Читать книгу Surfer Roman - Manou Rabe - Страница 5
Fly high and touch the Sky
Оглавление20 für 4000. Was? Zwanzig Minuten für Viertausend Meter! Das ist genau die Zeit, die die Dornier 28, ein altes Militärflugzeug braucht, um auf die Höhe zu kommen.
Ich bin jetzt mit Miki und Rio auf auf Sylt, habe wie geplant Dänemark nach knapp einem Monat verlassen.
Ich bin zu einem absoluten Spitzen Event eingeladen.
Der Sylter Boogie, ein legendärer Fallschirmspringer Treff wartet auf mich. Ich bin mit meiner Freundin Lea und meinem Buddy Franky, einem Surfer der alten Garde aus Kiel dort verabredet.
Franky ist der beste Freund von Hauke - und Hauke ist Ilkas Mann und Ilka gehört das Heaven & Sky, eine Fallschirmspring Schule. Ihr Vater war auch schon Fallschrim Springer.
Ilka und Hauke sind übrigens beide ebenfalls Surfer und sogar Fallschrimspringer der deutschen Skydive Nationalmannschaft.
Ilka treffe ich zum ersten mal. Ich bin schon ganz aufgeregt. Sie ist diejenige die mich mit einer Seelenruhe in allen Einzelheiten instruiert und mir erklärt worauf es ankommt- Denn heute springe ich zum ersten mal; allerdings und das ist auch gut so- nur einen Tandem Sprung.
Und wieso muss sich eine frischgebackene Mutter aus einem Flugzeug stürzen? Naja, vielleicht eine Mutprobe? Neuer Lebensabschnitt oder zuviele Indianer Geschichten gelesen? Was könnte dahinter stecken?
Um es kurz zu machen, ich war nun grade mal dreizehn Monate lang Mami, also Mutter von Miki, aber irgendwie hatte ich noch nicht den Platz gefunden wo ich, sprich wir, nun hingehören. Und ich habe auch mega Angst vor der Zukunft.
Ob ich der Rolle als Mami gerecht werde zum Beispiel. Wie es im Leben weitergeht. Die Idee des Endless Summer Trips ist, mich dieser Angst zu stellen und somit auch zu entfliehen.
Eine Flucht nach vorne. Sozusagen ans Meer! Und nun mal zur Abwechslung in den sky.
Es heisst ja auch nicht umsonst, das der größte Fehler, den man im Leben machen kann, ist immer Angst zu haben, einen Fehler zu machen. Und glaubt mal, als junge Mutter hat man eine Menge Angst was falsch zu machen.
Hinzu kommt, zu Hause in Kiel bin ich nicht wirklich glücklich. Und bevor man sich versieht, steht man doof da und hat eine Depression. Dahin will ich erst gar nicht kommen. Also reiße ich aus, bevor es soweit kommt.
Ich riskiere jetzt mal was. Im warsten Sinne des Wortes. No risk no fun. Ich bin jetzt die Adventure Mom. Sich heutzutage immer wieder neu zu erfinden, so halten es Madonna und Co ja auch und bleiben dabei unsagbar fit, sexy und angesagt. Vielleicht hilft es ja auch gegen postnatale Depris oder Zukunftsängste?
If you never try, you´ll never know!
Ich finde mich plötzlich eingepfercht auf einem offenen Pick-up wieder, zwischen achtzehn mir so was von völlig fremden Personen. Gut 16 Personen. Lea und Franky kenne ich ja.
Wir rasen mit quitschenden Reifen zum Hanger. Eine antik wirkende, laut knatternden Propeller Maschiene stolpert uns entgegen. Oh mein Gott ist die alt, das kann ja heiter werden, denke ich.
„Da ist die "Do28", ruft einer der Springer von Heaven & Sky.
Do28, so nennen sie liebevoll den alten Blechvogel.
Die knatternde, alte Do bleibt abrupt stehen und wir schälen uns nach und nach aus dem Pick-Up um in den Flieger umzusteigen.
Als erstes klettert der Sigma gesponsorte Sportfotograf Franky aus Dubei in die Do, danach ein paar Profi Springer und Hauke der Heaven & Sky Betreiber: sie alle tragen schicke, schwarze "Fraks" zum Fallschirm.
