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Ramses’ Vorgänger

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In Abydos, im Heiligtum des Osiris, des Gottes des Todes, der Wiederauferstehung und der Fruchtbarkeit, ist ägyptische Geschichte in Stein gemeißelt: In den Tempeln, die Sethos I. (1293–1279) und sein Sohn Ramses dort errichteten, befinden sich königliche Ahnentafeln. Vollständig ist nur die Sethos’ I. erhalten, doch aus den Resten derjenigen des Ramses wird deutlich, dass sie identisch war mit der seines Vaters. In drei Reihen waren 76 Könige aufgeführt. Diese sind nicht als Personen dargestellt, sondern werden durch ihre Namen repräsentiert. Den Anfang macht Menes; es fehlen vor allem Herrscher, die später nicht mehr als rechtmäßig angesehen worden sind. Für Sethos I. und Ramses sollte die Liste Legitimität dokumentieren, beide stellten sich in eine Tradition, die bis zum „Anfang“ zurückreichte.1

Nicht ganz so weit zurück geht die Darstellung einer Prozession der Könige der Vergangenheit auf einem Pylon des Ramesseums, Ramses’ Totentempels. Die Könige sind in Form ihrer Statuen anwesend, die von Priestern in einem feierlichen Zug auf den Schultern getragen werden; jedem König ist sein Name beigeschrieben. Die Prozession findet sich in der Darstellung eines Festes, das zu Ehren des Erntegottes Min gefeiert wurde und mit der Königskrönung in Zusammenhang steht; an ihm nehmen die Vorgänger des regierenden Pharaos als Repräsentanten der glorreichen Vergangenheit teil. Die Aufzählung erwähnt die Könige des Neuen Reiches von Ramses zurück bis zu Ahmose (1551/1540–1515), der den Späteren wegen der Vertreibung der Hyksos (S. 18) als Begründer einer neuen Epoche galt. Es handelt sich um insgesamt zwölf Könige; Hatschepsut (1479– 1457) ist ebenso ausgelassen, wie es die Herrscher der Amarna-Zeit (1353– 1322) sind.

Den Anfang macht Ramses selbst. Er steht hier als Kronprinz – mit dem für Jungen typischen Knabenzopf – und rezitiert Hymnen aus einem Papyrus, den er vor sich hält. Ihm folgt sein Vater und Vorgänger Sethos I. (1293–1279), dann erscheinen Ramses I. (1295–1293) und so fort bis Ahmose. Dieser ist herausgehoben aus der Reihe der Übrigen, allerdings nicht als Einziger, denn er ist nicht der Letzte des Zuges. Mit ihm dargestellt sind die Statuen zweier weiterer Herrscher, die innerhalb der ägyptischen Geschichte eine besondere Rolle spielen: Montuhotep (2061–2010) und der mythische König Menes.

Menes, Montuhotep und Ahmose galten zur Zeit der 19. Dynastie jeweils als Gründer einer Epoche der ägyptischen Geschichte: Wir nennen sie „Altes“, „Mittleres“ und „Neues Reich“. Ramses’ Zeit kannte also ein Geschichtsbild, das die Entwicklung Ägyptens in große Abschnitte unterteilte, die wir heute „Reiche“ nennen. Das Konzept der Reiche ist ägyptisch, der Begriff selbst stammt aus dem 19. nachchristlichen Jahrhundert und ist in Anlehnung an das preußische Reich gebildet worden;2 die Ägypter kannten einen entsprechenden Namen nicht.

Wir wollen die Liste aus dem Heiligtum in Abydos in umgekehrter Abfolge betrachten und beginnen die kurze Vorstellung der königlichen Vorgänger Ramses’ daher mit Ahmose, dem Gründer des Neuen Reiches.

