Читать книгу Surfer Roman - Manou Rabe - Страница 4
Adios
ОглавлениеPapaya, Sesam, Mango, Orange, Zimt und Salbei.
Vor meinem geistigen Auge erscheint ein großer, orientalischer Basar mit all seinen exotischen Gerüchen, Früchten, Gemüse und duftenden Kräutern sowie dem lauten, geschäftigen Treiben.
Seufzend öffne ich meine Augen wieder - und stehe nach wie vor dem Farbregal eines durchschnittlichen deutschen Baumarktes. Papaya, Sesam und Mango sind die Namen der Farbtöne.
Seit 30 Minuten stehe ich bereits vor dem Regal mit den Farben und kann mich nicht entscheiden. Die Gerüche nach Zimt, nach Zitrusfrüchten, nach Ingwer, Pfeffer und Chili – sie weichen der dumpfen Erkenntnis in einem Gang zu stehen, wo Terpentin und Farbverdünner die Geruchskulisse dominieren.
Wie soll man sich denn heutzutage überhaupt noch zu irgendwas entscheiden? Bei dieser Auswahl an Farbtöpfen und Designmöglichkeiten wird mir schwindelig.
Dann entdecke ich eine Ecke mit Rabattfarbeimern.
Ich packe Mango und Salbei zurück ins Regal und schnappe mir entschlossen einen etwas altmodischen, dafür aber schön günstigen Farbeimer. Sonnengelb. Perfekt. Genau das brauche ich.
Sonnengelb! Sommer, Sonne, Sonnenschein - Urlaub! Los geht’s!
Endlich reiße ich mich von den Regalen los. Schnell heim, um mit der Renovierung meines mittlerweile historischen Wohnmobils zu beginnen.
An der Kasse freue ich mich: der Eimer Sonnengelb rettet mich, sonst würde ich wahrscheinlich völlig ratlos bis zum Ladenschluss vor den endlosen Regalen stehen und abwägen, ob ich Salbei und Zimt mit Sesam oder Mango-Zitrone auf Orange als Grundfarben wählen sollte.
Aber endlos soll ja was ganz anderes werden. Der Sommer. Endless Summer. Mein eigener, nicht enden wollender Sommer – der Traum eines jeden Wellenreiters!
Und dafür stellt sich Sonnengelb einfach als perfekte Wahl heraus. Perfekt für was? Perfekt für meinen Hanomag Henschel. Suleica Orion. Bitte? Wer oder was soll das sein?
Also gut, von vorn. Suleica steht für Super-Leicht-Caravan. So wie Hanuta für Haselnusstafel steht und Nutella für Nuss-Zeugs-Creme. Ja,... bei den Italienern, da weiß man es nicht so genau.
Ha – Nu – Ta = Hasel-Nuss-Tafel.
Su – Lei – Ca = Super-Leicht-Caravan.
Das war damals halt so. 1958/59 entschied sich die Firma Kunststofftechnik Ferdinand Schäfer in Detmold, einen leichtgewichtigen Campingwagen aus GFK zu bauen. So ähnlich ist es auch nachzulesen auf der Fanseite des Orion Suleica Clubs. Auf dem Reißbrett entstand ein aufsehenerregender Wohnanhänger mit einer Aufbaulänge von 4,30 Metern, Eigengewicht etwa 560 und zulässiges Gesamtgewicht 800 Kilogramm. Typ F430.
Runde, fast weibliche Formen dominierten das Erscheinungsbild. Erstvorstellung 1962, in Serie gebaut bis 1968. Im Zuge einer Präsentation in der medialen Öffentlichkeit prägte der damalige Motor-Fachjournalist Fritz B. Busch von der Zeitschrift Auto Motor und Sport aus dem Wortgebilde Super-Leicht-Caravan die heute noch gebräuchliche Bezeichnung Suleica.
Der Hersteller Hanomag Henschel aus Hamburg baute dieses automobile Kunststoffwunder in den 60ern und 70ern rund 160 mal, genaue Zahlen findet man leider nicht, und taufte die Suleica auf den Namen Orion. Der Name für mein kleines Kunstwerk war geboren: RIO! Benannt nach Rio de Janeiro - der vermutlich mit Abstand schönsten Stadt auf dieser Welt! Wenn ich an Rio denke, denke ich an Faulenzen am Strand, Bikinischönheiten, Sonne und Kultur - aber auch an Samba, Segeln und Surfen.
Und Rio, einer dieser raren Schätze deutscher Automobilkunst, sollte nun von mir renoviert werden und auch wieder auf die Straße zurück finden. Und eben nicht nur auf deutsche Straßen, sondern sollte er vor allem die europäischen Küsten von Dänemark bis Spanien unsicher machen!
