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Kapitel 2: *Jack the Hacker*

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Ihre Reise begann vor der Ewigkeit. Und ihr Ziel war Hier und Jetzt. Doch hier herrschte das absolute Nichts. Die Unwissenden riefen: Was wollt ihr hier? Es gibt hier nur das Nichts.Da aber nahmen sie das Nichts und begannen es zu for­men. Und siehe aus dem Nichts formten sie die Sonne.Denn sie sind die Schöpfer.

Sie sprachen: Die Sonne ist die Kraft der UnendlichkeitUnd deshalb soll sie der Mittelpunkt sein.Dann formten sie aus dem Nichts die Planeten, auf dass sie die Sonne bis zum Ende der Zeit auf festen Bahnen umkrei­sen sollten.Die Unwissenden riefen wieder: Was sollen Sonne und Planeten hier? Doch sie sprachen, wenn die Zeit es will, wird aus dem Nichts das ewige Leben entstehen, denn das Nichts ist ein nie versiegender Quell. Man muss nur danach su­chen. Auch wir haben sie gefunden.Denn wir sind die Schöpfer.

Dann gaben sie den Planeten ihre Namen. Sie nannten sie Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn Uranus, Neptun und Pluto. Und sie sagten, dass die Erde der wichtigste Planet wäre. Denn sie zeichnet mit der Venus den Schlüssel zur Ewigkeit ins Firmament.Jeder, der sehen kann, wird ihn sehen.Dann setzten sie ihre Reise fort, um das nächste Nichts zu suchen. Denn sie sind die Schöpfer.

Die Schöpfungsgeschichte: Vers 1



Zugegeben, der Text hatte mir beim ersten Lesen eine leichte Gänsehaut beschert. Doch dann hatte ich mich einfach nur aufgeregt. Dafür hatte ich mehr als acht Stunden mit der stärksten Firewall gekämpft, die mir je­mals untergekommen war. Hatte meinen Supertrojaner geopfert und das alles nur für diese paar blöden Zeilen. Die Schmerzen in meinem linken Bein hatten sich mitt­lerweile so verstärkt, dass ich erst meine Medikamente nehmen musste und mich dann in die Waagerechte be­gab. Nun konnte ich in Ruhe meine Gedanken ordnen.

In der Hackerszene hatte ich mir mit der Zeit einen erstklassigen Ruf erworben. Kein Wunder, mit meinem verkrüppelten Bein hatte ich nicht die Möglichkeit, ein interessanteres Hobby auszuüben. Alle sportlichen Akti­vitäten waren von vornherein ausgeschlossen und mein Freundeskreis war auch nicht besonders groß. Irgendwie hatte ich mich auf Computer und Internet eingeschossen. Da verbotene Sachen durchaus einen Reiz auf mich ausüben, fing ich irgendwann an, mich in der Grauzone des Netzes herumzutreiben. Hier habe ich dann meine Berufung gefunden. Es gab keine Seite, die ich nicht irgendwann knacken konnte. Anfangs nur aus Spaß an der Freude. Später entdeckte ich dann eine gewisse kriminelle Energie in mir, obwohl ich eigentlich ein sehr religiöser Mensch bin. Besonders Seiten mit pornographischen Inhalten hatten sich als sehr lukrativ erwiesen. Je perverser, desto besser. In dieser Branche wird eine Geldmenge umgesetzt, die man sich nicht vorstellen kann. Jedenfalls ich konnte das zunächst nicht. Die Betreiber einer einigermaßen profitablen Pornoseite haben kein Problem damit, monatlich 100,00 € ab­zudrücken, damit ihre Zugangsdaten nicht veröffentlicht werden oder die Seite mal aus unerfindlichen Gründen abstürzt. In gewisser Art und Weise bin ich als Crash-Tester ja so etwas wie ein freiberuflicher Mitarbeiter. Sehr frei, zugegeben. Das macht bei mittlerweile fast fünfzig Seiten einen schönen Nebenverdienst. Mit dem Geld, das ich vom Arbeitsamt und der Krankenkasse bekomme, hätte ich mir meine technische Ausrüstung niemals leis­ten können.