Ahmose (1551/1540–1515)

Im ersten nachchristlichen Jahrhundert überliefert der jüdische Autor Flavius Josephus einen Bericht Manethos, wonach unter der Regierung eines uns nicht bekannten Pharaos Timaios von Osten Eindringlinge unklarer Herkunft nach Ägypten gekommen seien: „Wir hatten einen König mit Namen Timaios; in dessen Regierung geschah es, ich weiß nicht warum, dass Gott mit uns unzufrieden war. Und es kamen unerwartet Leute von unedler Herkunft aus den östlichen Gegenden, die frech genug waren, einen Zug in unser Land zu unternehmen und es leicht mit Gewalt, ohne Schlacht, unterwarfen.“3 Es begann um 1650 die Herrschaft der Hyksos, ein Titel, mit dem die Ägypter des Mittleren Reiches seit langem die Kleinkönige Syrien-Palästinas bezeichneten.

Die Zeit der Hyksos war für Ägypten von größter Bedeutung. Sie brachte zwar wenige, dafür aber technisch und politisch zukunftsweisende Neuerungen mit sich, vor allem im militärischen Bereich: einen wirksameren, kürzeren Bogen und eine Reihe weiterer waffentechnischer Verbesserungen wie Schilde, Helme, Hiebwaffen – etwa das sogenannte Sichelschwert –, Pfeile mit Metallspitzen aus Bronze statt Stein oder Knochen. Neben Speer und Bogen führten die Truppen jetzt auch Kriegsbeile mit sich. Die Soldaten lernten das Schießen in Salven, und die später gefürchteten ägyptischen Bogenschützen gewannen allmählich ihren Ruf. Die wahrhaft revolutionäre Neuerung aber, die nicht nur das Heerwesen, sondern auch das wirtschaftliche und soziale Leben völlig veränderte, war die Einführung von Pferd und Wagen.

Diese Neuerungen hatten Bestand, als Ahmose in der Mitte des 16. Jahrhunderts die Herrschaft der Hyksos ablösen konnte. Dass ihm dies gelang, lag auch an der mittlerweile veränderten internationalen Situation. Die Hethiterkönige Hattusilis I. (1650–1620) und Mursilis I. (1620–1590) hatten ihre Macht so weit gefestigt, dass sie beginnen konnten, ihr kleinasiatisches Kerngebiet allmählich auszudehnen. Dadurch war der damals regierende Hyksos nicht mehr in der Lage, seine ganze Macht gegen die inneren Gegner in Ägypten einzusetzen, und unterlag Ahmose.

Amenophis I. (1515–1494)

Ahmose hatte nach der Beseitigung der Fremdherrschaft die politischen Rahmenbedingungen des Staates neu festgelegt, und während der Regierung seines Sohnes Amenophis I. wurde der Grundstein für eine neue kulturelle Blüte gelegt. Für kaum eine andere Zeit besitzen wir derart viele Informationen über einzelne Künstler, Gelehrte, Architekten und Wissenschaftler oder ihre entsprechenden Werke. Zu ihnen zählt der Astronom Amenemhet, der in seinem Grab stolz vom Bau einer Wasseruhr berichtet. Dieser neuen Elite gehört auch der Baumeister Ineni an, dem es zu verdanken ist, dass das berühmte ‚Tal der Könige‘ zur riesigen Begräbnisstätte ausgebaut werden sollte.

Für die Zukunft prägend wurde ferner die religiöse Literatur dieser Zeit, die, auf überlieferten Texten und Vorstellungen aufbauend, für eine Vielzahl von Ritualen die endgültige Form schuf. Einer dieser Texte diente den später so beliebten ‚Jenseitsführern‘, lehrhaften Büchern über das Totenreich, als Vorbild. Bereits diese frühe Fassung – sie trägt den Titel „Schrift des verborgenen Raumes“ und ist unter der späteren Abkürzung „Amduat“ bekannt geworden – weist eine Fülle ausdrucksstarker Bilder auf.4 Vielerorts hatten sich die Menschen Gedanken über das Jenseits gemacht und dabei an die unterschiedlichen lokalen Traditionen angeknüpft. Nun wurden solche Vorstellungen zu einem einheitlichen Konzept zusammengefügt. Die Rahmenhandlung des Amduat gab – wie bei allen solchen Erzählungen – die Fahrt des Sonnengottes während der zwölf Nachtstunden durch das Totenreich ab. Während dieser Reise durch die Welt der Verdammten wird detailverliebt ein breites Spektrum von Höllenstrafen geschildert; das Amduat ist damit – fast drei Jahrtausende vor Dante verfasst – die bislang älteste ‚Höllen‘-Schilderung.