Eine Surf- und Urlaubsreise mit einem Oldtimer als Freund: Sylt, Dänemark, Norwegen, Holland, Belgien, Frankreich, Nordspanien, Portugal, Südspanien und eventuell noch Marokko. Das ist mein Plan. Mein Traum!
Den Atlantik rauf und runter und immer auf der Suche nach einer freundlichen Welle. Zum Wellenreiten! Mit Kind und Kegel.
Ja – da sind wir schon. Das Kind kommt mit. Aktuell ist es noch recht jung, quasi frisch aus mir heraus... geschlüpft.
Das Beste, was mir je passieren konnte: Mein kleiner Miki.
Aktuell bin ich ja in Elternzeit. Elternzeit? Ja. Das sollte man ausnutzen - die Gelegenheit kommt vielleicht nie wieder. Eventuell wird man nie wieder so viel Zeit haben, um sie mit seinem Kind zu verbringen. Oder man wird nie wieder ausreichend Geld haben. Und falls doch, wer weiß, ob einen nicht irgendwann einfach der Mut verlässt...
Der Mut, allein mit einem Kleinkind in einem Oldtimer die Küsten Europas hinauf und hinab zu tingeln - auf der Suche nach schönen Wellen und einem endlosen Sommer.
Deshalb reise ich jetzt, nutze den Schwung meiner Vorfreude und fast kindlichen Unbedarftheit um mein altertümliches Wohnmobil zusammenzuschrauben, mein Baby einzuladen und Freunde und Familie für unbestimmte Zeit hinter mir zu lassen. Und um in Gebiete vorzudringen, in denen noch nie ein Mensch zuvor gewesen ist.
Zumindest noch keine frisch gebackene neunundzwanzigjährige Mutter mit knapp einjährigem Baby in einem frisch renovierten, neununddreißig Jahre alten Oldtimer. Ohne männliche Begleitung.
Es muss passieren. Jetzt. Time is now!!
Murmeltiertag? Ist stehe schon wieder in einem Baumarkt - diesmal in einem anderen. Auf der Suche nach Korkplatten. Und natürlich sind die dünnen Dämmplatten, die ich brauche, nicht mehr erhältlich. Klar. Kork ist in den 2000ern ja auch definitiv sowas von out. Ein Relikt aus der guten alten Zeiten, als es im Keller (der Eltern) noch einen schicken Partyraum mit Minibar gab. Damals war Kork echt schick! Ok, so richtig schick war es noch nie. Um ehrlich zu sein: eigentlich war Kork in den 80ern schon out.
Aber Kork ist so unsagbar praktisch! Und billig. Ich muss echt rechnen und jeden Euro mehrfach umdrehen, denn der Trip wird ja auch einiges Kosten. Benzin, Essen, Pampers. Postkarten. Ich grinse erwartungsvoll.
Einige Stunden später betrachte ich mein Werk zufrieden. Geht doch: irgendwelche Korkplatten gefunden, irgendwelche Korkplatten verklebt - und schon sieht der Superleichtcaravan sowas von oldschool aus! Ich grinse zufrieden.
„Hallo Täubchen, Eddie, wo steckst Du?“ Meine Mami ist extra knapp fünfhundert Kilometer angereist, um ein paar Blümchen-Vorhänge zum Projekt "endloser Sommer" beizutragen.
“Im Van, in Rio.“ rufe ich und strecke meinen Kopf aus der Tür.
„Huhu, Mami, komm her! Schau mal, wie hübsch Rio geworden ist!“
Meine Mama klettert in den Hanomag, knutscht mich einmal ab und schaut sich dann mit großen Augen um. „Kuschelig!“ ruft sie begeistert.
„Und so geräumig! Hier drin sieht Rio ein bisschen aus wie ein marokkanisches Ufo.“
„Ja, Mami, Ufo trifft es gut. Der Hanomag sieht echt aus wie ein galaktisches Spaceshuttle. Liegt eventuell daran, dass beide im selben Jahrzehnt konstruiert wurden.“ Ich nehme meine Mama in den Arm und präsentiere meinen selbst renovierten Kultvan voller Stolz.