Mit Fliege. Sie sehen eigentlich aus als wollen sie in die Oper. Sie sollen auf dem Sylter Polo Tunier Punkt landen und somit für Action sorgen.
Dann steigt mein Buddy Franky mit seinem Tandem Master ein, ein paar andere Skydiver und ziemlich zum Schluss dann kommen Lea, ich und Tarn, das ist mein zugewiesener Tandem Master.
Meine kultige, alte Reise Nikon, die schon viel von der Welt gesehen hat, darf ich leider nicht mitnehmen. Aber mir wird versprochen ich bekomme Pics von meinen Extrem Sports Fotografen Kollegen aus Dubai. Na, da bin ich aber gespannt.
Die Maschiene setzt sich in Richtung Startbahn in Bewegung. Dort angekommen wird sie gleich schneller, um bei Erreichen der richtigen Geschwindigkeit abzuheben. Ich sitze mit dem Rücken zur Flugrichtung mit allen anderen auf dem Boden und kann sehen, wie wir an Höhe gewinnen.
Mein Blick wandert auf Tarns Höhenmesser. Erst 200 Meter sind wir hoch. Tapfer steigt die Do auf auf. So ein kleiner Flieger vermittelt irgendwie das Fliegen direkter als ein Touribomber.
Schnell wird die Startbahn kleiner, genauso wie die Menschen dort.
1000 Meter - ich kann Sylt komplett erkennen, der Hindenburgdamm wird klein und schmal wie ein Streichholz.
Es gelingt mir nicht. Wer weiß, wo die wieder rumgurken... Ich genieße den Ausblick. Unermüdlich steigen wir weiter.
1500 Meter. Ich schaue auf die Uhr. Wir sind schon 10 Minuten unterwegs. Ab jetzt ist die Höhe gleichgültig. Ob Du nun 1000 oder 1500 Meter hoch bist, macht keinen Unterschied mehr. Du bist irgendwie abgekoppelt von der Welt. Es ist für mich der helle Wahnsinn, dieses unbeschreibliche Gefühl.
2000 Meter. Den Höhenunterschied entnehme ich nur noch dem Höhenmesser. Und es geht weiter.
2500 Meter. Jetzt sind wir in den Wolken. Ich sehe nur noch grau. “Schade”, denke ich. Kein Ausblick mehr. Ich lausche dem Motor, genieße das Gefühl.
3000 Meter. “Nur noch drei Minuten” sagt der Pilot. Mein Ohr ploppt.
3500 Meter. “Nur noch zwei Minuten”. Tarn und ich beginnen, wie am Boden besprochen, uns zusammen zu zurren.
Alle regen sich plötzlich, aber es herrscht keine Hektik. Nur ich bin nervös, denke ich. Du kannst es nicht aufhalten, denke ich. Nicht weiter drüber nachdenken. Du wirst jetzt einfach nur vertrauen, den Dingen seinen Lauf lassen. Zum Glück sind die Wolken wieder verschwunden und ich habe freie Sicht. Ein Traum!
4000 Meter. Es geht los. Aber erst passiert noch etwas absolut Magisches.
Alle Profis und Tandemmaster halten eine Sekunde inne. Alle im Flieger schauen sich kurz tief in die Augen. Wortlos. Es sind nur wenige Sekunden, als sich alle Blicke unabgesprochen treffen. Außer dem Propeller ist kein Ton zu hören. Niemand sagt auch nur einen Piep. Einzig Blicke. Blicke, die aus der tiefsten Seele entspringen. Durchdringend. Ehrlich. Und unfassbar klar.
Ein Schauer durchfährt mich.
Diesen einen magischen Moment werde ich ein Leben lang nicht vergessen. Noch nie habe ich so eine Verbundenheit mit wildfremden Menschen gespürt. Ich spüre keine Angst mehr, mein Herz schlägt schneller, aber vor Freude und Vertrauen.
Und dann geht plötzlich alles ganz schnell. Ich weiß gar nicht, wie mir geschieht. Tarn schiebt mich unbarmherzig zur Luke. Ich habe Probleme meine Füße nach außen zu bekommen. Aber dann konzentriere ich mich einfach nur auf den einstudierten Ablauf.