Dem Althergebrachten entsprach es, dass Amenophis I. als Bauherr vor allem in Karnak hervortrat, wo sich die Könige des Neuen Reiches in der Ausgestaltung des größten aller Tempel für Amun gegenseitig zu übertreffen suchten. Heute wirkt die Anlage daher wie ein riesiges Labyrinth von Pylonen, Höfen, Sälen und Kammern. Eine ganz neue Tradition dagegen begründete der König mit der Konzeption seines Grabes: Er gab die Pyramidenform auf und entschloss sich, Ruhe- und Verehrungsstätte voneinander zu trennen. Daher baute er südlich der Grabanlagen seiner Vorfahren in Theben für sich und seine Gemahlin einen kleinen Totentempel und im Norden, unter einem Felsen verborgen, sein Grab.

Thutmosis I. (1494–1482)

Mit Thutmosis I. – „Thot ist geboren“ – begann außenpolitisch eine neue Epoche. Von nun an taucht in den Texten immer wieder das Verlangen auf, „die Grenzen auszudehnen“.5 Solche Vorstellungen zeugen von einer gewandelten geistigen Haltung, welche die bisherigen Leistungen zu übertreffen suchte und erstmals eine Art von Fortschrittsglauben entwickelte.

Von seiner unangefochtenen Position aus – die Dynastie herrschte mittlerweile fast ein halbes Jahrhundert – konnte Thutmosis die neuen militärischen Möglichkeiten ausnutzen und seine Feldzüge bis an den Euphrat ausdehnen. In dieser Zeit wurde Memphis eine wichtige Militärbasis und gleichsam zweite Residenz. Hier erhielten fortan die Kronprinzen ihre militärische Ausbildung. Das neue Machtzentrum in Mesopotamien, das Mitanni-Reich (Abb. 1), ermöglichte die militärischen Erfolge der Ägypter indirekt, weil es die bisherige Vorherrschaft der Hethiter in der Region schwächte. Dieses Mitanni-Reich sollte für ein Jahrhundert zum Hauptgegner der Ägypter werden. Thutmosis wurde zum Begründer des ägyptischen Imperiums, und seine Expansionspolitik gliederte dem Reich durch ausgreifende Eroberungskriege in Nord und Süd neue Provinzen an.

Ein Strom von Sklaven, Gold, Webstoffen, Edelhölzern und anderen Reichtümern ergoss sich ins Land. Was nicht als Beute oder Tribut kam, wurde auf dem Handelsweg aus dem Inneren Afrikas, aus Mesopotamien, Kleinasien, Kreta, Zypern und der ägäischen Inselwelt herbeigeschafft. Natürlich fanden mit diesen Gütern fremde Sitten, religiöse Kulte und geistige Anregungen Eingang, die das Bild des Landes nachhaltig veränderten.

Im zweiten Jahr seiner Regierung stieß Thutmosis I. zunächst über den stark gesicherten Festungsriegel südlich des zweiten Kataraktes weit nach Süden vor (Karte S. 10). Bei diesen Unternehmungen wurden die Schiffe über die zweite und dritte Stromschnelle geschleppt, und die Ebene von Kerma gelangte in ägyptischen Besitz. Für fast 800 Jahre blieb fortan der vierte Katarakt die Südgrenze des Reiches.

