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6. Kinderparadies

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Etwa eine Viertelstunde braucht die Gruppe, um bis zum Kuhstall zu gelangen. Begleitet werden sie von den beiden Schäferhunden Chiquita und Dickusch. Zunächst wandern sie entlang der schattigen Allee mit den hohen und früchtebeladenen Mispel- und Limabäumen sowie den Bäumen, von denen saftige – leider bittere! – Orangen leuchten. Danach führt sie der Weg an einem seichten Hang entlang. Weiter unten, inmitten des Maisfelds der Saavedras, vernehmen die Kinder ein seltsames Trommeln. Dieses wird hervorgerufen durch den sehr hageren jungen Miguel, der mit einem Holzklöppel rhythmisch auf einen alten Topfdeckel schlägt und mit seinem Singsang – „Huayko, Huayko, Huayko“ – bestrebt ist, die Schnepfen und Rebhühner von den vielen bereits heranreifenden Maiskolben zu verscheuchen.

Am Abhang wächst ein undurchdringliches Dickicht stacheliger Brombeerbüsche. Ein Blick nach rechts oben verrät etwas weiter vorn, inmitten von hochgewachsenen Eukalyptusbäumen, die Dachkontur der Casa Nueva. Endlich erspäht man weiter unten, halb versteckt unter üppigen Bananenblättern, das lang gezogene Wellblechdach des Corral. An den beiden großen Tränken vorbei führt dann der Weg hinunter zu den Stallungen. Rechts eine Koppel, auf der der mächtige Holstein-Bulle Hans mit einem Ring durch die Nase bedrohlich die vorbeiziehende Kinderschar beäugt. „Vor dem müsst ihr euch in Acht nehmen“, rät Bärbel. „Nur mein Vater traut sich näher an ihn heran, und das auch immer mit großer Vorsicht.“

Josef und Martha Schloß waren zusammen mit Rosita und Juanita Saavedra zum Stall vorgeeilt. Die beiden jungen Frauen helfen immer dann beim Melken aus, wenn, so wie heute, Hans und Urs anderweitig beschäftigt sind. Die Kühe stehen sich, an den Längswänden angebunden, in zwei Reihen gegenüber, jede unter einer Schiefertafel. Neben „Martha“, „Anna“ und „Lieselotte“ sind darauf auch „Meikuh“, „Meikalb“, „Faßele“, „Einhörnle“, „Sturkopp“, „Stößerin“ und andere mehr oder weniger ausgefallene Namen zu lesen.

Ehrfürchtig betreten die Kinder die Stallung. Auf den ein- oder dreibeinigen Schemeln sitzen die melkenden Frauen. Den Eimer zwischen den Knien festgeklemmt, bearbeiten sie fleißig die mageren Euter. Martha redet leise auf ihre Kuh ein, sie möge doch ihre Milch hergeben.

Lediglich karges Grünfutter finden die Rinder an den oberen Berghängen Guayrapatas, auf die sie nach dem Melken getrieben und dort für den Rest des Tages sich selbst überlassen werden. Deswegen erhält jede Kuh beim Melken einen Eimer mit angemachtem Afrecho als Ergänzungsfutter, damit wenigstens eine Tagesleistung von zwei bis drei Litern Milch je Kuh erreicht werden kann. Erfreulich hoch ist dagegen deren Rahmgehalt, der zwischen sechs und sieben Prozent liegt.

Vater Schloß, der gerade das Afrecho – Weizenkleie mit Wasser – knetet, bekommt Hilfe von Bärbel und Alfred, die diese Prozedur schon kennen. Moses und Oliver erhalten die Anweisung, einige große Lecksalzwürfel mit einem Hammer zu zerkleinern, um einige Brocken dem Futter hinzuzufügen. Die beiden Jungs schleppen dann die gefüllten Futtereimer in den Stall, damit die Melkerinnen sie ihren Kühen hinstellen können.

Rosa Adler hat sich Eimer und Schemel genommen und melkt ein Muttertier, das während der letzten Nacht gekalbt hat. Hans wurde um ein Uhr morgens von lautem Muhen geweckt und kam gerade rechtzeitig dazu. Das Neugeborene lag bereits auf dem Streu und er konnte die Nabelschnur durchtrennen, sie abbinden und desinfizieren. Er ist erfreut über den Zuwachs für die Herde, denn es ist ein Weibchen. Hans trägt es vorsichtig in den benachbarten Kälberstall. Mühelos gewinnt nun Rosa die gelbliche Biestmilch, die aus dem prall gefüllten Euter der gekalbten Kuh fließt und reich an wertvollen Inhalts- und Abwehrstoffen ist. Diese werden ihrem Kälbchen gleich zugutekommen.

„Ay, caramba!“, schreit Rosita wütend, denn sie hat soeben einen Schlag mit dem Kuhschwanz mitten ins Gesicht bekommen. Ihre Kuh stampft mit den Hufen und schnauft heftig in ihren Afrechoeimer hinein, um die lästige Fliegenschar zu vertreiben, die ihr beim Fressen um den Kopf herumschwirrt. Gerade noch kann Rosita den schon zu einem Viertel vollen Melkeimer retten.