Ich hänge meine Füße über das schmale Brett nach draußen, nehme den Kopf ganz zurück. Ein Ruck. Wir fallen. Auf einmal dreht sich alles um mich und ich habe das Gefühl von Schwerelosigkeit. Nun nehme ich die Füße zurück, genau wie vorher besprochen, und mache ein Hohlkreuz.
Tarn bringt uns in Position. Das Gesicht nach unten. Ich rase auf die Erde zu. Mit über 250 km/h. Doch irgendwie ist sie sehr weit weg. Ich will Luft holen, aber das geht nicht. Also halte ich einfach die Luft an und stelle mir vor eine große Welle zu durchtauchen. Das hilft. Ich kann den Atemreflex unterdrücken.
Ich gucke durch die Brille und es kommt mir vor, als hätte ich einen Wasserfilm vor Augen. Ich sehe aber alles sehr klar. Wir werden immer schneller.
So ist also der freie Fall!
Es ist Irrsinn. So etwas übersteigt die menschliche Vorstellungskraft. Man muss es einfach erlebt haben.
Ich falle und falle und fühle mich dabei unendlich frei. Ok, da wäre noch Tarn an dem ich praktisch klebe, aber ansonsten fühle ich mich fast frei wie ein Vogel. Dass es solche Gefühle gibt, hab ich vorher nicht gewusst. Schon seit dem Aufstieg denke ich an den guten alten Reinhard Mey und sein Lied “”Über den Wolken”. Tarn klopft mir auf die Schulter. Kann der nicht aufpassen? Autsch!
“Eddie, nimm die Arme auseinander!” muntert er mich auf...
Der Wind ist sehr laut. Ich tue so, als hätte ich ihn nicht gehört. Denn ich traue mich nicht. Meine Schulter schmerzt noch von meinem dummen Windunfall.
Ich bin nicht bereit meine Federn zu spreizen, denn noch fühlt sich mein Flügelchen gebrochen an.
Aber im Herzen, da bin ich bereit zu fliegen! So schreie ich lieber in die Welt hinaus, höre mich aber selber nicht. So laut ist der Fallwind.
Wir fallen immer schneller. Jetzt klopft Tarn mir wieder auf die Schulter. AUTSCH!!!
Wir sind bereits 2000 Meter gefallen - in nur 45 Sekunden.
Ich kenne dieses Tempo vom Motorradfahren mit meinen Eltern, nur dass dann vieles an einem vorbei fliegt.
Jetzt ist immer noch alles weit weg. Subjektiv eigentlich noch genauso weit, wie ganz oben. Die Welt ist weit weg. Tarn löst den Fallschirm aus. Wir werden stark abgebremst. Der Orkan wird leise. Wir hängen am Fallschirm. Es wird ganz ruhig. Ich hole erst mal ganz tief Luft. Und dann juble ich so laut ich kann.
Dann besinne ich mich. Genieße das hier und jetzt. Totenstill ist es im Himmel. Unbeschreiblich, was ich empfinde. Nun gleiten wir langsam tiefer.
“Eddie, jetzt musst Du Dich auf meine Füße stellen und abstützen.” Ich merke, dass Tarn irgendwas am Gurtzeug macht und lasse mich einfach hängen. Wir gleiten der Welt langsam entgegen. Irgendwo unter uns befinden sich Franky und Lea. Jetzt hält er mir die Schlaufen zum Lenken hin. Ich erfasse sie und wir fliegen einige Kurven. Irre gut.
Leider kommt der kleine Hangar vor dem Sylter Flughafen immer näher. Ich winke und rufe, bin mit Adrenalin vollgepumpt bis in die Haarspitzen.
Nur noch wenige Meter bis zur Landung. Tarn ist Profi. Er trifft genau den Fleck, den er anvisiert. Nun bekomme ich das Kommando zum Füße heben. Ich gebe mir Mühe. Der Fallschirm bremst uns.
Bautz! Wir sind auf dem Hintern gelandet. Ich sitze im Gras, bin überwältigt und kann es kaum fassen. Mein Herz klopft wie bekloppt. Neben dem Feld stehen fremde Leute und klatschen. Natürlich entdecke ich auch die Skydiverin Ilka, bei der ich meinen Miki geparkt habe. Beide winken mir aufgeregt zu und ich winke noch aufgeregter zurück.