„Schau mal, hier sind Teller, Töpfe, Pfannen und Besteck.” Ich deute mit der Hand auf die mini kleine Einbauküche. „Es gibt sogar einen Kühlschrank, einen Gasherd mit zwei Platten und sogar eine Spüle. Praktisch, oder?“
Dann öffne ich den kleinen Hängeschrank über dem Herd. „Gläser, Tassen und Gewürze habe ich hier rein gepackt. Und, schau mal, ich stelle mir gerade einen Erste-Hilfe-Kasten zusammen: Aspirin, Kohletabletten, Elektrolyte, Magnesium, Jod, Arnika-Globuli und -Salbe, ein paar Pflaster, Salbeipastillen, Kamillentee, Kompressen und Bandagen. Was nicht dabei ist wird auch nicht gebraucht. Fehlt etwas wichtiges?“
„Ich glaube, du hast an alles gedacht. Für den Notfall werde ich dir noch ein Antibiotika verschreiben und es ist auch immer gut Voltaren dabei zu haben - vor allem gegen Sportverletzungen. Das solltest gerade du auf jeden Fall mitnehmen! “
Ich zucke die Schultern und rolle theatralisch mit den Augen. Meine Mama ist Ärztin und ich, was Medizin betrifft, eher alternativ eingestellt. Wahrscheinlich so ein Mutter-Tochter-Ding. Das hat schon für etliche Familiendiskussionen geführt. Besonders bei Impfungen. Aber es ist nicht der Zeitpunkt zu diskutieren, also gebe ich nach.
„Wenn Du meinst. Danke!”
Immerhin findet das ganze Platz in einer wunderschönen, antiken Schweizer Emailledose. Vom Flohmarkt. Da ging mein Retrotick wieder mit mir durch. Genauso wie bei meiner Hustelinchen-Blechdose und dem französischen Blechschild von Michelin aus den 1950ern.
Mit kommt aber nur die Schweizer Blechdose. Ob nun ein rotes Kreuz auf einer weißen Fläche oder ein weißes Schweizer Kreuz auf rotem Untergrund - der Schweizer Flagge eben - selbst Fremde sollten damit wissen, was gemeint ist. Auf jeden Fall ist sie extrem stylisch meine Erste-Hilfe-Blechdose. Aus meinem Bad kommen noch Handtücher, Badetücher und das Nötigste für die Körperpflege hinzu: Haarbürste, Zahnbürste, Zahnpasta und Duschgel. Und eine große Packung Aloe-Vera-Creme. Das muss reichen!
Ein paar Bücher, die ich schon immer mal lesen wollte, aber keine Zeit dafür fand, werfe ich ebenfalls ins historische Kult-Wohnmobil Rio. Kuschelige Kissen, diverse Decken – und beinahe vergessen: diverse Sonnencremes mit Lichtschutzfaktor acht bis achtzig.
Das alles findet nun seinen eigenen, neuen Platz in Rio - dem neuen Zuhause für mein Söhnchen Miki und mich.
Und dann wird noch das Wichtigste verstaut. Mein Surfbrett. Ein 7,6er Egg. Custom-made, sprich handgemacht oder auch handshaped, in Kapstadt.
Ein Brett das Wellenreiter, sofern sie es denn können, Noseriden und Turnen können. Übersetzt heißt das, man kann entweder bis auf die Nasenspitze tänzeln oder schöne Kurven aus der Hüfte damit fahren. Letzteres macht man eigentlich eher mit kurzen Brettern, den Shortboards, während meines schon zu den Longboards gehört, den langen großen Brettern.
Ich schreibe eine Email an meine beiden besten Freundinnen:
„Hey Ihr Lieben; ich bin bereit für die große Reise mit dem kultigen Surfhippiebus Rio, dem (Suleica Orion). Bald geht es los! Der Plan: Sylt, Dänemark, Holland, Belgien, Frankreich, Nordspanien, Portugal, Südspanien und eventuell im Winter bis nach Marokko. Habt ihr Lust mit mir zu reisen? Mich zu besuchen und einzusteigen in den Endless Summer? Würde mich so freuen, wenn eine meiner Chicas ein Stück mitreist. Mitte Juni auf Sylt ist vergeben, da besucht uns Big. Naja, vielleicht, ihr kennt ihn ja. Und in der zweiten Augustwoche kommt meine Surferbetty Lea aus Portugal. Ihr seid herzlich eingeladen! Ein Bettchen im Cockpit wird gestellt, Benzin und Food geteilt. Freue mich so… Ich sag dann mal "Adios" und hoffe ihr kommt nach. Eddie“
Dänemark. Fjaltring. Dünen und Meer. Offshore. Wind und Welle. Viel Wind. Mega viel Wind! Super? Nö. Gar nicht super! So habe ich mir meinen Start nicht vorgestellt. Und toll ist das auch nur, wenn man Wind- oder Kitesurfer ist.