Vorsichtig trägt Vater Schloß die Eimer mit der frischen Milch zu einer besonderen Schubkarre, auf der ein Tank fest montiert ist. Hier hinein gießt er die Milch und bringt dann das Leergut zurück in den Stall. Die Karre mit dem vollen Milchtank wird rasch in die Käserei gebracht. Dort werden Hans Adler und Urs Brunner am Abend die Morgenmilch zusammen mit der am Nachmittag gemolkenen verarbeiten.

Rosa Adler ist fertig mit dem Melken ihrer Kuh und trägt den fast vollen Melkeimer. Dann ruft sie: „Wollt ihr jetzt zu den Kälbchen? Dann kommt mit mir!“ Die Kinder lassen sich das nicht zweimal sagen und folgen Rosa. Alfred, Thea und Moses tragen ebenfalls volle Milcheimer, die ihnen Vater Schloß bereitgestellt hat.

Fünf Kälber kommen ihnen neugierig entgegen, als Bärbel die Türe öffnet. Noch etwas schwach steht der Neuankömmling auf zittrigen Beinen. Rosa gießt etwa die Hälfte der wertvollen Muttermilch in einen hölzernen Eimer, den Alfred ihr hinhält.

Oliver und Lissy sehen fasziniert zu. „Wie süß, darf ich es streicheln?“, fragt sie entzückt.

„Warte noch ein bisschen, mein Kind, erst muss das Kleine gefüttert werden.“ Dann fragt Rosa: „Wer will? Aber Vorsicht, es wird sicher stark mit dem Kopf in den Eimer stoßen!“


Thea hält das Kälbchen fest, während Moses ihm schräg den Eimer vor die Schnute hält und ihm drei Finger der zuvor in die Milch getauchten Hand zeigt. Bärbel hilft nach und steckt dem Säugling den Kopf in den Eimer. Dieser begreift sofort und macht sich gierig an seine Mahlzeit. Wie von Rosa vorausgesagt, muss Moses einige Kopfstöße des Kälbchens auffangen, aber alles läuft gut, bis es den Behälter leergesogen hat. Auch danach lutscht es noch kräftig an Moses’ Finger. Dann erinnert sich Moses plötzlich daran, dass er doch mit den Fingern sehr vorsichtig sein muss – er darf sich nicht verletzen. Das wäre schlimm für seine größte Leidenschaft, das Violinenspiel. Für ihn steht die Berufswahl schon seit seiner Kindheit fest: Er will unbedingt Musiker werden. Er ist tatsächlich sehr begabt, übt fleißig mehrere Stunden am Tag und ist der beste Schüler von Señor Osvaldo D’Amore, der sein Geigenlehrer am Konservatorium ist.

Inzwischen versorgen die anderen Kinder die restlichen Kälber, die alle durstig nach ihrer Milch lechzen, in gleicher Weise, wie Moses es getan hat. Oliver steht unentschlossen dazwischen und hätte auch große Lust, ein Kalb zu füttern, aber noch fehlt ihm dazu der Mut. Lissy schaut verträumt umher und ist gefesselt von diesem Bild.

„Was meint ihr, Kinder, wie wollen wir das neue Kälbchen nennen?“, fragt Rosa. Alle auf Guayrapata geborenen Kälber bekommen üblicherweise die Namen der gerade anwesenden Ferienkinder. So stehen da natürlich schon eine „Bärbel“ und eine „Thea“ in der Gruppe. Auch „Moisés“ und „Alfredo“ sind dazwischen, allerdings sind die kleinen Stiere weit weniger begünstigt als die Weibchen, denn ihnen droht schon nach wenigen Monaten der Weg zum schnöden Schlachter.

„Meint ihr nicht, wir sollten sie Lissy nennen?“, schlägt Thea vor. „Und da ist auch der kleine Stier, der noch keinen Namen hat, den nennen wir Oliver.“

Durch einstimmige, laute Akklamation wird der Vorschlag angenommen. So hat nun jedes der Kälbchen seinen Taufpaten und Lissy darf endlich ihr Patenkind streicheln. Schüchtern streicht sie mit ihrer Hand über das weiche, schwarz-weiß gefleckte Fell. Mit frohem Lachen quittiert sie die feuchte Schnauze, die ihr das Tier plötzlich unter den Rock steckt und diesen zur Belustigung aller hochhebt.

Glücklich und zufrieden verlassen die Kinder wenig später den Kälberstall. Bärbel verriegelt vorsichtig die Tür.