Thutmosis II. (1482–1479)

Da der zum Nachfolger bestimmte Kronprinz und „Kommandeur des Heeres“ Amenmesse vor seinem Vater gestorben war, folgte auf Thutmosis I. ein anderer seiner Söhne von einer Nebenfrau: Thutmosis II. Zu seiner Hauptgemahlin erhob der neue König seine Halbschwester Hatschepsut, die mütterlicherseits vom Begründer des Neuen Reiches, von Ahmose, abstammte. Hatschepsut war mit vollem Titel „Königstochter, Königsschwester, Gottesgemahlin und Große Königliche Gemahlin“. Durch die Heirat mit dieser Frau erhielt Thutmosis II. nach geltendem Verständnis seine Legitimation.

Abb. 1: Der Vordere Orient im 2. Jahrtausend

Seine kurze Regierungszeit wurde von mehreren – beinahe schon routinemäßigen – militärischen Unternehmungen in Nubien und Palästina ausgefüllt. Als er im Frühjahr 1479 starb, hinterließ er aus der Ehe mit Hatschepsut eine Tochter, Neferure. So fiel der Thron an den noch unmündigen Sohn einer Nebengemahlin, der wie seine beiden Vorgänger den Geburtsnamen Thutmosis trug. Es lag nahe, die beiden Kinder miteinander zu verheiraten, um auf diese Weise den Anspruch des Jungen sicherzustellen. Für den als Säugling zur Regierung Gekommenen führte seine Stiefmutter Hatschepsut die Geschäfte. Weibliche Regentschaften hatte es bereits früher gegeben, doch sollte sich bald zeigen, dass Hatschepsut nicht gewillt war, sich mit einer solchen Stellung zu begnügen. Bereits 1478, in ihrem zweiten Jahr als Regentin, ließ sie sich zum „König“ ausrufen und feierlich krönen. So etwas durfte es nicht geben, und so löschte Thutmosis III. später ihr Andenken radikal aus, und auf der Liste der königlichen Vorgänger Ramses’ fehlt sie.

Thutmosis III. (1479–1425)

Thutmosis III. sollte für seine Untertanen wie für die Nachbarvölker zum furchteinflößenden Symbol der Größe Ägyptens werden. Er trat seine Alleinregierung 1457 zu einem Zeitpunkt an, als Ägyptens immer latente Kontrolle des syrisch-palästinensischen Gebietes prekär wurde. In Syrien war ein Bündnis lokaler Stadtherren um das Zentrum Qadesch (Kadesch) entstanden, das sich der aufstrebenden Großmacht Mitanni angeschlossen hatte. Syrien und große Teile Palästinas waren für Ägypten bereits verloren, als Thutmosis mit seinen Truppen nach Palästina aufbrach und in der Küstenebene von Megiddo südlich von Tyros auf den Gegner traf. Es heißt, Thutmosis III. habe sich bei Megiddo „auf dem Streitwagen aus Gold, geschmückt mit seinen Kriegswaffen wie Horus, der Starkarmige, Herr des Opfers, wie der thebanische Month (ein alter Kriegsgott)“ ausgezeichnet.6

Seinen Feldzug hat der König in aller Ausführlichkeit an den Wänden des von ihm erbauten „Annalen-Saales“ in Karnak geschildert. Vieles bleibt dabei alten Schemata verhaftet, manches ist jedoch sehr individuell. Die Annalen interessieren sich nämlich über das rituell festgelegte Schema des Geschichtsablaufes hinaus auch für einmalige Ereignisse und sogar für Misserfolge7: „Hätte das Heer seiner Majestät nicht seinen Sinn darauf gerichtet, die Habe der Feinde zu plündern, so hätten sie Megiddo in diesem Augenblick eingenommen.“ Die endgültige Einnahme der Stadt gelang erst nach einer siebenmonatigen Belagerung.

Für seine Zeit und für die Nachwelt ist Thutmosis III. der große Eroberer gewesen, dessen Feldzüge in Abenteuergeschichten weiterlebten. Wichtiger war aber die Tatsache, dass er seinen Eroberungen durch eine Reihe von verwaltungstechnischen Regelungen Dauer verleihen konnte. Seine Handlungen vermitteln generell das Bild eines klug und weitsichtig agierenden Herrschers, und dazu passt auch die rechtzeitige Sicherung der Nachfolge: Sein Sohn Amenophis erhielt – insbesondere in militärischer Hinsicht – eine gründliche Ausbildung, namentlich im Armeehauptquartier in Memphis.

