesem so menschlich wirkendem Etwas, dass Leben gerettet. Obwohl, nein ... Er wäre nicht gestorben. Vermutlich konnte er nicht einmal sterben, so schnell, wie seine Wunden verheilt waren.
Einer meiner Kollegen lachte auf. „Was ist das denn für ein schlechter Witz!“, rief er und lachte lauter.
„Meint ihr, der meint das ernst?“, fragte Jennifer in die Runde und wirkte dabei furchtsam. Kein Wunder, war sie auch erst 19. Ich sagte nichts dazu. Konnte nicht mehr atmen. Während die anderen über die Echtheit diskutierten, schossen mir die Erinnerungen in den Kopf. Das Metallding war das sein … Raumschiff oder wie man das auch nannte? War dieser Mann also in Wahrheit ein Alien? Aber wieso, sah er dann so menschlich aus? Nichts an ihm, mal abgesehen von seinem perfekten Erscheinungsbild, wirkte andersartig. Aber er war es. Er war anders. Ich hatte es mir nicht eingebildet, dass er sich heilen konnte. Er hatte mich noch gewarnt. Hatte gesagt, dass die Welt sich verändern würde. Dennoch hatte er auf mich … menschlich gewirkt.
„Seht euch das an, dass Video geht schon durch die ganze Welt.“ Ich schaute wieder zu dem Handy hinunter und sah, dass das Video tatsächlich bereits in mehreren Sprachen übersetzt worden war. Endlich begreifend, schnappte ich mir mein Handy.
„Wo willst du hin?“, fragte mich Mark und strich sich über seinen leichten Bartansatz.
„Ich gehe und ihr solltet das auch tun, bevor die Welt in Panik versinkt.“ An ihrer Stelle würde ich dem ganzen auch keinen Glauben schenken. Aber ich hatte ihn gesehen. Berührt und ... mit ihm geredet. Dieser Mann existierte wirklich.
„Du glaubst das doch nicht etwa? Das Video ist bereits eine Stunde alt! Denkst du, wir hätten es nicht mitbekommen, wenn Aliens die Welt überfallen?“ Er lachte über seinen eigenen Satz, als wäre es ein Witz gewesen. Er wusste nicht, wie recht er scheinbar mit seiner Aussage hatte … Ein eiskalter Schauer durchzog mich.
„Scheinbar schon“, gab ich ihm als Antwort und wollte gerade gehen, als er mich erneut am Arm packte.
„Hey, verlier jetzt nicht den Kopf.“ Wenn er nur wüsste, was ich getan hatte. Ich hatte dem Anführer, ihrem König oder was auch immer, dabei geholfen, ohne Probleme seinen Plan fortsetzen zu können. Ich wusste, dass es ein Fehler gewesen war!
„Geh Mark! Vertrau mir, dass hier ist kein Scherz.“
„Weißt du denn mehr als ich? Das ist doch wieder nur so ein dummes Video der Ökofratzen!“, entgegnete er noch immer lachend. Ich getraute mir nicht, ihm die Wahrheit zu sagen. Ich würde niemandem von meinem Fehler erzählen. War ich dafür verantwortlich, wenn Menschen starben? Wenn die Menschheit vernichtet wurde? Aber wieso hatte er auf mich nicht den Eindruck eines solchen Monsters gemacht? Konnte er wirklich zwei Gesichter haben? Lag es wirklich nur daran, dass er geschwächt gewesen war? Und was hatte es nur mit dieser Kette auf sich? Panik schlich sich in mein Unterbewusstsein. Ich wollte nur noch eines.
Zu meiner Familie.