Als alle Kühe gemolken sind, werden sie losgebunden. Nach und nach verlassen sie den Stall. Meikuh und Faßele tragen kleine Kuhglocken um den Hals. Auch die Färsen, die noch nicht gekalbt haben und keine Milch geben, werden ins Freie gelassen. Nach labendem Aufenthalt an den Tränken trotten sie gemächlich auf den Berg, um hier und dort auf das begehrte Grünfutter zu stoßen. Stetig fressend steigen sie allmählich den Hang empor, bis man sie schließlich inmitten des dichten, grünen Gebüschs aus den Augen verliert. Nur ab und zu verrät ein Läuten, wo sie sich gerade aufhalten.

Martha Schloß macht sich rasch auf den Weg zurück in die Casa Vieja, um dort für das Mittagessen zu sorgen. Für die anderen ist es an der Zeit, den Stall auszumisten. Alle ziehen Gummistiefel an. Kräftig schieben die beiden Saavedra-Mädchen gemeinsam mit Vater Schloß die nächtliche Fladen-Hinterlassenschaft der Rinder auf dem Betonboden des Stalls zusammen. Alfred und Moses helfen tatkräftig mit, auch Oliver versucht sich an der Schaufel und die drei füllen Schubkarre für Schubkarre mit den Kuhfladen. Vater Schloß fährt die voll beladenen Karren durch die hintere Stalltür hinaus, wo der Dung auf einen Haufen am Hang hinabgeschoben wird. Dann spritzt er im Stall die Dungreste mit einem Wasserschlauch vom geriffelten Estrichboden. Das grünliche Abwasser fließt zur Stallmitte und unter der mit Gitterrosten abgedeckten Abflussrinne ins Freie.

Rasch vergehen die Stunden, dann müssen sich alle sputen – es ist Mittagszeit. Schon während des gehetzten Händewaschens vernehmen sie das Läuten der Mittagsglocke und den durchdringenden „Akuli“-Ruf Rosa Adlers. Höchste Eisenbahn also, um zu Tisch zu eilen!

Zur Freude der Kinder gibt es heute nach der unweigerlichen Gemüsesuppe Rindswürstchen vom Schlachter Goldfarb aus La Paz, dazu Kartoffelsalat. Zum Nachtisch hat Luisa einen Grießbrei vorbereitet, der mit dem selbst gemachten Brombeersirup übergossen wird. Nach dem Essen heißt es: Siesta bis um halb drei Uhr. Alle ziehen sich zurück. Da draußen die Sonne brennt und es sehr heiß ist, ist man froh, sich im Haus etwas abkühlen und dabei ausruhen zu können. Die Hunde Chiquita und Dickusch dösen im Schatten vor dem Magazin. Nur die beiden Saavedramädchen sind noch da: Sie decken den Tisch ab, waschen Geschirr und Kochtöpfe ab und säubern schließlich Esszimmer und Küche. Dann gehen auch sie hinunter in ihr Häuschen.

Pünktlich um halb drei läutet nochmals die Glocke. Diesmal ist es Vater Schloß, der ein lautes „Akuli listo!“ in die Luft schmettert. Damit ist für alle die Mittagspause beendet. Dann stimmt er vergnügt sein immer wiederkehrendes „Si señor, no señor, wie kommst du mir denn vor?“ an und wendet sich seiner Arbeit im Gemüsegarten zu.

Luisa hat bereits große Kannen mit duftendem Kaffee für die Erwachsenen und kalte Milch für die jungen Leute auf den Tisch gestellt. Dazu stehen große Stücke Gugelhupf bereit, den Heiko zusammen mit Ruth Kovacs am Vortag im kleinen Backofen der Küche gebacken hat. Miguel Saavedra, mit einem übergroßen Sombrero aus Stroh auf dem Kopf und einem langen Hirtenstab in der Hand, stößt jetzt auf die Gruppe. Er wird von allen begrüßt und mit Oliver und Lissy bekannt gemacht. Auch er bedient sich an Kaffee und Kuchen, denn er leitet das allnachmittägliche Heimholen der Rinder von den Feldern und Wäldern, wohin die Tiere während ihrer Tageswanderschaft auf der Suche nach Futter geraten sind. Dem geschickten Späher gelingt es stets, auch die hinterlistigsten versteckten Kühe zu finden und sie aus ihrem Schlupfloch herauszutreiben. Bei ihm kann man sicher sein, dass alle Rinder vollzählig in den Corral zurückkehren.

„Wer trommelt jetzt bei dir auf dem Maisfeld, während du weg bist?“, fragt Oliver neugierig.

Miguel antwortet belustigt: „Meine Mutter, Doña María, aber die kann nicht so laut rufen wie ich, deswegen haben es nun die Rebhühner für drei Stunden leichter, an ihr Futter zu herankommen. Aber es macht nichts, die müssen ja auch leben, und außerdem, wenn sie schön fett sind, schießen wir gern einige von ihnen zum Essen ab. Gebraten schmecken nämlich Perdices und Becasinas wirklich sehr gut!“

Nachdem sie sich gestärkt haben, macht sich die Gruppe aus Bärbel, Alfred und Thea unter Miguels Führung auf den Weg, um die Rinderherde hereinzuholen. Die beiden Schäferhunde laufen ihnen freudig hinterher. Moses kann nicht mitkommen, er geht hinunter zur Kapelle. Da er den ganzen Vormittag im Corral verbracht hat, muss er jetzt seine Übungsstunden nachholen. Bald darauf ertönen leise Geigentöne aus dem kleinen Bethaus.

