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2018-Bluffdale, Bundesstaat Utah – USA, Die Baugenehmigung

Harry Coopers Gesicht beginnt zu strahlen, während er das offizielle Schreiben des Gemeindebüros von Bluffdale überfliegt. Diese Baugenehmigung leitet mit dem Errichten der Lagerhalle die Entwicklung des Vorhabens in die entscheidende Phase. Augenblicklich greift Cooper zum Telefon und gibt fernmündlich grünes Licht für den Start der Baugrunderschließung. Diese Hürde ist genommen. Wenige Tage später rücken Bautrupps an und beginnen mit Vorbereitungen für die Erdarbeiten.

Bald wird der strategische Stützpunkt errichtet sein, von dem aus die Organisation den schicksalhaften Schlag führen wird. Vor Tagen las Cooper in der Zeitung von der Möglichkeit, die Anlage der NSA südlich von Bluffdale per Führung zu besichtigen. Dem Artikel war die Rufnummer beigefügt. Er greift zum Telefonhörer und wendet sich an das Besucherzentrum der NSA im Utah Data Center, um einen Besichtigungstermin zu vereinbaren. Nach Angabe seiner persönlichen Daten samt Mobilfunknummer heißt es, er werde per Rückruf informiert.

Zwei Tage darauf erhält er den Anruf eines NSA-Mitarbeiters. Dieser nennt Termine, die zur Auswahl stehen, und fragt, welchen Termin er davon wahrnehmen werde. Cooper gibt den kommenden Dienstagvormittag als Termin durch. Der Mitarbeiter antwortet, er solle sich um zehn Uhr am Visitor Control Center einfinden. Der Anrufer macht ihn darauf aufmerksam, dass Fotografieren auf dem gesamten NSA-Gelände streng untersagt sei. Auch das Rauchen und das Tragen von Waffen werden dort nicht geduldet. Das Smartphone sei bei der Führung in den Flugzeugmodus zu schalten. Alle Verhaltensregeln seien am Visitor Control Center per Aushang ausgewiesen und werden zusätzlich als Flyer ausgehändigt. Niemand solle bei einem Verstoß behaupten können, er habe dies oder jenes nicht gewusst. Der Besucher-Koordinator der NSA legt auf.

Cooper vermerkt den Termin in seinem Smartphone-Kalender, setzt eine angemessene Erinnerungszeit und schaltet sein Notebook ein. Er will sich für die Führung gut rüsten.

Unter dem Begriff NSA listet die Suchmaschine eine Vielzahl von Artikeln. Er stößt auf einen Eintrag in Wikipedia zur Schweizer Crypto AG, in dem von einer Operation Rubikon berichtet wird. Unter dem Mantel der Verschwiegenheit erwarben im Jahr 1970 der deutsche Auslandsnachrichtendienst BND gemeinsam mit der US-amerikanischen CIA die Crypto AG, unter Vermittlung des deutschen Technologie-Konzerns Siemens. Das Bundeskanzleramt war damals eingeweiht. Mit Kenntnis Schweizer Beamten veranlassten die Geheimdienste, vielen Staaten Chiffriermaschinen mit schwächerer Verschlüsselung auszuliefern, die vom BND und der CIA gelesen werden kann. Mehr als einhundertdreißig Regierungen waren Kunden der Crypto AG. Alles, was an Gräueltaten in den Ländern geschah, wurde von diesen Geheimdiensten abgehört und an die US-amerikanische oder deutsche Regierung weitergeleitet. Dagegen protestiert wurde von beiden Regierungen nicht. Schließlich durften die Dienste nicht in den Verdacht geraten, geheime Botschaften entschlüsselt zu haben.

Die Erträge der Crypto AG liefen bei der Stiftung in Liechtenstein auf, die nach München überwiesen wurden. Die Hälfte des Betrags holten zwei BND-Mitarbeiter in bar ab und übergaben sie in einer Tiefgarage zwei CIA-Mitarbeitern. Die andere Hälfte wurde ebenfalls bar abgehoben und ging über den BND-Vizepräsidenten direkt an das Kanzleramt der Bundesrepublik Deutschland. Der BND muss seine Einnahmen eigentlich dem Bundestag offenlegen, doch bei den Crypto-Einnahmen trickste der Geheimdienst. Die jährliche Gewinnausschüttung wurde dem BND-Haushalt zugeschlagen. Haushaltsausschuss und Rechnungshof hatten darüber keine Kontrolle.

1993 vereinbarte die Regierung der Bundesrepublik Deutschland mit der NSA den Ausstieg des BND aus der Crypto AG, während die CIA bis zum Jahr 2018 alleinige Eigentümerin blieb.

Bereits 1996 widmete das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel in seiner Ausgabe 36 unter dem Titel „Wer ist der befugte Vierte? Geheimdienste unterwandern den Schutz von Verschlüsselungsgeräten“ dem Geschäftsgebaren der Crypto AG einen Artikel.

Cooper ist sprachlos über diese Dreistigkeit des BND und der CIA - nachrichtendienstlich der NSA.

