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Mittellose ohne Behandlung?

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Wussten Sie, dass Ärzte es ablehnen dürfen, Patienten zum Basistarif privater Krankenversicherungen zu behandeln?

Es klingt wie ein Treppenwitz, wenn der tatsächliche Zustand nicht so menschenverachtend wäre: Wer kein Geld und keinen anständigen Tarif hat, der wird als Mensch zweiter, besser gesagt dritter Klasse, diskriminiert, und eine auf optionalen Gewinn ausgerichtete Arztpraxis wird also JEDERMANN, der nicht zu den Glücksträgern auf der Sonnenseite des Lebens gehört, ihren Beistand verweigern!

Nun sollte grundsätzlich entsprechend des Gesetzes ein jeder Bundesbürger krankenversichert sein, das trifft für einen geringfügigen Teil der Bevölkerung allerdings nicht zu. – Der Hauptgrund dafür ist, dass so manch einer nicht die finanziellen Ressourcen hat, um teure Policen zu bedienen. Das Exempel von JEDERMANN zeigt, wie es in seinem Portemonnaie aussieht, ob er sich mit diesen minimalen Einnahmen außer den Haushaltmitteln und der gleichen eine Kranken- nebst obligatorischer Pflegeversicherung, leisten kann. Für den Arzt gilt unisono:

Privatversicherte sind Euro-Scheine auf zwei Beinen,

allerdings nur unter der Voraussetzung, dass ihre Versicherungsscheine einen rechtschaffenen Tarif beinhalten.

Eine große Anzahl von privat Versicherten gibt es, wie frühere Selbständige, die im Rentenalter in der Grundsicherung angekommen sind und kaum die Möglichkeit sehen, die exorbitante Steigerung der Verischerungsprämien in den letzten Jahren zu entrichten. Sie werden froh sein können, wenn durch Zuwendung mildtätiger Zeitgenossen ein sogenannter Basistarif eingegangen werden kann.

In der Annahme eines gesetzlichen Betrages der Grundsicherung in Höhe von € 345 sollte man kein Fehlurteil aufstellen, denn eine Krankenversicherungspolice im Basistarif kostet monatlich € 690. Wir glauben daher, eine positive Beurteilung der Situation des JEDERMANN ist nicht möglich. Gut, als Rentner hat er zum bewährten Glück seine Frau JEDERMANN, die dem Haushalt die eigene Rente beifügt.

Ohne weiter darauf einzugehen, wie die beiden ehelichen Finanzkünstler ihr Leben fristen, wollen wir ausschließlich betrachten, welche Chancen der heilsuchende Privatpatient mit der untersten Vertragsstufe Basistarif der Versicherung hat, um die honorigen Herren im weißen Kittel im Anschluss an ihre Leistung finanziell zufrieden zu stellen.

Der Zahnschmerz plagt J. sehr, er sucht also einen neuen Zahnarzt auf, da der langjährige Dentalspezialist sich selbst in den Ruhestand versetzt hatte. Dies dürfte an sich noch kein Problem darstellen, immerhin gibt es in der BRD 54.000 niedergelassene Ärzte dieser Fakultät.

Er wird recht freundlich empfangen, denn auch die Hilfe ist daran interessiert, den Patientenstamm zu vergrößern. JEDERMANN legt also seine Plastikkarte vor, der schnelle Einschub in das Ladegerät erleichtert die Anlage der Krankendatei. Der Hilfesuchende setzt also voraus, dass der auf der Karte der privaten Versicherung vermerkte Basistarif nicht nur der cleveren Helferin bekannt wird, sondern auch dem rührigen Bohrspezialisten.

Dieser begrüßt den neuen Patienten mit aller Höflichkeit, von der man annehmen kann, dass sie Freude auf einen neuen Kunden verbreitet. – Die Beschäftigung mit dem schmelzenden Zahn geht flugs voran und da keine Besonderheiten zu erwarten sind,. Ist die Tätigkeit des Spezialisten schon beim ersten Besuch beendet.