Rosa Adler schlägt Oliver und Lissy vor, mit ihr wieder in den Kuhstall zu gehen, um sich dort an das Käsewenden zu machen. „Hans und Urs müssten mit den Mulas bald wieder hier sein. Sobald sie abgeladen sind, könnt ihr zur Casa Vieja zurückreiten.“

Die beiden Kinder folgen der flott vorausgehenden Rosa bis in den Corral. Dort angelangt, gehen sie um den Stall herum bis zur dahinter gelegenen Käserei. Hans Adler hat eine ehemals neben diesem Gebäude in den Berg geschlagene Grotte erweitert, deren Wände mit Mörtel geglättet und dann weiß gekalkt. Anschließend wurden Holzregale an die Wände gebracht, auf denen jetzt viele etwa dreißig Zentimeter große, runde Käselaibe jeweils zwei bis drei Monate lagern, um zu reifen. Ein schweres, mit einer dicken Kette und einem Schloss versehenes hölzernes Tor sichert den Eingang zum dunklen und kühlen Gewölbe. Unter Rosas Anleitung werden nun alle Käselaibe nacheinander auf einen Tisch gelegt, mit trockenen Leinentüchern abgewischt, mit Salzlake bepinselt und schließlich mit der zuvor unteren Seite nach oben wieder ins Regal gelegt. „Dies machen wir alle zwei Tage, damit der Käse trocknen, sich aber kein Grünschimmel an der Oberfläche bilden kann, denn der ist gesundheitsschädlich“, werden die Kinder belehrt.

„Aber Onkel Josef hat uns einmal einen Käse mit nach Hause gebracht, der innen voll mit grünem Schimmel war“, meint Oliver erstaunt. „Er hat gesagt, dass dies in Frankreich eine beliebte Käsesorte sei. Aber er schmeckte sehr streng, ich habe ihn nicht gemocht.“

Rosa lächelt. „Du hast recht, Oliver, du meinst sicherlich den Bleu-Roquefort-Käse. Ja, der hat einen grünblauen Schimmel im Inneren, aber dabei handelt es sich um eine essbare Schimmelart, die nicht schädlich für den Menschen ist. Außerdem ist dieser Käse aus Schaf- und nicht aus Kuhmilch. Sieh, mal hier“, sie zeigt auf einen grünen Schimmelrand, der sich auf einem der Regalbretter gebildet hat, auf dem sich jetzt gerade kein Käselaib befindet, „dies ist der Grünschimmel, den ich meine, der sieht doch ganz anders aus als der im Käse, nicht wahr?“ Sie wischt den Schmarotzer mit einem in Essig getränkten Lappen weg.

Während sie die letzten Käselaibe behandeln, vernehmen sie draußen laute „Vamos, vamos!“-Rufe. „Ach, ja“, meint Rosa erfreut, „da sind sie, unsere Männer! Danke für die Hilfe, wir sind hier ja fertig, lasst uns rausgehen!“

Erwartungsvoll laufen die Kinder voran, während Rosa das Tor mit der Kette sichert. Von Urs und Hans angetrieben, kommen nach und nach die voll beladenen Maulesel mit behutsamem Schritt den abschüssigen Weg herunter. Die durstigsten unter ihnen halten an den Wassertränken, um zu saufen.

„Hallo, Kinder! Wie geht es euch?“, fragt Hans.

„Prima, Herr Adler“, antwortet Oliver.

Lissy steht etwas schüchtern hinter dem Bruder, die Mulas sind ihr immer noch nicht ganz geheuer.

Rosa reicht den beiden Männern große emaillierte Becher mit Kaffee und eine deftige, mit einer dicken Käsescheibe belegte Butterstulle. Nachdem Urs und Hans gegessen und getrunken haben, machen sie sich sofort daran, die sechs Maultiere zu entladen. Die restlichen Mulas wurden bereits an der Casa Vieja von ihrer Last befreit. Als die festgezurrten Halteseile gelöst sind, werden die Tiere von den drei Jutesäcken mit Weizenkleie erleichtert, indem diese einfach zu Boden geschubst werden. Mit der Sackkarre werden sie anschließend in das kleine Magazin neben dem Corral gebracht. Plötzlich packt Urs ohne Vorwarnung Oliver und setzt ihn auf eines der Maultiere. Ehe Lissy protestieren kann, sitzt sie auch schon vor Oliver, der sie fürsorglich festhält.

Dann ruft Urs den anderen Mulis laut „Vamos, vamos!“ zu und nimmt das Tier, das die beiden Kinder trägt, an die Leine. Die Karawane zieht langsam den Hang empor, zurück zum alten Haciendahaus. Bald ist auch Lissy froh, dass ihr diesmal der Gang zu Fuß erspart bleibt.