I did it. Chapeau!!!
***
“Moin Moin und nen dicken Kuss sendet Eddie! Nach fast drei Monaten mit Miki im Oldschool-Surfmobil Rio, mega abgefahrenem Fallschirmspringen auf Sylt und finales Surfen in Biarritz & Hossegor bin ich leider wieder in Kiel "gestrandet". Rio macht Zicken, andauernd stottert der Motor, die Heizung fiel aus, jetzt bin ich erstmal wieder zurück. Na, der Sommer ist ja eh vorbei. Bin mir aber sicher, dass es in Kürze doch irgendwie weitergeht. Ich vermisse schon jetzt die Wellen des Atlantik immens, meine Elternzeit fliegt rasend schnell vorbei und das Schietwetter hier geht nach nur wenigen Tagen echt auf den Keks. Was gibt es denn bei Euch Neues? Bin ja so gar nicht im Bilde... Freue mich über Lebenszeichen. Eddie”
Danach checke ich meinen Email-Account und lese:
”Hallo meine lieben (Ex-)Teamkollegen- Surffreunde. Ein Teil von euch weiß es schon - und nun ist es tatsächlich soweit: Ich mache mit Wave Sissis los, meiner Surfschule für Mädels auf Lanzarote. Und juhu, auch die Webseite steht endlich. Schaut sie euch doch mal an! Ich würde gerne wissen wie sie euch gefällt. Es gibt auch ein Gästebuch, in das ihr euch verewigen könnt. Und jaja, ich könnte eure Hilfe brauchen: Schickt doch diese Mail einfach an all eure Freunde weiter, macht sie mit Wave Sissis bekannt. Erzählt von meinem Projekt. Welches ist der beste (und auch zweitbeste) (Wind)Surf-, Skate- und Snowboardshop in eurer Stadt? Name, Adresse, Web. Was hat der Laden so drin? Sind die gut sortiert? Mädelskram, nette Verkäufer? Kennt ihr vielleicht sogar jemanden da drin? Kann man da gut Flyer auslegen oder auch mit denen zusammenarbeiten? Wer hat Kontakte zur Presse? Print, Film, was auch immer. Surfzeitschriften, Foren,...? Oder Skate und Snow? Oder sonstigen Partnern mit denen man zusammenarbeiten kann? Vielen Dank für eure Hilfe und bis auf der nächsten Welle! Grüße aus Lanzarote, Bea.“
Wow, Cool! Ich beschließe mir einen Kaffee zu brauen, einen Blümchenkaffee – das ist eine eher scherzhafte Bezeichnung für einen sehr dünn gebrühten Kaffee, und denke nach.
Mir fehlt mein schönes Surf-Nomaden-Leben mit Rio. Die drei Monate sind tatsächlich wie im Flug vergangen. Ich will mehr Meer. Ich hab sowas von Meerweh!
Aber ich musste zurück. No Chance. Zum einen machte Rio mega Zicken, der Motor hustete andauernd und die Heizung fiel aus. So wäre ein Überwintern eh nicht möglich gewesen, schon gar nicht mit Kleinkind.
Glück im Unglück: Dafür gibt es ein tolles Jobangebot als freie Fotografin mit freier Zeiteinteilung bei einer Münchner Agentur. Ich bin hin und her gerissen mich zu bewerben, denn ich hab ja schon erwähnt, dass nicht alles gut bei mir ist. Eigentlich ist soweit alles ok. Aber eben nur eigentlich.
Mit Big läuft es irgendwie nicht rund. Wer ist Big? Na, irgendwer muss ja das Y-Chromosom für Miki geliefert haben. Also: Big ist mein Freund. Mein Mann. Naja. Ich will ja nicht heiraten, bin ja erst 24 Jahre. Also doch - Freund! Richtig heißt er Björn Ingvar Gustavson. Spitzname Big.
Ein Kieler Jung dessen Urgroßeltern einst aus Schweden die Förde hoch gesegelt kamen, blieben und als Schiffbauer in Kiel sesshaft wurden.