Amenophis II. (1427–1401)

Als der große Architekt des ägyptischen Imperiums 1425 starb, war sein Sohn Amenophis II. schon seit einiger Zeit Mitregent gewesen. Es gelang ihm ein Vierteljahrhundert lang, das von seinen Vorgängern aufgebaute Großreich zusammenzuhalten. Stärker noch als sein Vater fühlte sich der neue König als Krieger. Daher legte er besonderes Gewicht darauf, dass man seine persönlichen Großtaten auf diesem Gebiet gebührend herausstellte, und die Verfasser entsprechender Berichte sparten nicht an hochtrabenden Formulierungen. Amenophis II. wird außergewöhnlich athletisch dargestellt. Inschriften, die von überragenden Leistungen seiner Regierung künden, betonen stets seine ‚olympische‘ Begabung. Man wird einiges davon abstreichen müssen, da viele Pharaonen dieser Dynastie – jeder auf seine Weise – körperliche Eigenschaften oder Vorlieben und religiöse Vorstellungen ins Extrem steigerten. Den Höhepunkt solcher Panegyrik erreicht ein Text, der nahe bei dem großen Sphinx gefunden wurde und in dem es über Amenophis heißt: „Er war aber als König erschienen, als er ein ausgewachsener Jüngling war, der seinen Körper schon in der Gewalt hatte und der 18 Jahre auf seinen Schenkeln in Tapferkeit vollendet hatte, wobei er alle Tätigkeiten des (Kriegsgottes) Month kannte, ohne dass es seinesgleichen auf dem Schlachtfeld gab. Und er kannte die Pferde, ohne dass es seinesgleichen im ganzen riesigen Heer gab. Keiner von ihnen konnte seinen Bogen spannen, und man konnte ihn nicht im Wettlauf erreichen. Seine Arme waren stark, ohne dass er ermüdete, sobald er das Ruder ergriff.“8 Später beschreibt der Verfasser, wie der König eine kupferne Zielscheibe aufstellte und seine Pfeile mitten hindurchschoss.

Ein Unruheherd wurde erneut Syrien-Palästina, da dort das erstarkende Reich von Mitanni Aufstände gegen die Ägypter unterstützte. Gegen Ende des Regierungszeit Amenophis’ II. zeichnete sich eine erneute Verschiebung des Kräfteverhältnisses im Vorderen Orient ab: Die Hethiter dehnten ihre militärischen Aktionen wieder ins nördliche Syrien aus; als sie dadurch das Mitanni-Reich bedrohten, kam es zu einer Verständigung der bisherigen Kontrahenten. Friedensverhandlungen zwischen Ägypten und Mitanni wurden eingeleitet und unter Amenophis’ Nachfolger erfolgreich beendet.

Thutmosis IV. (1401–1391)

Von einer ganz besonderen Leistung Thutmosis’ IV. kündet ein Gedenkstein zwischen den Vorderpranken des großen Sphinx von Gisa. Der König schildert darauf, dass der Sonnengott Re ihm im Traum das Königtum verheißen habe, wenn er das gewaltige Löwenbild vom Treibsand befreie. Als erste größere Tat seiner Regierung hat Thutmosis IV. das dem Gott gegebene Gelübde eingelöst. Hervorzuheben ist an der Geschichte die Wunschübermittlung durch das Medium des Traumes, das im Verhältnis Gott – König in Ägypten hier zum ersten Mal begegnet und von da an immer häufiger Verwendung finden wird.