Nachdem sie ihr Ziel erreicht haben, werden die Mulis vom Sattelzeug befreit. Urs besieht sich eines der Tiere, dessen Rückenwunde durch die heute getragene Last böse aufgescheuert wurde. Er bindet das Tier an den Balken. Dann holt er aus dem Magazin ein mit einer Desinfektionstinktur getränktes Leinentuch. Damit nähert er sich vorsichtig der nervös gewordenen Mula, die ihn misstrauisch beäugt. Offensichtlich hat das Tier mit der nun folgenden, recht schmerzhaften Behandlung bereits früher Bekanntschaft gemacht, denn es tänzelt unruhig hin und her. Urs packt es kurz an der Mähne und behandelt die offene Wunde mit dem mitgebrachten Tuch. Das Maultier schlägt mehrfach mit den Hinterläufen aus, aber Urs hält es eisern fest. Dann, ganz langsam, beruhigt es sich wieder und lässt brav den Schweizer gewähren, der nun die Wunde sanft mit einer lindernden Salbe bestreicht und sie danach mit einem sauberen Leinentuch bedeckt. „Darfscht di nu ine Wochlang uf de Matte usruhe!“, flüstert er in das lange Ohr des Tieres. Dann löst er vorsichtig den Griff an der Mähne und krault das Tier liebevoll an Kopf und Ohren, schließlich befreit er es von der Leine. Durch die geöffnete Tranquera galoppiert es eilig seinen Artgenossen auf die Koppel hinterher.

Kurz darauf kommen auch schon die ersten Rinder durch die Pforte, gefolgt von den japsenden Chiquita und Dikusch, die sofort gierig an ihrem Wassernapf schlabbern. Vater Schloß dirigiert das Vieh gleich weiter auf den Weg zum Kuhstall. Weiter unten ist das Rufen der Treiber zu hören, die eine hier oder dort zum Fressen stehen gebliebene Kuh zum Weitergehen auffordern. Fruchtet der „Vamos, vamos!“-Ruf nicht, greift Miguel zum probaten Mittel seiner Indio-Schleuder. Er ist ein treffsicherer Schütze, der die runden kleinen Steine, die er in einem Ledersäckchen am Gürtel trägt, zielgerecht den zögernden Tieren auf den Rücken schießt.

Den Tieren, die sich jetzt alle auf den sicheren Weg in den Rindercorral machen, folgen die wackeren, aber durch und durch verschwitzen Treiber, die erst einmal ihren Durst mit einem mit Wasser verdünnten Limasaft stillen. Lima, diese leicht bitter-sauer-süß schmeckende Zitrusfrucht, ist wohl aus einer Kreuzung von Limonen und Orangen entstanden und gedeiht hier auf Guayrapata im Überfluss. Unter deren grünlich-gelben, hauchdünnen Schale und einer ebenso zarten weißen Albedoschicht zeigen sich die saftigen, hellgelblichen Fruchtsegmente, die man sowohl als Frucht als auch zu einem erfrischenden Trunk gepresst genießen kann.

Nachdem die Herde ihren Durst an den Stalltränken gelöscht hat, sondert Miguel geschickt die Färsen aus dem Pulk aus und treibt sie auf ihre Koppel. Die Milchkühe finden selbstständig den Weg hinunter in den Stall und jede steuert ihren unter der jeweiligen Namenstafel angestammten Platz an. Dort werden sie von Hans, Bärbel und Urs angeleint und auf etwaige Verletzungen untersucht. Bärbel sagt zu Urs: „Sieh mal, die Lieselotte hat zwei große Garrapatas am Hals.“ Urs holt eine Zeckenpinzette aus seiner Weste und entfernt damit die mit Blut vollgesogenen Schmarotzer. Diese werden in einer verschließbaren Dose gesammelt. Wenn die voll ist, werden die Zecken an die Hühner verfüttert, die sich diese Delikatesse nicht entgehen lassen. „Morgen früh werden wir die Kühe nach dem Melken mal wieder mit Auto-Altöl einschmieren“, sagt Hans. Diese bewährte Methode wird schon seit Langem gegen die Zecken eingesetzt. „Das Altöl reicht nicht mehr für alle“, antwortet Urs. „Patrón Rembowski muss für Nachschub sorgen.“

„Na gut, dann eben soweit der Vorrat reicht.“

Hans bittet Miguel, der sich nach getaner Arbeit gerade verabschiedet, auch morgen früh zu kommen, um beim Einschmieren zu helfen. „Muy bien, Don Hans, hasta mañana!“, bestätigt Miguel mit einem Lächeln und lüftet dabei seinen breiten Sombrero.

Hans, Rosa, Urs, Bärbel und auch Vater Schloß machen sich jetzt eifrig ans Melken.