Die Rechnung des Zahnarztes flattert ein wenig später ins Haus, allerdings verursacht sie ein gewissen Staunen: Der im Basistarif vorgeschriebene Faktor von 1,8 bedeutet, dass die Vergütung sich nach der amtlichen Gebührenordnung (GOÄ) richten muss. Er wurde jedoch nicht berechnet, hingegen der erhöhte Faktor 2,3 für Versicherungsverträge mit höherem Niveau abgerechnent. Die Rückfrage beim Zahnarzt wird mit folgender Antwort beschieden:

Die Grundlage unserer Abrechnung ist die aktuelle Gebührenverordnung für Zahnärzte, nicht Ihr Versicherungstarif. Da wir versäumt haben, im Vorfeld Ihrer Behandlung darüber zu sprechen, ändere ich Ihre Rechnung ausnahmsweise auf den 1,8 fachen Gebührensatz. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass ich bei zukünftigen Behandlungen mindestens den 2,3 fachen Gebührensatz anrechnen muss.

Die Beurteilung dieser Kalkulation überlassen wir gerne dem Leser. – Warum gibt es also Tarife der Krankenversicherung und der Patient wird nicht danach bedient?

Beispiel zwei folgt alsbald: Eine angeratene Untersuchung für Herrn JEDERMANN des Orthopäden galt einem Mediziner der Venenheilkunde, also einem Phlebologen. Der gleiche Vorgang wie beim Zahnarzt spielte sich dementsprechend ab. Karte abgegeben, Patientendatei angelegt und die Untersuchung der inkriminierten Stelle am Bein nahm ihren Lauf. Die im Institut mögliche Diagnosemaßnahme, die bei einer aktuellen Venenerkrankung vorgesehen ist, hat eine Assistentin zur Gänze durchgeführt. Die Beurteilung der hinzugezogenen Ärztin in einem kurzen Dialog war von guter Nachricht gekrönt und lautete o.B., zu gut Deutsch ohne Befund.

Die Freude war groß, dauerte jedoch nur wenige Tage an, so lange nämlich, bis die nette Briefträgerin die Liquidation aus der Praxis überbrachte. JEDERMANN hatte plötzlich ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend und seine Vorahnung bestätigte sich beim Öffnen des Briefes, die Rechnung war mit Faktor 2,3 ausgewiesen, anstelle der vorgeschriebenen 1,8.

Freundlich auf diese Situation aufmerksam gemacht, kommt die Antwort bald.

Sehr geehrter Herr JEDERMANN, schreibt der bislang unbekannt gebliebene Inhaber der Praxis weiter, leider konnten wir nach Einlesen Ihrer Versichertenkarte nicht erkennen, dass Sie im Basistarif versichert sind. Deswegen die veränderte Rechnung. Ich darf Sie allerdings darauf aufmerksam machen, dass wir in Zukunft den Basistarif nicht akzeptieren.

Es gib für das Fehlverhalten im menschlichen Bereich einen recht großen Fundus von entschuldigenden Ausreden; hingegen die Maschine, das Lesegerät nämlich, hat einen Fehler produziert? Dies ist einer der dümmsten Vorwände, deren man sich bedienen kann. Der Computer ist der Verursacher! Diese Ausrede ist vielfach nicht unbekannt; doch da der Rechner – noch nicht – denken kann, wird er noch eine Weile auf die persönliche Eingabe des Users angewiesen sein.

Jedenfalls hat der Phlebologe seinen Lapsus eingestanden, indessen gleichzeitig seine Türe für weitere Beratung zugeschlagen.