Bin ich aber nicht. Ich mag eigentlich Wind überhaupt nicht. Höchstens den, mit dem man gechillt auf der Ostsee segeln kann und dabei ein Bier trinkt. Oder den, der die Haut in der Sonne angenehm kühlt, die salznassen Haare oder den Neopren und die handgewaschene Wäsche auf der Leine schneller trocknen lässt.
Aber der Wind, der jetzt ballert, den mag ich nicht. Es herrschen circa zehn Beaufort. Seit zwei Wochen bin ich nun genau genommen schon in Dänemark. Und seit zwei Wochen ballert der Wind ununterbrochen. In starken Böen.
Ich stehe auf einem einsamen Strandparkplatz, nahe eines winzigen Dorfes in der Pampa Dänemarks, das bis auf wenige Kieler und Hamburger Surfer, einige Radwanderer und den Dänen selbst kaum einer kennt.
Ich bin mutterseelenallein. Obwohl, ganz allein bin ich ja nicht. Mein Söhnchen Miki ist ja dabei.
Miki schläft selig eingekuschelt in unserem gemütlich Nest im Oldtimer Rio. Seine Gesichtszüge sind engelsgleich, süße schneeweiße Locken umspielen sein kleines Gesicht.
Ich bin ein wenig neidisch: noch trägt der kleine Fratz Pampers und es ist ihm völlig egal wie windig es draußen ist. Hauptsache Mami ist da, kuschelt und verwöhnt ihn. Aber Mami muss mal Pipi. Doof oder? Und da ich Chemietoiletten in Bussen verabscheue, muss ich halt raus aus Rio. Scheibenkleister. Es ist so kalt da draußen. Zum Glück stehe ich nah an dem Sanitärhäuschen, dass direkt an den Strandparkplatz gebaut ist.
Ich öffne die Türe und will eben schnell raus huschen, da erwischt eine Böe die Tür und schleudert mich im hohen Bogen aus meinem eigenen Bus.
Irgendwie will mein Arm die Tür nicht los lassen und so kommt, was kommen muss: der Arm ist ausgekugelt. Also genau genommen meine Schulter. Höllenschmerzen! Mir bleibt die Luft weg, ich kann vor Schmerz kaum atmen. Das darf doch nicht wahr sein! Die Heldin gewinnt 99 Gummipunkte.
Bei einer Schulterluxation ist das erste Symptom ein heftiger Schmerz im Schultergelenk. Anschließend zeigen meist schon äussere Anzeichen, dass die Schulter ausgekugelt ist. Zum Beispiel ist die Verschiebung der Gelenkkörper gegeneinander durch die Haut sichtbar. Iiihhhh!
Vor allem bei schlanken Personen wie ich eine bin - fünfundfünfzig Kilo auf ein Meter siebzig - kann man die Kontur des ausgekugelten Gelenkknochens prima sehen. So, so - eine Schulterluxation also. Was mache ich denn nun? Ich atme zischend ein und aus.
Erst einmal muss ich ganz doll auf die Toilette. Die Schulter muss mal kurz warten und vielleicht fällt mir ja ganz Freud-mäßig auf dem Pott eine gute Idee ein. Ich kämpfe mich, meine rechte Schulter krampfhaft mit der linken Hand umklammert, durch den immer heftiger peitschenden Wind und Sturm zum Klohäuschen.
Das Klohüsken ist - typisch dänisch natürlich - aus Holz und hat eine Art Vordach mit Holzsäulen. Ähnlich wie es an Gartenhäuschen oft zu finden ist.
Holzsäulen? Balken? Da fällt mir doch Mel Gibson ein! Mel Gibson als Cop in Lethal Weapon, konnte sich die Schulter selbst ausrenken um sich so von Handschellen zu befreien. In einer anderen Szene renkt er sich die Schulter ein, in dem er einfach sie gegen einen Holzmast knallt. Kurz überlege ich. Aber dazu fehlt mir dann doch der Mut.
Ich mache erst mal Pipi. Und weil ich den Schmerz nicht mehr ertrage, mache ich aus Versehen genau das Richtige!
Während ich auf dem Pott sitze, ziehe ich mit der linken Hand instinktiv meinen rechten Arm hoch. Immer höher. Ich beiße die Zähne fest aufeinander. Tränen laufen mein Gesicht runter. Aber dann scheint der Punkt erreicht. Meine Schulter gleitet wieder in die Position zurück, in die sie definitiv gehört. Was für eine Erleichterung! Im doppelten Sinne, denn ich sitze ja noch immer auf dem Pöttchen.