Wieso ich Big noch nicht erwähnt habe?
Weil er eh nie da ist, immer beschäftigt ist und eigentlich nur in meinem Telefon und auf Papier existiert. So stelle ich mir Wikinger vor. Groß, stark, gute Gene. Sie machen blonde, gesunde, blauäugige Babys und segeln dann wieder davon um Robben zu jagen. Oder so ähnlich.
Big jagt zwar keine Robben, ist aber immer auf Achse um Aufträge zu jagen. Statt der Harpune hat er eine oder auch mehrere Kameras. Statt Robben erlegt er Stories. Er ist Kameramann beim NDR, hat aber auch ein eigenes Produktionsstudio. Ein ganz moderner Wikinger halt, der gute Björn Ingvar Gustavson.
Miki ist unser gemeinsamer Sohn. Als Miki zu Welt kam, war auch noch alles super duper. Wir waren sowas von verliebt. Big war bei der Geburt dabei. Er wollte den Wurm sogar noch mehr als ich, ich fühlte mich eigentlich noch zu jung zum Mami werden.
Die ersten Wochen hielt Big auch noch den properen, nordischen Stammhalter liebevoll und sanft in seinen Wikingerpranken.
Wir gaben ihm den Namen, benannt nach dem legendären Wellenreiter Miki "Da Cat" Dora, Miklos.
Den Nachnamen durfte Miklos alias Miki von mir haben, weil es Gustavsons schon so viele gibt im Norden und Bigs Familienstamm sowas von geburtsfreudig ist, dass ich jedes Mal unwillkürlich an Kaninchenpopulationen denken muss.
In meiner Sippe sieht das völlig anders aus. Keine meiner Cousinen hat je geheiratet. Geschwister hab ich nicht, so bin ich mit vierundzwanzig Jahren die jüngste Maassen und auch letzte Maassen. Nach mir würde unser Maassen-Zweig aussterben. Dank Miki, alias Miklos, Maassen ist der Stammbaum also vorerst gerettet. Was meinem Papa Freudentränen in die Augen getrieben hat, als ihm das bewusst wurde.
Eigentlich war der Plan, dass Big - so mag der große Nordmann gerne gerufen werden - so oft wie es nur geht nachkommt. Auf Mikis und meinen Endless-Summer-Trip. Mit der Bahn, mit dem Auto oder dem Flieger. Je nachdem, wo wir gerade sind.
Denkste. Piepenbrink. Ganze einmal hat er uns zwei Tage in Dänemark besucht. "Ich muss arbeiten! Als Selbstständiger kann ich es mir nicht leisten, einen Auftrag abzulehnen".
Bla bla bla... Geh Robben jagen! Genau deshalb bin ich auch alleine gestartet. Das war mir schon vorher klar. Und selbst wenn man es schon geahnt hat, ein bisschen enttäuscht ist man dann trotzdem. Naja. Ein bisschen ist auch ein bisschen untertrieben.
Diese Sprüche haben mich einfach wütend gemacht. Und ich kann ganz schön wütend werden. Bei Ungerechtigkeit werde ich zum HB-Männchen. Oder Weibchen. Gab es je ein HB-Weibchen?
Zack, da sind wir schon wieder. Wir sind doch nicht im Mittelalter. Jetzt mal ehrlich: wir Frauen müssen doch auch zusehen, wie wir über die Runden kommen. Gerade wenn wir nicht oder noch nicht heiraten wollen. Wir sind doch die, die alles temporär hinschmeißen müssen, wenn wir Babys bekommen. Für die Schwangerschaft, die Still- und Elternzeit nehmen wir in Kauf, dass wir unsere Jobs verlieren.
Gerade als Freiberuflerin quälen mich nagende Zukunftsängste. Was ist, wenn mich keiner mehr will nach der Elternzeit? Wieso bin ich diejenige, die alles aufgibt für den Zwerg? Wieso sollen beide Elternteile in so verschiedene Rollen gequetscht werden? Ich beim Kind, er bei der Arbeit? Dafür habe ich nicht dreizehn Jahre die Schulbank gedrückt, zweimal studiert und gefühlte drei Ausbildungen begonnen und abgebrochen.