Flugs und ereignisreich ist dieser Nachmittag vorübergegangen. Die Hitze lässt langsam nach, die Sonne neigt sich allmählich dem gegenüber gelegenen Bergkamm zu. Alle Kinder haben sich inzwischen an der Casa Vieja versammelt. Martha Schloß scheucht sie auf: „Rasch ausziehen, und dann ab zum Duschen ins Badehaus! Nehmt euch aber vorher aus eurem Zimmer Handtücher und saubere Wäsche mit. Schmutzige Sachen kommen in den Korb!“

Thea und Bärbel nehmen Lissy mit in das Damenabteil, während sich Oliver zu Alfred und Moses in den daneben gelegenen Duschraum gesellt. An dessen Tür steht in schwarzen Buchstaben: „Hombres“ – Männer. Oliver will sogleich den Wasserhahn einer Dusche aufdrehen, doch Moses hält ihn mit einem vielsagenden Grinsen davon ab. Von nebenan vernehmen die Buben genüsslich das Juchzen der Weiblichkeit unter dem aus der Rohrleitung strömenden, zunächst noch kühlen Wasser, das erst allmählich in eine angenehme, warme Temperatur übergeht. Jetzt erst öffnet Moses den Duschhahn. Während sich die Jungen einseifen, beobachtet Oliver verwundert die Geschlechtsteile seiner Kameraden, die, im Gegensatz zu seinem Penis, keine Vorhaut haben. Auch Moses und Alfred bemerken irgendwann ebenfalls Olivers „kleinen Unterschied“. Keiner von ihnen wagt etwas zu sagen, sie sehen sich nur gegenseitig stumm an. Wortlos stehen sie noch eine Weile unter den Duschköpfen, dann trocknen sie sich ab und ziehen ihre frischen Sachen an. Moses verlässt, gefolgt von Alfred, als Erster den Duschraum. Oliver bleibt zunächst zurück und weiß nicht, was er denken soll. Völlig konfus über die soeben gemachte Entdeckung, sitzt er auf der Holzbank und hält den Kopf zwischen seinen Händen. Irgendwie rollen plötzlich dicke Tränen über seine Wangen.

Moses, der ja um einiges älter ist als Oliver, hat dessen Ratlosigkeit bemerkt. Vertrauensvoll wendet er sich an Vater Schloß und erzählt ihm, was sich soeben zugetragen hat. Dieser nickt nur kurz, gibt Moses einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter und geht unverzüglich ins Duschhaus.

Schweigend setzt er sich neben Oliver auf die Bank, reicht ihm ein Taschentuch und legt den Arm über seine Schulter. „Du musst dir keine Sorgen machen, mein lieber Junge. Das, was du soeben gesehen hast, ist ganz natürlich und normal. Du bist kein Sonderling, weil du da unten ein wenig anders aussiehst als die anderen Jungs. Wenn wir Männer geboren werden, sehen wir alle genauso aus wie du, weißt du? Bei uns Juden ist es nur so, dass wir von Gott ein Gebot erhalten haben, dieses Stückchen Haut an der Spitze des Gliedes zu entfernen, um mit Ihm den Bund zu schließen. Das passiert schon am siebten Tag nach unserer Geburt, und es wird von einem dafür besonders geschulten Mann, dem Mohel, durchgeführt. Danach gibt es ein großes Familienfest – so ähnlich wie bei der Taufe der Christen, bei denen du aufgewachsen bist. Bist du getauft worden?“

„Nein, Vater Schloß“, schluchzt Oliver, den die sachliche Erzählung ein wenig beruhigt hat. „Ich glaube, meine Mami ja, aber Papi und Lissy auch nicht. Ich habe schon im Religionsunterricht bei Herrn Bremer vieles erfahren, aber das, was Sie mir jetzt gesagt haben, hab ich nicht gewusst.“

Die Glocke läutet. Es ist der Ruf zum Abendbrot. „Komm, Buberle, wir müssen. Mach dir keine Sorgen mehr, ich erkläre es den anderen Jungs. Aber eins sollst du ruhig wissen: Seit Langem habe ich nicht mehr so viel geredet wie soeben.“ Dann drückt er Oliver nur kurz und beide gehen Hand in Hand hinüber zum Speisezimmer.

Die Jungen haben das gerade Erlebte offensichtlich gut weggesteckt, denn alle unterhalten sich fröhlich beim Vertilgen der dicken Scheiben des frischen Bauernbrotes aus Heikos Bäckerei, das die Mulis heute mit heraufgebracht haben. Als sie satt sind, schlägt Bärbel vor: „Wollen wir nicht in den Kuhstall gehen, um meinem Vater und Urs beim Milchentrahmen zuzusehen?“ Oliver, Alfred und Lissy nicken eifrig, während Thea mit einem leicht verführerischen Blick versucht, Moses dazu zu bewegen, doch lieber mit ihr in der Casa Vieja zu bleiben. Dieser tut so, als hätte er Theas Augenspiel nicht bemerkt, und steht auf, um gemeinsam mit der Gruppe in den Corral zu gehen. Enttäuscht wendet sich Thea ab und geht hinauf auf ihr Zimmer, um sich ein Buch zu holen.