Nun wird es dem Arzt sehr weh getan haben, wegen seines eigenen Fehlers auf die stattliche Summe von € 66 verzichten zu müssen. Und, wer aus dieser Aktion den Rückschluss ableiten will, dass die Praxis des Phlebologen Not leidet, sollte sich den anhaltenden Zulauf dort einmal anschauen. –

Was würde unser Berliner Wohltäter (s. Reportbeginn) damals dazu gesagt haben? Er praktizierte in Kreuzberg, nicht in Neu-Köln. Wäre er dazu noch ein Spaßvogel rheinsicher Art gewesen, könnte er resümiert haben: Für den marginalen Betrag macht man in Köln kein Fenster auf.

Der Vorfall fand allerdings nicht in der gemütlichen DOM-Stadt, sondern im schicki-micki Milljöh der Landeshauptstadt von Nord-Rhein-Westfalen statt, dort kostet der Cappuccino auf der Düsseldorfer Königsallee, genannt KÖ, € 5,20: Das weiß der anspruchslose Phlebologe, liegt seine Praxis doch gleich um die Ecke. Damit JEDERMANN nun alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, trotz seiner zweitklassigen Tarifformel – wir wiederholen, sein Tarif sieht immerhin einen monatlichen Beitrag von € 690(!) vor – einen gut gelaunten Utilitaristen als Doktor zu finden, fragt er eine Behörde. Dieser schildert er sein Problem und erhält darauf folgenden Rat:

Um zusätzliche Kosten zu vermeiden, empfehle ich Ihnen, sich vor Behandlungstermin, mit Ihrem Arzt über die geplanten, medizinischen Maßnahmen im Rahmen des Basistarifs abzustimmen.

Dass sich vier Ärzte in der Vergangenheit weigerten, einen Aufwand zu seinem Gebührensatz zu akzeptieren, darauf ging das Amt nicht ein. Soll sich der J. doch die alten Hacken ablaufen, bis er einen mildtätigen Doc findet. Wenn ihm das nicht gelingt, nun ja, vielleicht ist sein Leiden gar nicht so groß für eine Betreuung – und in diesem Alter?

Der Leser sollte diese fiktive gedankliche Formulierung im Kopf der Mitarbeiter einer Behörde nun nicht ernst nehmen, die gewitzten städtischen Juristen würden umgehend eine Beleidigungsklage auf den Weg bringen.

Unser Freund JEDERMANN ist kraft Alters ein wenig lädiert und suchte einen von früheren Besuchen her bekannten Urologen auf. Abgabe der Versichertenkarte, freundlicher Empfang durch den Chef, gründliche Untersuchung wie vom letzten Mal bekannt, Ratschläge erteilt und ... kommen Sie mal in einem halben Jahr wieder...

Die Rechnung wurde bereits in banger Vorahnung erwartet und tatsächlich, der Faktor war gegensätzlich zu der Plastikkarte auf 2,3 überhöht, was eine freundliche Rückfrage erforderlich machte. Die prompte Antwort einer Abrechnungsgesellschaft des für die unteren Abläufe des Körpers zuständigen Arztes lautete:

Herr Dr. W. hat uns gebeten, die Rechnung ausnahmsweise auf die Sätze des Basistarifs zu reduzieren. Für zukünftige Behandlungen bittet er Sie, einen anderen Arzt aufzusuchen, da er für diesen Tarif keine kosntendeckende Behandlung durchführen kann.

Ergo: Ein dritter verbauter Zugang zu einer weiteren Arztpraxis wurde für folgende Besuche verschlossen. Weil JEDERMANN bedürftig scheint, ist er nun bar ärztlicher Handhabungen.

Auch hier stellt sich die Frage nach der Einkommenssituation des Urologen. Er kann sich dem Anschein nach nicht erlauben, gute Mine für seine begehrliche Gebühr – wörtlich Verzicht auf ein paar Euro – zu machen. Darf man bei diesen drei eklatanten Vorfällen mit Fug und Recht behaupten, die ärztliche GIER ist die einzige Triebkraft beruflichen Schaffens eines Heilenden? Und sind nicht Hab-GIER, Geiz und Trägheit drei der sieben Christlichen Todsünden?