Schmerzgeplagt, aber immerhin erleichtert, schleppe mich zurück in den herrlich warmen Rio, werfe eine von Mamas Ibuprofen ein und kuschel mich an Miki, der schläft immer noch tief und fest. Lächelt, flirtet mit den Engeln und knarzt sogar niedliche Schnarchlaute hervor.
Ich seufze vor Erleichterung, als der Druckschmerz nach einiger Zeit durch die Schmerztablette ein wenig nachlässt. “Danke Mami, doch nicht die schlechteste Idee ein bisschen Arzenei an Bord zu haben!” flüstere ich. Und schlafe ein.
Meine Schulter schmerzt noch einige Tage nach der stürmischen Pipi-Aktion, aber es ist auszuhalten. Die Sonne scheint, mir juckt es in den Füssen, ich habe Lust weiter zu wandern. Auf die Idee heim zu fahren um die Schulter auf Knorpelverletzungen zu überprüfen komme ich nicht. Wozu auch? Ist ja noch alles dran! Ich sattle erneut auf und beschließe mit der Fähre von Thyborøn nach Agger über zusetzen.
Das erspart mir viel Gekurve, denn der Arm tut immer noch weh und der gute alte Rio besitzt weder Servolenkung, noch hat er einen Bremskraftverstärker. Ich muss also meine gesamte Kraft in den linken Arm verlegen - jetzt weiß ich auch, woher das Wort Kraftfahren kommt.
In Agger angekommen, fahre ich den nächsten Parkplatz an Strand an. Dieser liegt etwas versteckt an einem engen Damm und ist ebenfalls völlig abgelegen.
Wo genau - sag ich diesmal nicht, das gibt nur Ärger mit den Kieler und Hamburger Surf-Crowd. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz unter Surfern und absolut verboten zu verraten, wo sich die letzten Secret Spots Dänemarks befinden.
Deshalb heisst es ja „Living the search“ - sucht doch einfach mal selber! Yau!
Auch hier ist kein Mensch. Der Wind hat die Dünung platt gedrückt und selbst in Dänemark ist im Sommer die Nordsee gerne mal völlig flat - also flach. Keine Welle weit und breit.
Erst der Arm, dann flat. Also ich würd ja gern langsam mal eine Welle nehmen! Mist!
So sattel ich ein letztes Mal auf und tuckere noch weiter Richtung Norden. Ziel ist das wunderschöne Dörfchen Klitmøller. Hier ist immer was los, denn es hat einen schönen, besonders bei deutschen Windsurfern mega beliebten, Campingplatz.
Der legendäre Surfshop “West Wind”, leckere Fischbars und viele, viele hübsche dänische Ferienhäuschen. Das ist Klitmøller.
Ich verbringe einige Tage hier und treffe einige, mir bekannte Surffamilien am Südstrand. Unter anderem den Redakteur Kirk mit seiner Frau Siska und den beiden Töchtern Lina und Josie. Ich liebe diese Familie und so planen wir gleich eine chillige Grillung zusammen, die damit endet, dass Siska mit ihren Mädels auch noch meinen Miki bespaßt und ich in ganz in Ruhe ein Set kleine Sommer-Sunset-Wellen surfen kann. Gesagt, getan. Schnell schnappe ich mein Egg und sprinte an den Strand.
Herrlich. Die Wellen haben genügend Schub, so dass ich bereits nach dem dritten Versuch einen stylischen Nose Ride auf das Parkett lege. Mit dem Cross Step bin ich bis zur Nose getippelt - und dann passiert es! Ich schaffe es tatsächlich, meine zehn Zehen über die Spitze des Boards lugen zu lassen. Hang Ten - gestanden! Das entschädigt all die Schmerzen, den Sturm und Wind. Innerhalb von Nanosekunden bin ich das erste Mal auf meinem Trip stocked. Also happy und geflashed in einem!
Insgesamt geht es meinem Arm langsam besser und ich genieße die kommen Tage und Wochen in vollen Zügen - vor allem die Freiheit, mich einfach treiben zu lassen.
Es ist Hochsommer an der Nordsee, die Tage sind lange hell und das Leben schön entspannt.
Ich gehe mit Miki am Strand Muscheln sammeln oder baue Sandburgen mit ihm. Naja, gehen ist gut. Er kann ja gerade erst krabbeln, aber Miki steht schon kurz davor die ersten Schritte zu wagen. Und die Burgen baue eigentlich ich, er macht sie nur quietschend vor Vergnügen wieder kaputt. Der kleine Spielverderber!
Ich lese, chille, schlafe viel. Lebe das simple Leben.
B.e.a.c.h - Best Escape Anyone Can have!