Dem Pharao ist es zu Beginn seiner Regierung gelungen, ein Abkommen mit dem Mitanni-Reich zu schließen, das ein weiteres Vordringen der Hethiter in Nordsyrien vorläufig noch verhindern konnte. Nach langen Verhandlungen besiegelte man den Vertrag durch eine dynastische Heirat: Eine Tochter des Mitanni-Königs Artatama (um 1400) wurde in Thutmosis’ Harim aufgenommen. Doch der Pharao konnte sich kaum noch aktive Militärpolitik in der Region leisten. Ägypten musste seine Grenze bis auf die Höhe von Qadesch zurückziehen, vermochte aber die syrischen Häfen dank der ägyptischen Seehoheit zu behaupten.

Amenophis III. (1391–1353)

Das erste Jahrzehnt Amenophis’ III. erinnert mit einem nubischen Feldzug und großen rituellen Jagden noch an seine Vorgänger. Fast gewinnt man den Eindruck, er habe damit einer eher lästigen Pflicht Genüge getan, denn in den folgenden drei Jahrzehnten scheint er sich ganz auf den Prunk seiner Hofhaltung konzentriert zu haben. Im Süden der thebanischen Weststadt ließ der Pharao eine Palastanlage mit einem 185 mal 35 Meter großen künstlichen See errichten, eine der wenigen königlichen Residenzen, von denen noch wesentliche Teile erhalten sind.

Anstelle von Kriegen betrieb Amenophis III. eine Politik dynastischer Heiratsverbindungen. Das Ausgreifen der Hethiter in den Westen beispielsweise machte ägyptische Gegenmaßnahmen erforderlich. Nach zähen Verhandlungen hatte der König 1382 eine Tochter des Mitanni-Königs geheiratet. Wie ein Gedenk-Skarabäus berichtet, begleiteten sie 317 Ehrendamen und eine Unmenge von Mitgiftgaben auf ihrem Weg in den Harim des Pharaos.

In diesen Jahren hatte Suppiluliuma I. (1370–1330) das Hethiterreich zu einer bis dahin nicht gekannten Großmachtstellung geführt. Innenpolitisch hatte er den Feudaladel entmachtet und eine effiziente Beamtenschaft ins Leben gerufen, ganz ähnlich wie die Pharaonen der zwölften Dynastie zu Beginn des 2. Jahrtausends. Im Jahre 1364 konnte Mitanni noch einmal einen Angriff Suppiluliumas abwehren. Ägypten war nicht mehr in der Lage, in das Kräfteverhältnis Nordsyriens einzugreifen. Als sich immer mehr Stadtstaaten den Hethitern anschlossen, gelang es diesen, das ohnehin schon geschwächte Mitannireich zu zerschlagen.

Keiner – einmal abgesehen von Ramses II. – baute in Ägypten so viel und derartig kolossal wie Amenophis. Eine Besonderheit ist zu seiner Zeit in den Heiligtümern Nubiens zu beobachten: In einigen Tempeln befanden sich neben Statuen des Gottes Amun auch solche des Königspaares. Gewiss, der Herrscher war zu Lebzeiten Gott, aber einen Tempelbau für „sein lebendes Bild auf Erden“ hat es erst jetzt gegeben. Unter Amenophis III. entstehen die ersten Zeugnisse für die persönliche Vergottung des lebenden Herrschers.

Haremheb (1322–1295)

In der Königsliste, der wir uns als Führer durch fast drei Jahrhunderte ägyptischer Geschichte anvertrauen, folgt auf Amenophis III. Haremheb (1322–1295) mit einer offiziell allerdings weitaus längeren Regierungszeit (1353–1295). Amenophis IV./Echnaton (1353–1336), Semenchkare (1336– 1334), Tutanchamun (1334–1327) sowie Eje (1326–1322) werden übergangen. Echnaton hatte seinen Gott Aton absolut gesetzt und unter anderem die Namen anderer Gottheiten aus den Texten der Tempel ausmeißeln lassen. Wie man im Nachhinein die Vergangenheit dieser Herrscher sah, erklärt ein Restaurationsedikt Tutanchamuns: „So machte das Land eine Krankheit durch, und die Götter vernachlässigten dieses Land. Wenn man Soldaten nach Syrien schickte, um die Grenzen Ägyptens zu erweitern, so geschah kein irgendwie gearteter Erfolg durch sie. Wenn man einen Gott anflehte, um sich von ihm etwas zu erbitten, kam er nicht her.“9