Wir wollten ferner versuchen, ein anderes Licht in die Vorfälle zu bringen, indem wir ermitteln, mit welchen Geldbeträgen sich die drei benannten Ärzte aus der Affäre ziehen, um ihre bedürftigen Klientel eine Hilfe zu verweigern und ob es sich für sie lohnt, zu solch drastischen Maßnahmen zu greifen, wie geschildert, um ihr eigenes Säckel praller zu füllen?

JEDERMANN, in der Arithmetik bewandert, stellt flugs die Verluste (!) der drei Praxen zusammen, die durch den Nachlass wg. Basistarif entstanden sind. Lächerlicher mögen sich die drei Doctoren nicht machen, es handelt sich doch immerhin um insgesamt € 130! Das bedeutet für jeden der Ärzte sage und schreibe € 43. Wenn wir unterstellen, dass ein Institut etwa mehr als € 350.000 per anno Umsatz einfährt, so wird der Verlust im prozentualen Satz von 0,01% oder noch geringer liegen. Arme Heilsbringer.

Eine Verallgemeinerung dieser Vorfälle ist sicherlich und aus guten Erfahrungen des Patienten JEDERMANN gesehen, nicht angebracht, trotz der beunruhigenden Vielzahl negativer Sachverhalte, die unser Freund (s. auch weitere Abschnitte) durchmachen musste. Und wie viele anonyme JEDERMANN gibt es, die schweigend das unausweichliche Schicksal über sich ergehen lassen? –

Ja, weil sie sich keinen Rat mehr wissen, gegenüber dem fehlenden ärztlichen Ethos? Man sollte sich einmal mit den Gesundbetern anlegen, oder gar zu Gericht ziehen! Das wird teuer und gegen die hochmögenden Herren mit sachkundigen cleversten Rechtsanwälten der Branche wird man stets den Kürzeren ziehen. Wir verweisen auf Beispiele auf weiteren Seiten.

Was vermochte JEDERMANN in dieser beängstigenden Situation tun, um für eventuelle künftige, unvorhersehbare Krankheitsfälle Vorsorge zu treffen? Könnte er überhaupt einen Arzt finden, wenn Not am Mann ist?`Er wandte sich an die Ärztekammer, um zu erfragen, ob ein Arzt die Behandlung verweigern kann, und einem Heilsuchenden die Tür weisen?

Herr JEDERMANN war erstaunt über die Antwort der Standesorganisation der Ärzte:

Sehr geehrter Herr JEDERMANN,

Ärzte dürfen von Notfällen oder besonderen rechtlichen Verpflichtungen abgesehen, eine Behandlung ablehen ($7 Absatz 2 der Berufsordnung für die nordrheinische Ärztinnen und Ärzte vom 14. November 1998 in der Fassung vom 10. November 2013). Medizinische Einzelheiten zu Ihrem Fall hatten Sie nicht geschildert, so dass die Aussage, ob eine besondere ärztliche Verpflichtung bestand, nicht beurteilt werden kann.

Mit Vernunft und gerechtem Menschenverstand wird der Leser mit dem Autor vermutlich gleicher Meinung sein, dass die Ethik des Berufstandes in Zusammenhang mit seiner persönlichen Zusage zu Beginn seiner Tätigkeit – die wir widerholen möchten – obsiegen müsste:

Dies alles verspreche ich auf meine Ehre!

Zum Abschluss dieses Kapitels sollten wir noch anfügen, dass sich in der Zwischenzeit weitere körperliche Schwächen herausstellten, die therapiert werden sollten. Auf Rat einer prominenten Stimme, so wurde gefordert, sollte er prüfen, welcher Arzt zu dem reduzierten Satz, also zum Basistarif, JEDERMANN behandelt. – Die Bemühungen scheiterten bislang, jeder Doktor wollte weder auf sein Recht nach Fakturierung gemäß GOA, noch auf sein Kleingeld verzichten.

JEDERMANN meint, auch hier ist die Politik obligat gefragt.

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