Gerade als die Kinderschar die Käserei betritt, gießt Urs die gemolkene Milch in den großen Trichter einer gewaltigen „Alfa Laval“-Maschine, an deren mächtiger, hölzerner Kurbel Hans Adler eifrig dreht.

„Was ist das?“, fragt Lissy verwundert.

Bärbel erklärt: „Das ist eine Zentrifuge. Die hat viele sehr dünne Metallhüte, die aufeinander liegen und die sich sehr schnell drehen müssen, damit der Rahm sich von der Magermilch trennt.“

„Und wozu macht ihr das?“, will Oliver wissen.

Jetzt ergreift Urs das Wort und bemüht sich redlich, nicht Schwyzer-, sondern Hochdeutsch zu sprechen: „Also, die Kuhmilch ist eine Mischung aus Fett und Wasser. Wenn diese beiden Bestandteile so vermischt sind, wie es die Kühe im Euter haben, dann sieht eben die Milch so weiß aus, wie wir sie kennen. Aber neben Fett hat die Milch noch viele andere, sehr wertvolle Inhaltsstoffe, die für die Ernährung von Mensch und Säugetieren so wichtig sind. Deswegen müssen vor allem Kinder sehr viel gesunde Milch trinken.“ Er macht eine Pause, weil der ständige Klingelton der Zentrifuge meldet, dass die erforderliche Drehzahl des Trichterpakets erreicht wurde. Er löst nun Hans an der Kurbel ab und dieser öffnet den kleinen Hahn am Trichter, damit die Milch in die Maschine fließen kann.

Bald darauf sagt Bärbel: „Seht her, aus dem größeren Auslaufrohr rinnt jetzt die Magermilch, aus dem anderen ein viel dünnerer Sahnestrahl.“

Die Flüssigkeiten werden in getrennten Gefäßen aufgefangen. Erst nachdem die gesamte, heute gemolkene Milchmenge durchgelaufen ist, hört Urs mit dem Kurbeln auf. Das Lamellenpaket schwirrt noch mit lautem Summen eine ganze Weile umher, bis es schließlich langsamer wird und am Ende ganz anhält.

Hans und Urs haben inzwischen die Magermilch in einen sehr großen Kessel gegossen. Darunter wird ein kleines Propangasstövchen angezündet, um die Milch zu erwärmen. „Jetzt geben wir etwas Lab dazu. Das ist ein Stoff aus dem Kälbermagen“, erklärt Urs, während er die Milch mit einer großen Holzkelle umrührt. „Das Lab haben die kleinen Tiere im Bauch, um die Milch besser zu verdauen. Wir brauchen es aber, um den Käsebruch in der Magermilch aus der Molke, also dem Milchwasser, herauszutrennen. Den Käsebruch kennt ihr ja, den habt ihr heute Abend gegessen, den Quark mit Schnittlauch. Und wenn wir diesen Quark zusammenpressen und ihn reifen lassen, dann bekommen wir den Schnittkäse, den ihr auch auf dem Brot hattet.“ Er hört auf zu rühren und löscht die Gasflamme. „So, jetzt lassen wir das Ganze ein paar Stunden ruhen, und dann fischen wir den Quark aus der Molke heraus.“

„Was passiert mit dem Rahm?“, fragt Oliver.

„Einen Teil schicken wir in den Milchkannen nach La Paz. Daraus können die Leute dann Schlagsahne machen. Den anderen Teil rühren wir hier so lange, bis daraus Butter geworden ist“, antwortet Hans.

„Und die Flüssigkeit, die dabei übrig bleibt, das ist Buttermilch, so wie wir sie wir heute Abend getrunken haben“, ergänzt Bärbel.

Mittlerweise haben Moses, Bärbel und ihre Mutter die Zentrifuge zerlegt. Die vielen, sehr empfindlichen Lamellentrichter aus dünnem Edelstahlblech sowie die Auslauftüllen werden sorgfältig in heißem Wasser gereinigt und danach zum Trocknen auf Leintücher gelegt.

„So, und nun alle schleunigst zurück in die Casa Vieja!“, kommandiert Rosa Adler. „Höchste Zeit, um ins Bett zu gehen. Vamos, vamos!“

Rasch vergehen die nächsten Tage. Den Kindern werden täglich neue Erfahrungen und wertvolle Erkenntnisse vom Leben auf dem Lande geboten. Da Bärbel ständig auf Guayrapata lebt und sich keine öffentliche Schule in Reichweite befindet, erhält sie täglich Unterricht von ihrer Mutter Rosa. Der Aufenthalt von Ferienkindern im Winter und im Sommer ist daher der Mutter äußerst willkommen, weil dann bei den gemeinsam gehaltenen, täglichen Unterrichtsstunden ein fruchtbarer Wissensaustausch unter den Schulbesuchern verschiedenster Klassen stattfinden kann. Auch für die Ferienkinder ist eine Auffrischung ihrer Kenntnisse während der immerhin fast drei Monate andauernden Sommerferien von Vorteil. Von Moses erhält Bärbel vor allem Spanisch- und Englischunterricht, denn Spanisch beherrschen die beiden Adlers nur, soweit es für den täglichen Gebrauch notwendig ist, Englisch dagegen überhaupt nicht.