Auf einen weiteren Fall stößt Cooper bei Recherchen in Reportagen des Nachrichtenmagazins Der Spiegel in der Ausgabe 20 von 2013 mit dem Titel „AGENTEN - Einer gegen Amerika“.

William Porter1 gilt als loyaler Mitarbeiter der National Security Agency (NSA). Die Privatsphäre der Bürger schützt der vierte Zusatzartikel der US-amerikanischen Verfassung – ein Kleinod der Bürgerrechte. Für Porter unvorstellbar, von diesem Prinzip abzuweichen.

Porter trifft in frühen Jahren auf das Team des Mathematikers Josef Winters1 - seit 36 Jahren bei der NSA. Winters wird von den Kollegen als einer der besten Analytiker bei der NSA bezeichnet. Der entwarf ein Projekt namens ThinThread, einem sehr eleganten Programm, das aus Informationen lediglich das herausfiltert und speichert, was gewünscht ist. Der damalige Direktor der NSA entschied sich dagegen. Er beschloss, das Programm Trailblazer von externen Firmen entwickeln zu lassen. Statt wesentliche Daten auszuwerten, soll das Programm große Datenmengen erfassen. Eklatanter Unterschied zu ThinThread ist, dass Trailblazer sämtliche Sicherheitsbedenken außer Acht lässt. Entgegen der Verfassung können Bürger ohne gerichtliche Vollmacht abgehört werden - ein Verstoß gegen das verbriefte amerikanische Bürgerrecht. Winters und sein Team antworten auf diese Entscheidung mit vorzeitiger Kündigung. Porter, der Jüngste im Team, will bleiben. Er hatte ein Prinzip im Geheimdienst entdeckt, das ihm missfiel und das er für abscheulich hielt. Er war nicht bereit, sich kampflos zu fügen. Stellar Wind wurde das neue Überwachungsprogramm genannt. Statt gesetzlich erlaubte Informationen zu sammeln, speicherte die NSA alle Daten, die sich aufzeichnen ließen. Bald ist von einem neuen Rechenzentrum zur Speicherung aller Daten die Rede – dem Bau des Utah Data Centers in Bluffdale.

Systematische illegale Überwachung von Amerikanern sei, seit 1972 Präsident Richard Nixon im Watergate-Skandal wohl tausendfach politische Gegner und Bürgerrechtsaktivisten überwachen ließ, nicht mehr öffentlich geworden. Porter legte bei seinem Vorgesetzten Widerspruch ein. Gemeinsam mit Winters schrieb er dem Verteidigungsministerium und dem Sicherheitsausschuss. Es ginge um Verfassungsverstoß – außerdem um Steuergeldverschwendung. Eines Tages wird Porter in das Büro des Generalinspekteurs der NSA gerufen. Der verdeutlicht ihm, dass dieses Überwachungsprogramm direkt vom Weißen Haus, somit vom amerikanischen Präsidenten abgesegnet wurde. Porter schrieb darauf hin einer Reporterin der Zeitung Baltimore Sun. Damit, so spekulierte Porter, setze er allenfalls seinen Job aufs Spiel.

In der Dämmerung des 28. November 2007 rückte vor dem weißen Holzhaus in seinem Wohnort das FBI an. Die Spezialisten der Anti-Terror-Einheit durchsuchten seine Wohnung und stellten alles auf den Kopf. Ihnen blieb nichts verborgen. Beim späteren Verhör fragte ihn ein Staatsanwalt: „Mr. Porter, was halten Sie davon, für den Rest Ihres Lebens im Gefängnis zu sitzen?“ Porter verliert seinen Job bei der NSA. Erst zweieinhalb zermürbende Jahre später, 2010, lautete die Anklage auf Spionage. Für den patriotischen Porter eine ungeheuerliche Verletzung seiner Würde. Fünfunddreißig Jahre Gefängnis drohten ihm schlimmstenfalls. Fünf Staatsanwälte und fünfundzwanzig FBI-Beamte lassen sich mehr als fünf Jahre lang Zeit mit der Bearbeitung des Falles. Das Ziel war es, Porter zu zerstören. Das Gericht stellte fest, dass Porter der Reporterin keine sicherheitsrelevanten Informationen weitergegeben hatte. Nach fast vier Jahren und achtzigtausend Dollar Anwaltskosten fiel die Anklage gegen Porter in sich zusammen. Jobs beim Nachrichtendienst oder in der Verwaltung wurden ihm mangels Unbedenklichkeit verweigert. Seinen Rentenanspruch, der ihm in fünf Jahren zugestanden hätte, verliert er. Alle Ersparnisse hatte der Prozess aufgebraucht. Ohne Einkommen verliert er seine Krankenversicherung. Er ist ein gebrochener Mann, der versucht, diesen Makel zu verbergen. Gelegenheitsarbeiten helfen ihm, sein Leben über Wasser zu halten.

Cooper ist erschüttert über das Schicksal eines aufrechten Staatsbürgers, der an den Intrigen eines Rechtsstaats scheitert. Der Gedanke an die Operation BABI lässt seine Wut über diesen Fall in den Hintergrund treten, der allmählich Rachegelüste und Vorfreude weichen.

1 Namen vom Autor geändert

Operation BABI

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