Mit Kindern und anderen Muttis auf dem Spielplatz zu verbringen ist nicht mein Lebensziel. Und mit Big darüber zu reden bringt leider nichts. Ich hab es versucht. Schon während meiner Schwangerschaft fragte ich ihn immer wieder, wie wir uns denn aufteilen wollen. Seine Reaktion: Aufteilen? Hä?
Die Mutter sorgt für das Kind, der Vater geht arbeiten. Zumindest die ersten drei Jahre, das ist gut fürs Kind. Sagt Big. Sagt die Gesellschaft. Sagen die Omas und Opas. Sagen die Mütter auf dem Spielplatz. Klassische Aufgabenteilung halt. Da musst Du Dich einfach mal anpassen, Eddie.
Aber, aber, aber - schreit mein Herz und mein Gerechtigkeitssinn. Das bin ich nicht. Es ist auch nicht so, als hätte ich Miki nicht gern bei mir. Das ist es nicht.
Ich halte nur diese langweiligen Spielplätze unter grauem Himmel mit viel zu bunten Super-Mamis und den ganzen käsgesichtigen und ewig heulenden Paulas, Emils, Martas und Emmas nicht aus. Es muss doch Alternativen geben! Und außerdem, es gibt doch soviele andere Papis, die sich eine Auszeit nehmen und zusammen mit Partnerin und Baby eine Reise starten, oder sich zumindest ergänzen!
Goldene Mittelwege. Oder ich kümmere mich um das Kind - was ich sehr gern tue - dafür werde ich ab und an für Reportagen, Recherche oder irgend so etwas eingespannt. Oder der Herr Robben- äh... Storyjäger macht eine Jagdpause und spielt mit seinem Wikingersohn. Und ich nehme ab und an einen kleinen Auftrag an, um nicht ganz aus dem Berufsleben raus zu sein.
Meine Mama, eine studierte Medizinerin mit eigener Praxis und weltweit - von Chile bis nach St. Petersburg - gereist, hat mir definitiv andere Werte mitgegeben.
Eine Frau muss nun wirklich nicht durch und durch Feministin sein, um sich neben der Mutterschaft zu verwirklichen. Aber dann darf der Partner sich auch nicht im Nachhinein als Möchtegern-Patriarch entpuppen, der sich von Monat zu Monat rarer macht.
Mich beschäftigt nun immer mehr die Frage, was insbesondere Jungen wie Miki für eine glückliche Kindheit brauchen. Braucht er denn einen Vater, der sich von morgens bis abends nicht blicken lässt? Ist dieses altbackene Mama-Papa-Kind-Modell nicht überholt? Was ist, wenn ich jetzt wieder ins Berufsleben einsteige und arbeiten gehe? Dann müsste sich der Herr Robbenfänger auch mal morgens vor zehn Uhr aus der Koje quälen und aufstehen, um das liebe Kindchen zu bespaßen.
Mir geht die Email meiner Freundin nicht aus dem Kopf - ein SURFCAMP.... Wave Sissis… Lanzarote. Mutig, denke ich mir. Mutig. Aber machbar!
Ich seufze tief. Dann schlürfe ich meinen inzwischen kalt gewordenen Blümchenkaffee aus und beschließe mit Miki an den Strand zu fahren. Mit Blick auf das Meer wird mein Kopf immer so schön klar.
Platsch. Plitsch. Plitsch. Platsch. Es regnet. Es regnet immer in Kiel. Seit wenigen Wochen ist Miki nun vormittags in einer Krippe.
Ich sitze auf meinem Schreibtisch, gerade habe ich eine virtuelle Mappe mit Arbeitsproben an die Münchner Agentur gesendet. Ich habe mich getraut. Ich habe mich beworben!
Ich zeichne mit den Fingern Regentropfen nach, die außen an der Scheibe hinunter kullern. Ich fühl mich deprimiert. Gefangen. Bin genervt.
Ich habe Fernweh. Ich hasse Kiel. Die roten Backsteingebäude wirken auf mich bei dem Schietwetter wie nasse, gruselige Monster. In Reih und Glied stehen sie in dieser Stadt und starren mich düster an. Kiel kann nur ein Kieler lieben, denke ich. Ich bin aber keine Kielerin.