So wechseln sich die Kinder mit den zu verrichtenden Aufgaben täglich im Hühnerstall, bei Vater Schloß im Gemüsegarten oder im Rindercorral ab. Lissy hat beim Einpacken der Hühnereier in aus alten Zeitungen geschnittene Papierstreifen ein besonderes Geschick entwickelt. Sorgfältig umhüllt sie die Eier und entweder Alfred, Thea oder Oliver legen diese in die mit Sägemehl gefüllten Transportkisten. Ist eine Lage vollständig, kommt eine weitere Schicht Sägemehl darüber. Dieser Vorgang wiederholt sich so lange, bis die innen mit Zinkblech ausgeschlagene Holzkiste voll und mit einem Vorhängeschloss gesichert ist.

Dreimal in der Woche – montags, mittwochs und freitags – ist „Puente Villa“-Tag. Dann werden die Mulas auf den Hof getrieben, verarztet und gesattelt. Meistens sind es sechs bis acht Lasttiere, die auf die Reise gehen, sowie ein Reitmuli für Hans Adler, der in der Regel den Treck begleitet. Die Maulesel werden mit den Erzeugnissen der Hacienda – Käselaibe, frischer Quark und Butterpakete, Eierkisten und Sahnekannen sowie geflochtene Körbe mit Vater Schloß’ frischem Gemüse und Obst – beladen, die zum Verkauf nach La Paz kommen. Sind Gäste angemeldet oder im Begriff abzureisen, werden weitere Mulas zum Reiten gesattelt und mit den Alforjas – Satteltaschen – für das Gepäck der Besucher ausgerüstet.

An diesem Mittwoch ist es aber Urs Brunner, der mit der Karawane durch die Pforte hinausreitet. Bärbel kündigt den anderen Kindern an, dass sie sich heute das besondere Schauspiel im Kuhstall nicht entgehen lassen sollten. Das angekündigte Ereignis findet erst nach dem Melken und dem Auftrieb der Rinder statt. Hans Adler wagt sich mit einem großen Eimer mit angemachtem Afrecho auf die Koppel, wo sich sein Namensvetter, der Bulle Hans, befindet. Dieser trabt friedlich heran und macht sich sofort über den mitgebrachten Leckerbissen her. Währenddessen lässt er sich widerstandslos mit einem Strick, den ihm Hans um die Hörner legt, an einem der Holme festbinden. Während der Bulle gierig mit seinem Afrechoeimer beschäftigt ist, striegelt und bürstet ihm Hans das Fell. Dann bindet er den Bullen los und schiebt die Holme der Tranquera beiseite.

Weiter unten, zwischen dem kleinen Lagerhaus und dem Stallgebäude, gibt es eine mittelhohe Mauer, an der drei Rinder, zwei Milchkühe und eine Färse angebunden sind. Wild schnaubend trabt nun Bulle Hans den Weg hinab. Dann schnüffelt er abwechselnd an den Hinterteilen der ihm so dargebotenen Rinderdamen und macht dabei eine eigenartige Bewegung mit der Schnauze in der Luft. Dann plötzlich besteigt er zunächst die Färse, die laut muhend vergeblich versucht, sich gegen das immense Gewicht, das nun auf ihr lastet, zur Wehr zu setzen. Schon bald lässt Bulle Hans von ihr ab und wendet sich der nächsten Kuh zu, bei der er ebenfalls brav seine Pflicht erfüllt. Der dritten Kandidatin wendet er mit Verachtung den Rücken zu und trabt selbstzufrieden zu seiner Koppel zurück.

„Ja, Kinder, jetzt habt ihr gesehen, wie die kleinen Kälbchen gemacht werden“, ulkt Hans Adler grinsend.

„Wann kommen denn die heraus?“, fragt Lissy, noch benommen von dem soeben Erlebten.

„Das ist genauso wie bei uns Menschen“, antwortet Bärbel. „Die Tragezeit dauert etwa neun Monate und noch ein paar Tage dazu, dann kommen die Kälber zur Welt.“

Als die Kinder auf dem Rückweg in die Casa Vieja sind, kommt Lissy ganz nahe an Oliver heran und flüstert ihm ins Ohr: „Glaubst du wirklich, dass der Papi und die Mami so etwas auch machen?“

Oliver, ratlos, stottert: „Ich weiß es nicht genau, aber es muss ja so ähnlich sein, oder? Jedenfalls hat die Mami dich auch in ihrem Bauch getragen, bevor du geboren wurdest.“

Cantata Bolivia

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