Als Tutanchamun 1327 starb, war mit ihm die Königsfamilie in männlicher Linie erloschen. Wie häufig in solchen Situationen ergriff eine Frau aus dem Herrscherhaus die Initiative, diesmal die verwitwete Königin Anchesenpaaton. Ihr Vorhaben war spektakulär wie kaum ein anderes: Sie bot dem Hethiterkönig Suppiluliuma an, einen seiner Söhne zu heiraten und damit zum Herrscher Ägyptens zu erheben. Verständlicherweise zog der Hethiter zunächst Erkundigungen ein, um mögliche Hintergedanken des bislang gefährlichsten Gegners auszuschließen. Es scheint, dass beide Seiten dann aber den Plan für realisierbar hielten; denn der hethitische Prinz Zananza war bereits auf dem Weg nach Ägypten, als er, vermutlich auf Anordnung Ejes, ermordet wurde. Was wäre geschehen, wenn es zu dieser Hochzeit gekommen wäre und ein Sohn die Herrschaft der beiden Großreiche angetreten hätte?

Als Haremheb den Thron bestieg, wiederholte sich, was wir bereits nach dem Tod der Hatschepsut beobachten konnten: Haremheb zählte seine Regierungszeit vom Tod Amenophis’ III. an. Damit war die heute nach der von Echnaton gegründeten Hauptstadt so genannte Amarna-Zeit ausgelöscht.

Ramses I. (1295–1293)

Der Großvater unseres Ramses war Paramessu, der Sohn eines Sethos, der aus dem östlichen Delta-Gebiet stammte, wo man schon lange den Gott Seth verehrte. Paramessus Statuen stellen ihn als königlichen Schreiber dar. Der halb-entrollte Papyrus auf seinen Knien zählt all die hohen Ämter auf, zu denen er befördert wurde: Außer dem Wesirat bekleidete er noch die Funktionen eines Oberaufsehers der Pferde, eines Festungskommandanten, eines Oberaufsehers der Flussmündungen, eines Befehlshabers des Heeres des Herren der Beiden Länder – von zahlreichen Priesterämtern ganz zu schweigen. Am bedeutsamsten ist jedoch, dass er von sich behauptet, „Stellvertreter des Königs in Ober- und Unterägypten“ gewesen zu sein; damals war das Wesirat nicht in Ober- und Unterägypten geteilt. Paramessu verband in seiner Person politische, wirtschaftliche und vor allem militärische Führungspositionen des Landes. Da Haremheb keinen regierungsfähigen Nachkommen besaß, wählte er diesen Paramessu zum Kronprinzen, der mit seinem erwachsenen Sohn Sethos auch die nächste Generation als Pharao sichern konnte.

Als dieser Paramessu die Königswürde errang, ließ er den bestimmten Artikel in seinem Namen – P(a) – fort und nannte sich Ramessu, „(der Sonnengott) Ra hat ihn geboren“, griechisch Ramesses, woraus im Deutschen Ramses wurde.10 Er wurde als Ramses I. der Begründer einer neuen, der 19. Dynastie. Ob seine Regierungszeit von 1295 bis 1293 auf ein hohes Alter zurückgeführt werden kann, wissen wir nicht; sie ist auf jeden Fall zu kurz gewesen, um wesentliche Spuren hinterlassen zu haben. Nach seinem Tod konnte die Krone zum erstenmal seit 60 Jahren wieder in direkter Erbfolge vom Vater auf den Sohn übergehen, so wie es die Tradition eigentlich verlangte. Mit diesem Sethos I., dem Vater unseres Ramses, werden wir uns im nächsten Kapitel beschäftigen.

Ramses der Große

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