Ich erinnere mich, wie ich Big im wunderschönen Hamburg kennen gelernt habe. Einen coolen Skater, Surfer und Filmemacher.
Wir wurden eigentlich verkuppelt. Von jemandem, der uns beide kannte und fand “die müssten sich mal über den Weg laufen”. Sind wir. Und haben uns Hals über Kopf ineinander verknallt.
Mein Sohn ist also Kieler – ich bin und bleibe gebürtige Kölnerin. Meine Jugend verbrachte ich also in Kölle. Dot war ne Superjeilezick- auf kölsch, das war eine geile Zeit!
Ich wollte nur kurz ein Studium in Hamburg nachlegen. Das Wahlfach gab es nur in Hamburg. Und dann blieb ich länger als gewollt, denn die Bahnverbindung zu Sylt war einfach spitze.
Samstagmorgens konnte ich mit dem Schleswig- Holstein-Ticket zum Wochenend-Surfen nach Sylt fahren. Für nur 5 Euro. Ich glaube das Schleswig-Holstein-Ticket gibt es auch nicht mehr. Zum Preis von insgesamt 34 Euro mit bis zu 5 Personen ein ganzes Wochenende lang durch Schleswig-Holstein fahren – das machte schnell die Runde. So suchte ich mir einfach eine wildfremde Gruppe zusammen und teilte mir das Ticket. Der einzige Nachteil: man musste auch zusammen sitzen und so tun, als wäre man eine Gruppe.
Obwohl allen, also auch den Schaffnern der Bahn, damals bewusst war, dass wir keine Reisegruppe sondern wild zusammengewürfelte Geizhälse waren, funktionierte es mit dem Ticket einige Jahre ganz gut.
Bis dann Big auftauchte. Verliebt, verlobt, schwanger. Nicht, dass wir nicht verhütet hätten. Aber der damals ach so geniale Anti-Baby-Ring - eine Weltneuheit - war wohl doch noch nicht so ganz ausgereift. So strandeten also Miki und ich in Kiel. Das Studium hab ich auf den letzten Drücker noch gewuppt bekommen und mit Mikis Geburt quasi das Diplom eingereicht.
Kiel. Das Beste an Kiel ist die Autobahn nach Dänemark, geht es mir durch den Kopf. Gegessen hab ich noch nichts. Ich zittere leicht. Bin nervös. Irgendwie rieche ich Abenteuer. Mit dem dritten Pot Kaffee in der Hand setze ich mich erneut an den Schreibtisch und öffne meinen Email-Account. Als wenn dort Wunder geschehen könnten. Oder mir ein Geist aus einem anderen Universum einen spannenden Liebesbrief schreibt. Blödsinn. Aber ich guck halt trotzdem rein.
Da! Geil! Waaaas? Ich lese im Internet:
“Gewinne eine KIMA BALI SURFARI! Nutze die einzigartige Chance auf einen gratis Surftrip auf Bali!
In Zusammenarbeit mit der Surfers und FUNK verlost KIMA einen 3-wöchigen Aufenthalt im KIMA Surfcamp auf Bali incl. Flug und Surfschule. Damit du auch komplett ausgerüstet bist, gibt’s obendrauf noch eine funky Sonnenbrille, KIMA Boardshorts und Rashie und einen Funk Reisetrolley mit Beachbag. (Gesamtwert: ca. 2000 €). Und so geht’s: Schickt uns euer bestes Surf-Pic an dailydose.de - und mit etwas Glück wird der Traum von der perfekten Welle auf Bali Wirklichkeit. Einsendeschluss ist der 5.November”
Sofort bin ich Feuer und Flamme. Bali! Ein Traum!
Ich suche sofort Pics raus. In dem Jahr bevor ich Big kennenlernte war ich einen Winter auf Maui Hawaii und weiß, es muss ein Foto von Maui werden. Denn dort waren bisher nur wenige Surfer die ich kenne und es sollte schon ein ganz besonderes Bild sein. Mit einem Hawaii-Pic habe ich gute Chancen, so rechne ich es mir aus.
Ich wähle eines aus, öffne Photoshop auf meinem Laptop und mache mich sofort an die Arbeit....