Gestern hatte ich beim Blind surfen durch Zufall eine IP-Adresse entdeckt, die es in dieser Art eigentlich gar nicht geben durfte. Neugierig geworden, schaute ich mich auf diesem Server ausgiebig um. Aber es gab nichts zu finden, absolut nichts. Dieser Server war total leer, als wäre er gerade erst ausgepackt worden.

Mittags hatte ich einen Termin bei meinem Physio­therapeuten. Danach wählte ich diese Adresse noch ein­mal an, ein zweiter Blick konnte ja nicht schaden. Diesmal erlebte ich jedoch eine böse Überraschung. Eine mir to­tal unbekannte Firewall schützte jetzt den Server. So was hatte ich noch nicht gesehen. Aber jetzt war mein Jagd­instinkt geweckt. Ich konnte sehen, wie die Sicherheits­vorkehrungen stetig weiter verbessert wurden. Da muss­te jemand sitzen, der seinen Job verstand, leider! Vor einigen Tagen hatte ich einen neuen Trojaner programmiert, auf den ich super stolz war. Ich hatte ihn noch nicht eingesetzt. Seine Signatur konnte deshalb noch von keinem Schutzprogramm erkannt werden. Also versuchte ich, diesen Kerl in die noch nicht ganz fertige Absicherung zu schleusen.

Irgendwann schaffte ich es. Der Trojaner hatte sich als Teil des Schutzwalls implementiert. Schnell deakti­vierte ich ihn wieder und war riesig gespannt auf das, was da so aufwendig geschützt werden sollte. Schließ­lich war ich *Jack the Hacker*.

Abends startete ich dann meinen Angriff. Obwohl ich mit dem Trojaner ein Bein im Feindesland hatte, kostete es unglaubliche Mühe, in den Server einzudringen. Das einzige, was ich dort fand war ein Verzeichnis, in dem jeder Ordner wieder einzeln geschützt war. Ich fand kei­ne Möglichkeit, auch nur einen dieser Ordner zu öffnen. Schließlich war ich mit meinem Latein am Ende. Das Einzige, was ich jetzt noch machen konnte, war, den Datenverkehr zu beobachten und auf eine Eingebung zu warten. Die kam allerdings schneller als ich gehofft hatte. In unregelmäßigen Abständen wurden kleine Datenpakete an jeden einzelnen Ordner auf den Server geschickt und die Ordner schickten eine Art Bestätigung zurück. Schnell erkannte ich, dass diese Daten die neues­ten Virenkennungen waren, mit denen alle Systeme in Echtzeit aktualisiert wurden. Ich war fasziniert. Meine Hochachtung vor dem unbekannten Systemadministrator stieg rapide.

Mir war klar, dass ich nur einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung haben würde, sobald ich den nächsten Schachzug startete. Mein Adrenalinspiegel war auf dem Höchststand. Beim nächsten ankommenden Paket ko­pierte ich meinen Trojaner und schleuste ihn in den erst­besten Ordner mit ein. Dort kopierte ich die erste Textda­tei, die ich fand, und schickte sie mit der Bestätigungsda­tei an meinen Haupttrojaner und von dort sofort nach draußen. Es gelang mir gerade noch meinen Trojaner zu deaktivieren, als der Server auch schon reagierte. Er ging komplett vom Netz. Nichts war mehr da. Als hätte es ihn nie gegeben. Sobald die Datei bei mir eingegangen war, nahm ich den Rechner, der diese Attacke ausgeführt hat­te, ebenfalls vom Netz. *Jack the Hacker* hatte wieder erfolgreich zugeschlagen!

Erfolgreich? Was sollte dieser scheiß Text? Mir war zwar nicht klar, was ich erwartet hatte, aber das beste Abwehrsystem, das ich kannte, hatte ich eingesetzt, nur für so einen schwachsinnigen Spruch? Es war einfach nur frustrierend. So viel Aufwand für nichts. Selbstver­ständlich würde ich einen zweiten Angriff starten. Aber mein Gefühl sagte mir, dass ich besser einige Tage war­ten sollte. Außerdem würde ich heute Abend noch Be­such bekommen. Unser wöchentliches Treffen sollte heute bei mir stattfinden und wir planten, die Bedingun­gen für unseren Wettkampf heute klarzuziehen.

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